Stern ber Neger Katholische Missions-Zeitschrift Herausgegeben von der Kongregation: Missionäre Sohne des heiligsten Herzens Jesu Heft 12 Dezember 1938 41. Jahrgang Glückselige Weihnacht und Gottes reichsten Segen für das Jahr ložo wünschen allen Lesern des „Stern der Neger" Schristwaltung und Verlag, wir bitten unsere Leser, uns auch im neuen Jahr treu zu bleiben. Eure Gnadengabe sei Karitas für die Missionen! Aufruf des Sekretärs der Propagandakongregation, Erzbischof Celso Costantini, zum Weltmissionssonntag 1938. Die Liebestätigkeit zugunsten der Missionen kommt mit der Mission selbst auf die Welt. Gut siebenmal lenkt der hl. Paulus in seinen Briefen Herz und Sinn der Gläubigen auf die Bedürfnisse der neugegründeten Kirchen. Er gibt der Karitasarbeit für die Missionen die schönsten Namen. Er nennt sie „Eure Gnadengabe" (I. Kor. 16, 2) und eine „Gott angenehme und wohlgefällige Opsergabe" (Phil. 4. 18). Am Sonntag, so empfiehlt er den Christen von Korinth, lege ein jeder von euch auf die Seite, was er für die Missionskaritas bestimmt hat. Es naht wieder, liebe Brüder in Christus, der große Sonntag, der dazu dient, auf der ganzen Welt die Gläubigen zum Gebet anzuregen und die Gabe für die werdende Kirche unter den noch christussremden Völkern zu erbitten. Die Bedürfnisse der katholischen Missionen sind ungeheuer groß. Sie wachsen im Verhältnisse zu den Missionsgewinnen. So muß auch eure tätige Liebe wachsen. Es gilt, den Verkündern des Evangeliums das Brot zu reichen und ihre vielgestaltigen Werke aufrechtzuerhalten. Bereits zählt man in der ganzen weiten Welt 14.239 ausländische und 6973 einheimische Missionspriester. 15.977 junge Menschen bereiten sich auf den Priesterberuf in den Missionsländern bor. Ausländische und einheimische Laienbrüder werden 10.035 gezählt. 55.349 Schwestern sind in der Apostolatsarbeit tätig. Die Zahl der Katechisten und Lehrer ist gar auf 163.430 gestiegen. Das bedeutet also ein Heer von 266.025 Männern und Frauen, die im Dienste der Verkündigung des Glaubens an borderster Front stehen und oft in dieser Arbeit ihr Leben opfern. Um dieses Heer christlicher Liebe gruppiert sich eine gewaltige, weitberbreitete Organisation bon Werken aller Art, bon Kirchen, Kapellen, Unibersitäten, Schulen, Hospitälern, Armenapotheken, Aussätzigenheimcn, Druckereien, Zeitungen usw. Diese Streiter Christi strecken die Hände nach euch, ihren Glaubensgenossen, aus. Sie hoffen, daß ihre Bitte nicht unerhört berhallt, daß der Weltmissionssonntag ihnen die Mittel zum Leben und zur Arbeit bietet, daß dieser Tag den Segen Gottes auf ihr Wirken herabzieht. Es bedeutet für die einzelnen ein kleines Opfer, ein Scherflein zu geben. Werden aber die kleinen Gaben aller Katholiken zusammengetan, so kommt eine große Summe heraus. Niemand darf beim Appell fehlen. In dieser Zusammenarbeit bon Millionen bon Katholiken besteht das Geheimnis des Erfolges. Die Erfahrungen früherer Jahre bestätigen diese Feststellung. Und ich ergreife gerne diese Gelegenheit, um im Namen aller Missionare dem katholischen Volk, seinen Bischöfen, Priestern und Laienaposteln für ihre unermüdliche Arbeit im Dienste der Missions-Liebestätigkeit zu danken. Am Mittelpunkt der Missionsarbeit in Rom gehen tagtäglich Bischöfe und Missionare ein und aus, die bon ihren Arbeitsfeldern sprechen und Hilfe erbitten. Ich bersichere euch: Man fühlt einen Stich im Herzen, wenn man sich gezwungen sieht, diesen hochgesinnten Männern die Hilfe zu hersagen. In manchen Teilen Indiens, Afrikas und Chinas schlägt jetzt die Stunde Gottes. Ganze Massen wenden sich an die Missionare. Aber sie müssen ja erst unterrichtet werden. Man muß ihnen Priester, Katechisten und Schwestern schicken. Dazu braucht man aber biele Mittel. Ein Bischof in China, der sein Vikariat born Kriege berheert sieht, schreibt mir: „Es klingt unglaublich, wenn man hört, wie erbärmlich die Speisen sind, die diese Ärmsten hier essen. Man glaubt auch kaum, wie hart und ärmlich das Leben ist, das meine Priester führen. Viele bon ihnen essen nur Hirse und Durra mit einfachen Gemüsen." Derselbe Bischof mußte fein kleines Seminar schließen, weil er kein Brot mehr hatte, um die Seminaristen zu berpflegen. Die Kirche ist ein mystischer Leib. Wenn ein Glied leidet oder sich freut, empfinden alle anderen Glieder mit. Die Neuchristen der Missionen, die unter Heiden leben, berstehen sehr wohl diese Pflicht solidarischer Verbundenheit mit den Missionaren. Der Bischof des gequälten Kanton schreibt mir: „Ich übersende diese kleine Kollekte für das Werk der Glaubensberbreitung. Ich betrachte es als eine Sache bon höchster Wichtigkeit, das Werk in unseren Missionen zu errichten. Um besseren Erfolg zu erzielen, habe ich die Schwestern beauftragt, seinen Zweck zu erklären, die Leute mit seiner Organisation bertraut zu machen und es in allen Christengemeinden einzuführen." So breitet sich jetzt allenthalben in den Missionen das Werk der Glaubensberbreitung und das Werk born hl. Apostel Petrus für den einheimischen Klerus aus. Jedermann weiß, mit wiebiel geistlichen Gnaden die Päpste die päpstlichen Werke der Missionsfürsorge bereichert haben. Unser Heiliger Vater Pius XL, der der Missionstätigkcit einen nie gesehenen Aufschwung gab, empfing im berflossenen April den Generalrat der Päpstlichen Missionswerke. Er sprach mit höchster Anerkennung über die geleistete Arbeit und segnete alle Mitarbeiter im Missionshilfswerk. Er zeigte aber auch tiefes Mitleiden mit den ungeheueren Menschenmassen, die bon der christlichen Botschaft noch unberührt sind. Uns aber lud er ein, unseren Eifer und unsere Liebe zu berdoppeln. Seine Ansprache schloß er mit den Worten: „Nil actum si quid agendum." — Vieles wurde geleistet, aber noch bid mehr bleibt zu tun übrig. (Der Aufruf wurde uns zu spät zugesandt, und so war es unmöglich, ihn im Oktoberheft zu veröffentlichen. Er paßt aber auch gut in die Dezembernummer. Einmal begehen wir am 3. Dezember das Fest des hl. Franz Taoer, des-Schutzpatrons der Heidenmission: sodann wird der Weltmifsionsfonntag in Deutschland an drei verschiedenen Terminen gefeiert: am 23. Oktober. 30. Oktober und in manchen Diözesen erst am 4. Dezember. Die Schriftleitung.) WeihnachtsWng«. Ein Mitglied der Afrikanischen Missionen von Lyon und ein einheimischer Priester, beide Musiker, üben zusammen die Weihnachtsmesse in Unter-Volta sWestafrika) ein. sF-ides-Photo.) Transvaal nach Kapstadt, als er von den Diamantenfunden hörte. Beim Durchreiten des Bettes des 'Vaalflusses fielen ihm gewisse Steinchen darin auf. Er füllte sich damit die Taschen und untersuchte auf seiner nächsten Herberge die „Kiesel" näher. Unter den Quarz-steinen fand er einen Diamanten. Dieser Fund führte zu den Vaal-Jluß-Gräbereien, die Leute aus allen Teilen des Landes herbeilockten. Damals gab es im Innern noch keine Eisenbahn; alles mußte entweder mit schwerfälligem Ochsenfuhrwerk oder mittels Maultieren befördert werden. Es entstand das Städtchen Barkly West, das der Hauptort der Vaalgräbereien wurde. Kurz nach »Eröffnung der Flußgräbereien wurden aus der Lehmziegelmauer des Wohnhauses des Farmers Cornelius du Plooy, des Besitzers der Farm „Bultfontein", einige kleine Diamanten herausgelesen. Auch auf den beiden Farmen „Du Toits Pan" und „Voruit-zicht" wurden Diamanten gefunden. Die beiden Besitzer du Toit und de Beer erhielten für ihre Güter 2600, bzw. 6050 Pfund Sterling. Sie waren überwältigt von soviel Reichtum, denn de Beer hatte seinerzeit seinen ausgedehnten Besitz für ein Gespann Ochsen und ein gesatteltes Pferd erworben. Als er aber später sah, welch fabelhaften Reichtum die fremden Geldleute daraus hervorholten, beklagte er sich seinem Weibe gegenüber, daß man ihm statt 6000 Pfund Sterling 6 Millio- nen hätte geben sollen. Sie aber war verständiger und fragte ihn, was ihm denn bisher am Notwendigen zum Leben abgegangen sei. Die erfolgreichen Schürfungen auf der Farm „Voruitzicht" ließen bald auf der öden, mit vereinzelten Dornbäumen bestandenen Landfläche wie durch Zauber ein Minenlager entstehen, das anfänglich den Namen „New Rush" führte, später nach dem britischen Kolonialminister Lord Kimberley den Namen Kimberley erhielt. SlnfangHdi wohnten die Diamantengräber in Zelten, die allmählich leichten Holzbauten mit Wellblechbedachung Platz machten. Die ersten Gräber kümmerten sich wenig um die Zukunft. Auf dem von ihnen gemieteten Lose, das nur 31 Fuß im Geviert maß, lockerten sie den Boden, der eine Mischung von rotem Sand und verwittertem Kalkstein darstellte, mit der Picke und beförderten ihn mit der Schaufel aus der Grube oder, wenn diese zu tief geworden, zogen sie ihn mittels Eimern' hoch. Dann wurde die Masse möglichst klein gestampft und zweimal gesiebt. Der zurückbleibende Grund wurde auf einen Sortier tisch geschüttet und mittels eines eisernen Scharrers nach Edelsteinen durchsucht. Zur Zeit des größten Diamantenfiebers betrug die wöchentliche Steuer für ein Los bis zu 10 Pfund Sterling. Ein Los wurde oft noch in kleinere Teile aufgeteilt, in Hälften, Viertel, Achtel und selbst Sechzehntel. Solche Aufteilung erschwerte naturgemäß die Arbeit der einzelnen Gräber. Der Boden, in dem die Diamanten gefunden werden, ist graublauer Ton, der in vielen einzelnen Säulen senkrecht in große Tiefe hinabgeht, die wahrscheinlich die Öffnuugstrichter einstmaliger vulkanischer Auswürfe darstellen. Die Namen mehrerer Männer sind mit der Gründung von Kimberley eng verknüpft. Da ist zunächst der bereits erwähnte Joseph Benjamin Robinson, der anfänglich auf den Fluß-gräbereien sein Glück versuchte, sich aber bei Eröffnung der Trockeugräbereien im künftigen Kimberley sogleich an diesen als Diamantengräber und -aufkäufer beteiligte. Er wurde bald reich und verwendete seinen wachsenden Einfluß als Bürgermeister und Friedensrich-ter zum Wöhle des heranwachsenden Gemeindewesens. Eng verbunden mit der Geschichte Kimber-lehs ist ferner Cecil Rhodes, der als ganz junger Mann hier ankam und seine Laufbahn ■ Eine gute Reklame für „Erdal". (Fides-Photo.) mit dem vertragsmäßigen Leerpumpen der Grubenlöcher sowie mit der Herstellung und dem Verkaufe von Rahmeis Begann, um dann selbst Diamantengräber und -Händler zu werden. Er erkannte bald das Verfehlte in der Avbeitsweise der Gräber, die, den gemeinsamen Nutzen außer acht lassend, alle nach eigenem Gutdünken vorgingen. Die Gräber-lose, die je 31X31 Fuß (9.45 m X 9.45 m) groß ausgesteckt wurden, hatten je einen Streifen von 7ll> Fuß Breite abzutreten, der als Verbindungsweg zu dienen hatte. Das fortwährende Abgraben des Grundes zu beiden Seiten machte diese Wege aber höchst unsicher, denn der alleinstehende Boden rutschte oft von selbst nach. 1874 hatten die Grubenlöcher bereits eine Tiefe von 100 Fuß erreicht; Wasser ' sammelte sich darin an und brachte die Hänge zum Abrutschen, wodurch ein Teil der Lose ganz oder teilweise unbearbeitbar wurde. Rhodes' Plan war es, möglichst viele Einzel-lose zusammenzukaufen und eine Betriebsgesellschaft zu gründen, die 'den Abbau der Edelsteine auf einheitliche Weise betreiben konnte. Er verwirklichte seinen Plan mit Beihilfe der beiden Juden Alfred Beit und Barney Barnato und gründete 1888 die De Geers-Gesellschaft, deren Ziel es dann wurde, möglichst alle übrigen Diamauteugrubeu in Südafrika aufzukaufen. Rhodes hielt die Gestehungskosten nieder und schloß die eingeborenen Minenarbeiter, die stets einen guten Teil der gewonnenen Edelsteine entwendet hatten, in sogenannte „Compounds" ab. Die mächtige De Beers-Gefellschaft überwachte in der Folge den gesamten Diamantenertrag. Sie hat heute noch ein wachsames Auge auf die Diamantenmärkte der Welt und bringt die Lieferung in Einklang mit der Nachfrage, so daß kein Fallen der Diamantenpreise entsteht. Alfred Beit, ein fähiger Kopf, der aus Hamburg stammte, wurde Rhodes' rechte Hand in all dessen Bestrebungen. Barney Barnato, eigentlich Barnett Isaacs, war Kleinhändler in der Londoner Vorstadt Whitechapel, bann fahrender Schauspieler in England gewesen und als Zirkusclown nach Kapstadt gekommen. Von dort begab er sich mit 40 Kistchen Zigarren nach Kimberley, um diese an die Diamantengräber zu verkaufen. Mit dem Erlös dieses ersten Unternehmens kaufte er Diamanten von den Gräbern auf Getrocknete Lachse für den Winter. Die Versorgung der nördlichsten Missionsstationen in Kanada ist keine leichte Aufgabe. Das Mifsionsschi-ff Mans. Tur-quetMs führ am 21. August mit Lebensmitteln ab, blieb aber im Eise stecken; Metzwein und Medikamente wurden nun den Missionären mittels Flugzeug gebracht, aber für die tägliche Mahlzeit ist es besser, sich nicht auf die Hilfe aus den Wolken oder vom Meere zu verlassen. Da gibt es an der Sonne getrocknete Lachse, die dann in den geräumigen, selbstgebauten Eisschrank kommen. und befasste sich auch selbst mit Graben. Nach zehn Jahren war er mehrfacher Millionär und trat wie ein -Fürst in London und Paris auf. 1897 machte er eine Erholungsreise nach Südafrika, übernervös geworden, sprang er auf der Rückreise über Bord und gab sich selbst den Tod. Die meisten der Diamantengräber waren Briten. Bald genug spitzte sich die Ausbeutung der Diamanten zu einer politischen Frage zu. Genau genommen lagen die Diamantenfelder im Gebiete des Griguafürsten Nicolaas Wäterboer. Die Griguas sind eine aus dem Kapland eingewanderte Mischrasse von Hottentotten, Weißen und Schwarzen, der auch einiges Malaien- und Buschmannblut nicht abgeht. Die Verwaltung des Kaplandes hatte 1834 das Gebiet Waterboers als einen Bündnisstaat gegen die räuberischen Buschmänner errichtet. Der Oranje-Freistaat beanspruchte gleichfalls das engere Gebiet der Diamantenfelder mit der Begründung, Waterboer habe dasselbe nie besetzt gehabt. Die Streitfrage wurde zur Entscheidung vor Keale, den englischen Statthalter von Natal gebracht, der zugunsten des Griquafürsten entschied, und sogleich erklärte die britische Regierung in London das Gebiet Waterboers als britischen Besitz. Der Oranje-Freistaat, der eine Abordnung nach London schickte, wurde von der britischen Regierung mit einer Trostzahlung von 90.000 Pfund Sterling abgefunden. Neun Jahre später wurde das strittige Gebiet, das den Namen West-Griqualand erhalten, dem britischen Kapland einverleibt. (Fortsetzung folgt.) Im Dienste der religiösen Erneuerung. (Schluß.) Jaegen fordert offen dazu auf, unter die Weltkinder zu gehen, sie aufzusuchen und mit ihnen liebevoll zu verkehren. Ein gutes Wort findet oft seinen guten Ort • — gar oft auch bei solchen, die religiös lau und abgestanden sind. „Wem Goti die Gabe der Rede verliehen hat", sagt Jaegen, „der nütze sie aus, begeistere seine Mitmenschen für die Ehre Gottes, damit sie treu an ihm und seinen Grundsätzen auch in der Welt festhalten." Doch Worte lehren nur, Beispiele aber reißen mit. Das gute Beispiel in der Familie und im öffentlichen Leben kann oft Wunder wirken. „Das übernatürliche Mittel gegen das böse Beispiel ist das gute der Katholiken." — Sehr viel gibt Jaegen auf das apostolische Gebet. Man darf beim Gebet nicht engherzig nur an seine eigenen Anliegen denken, man soll das Herz weit machen und an die großen Anliegen der Kirche und der gan- zen Menschheit denken. Unsere eigenen Anliegen kommen gewiß dabei nicht zu kurz. „Mit Staunen bemerken wir, wie Gott uns viele Wünsche erfüllt, selbst in den geringfügigsten Dingen väterlich für uns sorgt und uns gewissermaßen auf den Händen trägt." Jaegen und wir. In seinem Kampfbuch hebt Jaegen immer und immer wieder hervor, daß er die in der Welt lebenden Katholiken aneifern möchte, nach einer möglichst höhen Vollkommenheit zu streben. „Dein Ideal sei das Streben nach der christlichen Vollkommenheit in der Welt!" „Ich werde mich bemühen zu zeigen, daß auch die Katholiken, die in der Welt wohnen, im Rahmen ihres Berufslebens zu einer hohen christlichen Vollkommenheit gelangen können." Gerade darin liegt die Bedeutung Jaegens für unsere Zeit. Denn eine Vollkommenheit, die auf der Bergpredigt des göttlichen Heilandes beruht, wird heute in weiten Kreisen als Schwäche angesehen und mit Schmähworten bedacht. Und doch hat das Wort des Heilandes: „Suchet vor allem das Reich und die Gerechtigkeit Gottes, dann wird auch dies alles hinzugegeben werden" (Matth. 6, 30), auch voll und ganz seine Bedeutung für unsere Tage. Nach diesem Wort hat Jaegen sein Leben eingerichtet, und zwar mit einer Folgerichtigkeit und Tatkraft, die wir bewundern müssen. Er hat es getan unter ungün- stigen äußeren Bedingungen. Ein Ingenieur, ein Bankdirektor auf dem Weg zur höchsten Vollkommenheit! Gewiß keine leichte Sache! Mit Hilfe der göttlichen Gnade hat er es zu einem geradezu heroischen Grad der Vollkommenheit und seines ganzen Tugendlebens gebracht. Dabei war er kein Sonderling. Er hat regen Anteil genommen an den Schicksalen seines Vaterlandes und aller seiner Mitmenschen, namentlich derer, die ihm nahestanden. Seinen Freunden war er ein guter Freund und allen, die Rat und Hilfe brauchten, ein guter Ratgeber und bereitwilliger Helfer. Er hat es nicht verschmäht, auch teilzunehmen an Familienfesten und sonstigen frohen Unterhaltungen, er hatte eine große Freude an Gottes schöner Natur und fand in ihr seine beste Erholung. Er brachte auch der Kunst Interesse entgegen und ging hin und wieder in gute Konzerte und sonstige künstlerische Veranstaltungen. Ein Weltmann im guten Sinne des Wortes nach außen, und in seinem Innenleben ein heiligmäßiger Mann, eine innerliche Seele, von der Liebe zu Gott verwundet und nur auf seine Ehre bedacht. Gott und Christus Freude bereiten und den Mitmenschen in einer herzlichen und opferwilligen Liebe zugetan sein, das war bei ihm eine Art heiliger Leidenschaft geworden. So ist Jaegen ein hochragender Wegweiser für alle Angehörigen des Äaienstandes, namentlich für alle Männer, die guten Willens Jagdglück auf Alaska. Die Wildentenjagd war erfolgreich für unsere beiden Eskimo, die zum Apostolischen Vikariat Alaska gehören. Priester, aber vor allem Jesuiten aus verschiedenen Nationen bemühen sich um diese Rasse des hohen Nordens und teilen mit ihnen die Entbehrungen, die Klima und Lebensweise auferlegen. (Fides-Photo.) sind. Er hat durch sein Leben und auch durch seine beiden Bücher gezeigt, daß man auch im weltlichen Stande sich das Ziel möglichst hoch stecken soll. Von der Liebe zu Gott und zu Jesus sein Herz verwunden lassen — darauf kommt alles an! — und dann seinen Willen dem Willen Gottes in allem gleichschalten, so daß nicht nur die freiwillig läßliche Sünde, sondern auch nach und nach größere Unvollkommenheiten ausgeschlossen sind. Das ist der Weg, der zur Vollkommenheit führt. Mystische Gnaden, wie Jaegen sic erhielt, erleichtern allerdings den Aufstieg und führen zu einer besonders schönen, vergeistigten Art der höchsten Vollkommenheit. Jaegen will aber die Tore zur Mystik nicht weit öffnen, dafür erkannte er zu gut die Gefährlichkeit dieses mystischen Weges. Er hat nur den sehnlichen Wunsch, es möchten alle gottliebenden Seelen durch eine eifrige Pflege des Tugendlebens in aller Demut sich auf solche Gnaden vorbereiten, da sie Gott gern den demütigen und reinen Seelen gibt. Doch auch auf dem gewöhnlichen Wege, dem aszetischen. Wege kann man es zu einem heiligen Leben bringen. Denn „Vollkommenheit aller Tugenden ist Heiligkeit" sagt Jaegen. In diesem Streben nach hoher Vollkommenheit finden wir auch eine große innere Befriedigung, ein Glück, wie es die Weltmenschen nicht kennen. Jaegen sagt nicht umsonst, und zwar mit einer ganz besonderen Betonung: „Es gibt auf Erden und im Himmel für dich kein größeres Glück, als Gott, den Unendlichen, vollkommen zu erkennen und zu lieben. Präge diese Wahrheit Wort für Wort tief in deine Seele! Es existiert nichts Wichtigeres für dich." Aus: Karl Wild „Hieronymus Jae-g e n". Oktav, 216 Seiten, kart. RM. 3.50, geb. RM. 4.20. Verlag Laumann, Dülmen i. W. Im japanischen Waisenhaus. Langsame, aber stetige Fortschritte hat die Kirche in Japan zu verzeichnen. Die Zunahme beträgt im jährlichen Durchschnitt 2.500 Seelen. Unser Bild zeigt eine Franziskanermissionarin Mariens, die in einem Waisenhaus die hungrigen Kinder speist. Deutsche Franziskaner und eine Anzahl deutscher Schwestern sind in dem auf Hokkaido gelegenen Apostolischen Vikariat Sapporo tätig. (Fides-Photo.) 186 Stern der Neger Heft 12 Der kleine Weihnachtsmann. Von Karl Heinrich Mohr. (Nachdruck verboten.) Tante Ma, die alte, gute, treue Seele, schaute nachdenklich die lange Reihe Stiefel hinauf und herunter, die sie sich anschickte zu Putzen, weil Christa, die Magd, deren Arbeit dies gemeinhin war, Diele andere Dinge zu tun und zu erledigen hatte. Es ging stark auf Weihnachten. Noch vier Tage, und die Glocken von Stadt und Dorf läuteten das Isst ein. Dann war der Heilige Abend herangekommen, der während eines ganzen, langen Jahres nie völlig aus dem Gedächtnis schwinden will. Mit dem Vernehmen des Glockengeläutes war es so: Entweder drang der Schall der Stadtglocken, von Dielen Kirchtürmen ausgesandt, die -sich willig der Herrschaft des altehrwürdigen Domes mit seinem mächtigen Geläute fügten, heraus nach dem Heiligcn-stock, oder die Glöcklein des näher gelegenen Dorfes kündeten das beginnende Fest des Heilands. Das hing davon ab, welche Richtung der jeweils herrschende Wind nahm. Kam er von Süden oder Südwesten, so führte er das städtische Glockenkonzert heran; kam er aber aus Osten oder Nordosten, so brachte er das Lied des Dorfes mit. Dieses war indes auch bei völliger Windstille zu hören, weil das Dorf nur etwa eine Viertelstunde entfernt lag, während es nach der Stadt einer guten Stunde Weges bedurfte. Der Heiligenstock, ein Hofgut aus alten Zeiten, das vielen Geschlechtern schon Heim, Brot und Friede gegeben hatte, lag einsam an der Landstraße zwischen Stadt und Dorf. Gern machten Wanderer, Kutscher und Fuhrleute vor seiner Tür halt, um sich zu kurzer Rast und Labung in die kleine, niedere Gaststube zu begeben, die dem aus Landwirtschaft und Viehhaltung bestehenden Betriebe angegliedert war. Weniger um eines geringen Im chinesischen Blindenheim. Chinesische blinde Kinder sind mit Korbslechten im Heim von Peungkong beschäftigt, die Dominikanerinnen von Maryknoll überwachen sie mit mütterlicher Sorgfalt. Das Heim ist zugleich für alte, arbeitsunfähige Leute bestimmt, während nicht weit von Kong-moon die Maryknoll-Mifsionäre ein Leprosen-heim mit 300 Insassen unterhalten. (Fides-Photo.) Auch ein Fortschritt. Die Rikschakulis haben sich technisch vervollkommnet. Die zwei Missionäre in dieser Gegend Südchinas sind auch zufrieden, daß ihre Läufer auf den Fahrrädern weniger ermüden und schneller vorankommen. (Fides-Photo.) Mehrverdienstes to egen, als um eine Statte trauter Gastlichkeit den bei Wind und Wetter durch Beruf und Pflichten auf die Landstraße Angewiesenen zu bieten. Eine große Familie bewohnte den Heiligenstock zur Zeit des Geschehens, das ich euch erzählen will. Neun Kinder waren der gesegneten Ehe Heinrich Mosers mit Dorothea, seinem Weibe, entsprossen — vier Buben und fünf Mädel. Zu diesen elf Köpfen gesellten sich noch einige weitere hinzu, die wir auch als Familienangehörige begrüßen müssen. Vor allem Tante Ma, die, wie ich eingangs erwähnte, sich gerade daran machte, viele, viele Stiefel zu putzen. Ihr wundert euch über ihren drolligen Namen, den ihr noch nie gehört haben mögt. Ja, darüber wäre zu berichten, daß sie eigentlich Marie hieß. Sie war Frau Dorotheens Schwester, älter als diese, und von ihr ins Haus genommen worden, da sie unverehelicht blieb und als zweite Hausmutter unschätzbare Dienste zu leisten vermochte. Die Abwandlung ihres Namens verdankte sie allein Fritz, Frau Mosers Erstgeborenem, der es, als er seine ersten Sprechversuche unternahm, kurzerhand bei Ma bewenden ließ, weil er Marie noch nicht herausbrachte. Von da an hieß die gute Tante eben Ma. Nicht nur die Kleinen nannten sie so, sondern auch die Großen, und sie behielt diesen Stamen bis an ihr spätes, seliges Ende. Allerdings mußte sie sich im Laufe der Jahre noch einen zweiten, nicht ganz ehrwürdigen, aber um so treffenderen Spitznamen gefallen lassen, und zwar den einer „Dicken Tante". Wohl hüteten sich die Kinder, sie dergestalt zu rufen oder anzureden, weil sie wußten, sie würde sich darüber ärgern. Aber es läßt sich nicht bestreiten, daß ihr das beigelegte Prädikat vollauf zukam. Denn Tante Mas Leibesfülle nahm mehr und mehr Formen an, die ihr in des Wortes wahrstem Sinn ein Gewand nach dem andern sprengten. Da sie nun überaus bescheiden und anspruchslosen Sinnes war und ungleich mehr darauf bedacht, anderen zu dienen und für andere zu schaffen, als sich selbst viel zu gönnen und zugute zu tun, dachte sie nicht daran, die zu eng gewordenen Kleider für den Hausgebrauch durch neue zu ersetzen. Sie behalf sich — einfach und billig —, sobald eine Erweiterung sich als notwendig erwies, mit einigen Flicklappen, die sie kunstgerecht einnähte. Und da sie diese Prozedur an einem und demselben Gewand so oft und so lange vornahm, wie nur der Faden halten mochte, nahm dieses infolge der Verschiedenartigkeit der einzelnen eingesetzten Lappen schließlich ein Aussehen an, das so bunt und so scheckig war wie die Landkarte Europas! Gutmütig, wie sie war, nahm Tante Ma die darob über sie ergehenden Witze und An- spielungen gelassen hin. Sic hatte nicht den Ehrgeiz, als Respektsperson zu gelten — eine Würde, die sie neidlos den 'beiden Schwestern Winkelmann überließ, zwei schon etwas bejahrten Damen, die ebenfalls zur großen Familie auf dem Heiligcnstock zählten. Augusta und Thekla Winkelmann — die „Winkelmänner" genannt — leiteten ihren Anspruch auf besondere Achtung und Wertschätzung aus ihren Stellungen als Hauslehrerinnen und zugleich Erzieherinnen der Moserschen Kinder her, ein Standpunkt, den man ihnen billigerweise nicht verübeln kann. Ihm gerecht zu werden, fiel indessen den Kindern nicht immer leicht. Denn Leiden hafteten gewisse Eigentümlichkeiten an, die geeignet sind, Buben und Mädels heiter zu stimmen. Augusta sprach anders, als man's gewohnt ist. Sie hatte eine Vorliebe für die Konsonanten, die sie nach Möglichkeit betonte und hervorhob. Das gab seltsame Wirkungen, insbesondere -bei den Zischlauten und beim R. Beim gemeinschaftlichen Gesang, der gern gepflegt wurde, geschah es zum Beispiel mitunter, Laß Augusta schier weltvergessen noch auf ihrem R thronte, während alle übrigen bereits um einen halben Takt voraus waren! Thekla hingegen entzückte durch den Ausruf „Pü-Püüüh", den sie sowohl als Zeichen der Zustimmung als auch der Ablehnung und Entrüstung gebrauchte und der viel versteckte Heiterkeit erregte. Abgesehen jedoch von diesen an sich harmlosen Abweichungen fügten sich die ,Minkelmänner" vorzüglich in den Rahmen der großen Familie ein, und niemand wünschte je, sie zu missen oder ihrer verlustig zu gehen. Neben Christa versahen noch Johann und Kaspar, zwei Knechte, ihren Dienst auf dem Moserschen Heiligcnstock, so daß dieser insgesamt siebzehn Menschen ständig unter seinem Dach vereinte. Nahezu ebensoviel Paar Stiefel zu reinigen und zu wichsen schickte sich nun Tante Ma an Stelle der verhinderten Christa an. Das war keine Kleinigkeit, zumal nasses, regnerisches Wetter für reichliche Verschmutzung derselben gesorgt hatte. Am besten war es noch um die Stiefel der Kinder bestellt, über die Kinder war, zu ihrem großen Leidwesen, vor kurzem ein elterliches Verbot gegangen, den häuslichen Hof auf weitere Entfernung denn auf gute Sichtweite zu verlassen. Praktisch bedeutete dies, daß die kleine Schar sich während ihrer Freizeit entweder in dem natürlich blitzblanken Haus oder dem täglich reingekehrteu und gescheuerten Hofraum aufzuhalten hatte und außerhalb desselben nur ein kleines Stück die Landstraße hinauf- und heruntergehen durfte. Es war dies eine recht fühlbare Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, durch die ihnen vor allem der Besuch des auf halbem Wege zwischen Hof und Stadt gelegenen kleinen Wäldchens versagt blieb, in dem sie sich mit Vorliebe zu tummeln und ihren mancherlei Spielen nachzugehen pflegten. Jedoch, das Verbot war notwendig geworden. Glaubt nicht etwa, es sei zur Strafe ergangen, als Sühne für Ungezogenheiten, für ein Übermaß an dummen Streichen, für Unfolgsamkeit oder dergleichen. 'O nein; waren die „neun Mosers" auch nicht unter allen Umständen und zu allen Zeiten Engel, so wogen ihre gelegentlichen kleinen Sünden und Seitensprünge — wie sie „in den besten Familien" unterlaufen — doch nicht so schwer, um eine so einschneidende Maßnahme zu treffen. Das Verbot wurde allein erlassen zu ihrem Schutz. Seit einiger Zeit hatten fahrende, braune, unheimlich anmutende Gesellen, echte Zigeuner, sich irgendwo in der Nachbarschaft mit ihren Wagen und Gäulen, mit Kind und Kegel niedergelassen und machten die Gegend unsicher. Da war es schon besser, man nahm die Kinder in acht und hütete sie, so war man ihrer sicher. Sie selbst sahen es ein und fügten sich willig. Um so mehr überraschte Tante Ma der Zustand von Wilhelms Stiefel, die, als einzige der neun Paar Kinderstiefel, über und über schmutzbeladen in der Reihe standen. Wilhelm rangierte, dem Alter nach, etwa in der Mitte der jungen Gesellschaft. Er zählte zwischen sieben und acht Jahren und galt als einer der Gehorsamsten, Willigsten und Gutmütigsten. Was ausgerechnet ihm in den Kopf gegangen sein mochte, dem ergangenen Verbot zuwider über Land zu spazieren, seine Schritte über Weg und Steg zu lenken — weiß der liebe Himmel wohin! Wieder und wieder besah sich die gute alte Tante die Stiefel des Buben, der ihr sehr am Herzen lag, über es war kein Zweifel: Ackererde klebte an ihnen und Lehm, und mit keinem von beiden kommt man weder auf dem Die Aufnahme geifit einen Teil des großen Flußhafens von Hankan. (Fides-Pholo.) erlaubten Stück Landstraße noch auf dem häuslichen Anwesen in Berührung! Im Nachsinnen darüber, was Wohl in den kleinen Mann gefahren sein könne, erinnerte sich Tante Ma, daß dieser letzthin ein merkwürdig bedrücktes Wesen zur Schau trug. Sie beschloß'also, ihn sobald wie möglich zur Rede zu stellen, um zu erfahren, was ihn bedrücke, und vor allem: welche Bewanduis es mit der Wanderung habe, zu der er sich zweifellos hatte verleiten lassen. Die Sache war ganz bestimmt nicht recht geheuer. Bevor jedoch Vater und Mutter Moser etwas erführen, wollte sie selbst den Jungen ins Gebet nehmen. Er würde — dafür kannte sie ihn zu gut — nicht mit der Wahrheit zurückhalten, und so hoffte sie, die Angelegenheit Beilegen zu können, ohne den Eltern Mitteilung zu machen, die nun allerdings keinen Spaß verstanden, sobald es sich um einen so ernsten Verstoß gegen eines ihrer Gebote handelte. Diese Hoffnung der guten Tante sollte sich nicht erfüllen. Es ist ihr wirklich nicht möglich gewesen, den Fall allein mit Wilhelm und unter vier Augen mit diesem zu einem guten Ende zu führen. Dazu war das, was sie erfuhr, viel zu erschütternd. Ilm den vermeintlichen kleinen Sünder sicher zu stellen, bediente sich Tante Ma einer List. Sie nahm seine Stiefel — ungeputzt, damit sie nicht an Welveiskraft verloren — beiseite und versteckte sie an einem geheimen Ort. So mußte er, wohl oder übel, zu ihr kommen, sobald er sie begehrte. Und Wilhelm kam, nachdem er lange vergebens im ganzen Hause gesucht hatte. Er kam, eine wahre Leichenbittermiene zur »Schau tragend, pirschte sich wie ein scheues Stück Wild au die Tante heran und fragte nach dem Verbleib seiner Stiefel. Da nahm ihn die besorgte Tante ohne weitere Umschweife ins Gebet. „Wilhelm", fragte sie, „wo bist du gestern gewesen?" „Ich? Ach — ich war nur mal — ein bißchen -----über'n Acker." „Du sollst doch nicht über'n Acker gehn, Wilhelm!" zürnte die Tante und war ehrlich entrüstet über den Ungehorsam ihres Neffen. Wilhelm schwieg. „Wilhelm", begehrte nun seine Tante auf, „weiht du nicht, daß es euch verboten ist, euch so weit zu entfernen?" Wilhelm nickte. „Na, und warum —?" Ein mächtiger Tränenguß, begleitet von einem erschütternden Aufschluchzen, unterbrach ihre Rede. Wilhelm hatte sich abgewandt.. Er kehrte der Fragenden den Rücken, stand da mit gesenktem Kopf und weinte bittere Tränen in das vorgehaltene Taschentuch. Bei einem Bild voll Jammer und Qual, wie er es dergestalt bot, wurde der Tante warm ums Herz. Sie konnte nicht anders, als sich des kleinen Mannes in Liebe und Güte zu erbarmen, und ehe er es sich versah, hatte sie ihn mit beiden Armen umfaßt, zu sich herabgezogen auf ihren Schoß, und während er nun erst recht losheulte, als -sei es um ihn und seiner Seele Heil geschehen, strich sie ihm beruhigend übers Haar. Für die nächsten Minuten erfüllte das Weinen des Buben die kleine Stube, in der die beiden weilten. Allmählich ebbte dieser Erguß unter der Einwirkung von Tante Mas tröstendem Streicheln ab und ging über in ein mehr und mehr verhaltenes Wimmern. „Ist gut jetzt, Wilhelm, sei still", nahm Tante Ma das Wort wieder auf. Dabei nahm sie dem Buben das Taschentuch sachte aus der Hand, um ihm die überreich das Gesicht verunzierenden Tränenspuren hinwegzuwischen und zu -tupfen. „So", begann sie, nachdem dieses Reinigungswerk notdürftig geglückt war, „so, Wilhelm, und jetzt sag mir, was du auf dem Herzen hast. Dich drückt 'was — das habe ich schon die ganze Zeit bemerkt. Sprich, mein Junge, und hab' Vertrauen zu deiner alten Tante, die es doch schon immer nur gut mit dir gemeint hat! Was ist's------?" „Ach, Tante Ma, ich wünschte — ich wäre ------ reich!" schrie nun Wilhelm förmlich auf. Die Tante mußte erst einmal tüchtig aufatmen, bevor sie ein Wort der Erwiderung fand, so hatte sie das seltsame Begehren ihres Neffen erstaunt und erschreckt. „Waaas? Du möchtest — reich sein, du — Dreikäsehoch? Was soll denn das heißen?!" Wieder verzog Wilhelm das Gesicht und schaute unter sich. Aber Tante Ma faßte ihn beim Kinn und wendete ihm das Gesicht so, daß er nicht um-. hin konnte, ihrem prüfenden Blick zu begegnen. „Höre, Wilhelm", sprach sie gedämpft, „das ist doch dummes Zeug! Nein, ich kann's nicht glauben, das kann ja gar nicht dein Ernst sein! Wie könnte ein Junge wie du, dem es an nichts gebricht, der ein Elternhaus besitzt, um das manches wirklich arme Kind ihn beneiden mag, der mit allem und jedem versehen ist, was ihm zukommt, der von der Liebe seiner Eltern, Verwandten,. Lehrer und Geschwister umgeben ist — wie sollte ein solcher Junge unzufrieden fein? Und das auch noch wenige Tage vor dem seligen Weihnachtsfest, zu dem, wie immer, dir doch nichts weiter winkt als Liebe und Freude?" Als Wilhelm diese Worte vernahm, umklammerte er plötzlich den Hals seiner Tante und küßte sie. „Es ist ja nicht wegen mir, Tante Ma", raunte er ihr ins Ohr, als fürchte er, sein Geständnis könne außerhalb dieser vier Wände vernommen werden, „es ist ja wegen — dem Heini!" „Wegen — dem Heini? Wer ist denn das?" Jetzt endlich erzählte Wilhelm. In fliegender Hast, mit sich überstürzenden Worten, so daß die gespannt lauschende Tante öfters fragend unterbrechen mußte, um recht zu verstehen, redete er sich vom Herzen, was ihn bedrückte. Der Heini war ein armer Bub, der früh den Vater und Ernährer verloren hatte. Seit Jahr und Tag schon lebte er allein mit seiner Mutter in deren kleinem Häuschen, das nicht mehr als Stube, Kammer und Küche umfaßte, und in dem gar oft Schmalhans Küchenmeister sein mußte. Denn das, was seine Mutter durch Aushelferdienste, die sich ihr bei — leider viel zu seltener — Gelegenheit boten, verdiente, langte mitunter kaum zum Allernotwendigsten. Wilhelm lernte den armen Jungen einmal im Walde kennen und fand, da er ein lieber und umgänglicher Kerl war, Gefallen an ihm. Sie wurden insgeheim Freunde. Und so Kanton aus der Vogelschau. Die Stadt Kanton in Südchina am Ostari» des Deltas gelegen, das der Si-Kiang oder Kantonfluß bildet, hat mit Einschluß von Ho-Nam and der auf den „sampans" (Hausschiffen) lebenden Bevölkerung über zweieinhalb Millionen Einwohner. Unsere Stadlansicht stellt die internationale Konzession Shameen mit ihren Banken und Geschäftshäusern dar. (Fides-Photo.) währte es nicht lange, -bis der kleine Moser erfuhr, wie es um den Sohn der Witwe bestellt war. Mehr als einmal schüttete ihm Heini sein Herz aus, und jeder Bericht erschütterte aufs neue die Seele des guten Wilhelm. Zu rechtem Kummer jedoch wuchs sich sein Mitfühlen aus, als zum ersten Male die Rede auf Weihnachten kam. Da sah der Junge vom Heiligenstock im Geiste die elterliche „Gute Stube" vor sich im Glanz des Lichterbaumes erstrahlen; er sah Vater, Mutter, seine Geschwister, die gute alte Tante Ma, die Winkel-männer, die Christa und die beiden Knechte versammelt, Weihnachtslieder singend und nachher sie alle freudig und zufrieden den langen Gabentisch nach dem Ihren absuchend. Und er hörte, wie sie nacheinander in überraschtem Ruf ihr Erstaunen ob der Fülle der ihnen zuteil gewordenen Geschenke zum Ausdruck brachten. Weiter denkend, erschaute er sie dann alle, alle zum Festschmaus vereint, und da war nicht einer, nicht der letzte Knecht, der nicht vollen Anteil genoß an diesem hehren Fest der Liebe und Versöhnung! Dort aber, querfeldein, nur eine knappe halbe Stunde Wegs vom Heiligenstock entfernt, sollte zu gleicher Zeit ein lieber, braver Junge mit seiner Mutter darben. An ihm mußte Weihnachten vorüberziehen — ohne Lichterglanz, ohne Freude, ohne Geschenke. Gestern nachmittag hatte er sich noch einmal überzeugt. Der Schmerz und die Armut des jungen Freundes übermannte ihn, trieb ihn, trotz des elterlichen Verbots, hinaus über Äcker und Wiesen nach dem kleinen, dürftigen Häuschen. Ein paar Äpfel in den Taschen, bemühte er sich, ein wenig Glück und Trost den Armen mit hinüberzubringen. Wie sie sich freuten über die bescheidene Gabe, die doch nur ein recht mäßiger Abglanz dessen war, was ihn selber an Glück und Wonne umgab! Oh — er vermochte nicht, froh zu sein, eine Art Scham überkam ihn, als er Heini herzhaft in eine der feisten rotbäckigen Früchte beißen sah. Scham darüber, Laß -es im Grunde doch weiter nichts als Brosamen bom eigenen, reichen Tisch waren, die er überbrachte! Und da wünschte er sich — reich zu sein. Reich, um schenken, beglücken zu können, um Heini, čem armen Jungen und seiner Mutter, ein wahres, frohes Weihnachtsfest zu bereiten! Lange -saß Tante Ma nachdenklich da, nachdem Wilhelm geendet hatte. Der war längst ausgestanden und schaute nun sinnend aus dem Fenster. 'Verstohlen wischte sich die iSxmte die feuchtgewordenen Augen. Dann stand auch sie auf und trat auf ihren Neffen zu. „Komm, Wilhelm", sagte sie, indem sie ihm die Hand auf die Schulter legte, „wir werden das — in Ordnung. bringen." „Tante Ma", schrie der Junge auf, boll freudiger «Erregung. Er wußte, wenn die Tante eine Sache „in Ordnung bringen" wollte, dann stand Gutes bevor. „Tante Ma!" Pssst", wehrte diese und verschloß ihm, gerührt und erregt, den iDtunb mit einem innigen Kuß. Kurz darauf standen beide Vater und Mutter Moser gegenüber. Sie trafen sie nach kurzem Suchen in der Küche an, damit beschäftigt, die Speisefolge für die Feiertage zu beraten und festzusetzen. In möglichst wenigen, knappen aber warmen und guten Worten berichtete ihnen Tante Ma die Geschichte von Heini und seiner Mutter, so «wie sie dieselbe von Wilhelm soeben erfahren hatte. Auch sie hatte sogleich eingesehen, daß hier etwas geschehen müsse, daß wenn je, so in diesem Falle Hilfe, schnelle Hilfe geboten war. Dazu war -sie allein nicht imstande. Sie hegte indessen keinen Zweifel, Laß Schwager und Schwester ihr beipflichten würden, und so vertraute sie ihnen rückhaltlos an, was nun auch sie im gleichen Maße bewegte wie Wilhelm. Dabei ließ sich freilich auch dessen gestrige Wanderung nicht verschweigen, und weil diese immerhin auf einen Ungehorsam beruhte, kam Wilhelm um eine entsprechende Rüge nicht herum. Sie fiel gelinde aus, ja sie kam eher einer wohlwollenden Belehrung gleich. „Du hättest, anstatt auf eigene Faust zu handeln, dich uns anvertrauen und uns zu Rate ziehen sollen, Wilhelm", sagte Vater Moser. ,>Dein gutes Herz und deinen christlichen Sinn in allen Ehren — aber, wie wolltest denn du allein den beiden armen Leuten helfen?" Ja, hierauf wußte Wilhelm wirklich keine Antwort. Das war es ja gerade, was ihn so unglücklich stimmte! ' Er sollte nicht lange im Ungewissen bleiben. Zwar bedeutete ihm der Vater, daß es der Wunsch und Wille aller sei, den armen Heini und seine Mutter mit seinem Paket Lebensmittel, einigen warmen Sachen und einer Summe Geldes zu bedenken, damit auch sie rechte Weihnacht feiern und der Segen, der diesem Fest aller Feste innewohnt, sich auch über ihr Häuslein ergießen möge! Da Wilhelm solches hörte, kannte seine Begeisterung schier keine Grenzen. Er küßte nacheinander Vater, Mutter und nochmals die gute, treue Tante Ma, die solch wunderbare Lösung ermöglicht hatte. Am liebsten wäre er schnurstraks hinüber zu Heini gelaufen — geflogen sozusagen, tote der Weihnachtsengel: voll froher Botschaft! Hieran war allerdings nicht zu denken-Ein ernstes, warnendes Wort des Vaters belehrte ihn, daß ein weiterer Versuch, den Heiligenstock auf größere Entfernung als die erlaubte zu verlassen, die seinem jungen Freund zugedachte Überraschung in Frage stellen könne. Das genügte. Wohl verbrachte unser kleiner Weihnachtsmann die wenigen Tage bis zum Heiligen Abend in größter Ungeduld und Spannung. Als d&er endlich der Kalender das Datum des Wierundzwanzigsten zeigte und der Water selbst ihn mit zwei Paketen, von denen er das kleinere und leichtere tragen durfte, nach dem Haus Heinis und seiner Mutter begleitete, da jubelte es in ihm — voller Glück und Dankbarkeit! Und. die Glocken, die diese Weihnacht — diesmal von fern her aus der Stadt, doch mit mächtiger, eherner Stimme — einläuteten, sie kündeten ihm das herrlichste aller Feste, die er je erlebt! Denn, so schön es ist, mit Gaben aller Art beschenkt zu werden, das edelste Geschenk ist doch und bleibt: der stumme Dank aus strahlend frohen Augen!