^5 MW . ' Mutzen «nd Vergnügen. Freytag den Z. October 1823. , ffrasmus Lueger. (Fortsetzung.) Vr Hard jetzt in ein anderes Gefängniß gebracht, welches, obschon etwas geraumigerund milder, doch darum nicht minder schrecklich war, weil alle, die es bewohn« tan, vsn dort Zur Todesstatte wandeln mußten. Auch warb er mit geringeren Fesseln belastet. Mit mönnli« chec Standhaftigkeit erwartete nun Erasmus die Erscheinung der ernsten Stunde, wo ein Schwertschlag das Possenspiel seines Lebens i:'ditt^ dcn dichttn Vor« hang vor der Zukunft Tiefen seinen Blicken öffnen sollte. Viel« Versuche von neugierigen Gaffern belästigten ihn ; aber er empffng sie alle mir Sanftmuth, besprach sich mit ihnen, und scherzte sogar, voll der erhabenen Seelenruhe. Angenehm war ihm daö öftere Wiederkommen eines in der ScelsorZc ergrauten Weltprkesters, mit den» «r sich gern über Zukunft und Unsterblichkeit besprach. So vergingen die zwey — so war schon der dritte Unb letzte seiner Tage der Vollendung nahe, Lueger war gefaßt; er verachtete die Welt, ihren Undank — ihre schönen Seifenblasen alle —und feine Seele schwebte schon über dsm Sarge, athmete reinere Himmels, luft; sah schon in bessern Gefilden so manchen seiner Iugendgefähttsn, der im Kampfe für's Vaterland ai, seiner Seite fiel. Er unterhielt sich im Geiste mit seinem Lehrer und Waffenbruder B au m kir ch e r, der ihm freundlich entgegeneilte, im Lande der Liebe. Ohne Gattinn, ohneKinder, von seinen Waffenbrüdern ge, trennt und verlosten, band ihn nichts mehr an die Erde. In solche Beachtungen versunken, saß er einsam in der Abenddämmerung des dritten Tages, indeß sein« Wächter, von ihm reichlich beschenkt, ,'m Vorgemache weidlich zechten, und auf die Gesundheit des Verur-theilten manchen Humpen leerten — als plötzlich die Thür sich öffnete, und ein langer Franciscaner-Mönch herein trat. L u «ge r, der diese Erscheinung für einen bloß geistlichen Besuch hielt, stand auf, ging dem Kommenden entgegen, und sprach mit sanftem Ernst: «Ich dant' Euch, ehrwürdiger Water! für Eure fromm« Sorg» fält! Meine Rechnung mit dem Himmel ist geschlossen, ich wünschte die letzten Stunden meines Daseyns mir selbst zu leben. Der Mönch schlug schweigend die Cavw« ze zurück, und'L ueger erkannte jetzt in ihm den Hof. Meister des Kaisers, Wilhelm von Bareneck. Dieser edle, biedere Steyermärker, «in würdiger Abkömmling der alten Grafen von Steyer, welche der Steyermaik ihren Nahmen Zaben, und sie zuerst zu einer Mart< grafschaft, endlich zu einem Herzogthume erhoben, stand wie, ein guter Genius an dem Throne Friedrichs d»< Dritten. Er glaubte die Treue gegen seinen Kaiser am besten dadurch zu bewsisen, wenn er, ferne von jedem Eigennutze, nur das wahre Gute beförderte und seinen Monarchen abhielt, falschen Einrathungen zu folgen, dke ihm und den Völkern seiner Herrschaft nachtheilig waren. Vergebens hatte Wilhelm einst für Bau m ki r< chers Begnadigung mit allem Nachdrucke gesprochen;^ ihn konnte er nicht retten, wohl aber seinen Schwiegersohn Hannsen von Stubenberg, der späterhin als Landeshauptmann dem Vaterlande und dem Mo< narchen rühmlich diente. Bareneck, den es empörte, daß wieder einer der ersten Helden Österreichs durch das HenkerssHiven sterben sollie, beschloß, Luegern beyzuslehen > und da er wu^ts, daß eine öffentliche Be^ gnadigung desselben'dle mächtige Fawllie ches Werkzeug des Muthes! Freyheit oder Heldentod selbst sollst du mir vergaffen!" Leise diese Worte mur, melnd öffnete« entschlossen rit Kerkerthür; er schlich UN' bemerki t urch die schnarcheudenWachen, mußte noch mehrer« menschenleere Gemacher dmchwandeln, und tappte sich endlich über eine Wendelssiege hinab in den Vorhof. Das Thor war offen, aber erhörte vor selbem den Fuß, tritt cinerSchildwache.,Unbemerkt wollte er sich delPforte nahen, und dann, wen» derWcichter abwärts sich wendet, durch die Hunkelheit begünstiget, schnell hinaus schlüpfen. Schon war er von den Gräben der Freyheit nur mehr drey Schritte entfernt, als plötzlich ein unge. heuere« Bullenbeißer mit laucem Gebelle auf ihn los. rannte. Lueger wollte ihn mit dem Schwette nieder, stoßen., als seine getreuen zwey Hunde, welche von dem Haufe seiner Gefaiigenschaft nie gewichen waren, durch, das Thor herein auf die Bestie himim-^en , und sie mit vielen Pissen zerzausten. L u eg er, den Augenblick benutzend , wollte «ben einen raschen Satz durch das Thor machen, al4 ihm eine tiefe Baßstimme: Wer ba? ent< gegenbr" !t?. Jetzt galt es Besinnung! Ehe die Wache ihr schwerftlligeS Luntengewehr losdrücken konnte, war es ihr schon entrissen, und der entwaffnete Spießbürger nahm erschrocken das Fersengeld. Ohne einen Augen« blick zu säumen, eilte nun Erasmus den Ufern des MaynSzu, stürzte sich rasch in die rauschenden Wogen, und schwamm, begleitet von seinen getreuen Rüden / die schnell ihm nachfolgten, an's jenseitige Gestade, wo es ihm bald gelang, seinen mit den Rossen harrenden Knappen zu finden. Hastig ging eS «etzr fort dem Vaterland« zu. Barenecks weife Vorsicht hatte für Geld, LebenSmittel und Kleider gesorgt. Als der Tag anbrach, versteckten sie sich in einem Walde, und hatten daS Vergnügen, ihre Verfolger «uf der Heerstraße vovbeyspre»gen zu sehen, ohne hinter den Gebüschen bemerkt zu werden. Vorsichtig verwechselten sie da ihre Kleider, machten ihre Gesichter unkenntlich, und traten erst mit wieder kehrender Nacht ihre weitere Wanderschaft an. Glücklich eingingen sie den Gefahren der Entdeckung, horten in mancher Stadt «on Luegers Flucht und Achrser^ klärimg, und erreichten endlich die Gränze dsr österrei-chischenStaacen. Wehmüthig, süße Empsindungmdurch-wallten Luegern bey dem Anblicke der heimischen Berge. Erfreute sich, diese bekannten Gegenden, die fv vertraulich ihn ansprachen, wieder zu sehen-; aber es schmerzte ihn lief, als ein Geächteter wiederzukehren , und in den Ländern, wo einst seit» Heldenruhm selbst in den Hütten der Landleute nicht unbekannt war, jetzt gleich einem Diebe und Mörder sich verbergen zu müssen. Gern hätte er seinen Lieblingswohnsitz am Fuße des Schöckels zum Aufenthalt.gewählt; toch! dorl war keine Sicherheit für ihn, »nd so entschloß er sich, nach Lueg, dem alte» Stammschlosse seines Geschlechtes/ zu wandern, obschon eine gewisse innere Stimme ihm dieß abzurathen schien. Die Lage dieses Ortes, welche so ganz mit seinem gegenwärtigen Schicksale übereinstimnte, tie Festigkeit, die ihn,vor jedem Überfall schützte, und endlich das Bewußtseyn, daß dieser Erdenwinkel selbst wenigen der Eingebornen, und zwar nur in einem engen Kreise umher bekannt sey, bestimmten ihn nach Vers nunftschlüssen zu dieser Wühl, obschon das Hsrz widersprach. Damahls hatts Kram noch eine sehr dürftige Bevölkerung, und war mit vielen Wäldern und großen Wüstensyen erfüllt, unter welchen die Gegend um Lusg den ersten Rang behauptete. Noch beynahe ein Jahrhundert spater gab es in diesem Lande der wilden Thiere so viele, daß «ine Edelfrau das Unglück hatte, inner den Mauern ihres Schlosses im Hofe von einem durch das offene Schloßthor herein gekommenen Bären zerrissen zu werden., woraus man sich eins Vorstellung von dem damahligen wüsten Zustande dieses Landes ma» chen kann. WaS aber zur Verborgenheit dieses Stammschlosses der Lueger am meisten beytrug, war, daß es im Lande noch ein zweytes Schloß dieses Nahmens gibt, welches von spateren Zweigen diefeS Geschlechtes in einer angenehmen Gegend erbauet, und ^zu ihrem gewöhnlichen Wohnsitze erwählet war, welches dann das Erstere allgemach in Vergessenheit brachte. Es war Sitte der Edelgeschlechter deS Mittelalters, mehreren Schlössern, die sie erbauten, ihren Familiennahmen zu geben. ES war «ine fürchterliche — grauenvolle Nacht, j - der Donner wllte, die Blitze schmetterten, beulende Stürme rissen hundertjährige Bäume aus ihren Wurzeln, Regen und Schlossen strömten von dem schwär^ beschleyerten Himmel herab, als Era^mus und sein Knappe endlich, nach langem Umherirren in den ungeheuern Wäldern, und steter Gefahr, von einem Blitz« strahl getroffen oder ^on den krachend niederstürzenden Bäumen erschlagen zu werde,,, am Fuße der Felsenhöhle chr^ künftigen WohnoneZ anlangten. Sie banden bi« Rosse an einen Baum, wozu ihnen die Blitze leuchte, ten, und kletterten mühsam auf Handen und Füßen den schmalen Fußste.g hinan, voll Besorgniß, jeden Augen, blick durch eine. Fehltritt in den Abgrund zu stürzen, bls ,ie enollch, ron Nässe träufelnd, matt und kraftlos das Ziel chrer Wanderschaft erreichten. Die kleinere Pforte des Schlosses war unverschlossen; sie schlichen die Treppe hinan., und tamen endlich in das erste, z.veyt« und dritte Gemach,, ohne die Spur eines Bewohners zu entdecken. Schon wollten sie auf h.irtem Boden ihren müden Gliedern eine Lagerstelle gewähren, als es ihnen däuchte, sie hotten Menschenstimmen. Schnell tappten sie, so viel eS dre Finsterniß gestattete, dem Laute nach, und entdeckten bald durch die Thierspalte des hintersten Gemaches den Schimmer eines Lichtes. Lueger öffnet« rasch; aber wie groß war sein Erstaunen, als er zwölf bewaffnete Männer um einen runden Tisch zechc-no er-blickte, die bey seinem Anblicke sogleich von ihren Sitzen auffuhren, ihre Schwerter aus den Scheiden rissen, und gegen ihn losbrachen. Halt! schrie Lueger mit emer Donnerstimme, und hielt ihnen die Pistole drohend vor. Sie wichen etwas zurück, und der Unerschrockene fragte gebietherisch: wer sie seyen, was sie hier wollten 5 Was gibt dir ein Recht zu diesen Fragen? erwiederte einer dieser Männer. Ich bin Herr dieseS Schlosses, und will wissen, wer meine Einwohner si»d, antwortete Lueger. Die Manner waren erstaunt über die Huße. rung, sie sahen ihn forschend an, und riefen endlich freu-dig aus: Er ist's! es ist Lueger, unser Hecr und Ge-biecher! Jetzt erkannte Erasmus ebenfalls, daß es seine Reisige waren, denen er schon vor mehreren Jahren die Bewachung dieses Schlosses anvertraute, wohin «r jedoch ftit einiger Zeit nicht mehr gekommen war. Als er sie näher über ihre bisherige Lebensweise befragte, gestanden sie ihm fteymÜchig, es sey die Nachricht von nner Hinrichtung zu Frankfurt bis zu ihnen gelangt. unv da hatten sse sich entschlossen, vom Sattel und Stegreife zi» leben. Vielleicht, werde auch ich gezwungen seyn diese Lebenswtife zu ergreifen, dachte sich Luege v, vergeh ihlien, und behielt sie in seinen,Diensten. Er und Franz, der Gefahre seiner Flucht, ließen üch jetzt den Wein und die Speisen, womit sie von den Riingen bewirthet wurden, herrlich munden, «nd streckseil d^nn, gesättigt, die müden Glieder aufden' Boden hin, wo sie bald ein wohlchaliger Schlaf besuchte, so fest und säß,. als lagen sie auf Eiderdunen» Am folgenden Tags wurden Anstalten zur neuen Hanzhalnuig gerroffen. Erasmus theilte die Rollen zum iünfcigen Lebrnsschaufüiel aus. Er untersuchte da« Schloß, und fand es so karglich mit HauZgeräth versehen, daß er kaum ein Paar wankende Tische, und die Fragmente eines Bettes für sein eigenes Lager aüfsin« den konnte. Zum Muck kannte man damahls all die zahllosen Bedürfnisse der Weichlichken unserer Zeiten noch nicht, und die zu allen Beschwerden abgehärteten Krieger begnügten sich leicht. Lueger sann jetzt auf Mtt>'ieben, mich weggejagt — licsicn mir nichts als dielen Bettelstab." Inde-n er dieß svrach, zog er einen Brief aus dem Busen, miv übergab ihn'Lueger n. Dieser las: „Unglücklicher Freund! alle meine Mühen, dein Schicksal zu bessern, waren fruchtlos. Mehr als Pappenheims Mord vergrößert dein Unglück die lügenhafte Anklage deiner Feinde, als seyest du ein Landesverrather und Anhänger bes so fürchterlichen Königes der Ungarn, Machias CoruinuZ. Du bist geachtet; deine Güter sind eingezogen ; man Hai einen PreiS auf deinen Kopf gesetzt—fliehe — fliehe in ein fernes Land!" Obschon der Brief ohne Unterschrift war, so konnte doch Era smus leicht errathen, daß er von seinem Lebensretter kam, der ihn durch «inen vertrau, ten Knecht dem alrcn Conrad zur Bestellung über« schickte. .Der Eindruck, welchen dieses Schreiben auf Lueger machte, ist mit kalten Worten nicht zu be« schreiben. Stumm und bewegungslos stand er lange da, wie eins steinerne Bildsäule; aber in seinem Innern stürmte ei machtig. Es ging eine heftige GahrunZ in seinem Charakter vor, und der bitterste Menschenhaß zerriß endlich die letzten Bande, die ihn noch an eine Wtlt schlössen, von d^er er gleichsam verstoßen — aus« geworfen warb. „In der Wiege meines Geschlechtes will ich sterben. Undankbares Vaterland, für das ich so oft gekämofr und geblutet habe! Ist das der Lohn meiner Verdienste? Du verstoßest wich auS deinem Schooße; du raubst mir all' meine Hab?, meins Ansprüche; lech» jest sogar nach meinem Blute! Wohlan! so habe auch ich keine Pflichten mehr gegen dich, grausane, herzlose Stiefmutter! Komm, Alter! folge mir in meine Fel-senhöhle! Raben und Eulen sollen unö ein Morgen-und Abendlied singen, Baren nnd Wolfe unsere Gesellschafter seyn. Ich wlll dich zu Tode füttern, und sollte ich jeden Bissen, den ich dir reiche, in Menschenblut tauchen müssen. ErasmuS und sein Gefährte nahmen jetzt den Alten in ihre Mitte, und brachten ihn endlich nach einer lang« smnen Wanderschaft nach ihrem Felsenwohnsibe. Kaum waren sie dort angelangt, so rief Lueger seine Reist« ge zusammen, verkündigt« ihnen sein Schicksal, und erklärte, cr sey jetz: genöthigt, vom Sattel und Steg. reife zu leben. Die rohen Knechte, an dieses Rauberhandwerk schon gewöhnt, schwuren, mir ihm zlt leben und zu sterben. Eine neue Lebensweise begann er jetzt mit seinen Gefährten, wodurch in den kriegerischen finstern Zeiten d-s Minelalters so viele Glieder der edel, sten Geschlechter Deutschlands zur Geißel und zumSchre, ckcn ihres Vaterlandes wurden. Erasmus war nun eine? der sogenannten Raubritter, welcher fürchterliche Orden, erst lange nach ihm, im folgenden sech/ehntenI^hr-hundert mit einem Berückina,?,, und Sickingen erlosch (Der Beschluß folgt.) l e n von K Ic i n m a n >,v