^R ». »84» Iahresgruß. <^3hr wißt, mit jedem neuen Jahr Will man es anders halten, Doch mit dem zweiten Januar Ist Alles bei dem Alten. Wenn nun das neue gut nicht thut, So weiß ich nichts zu sagen, Als: Haltet stets das Alte gut. Dann gibt'S nicht neue Klagen. Vaterländisches. Trieft.*) "^ II. Tricst ist aus dem Karso hervorgegangen, und liegt an dem Fuße desselben. Der Karso ist wild wie die Bora, die sich oft so furchtbar auf ihm er-geht, wild wie die Alpen, die über ihm emporragen, wie beim Sturme das Meer, das ihn bespült. Man könnte ihn, so wie man einen Alpenrücken im Salz-durgischen genannt hat, das »steinerne Meer" nennen; sein Felscnlager liegt über und in einander geschoben, wie wenn es einmal flüssig und wogend gewesen, und ficckcnweise stehen, lebhaft an dic Lei^ chensteine des Nürnberger Todtenhofs erinnernd, scine Zacken wie plötzlich erstarrte Wellen da. So weit das Auge reicht, nichts als Felsen und Stcingeröll, angeflogen von Moos, Kräutern, Dornen, Gestrüpp, hie und da mit Eichcnstauden, hie und da mit Mcn-schenwohnungcn, die auch nur eine Art von Felsen ö" seyn scheinen, und durchschlichen und durchkrochm von Schlangen, Zicgcn, Schleichhändlern, Landjägern, vom Wilde, und von braunaMridctcn, einen slawischen Dialrct sprechenden Menschengestalten. Kein Fluß, kein Bach, keine Quelle. Bei Regengüssen sammeln sich die Wasser in den Hohlgängcn und Dallen, die von den früher gefallenen gebildet nmr- ') Im Auszug aus dc»tl «Ausland.« den, und strömen'und kreisen und ringeln schäumend und ungeduldig herum, bis sie ein Loch, einen Trichter gebohrt, oder bis sie einen von den brunncnförmi-gen, den wilden Taubenschwärmcn zum Aufenthalt dienenden Oeffnungen gefunden haben. Der Karso ist pcnsil, in seinen Höhlen gehen die Wasser; da geht der fabelreiche Timao, da wohnt der Proteus an-guincus *) , und das Unheimliche, das Abenteuerliche, das Gespenstische seiner Tropfsteinhöhlen dämmert auf seiner Oberfläche. Zuweilen öffnet sich eine Aussicht auf das Meer, und da schimmert dessen Spiegel mit Oliven an den hohen Ufcrwändcn und mit den Neben herein, deren köstlichem Safte die Kaiserinn Livia ein so hohes Alter zu verdanken hatte ") ; zuweilen sieht man mitRebcnlauben umzogene Weizen.- und Haiden-feldcr, zuweilen blühen die Alpen im Morgen-- oder Abendroth, und hin und wieder liegen Dörfer, und hoch an der See sitzt das Schloß Duino; allein jene Aussichten vermauern sich gleich wieder, und die Alpen bleiben Alpen, mit allen ihren Noscn dcr Mor-gen/ und Abcndröthe, und die Felder verschwinden hinter den Mauern und Felsblöckcn, die aus ihnen gebrochen, oder unter den Steinen, mit welchen sie gegen die Bora, die sonst die Erde mit sammt der Aussaat hinwegblasen würde, belegt wurden, und die Wohnungen erscheinen nur wie eine besondere Art von Fclsenconformation, und das Schloß Duino, das diese Gegend beherrscht, vermehrt ihren Schauer durch dic Mährchcn, Sagen und Geschichten, welche sich von ihm dic Schisser und die Hirten erzählen. ') DcrProtcus anguincuö, namenttich in dcr berühmten Grotte von Adclsbcrg zu Hause, befindet sich auch i» dc» Höhlen dcs Karso, die n,it jener in Verbindung stehen. Vei dcr grosie» Trocknis; im I. ,83/> wurde» in mehreren Brunnen cm 3»se dcs Karso einige von diesen merlwiirdigen Thicre» gefangen; ein »»gewöhnlich großes Exemplar, f,,st von der ^äuge eincö Arms, bekam damals ein Freund von mir, dcr cs nach Triest verschenkte, von wo aus e5 dann nach l5>'gl land gekommen ist. Es war in dcln Brunnen von Grae disca gefangen genommen worden. ") Dcr Wein, der ai,f dem Karso wächst, ist fast dürchaa"aig gut, dcr vorznglichsic al'er ist der von Prosecco, der !e!)r berühmt ist, »nd von dem »»an auch glaubt, tcß cr do'^n-lcnull Livia Lcil'trank cM'csel! lcy. - 2 Straßen kreuzen sich auf dem Karso, und unaufhörlich ziehen da große Schwärme Furlaner, die auf den Achseln, und Slaven, die auf dem Kopfe zu Markte tragen; da werden große Heerden von Mast' viel) und Truthühnern getrieben; da fahren beständig Fuhrleute, Kutscher und Postillone, und immer mehr Hauscr werden an die Straße gebaut, und immer mehr Felder aus den Felsen gebrochen; immer mehr Schilder werden ln dieser Wildniß ausgehängt, immer mehr Glocken tönen in ihr, kurz, es ist als wenn all ihr Gestein zu Gebäuden behaucn und zu Straßen vcrklopft werden sollte, und die Nebe beginnt selbst jene mächligen, aus Quaderscherben und Splitter, aus Gebröckel und Auswurf bestehenden, ein ungeheures Lager zwischen der Landstraße und dem Meere bildenden Kegel von Nembrosina zu umranken, von welchen eine so schöne Sage geht; allein nichts vermag den Grundton dieser Wildniß zu ändern, nichts vermag ihre Felsen vor der Phantasie zahm zu machen; — das Hämmern des Steinklopfcrs, das Knallen und Meißeln der Marmorbrüche, die Peitsche der Fuhrleute, das Horn der Postillone, das Echo des da waltenden und einher fahrenden Lebens scheint öde wie die Bora, und des Meeres Brausen ist düster wie die Höhlen des Proteus angumus, in welchen unterirdische Flüsse und Bäche ihre Wasserfalle bilden. In dieser Wildniß, dort bei den Kegeln von Nembrosina, wurden einst '^ die Quadern zum Bau von Aqnil.eja und von Venedig gebrochen, und aus dieser Wildniß hervor geht nun Trieft, die Nc. benbuhlcrinn Venedig's, die Stadt, die werden soll und wird, was Aquileja war. Es ist Mondschein, man hört das Meer an den hohen, schroffen Felswänden, man hört die unterirdischen Wasserfälle, in der Ferne schimmern die Alpen, von Wolken umflogen, in welchen die Bora geht: von Raubvögeln aufgescheucht, flattern die wilden Taubenschwärme über ihren Klüften; wild bewegt flattern die Naben um die Leichensteine, auf den Straßen ziehet abenteuerlich des Marktes Zug. Es ist Mondschein, es ist geisterhaft; man ficht, wie die Gegenstände, so die Formen der Töne, wie die Wirklichkeit und die Fabel, so die Sage und so die Geschichte) es ist so wundersam auf diesem steinernen Meere, als wenn, berauscht auf seinem Gipfel, auf der Höhe von Optschina, die alte Kaiserinn Livia ein Lied singe! Und wenn man dann aus den Alpen, über den Karso, auf die Höhe von Oplschina kommt, welch eine Ueberraschung! Da liegt auf einmal das ') Es ist zwar nnr eine Sage, weit entfernt aber, das, sie, wie Einige behanpccn möckren, geologisch widerlegt würde, findet sie ihre Vestacigung in ahnlichen Aufwürfen, die l'l,i lcn heimgen Stein- unv Marniorbri'ichen a»f dem Kars« entstehen. Meer in seiner ganzen Größe vor dem erstaunten Blicke, und tief, tief drunten, vor des Meeres Größe nicht verschwindend, liegt Triest mit seinen Hügeln und Bergen, mit seinen unzähligen Villen und Schiffen; Triest, dessen Wachsthum und Bedeutung man schon so sehr mitten auf dem Karso ahnt und empfindet, Triest, einst von Venetia eine Piratengrotte gescholten, jetzt von ihr beneidet und fast bewundert! II Befindet man sich in Venedig, so kann man nicht umhin, eingenommen wie man ist von den Reizen dieser unvergleichlichen und unnachahmlichen Stadt, über Triest, von dem man klagen hört, daß es ihr so großen Abbruch thue, recht bös zu werden; da man aber beständig davon sprechen hört, so kann man ebenfalls nicht umhin, dieß böse Tricst, obgleich es nichts Merkwürdiges, als daß man dort die Steine wachsen sehe, enthalten soll, auch einmal zu sehen begierig zu werden, und um so mehr, als die Fahrt dahin durch die regelmäßig hcrüber und hinüber gehenden Dampfschiffe des Triestiner Lloyds zu einem Traghetto *) geworden ist. Vor dem Marcusplatze liegt eben wieder eines von diesen Dampfschiffen. Es wird Abends Schlag ncun Uhr abgehen. Man nimmt Platz auf ihm. Von den weiland so glühend hellen Nächten Vencdig's flimmern nur noch wenige Lichter, auf dem Picdestal der Colonne des geflügelten Löwen sitzen eingeschlafen die Barcajuolcn, man hört den Rudcrschlag einiger Gondeln, man hört das Klirren einiger Tassen und das Geklimper einiger Guitarren, auf dem Platze und an der Riva zieht ein dunkler Menschenstrom fast so schweigsam wie die Kuppeln, Thürme und Statuen, die in den Lüften schweben; laut und lebhast ist nur der Schrei der Acczuajuolen; «c-c^ua! Wasser! Wasser! hört man schreien, als wenn Venedig lechzle, oder lcck geworden wäre und untergehen wollte. Da schlägt die Glocke auf dem Mar-cuslhurm und auf allen Thürmen schlagen dumpf die Glocken, und als wenn Kuppeln, Thürme, Pal-laste, Menschen, als wcnn da Alles stille stände, und dem Stundenschlage bange lauschte, so ist es einem, denn man gefällt sich darin, die Züge der Wehmuth und der Trauer dieser schönen Stadt, wo sie nur leise und fast unbemerklich, laut, und wo sie deutlich ausgesprochen sind, schreien zu machen, zu übertreiben, und zuweilen sogar phantastisch zu verzerren. Die Glocke schlägt neun, Venedig scheint zu lauschen, aber stolz setzt sich das Pyroscaph in Bewegung, *> Traghetto's werden in Venedig die Vrücken vertretenden Stellen der CaniUc genannt, loo auf Gondeln übergefahren Wirb. 3 sein Schlot braust, Funken sprühen und Rauchsäulen < wirbeln, scine Räder rauschen, und dahin gehts im ' Flug durch die Lagune. Man entfernt sich von Ve- ' nedig, man entfernt sich, das Herz unsäglich beklommen, wie von einer klagenden Geliebten. Noch einen Augenblick, und man sieht nichts als Himmel und Wasser. In acht Stunden heißt es, sind wir in Trieft! und man legt sich schlafen und schläft und träumt, dahinfahrend auf der hohen See in der Nacht, auf dem dunkeln Schisse des merkwürdigsten Traghetto's, so es in der Welt wohl geben mag.... Und doch nur einen Augenblick schien dicß gedauert zu haben! Man ist wieder wach, das Dampfschiff hält am Molo von San Carlo, mitten in einem unabsehbaren Walde von Mastbäumen, und über dem Walde erhebt sich die Stadt, und über ihr erheben sich Terrassen mit Gärten und Lusthäusern bis in die Nolkcn, und in die Wolken gchcn, von der üppig rankenden Rebe verfolgt, die nackten Schlangenlinien des Karso. Indem Walde der,Bäume des Meercs, die so oft in den Stürmen des Meeres gegangen, spielen die verschiedensten Flaggen und Wimpeln, ziehen Hunderte von Kähnen, singen Tausende von Schiffern! Aus jedem Fenster schaut es, aus jeder Pforte geht es, aus jeder Gasse strömt es; welch ein Gedränge, Gewühl, Gcroll, Gelärm. Alles lustig und festlich, wie wenn es Sonntag wäre! Der Fakir, der den Sack aus der Barke über das schwankende Brett trägt, scheint unter seiner ersten Last zu tanzen. So gurcn Muthes ist Jedermann, und Alles ist cnn Werke; selbst die Promenade, hier eine Kopfrechnung, oder doch gewiß ein Calcul, ist eine Beschäftigung, selbst die Promenade! Und kein Bettler, man möchte sagen, kein Armer! Jedermann kann sich geltend machen, so wie jeder Fußbreit Boden außerordentlich kostbar ist, und die Stadt — man sieht, man hört sie wachsen, und der Karso, der sie umgibt, ist, man möchte sagen, glitzernd und kostbar wie ein Edelstein! Welch ein Erwachen! Man reibt sich erstaunt die Augen, man hat gcschla-fen, man hat geträumt! Wie es rauscht und treibt, wie da Allcs Ein Geader, Ein Gerade, wie da Alles in emander stießt und in einander greift! Und was nicht so in das Leben greift, wird vergessen! Man vergißt, was nicht leibt und lebt wie hier, man vergißt Venedig, man ist nicht mehr über Triest böse, man macht Wünsche für seine Unsterblichkeit, man weidet sich an sciner Jugend, an seiner Hülle und Fülle, an dem Mulhwillen seiner lachenden Fortuna, an dem Leben. N2Z. Triest wächst wirklich zusehends. Man schaut nicht mehr auf einzelne Häuser, sondern auf ganze Gassen, die da gebaut werden. Ist ein Haus klein, so wird es abgerissen und groß gemacht; man sieht fast keine Baracken, keinen Einstock mehr; hat Jemand nicht so viel Thaler, als nöthig sind, um damit einen Bauplatz zu bedecken, so deckt er sein Haus ab, und läßt es in die Höhe schießen; steht dem Bau cm Berg im Wege, so wird er abgegraben oder hinweggesprengt, steht ihm das Meer im Wege, so wird es ausgefüllt; die Stadt dehnt sich und erhebt sich, wächst nach allen Richtungen. Unter den Warenballen, die da beständig clnherrollen, rollen die Wagen mit Fels- und Marmorblöcken, mit Quadern, mit Ziegeln, mit Sand, mit Kalk, rollen die Karren mit dem Abschube der Berge, mit dem Auswürfe der Gruben zu Keller.- und Magazinen-gcwölbcn. Unter den Fahrzeugen, die da einlaufen, landen Schisse und Barken mit Erde "), mit Bäumen und Blumen, mlt den Gärten, mit welchen rings die nackten Felsen immer bekleidet werden. Das neue Hospital, riesenhaft, selbst in die Aussicht von ^ptschina tretend, ist belnahe fertig; zwei noch größere Gebäude sollen bei Scrvola und bei Muja aufgeführt, und dadurch der ganze Golf letztern Namens in die Stadt gezogen werden. Ein neuer Molo,. 100 Klafter lang, soll in das Meer hinausgcbaut werden; die gebirgige Promenade nach Servola wird abgetragen, und ebenhm an's Meer gelegt. Die Dogana vecchia, wofür cme Gesellschaft 400,000 Gulden gab, jetzt aber 800,000 haben könnte, wird von derselben aus Speculation in ein Tcrgcstco umgestaltet, d. i. in ein Gebäude mit einem prachtvollen Kreuzgange und Bazar, mit Cafes. Casinos. Die Villa Campomarzo, vor etlichen Jahren für 71,000 Gulden verkauft, späterhin für 220,000 si. nicht feil, damals weit außerhalb der Stadt gelegen, liegt jetzt fast in derselben. Die Villa Nccker vor ein Paar Jahren für 130,000 Guldenvcrkauft, früher hoch über der Stadt gelegen, liegt nun in derselben, die Häuser stellen sich vor ihr aufeinander und verbauen ihr die Aussicht, und für die Erlaubniß, ihr drei Fanden gegenüber stellen zu dürfen, wurden 9000 Gulden bezahlt, und für andere Kleinigkeiten, für Sachen, die man kaum Zipfel nennen könnte, erhielt der Eigenthümer 27,000, von der Miethe bezieht er 9900, und aus dem Gartenfeld, das zur Villa gehört, wollt' er es stückweise zu Bauplätzen he» geben, würde er jetzt schon 600,000 Gulden lösen! Es herrscht hier wie eine Wuth, zu bauen und Gebäude zu kaufen, fast wie die Wechsel gehen von Hand zu Hand die Häuser, auf dem Intabulations-burcau erscheinen manche drei bis vicr, und fünfmal ') Gewöhnlich ans Isinc»; dcr HüMlls «», Triest herum ist gr«M»theils Zufuhr. Ä. im Laufe Eines Jahres! Es ist ein Furor, es ist aber keine Krankheit; die Leute haben Geld, sie bezahlen, und sie prositi'ren. Es ist der Krieg im Frieden, und wer das besingen will, braucht nicht erst die Hand von Wunden zu heilen, bevor er in die Saiten greift. Es ist nicht der Friede des Kriegs, ubi 5olitlic5in6in laciulN, pacem a^Lilant, es ist der schöne Krieg des Friedens! Man vergaß Venedig, man denkt aber wieder daran, wenn man sich in diesem unaufhörlichen Gewühl und Getriebe gesetzt hat. In diesem Gedränge ist nicht genug Nuhe, es ist wie ein Tanz ohne Musikanten, wie ein beständiger Tag, es schlt die Nacht mit ihren von andern Sphären singenden Sternen, es fehlt jenes Licht der Nacht, jenes magische, das der mystischen und mysteriösen Gefühle, das Licht der schönen Künste, der Poesie. Man sieht die Steine wachsen, man sieht sie aber nicht blühen, und mit keiner solchen Musik, wie in Venedig. Wenn sich die Pyroscaphen vom Molo von San Carlo lösen und hinüberfahren, da möchte man mit, wieder mit hinüber nach Venedig, nach dem rührenden, träumerischen Venedig, das seinen Sonnenglanz verloren, aber noch den herrlichen Glanz des Vollmondes hat; das vielen Reichthum uerloren, aber den der Schönheit in so hohem Grade noch besitzt, das gleichsam seine Geschichte verloren, dessen jetziger Nnman aber, mit dem von Sanct Helena zu vergleichen, viel ergreifender und romantischer als seine Geschichte ist. Venedig ist wie ein schönes W.'ib von sanftem, melancholischem Wesen, in dessen Trauerlocken und süßes, schmerzliches Lächeln wir uns verlieben, und das wir überreich und fröhlich stimmen, das wir gleich zur Königinn machen möchten, nicht bcdcnkend, daß eben in dieser Thräne der Brillant, daß eben in diesem Trauerflor der Zaudcr liegt! Und Venedig wird sich wieder heben, es hat von Trieft nicht ,den Untergang zu befürchten, es ist Platz für beide in den großen österreichischen Landen und Naum für beide in unserer großen Zeit! Venedig wird nicht untergehen, oder um mich besser, seinem jetzigen Zustande gemäßer, auszudrücken, es wird wieder empor kommen, denn es besitzt noch Vieles, was in seinen Wellen wie in Felsen Wurzeln schlug, und es besitzt den Zoll der Bewunderung, den sehr einträglichen Zoll der unzähligen Schaar der Reisenden. Venedig, dessen Schönheit Bewunderung einflößt und Mitleid gebietet, beweist, wie schön und wie ersprießlich es ist, wenn auch das Gold seinen Sonntag hat- Das Gold in der M.Ucrie, im Geschäfte, im Handwerk, ist nichcs als eine Ware, nichts als ein Marktgeschrei, das Gold im Gcistc hingegen, in der Poesie, in der Kunst, hat Würde, Adel, Unsterblichkeit. Ihr seht, o ihr Kaufleute, die vielen Reisenden hinüber ziehen, um Kunstwerke anzuschauen, um dem Geiste den Tribut zu zollen; ihr fahrt wohl selbst zuweilen mit, um das Gleiche zu thun, und gleichwohl auf eure Gcldcassen, wie auf ein sublimes Piedestal, stellt ihr euch, um mit reichem Achselzucken auf Leute herunter zu schauen, die sich in den höhern Sphären des Geistes bewegen, um mit spöttischem Lächeln auszurufen: seht da den armen Staatsbeamten, den armen Advocaten! den armen Professor! den armen Künstler! den armen Poeten! und ihr lacht behaglich und drückt in eurer Ergetzlichkeit eurem Magazinschlicßer und eurem Ladenschwängel die Hand, we^l diese Herren besser bezahlt werden, als jene Leute! Sinngedicht. Wozu cm großes Haus? es nützt uicht voll nicht leer; Zu einem großen Haus gehört ein großes Heer. Zu einem großen Heer gehört ein reicher Sold, Zum reichen Sold gehört ein eig'uer Schacht von Gold. Zum Schacht von Gold gehört viel Müh wohl, ihn zu graben. D'rum will ich auf der Welt ein kleines Haus nur haben. Das größte H^ug ist eng, das kleinste Haus ist weit. Wenn dort ist ein Gedräng und hier Zufriedenheit. Fr. Nückerc. Der feine Beobachter. Das Feuer wurde von neucm aufgcschürt; der Pastor rückte seinen Stuhl dcm Parlamentsrath nä'.-her und sagte: der gnadige Herr lciden wohl zuweilen am Podagra im linken Fuße. Woher schl'.eßen Sie das? fragte der Alte; mir scheint das Bein eben nicht geschwollen, obgleich Sie richtig gerathen haben. Die Geschwulst, fuhr der Prediger fort, ist freilich fast unmerklich, aber dadurch, daß Sie oft mit dem Fuße sanfter und leichter auftreten, wahrscheinlich ohne es zu wissen, immerdar hat sich im Verhältniß zum rechten dieser Knöchel etwas mehr eingezogen, und hat also auch nothwendig die Kraft des andern nicht. Das ,ist sehr fein beobachtet, sagte der Rath. Mein gnädiger Herr, erwiederte der Pastor, es ist unglaublich, wie die Natur in allen ihren Hervorbringungen consequent und verständig ist. Auch im geringsten Theil sie beobachten, ist lehrreich, wenn es auch dcm Ungeübten lächerlich er» scheinen mag. Vor mehr als hundert Jahren hat der Neapolitaner della Porta ein gutes Buch über die Physiognomien geschrieben und die menschlichen mit den thierischen verglichen; man hat schon im 6 frühen Alterthum versucht, aus dem Antlitz die Tugenden oder Laster und die Eigenschaften des Gemüthes zu lesen. Glauben Sie mir, wenn ich mci-"e ganze Muße darauf wenden könnte, ich traute mir es dahin zu bringen, aus einem Schuh oder Stiefel, der eine Zeitlang getragen ist, viele Fehler oder Besonderheiten des Eigenthümers zu entziffern. In der That? rief Herr von Beauvais lachend. Es verräth sich in dem Kleidungsstücke, wenn man es genauer betrachtet, der hastige oder stockende Gang; das Einknicken, das Schieftreten bei Frauenzimmern ist gewiß sehr bedeutend; ein gewisses Ablatschen, ein hoffärtt'ges Niedertreten der Ferse, ein assectirtes und eitles Wegschleifen der Spitze, ein charakterloses Zittern und Zwickeln des Fußes, wodurch der Schuh alle Form verliert, die Eigenschaf-ten abgerechnet, die sich schon aus dem hohen oder niedern Spann, oder aus den Plattsüßen prognosti-ciren lassen. Aber nun gar die Beine! Hat man diese in Natura vor sich, da kann man kaum irren, um Stand.und Gewerbe oder Lebensweise zu finden; so gibt es Schneider- und Bäckcrbcine, die unverkenntlich sind, Infanteristen- und Cavallensten-bcine, Weber- und Tischlerbeine, und dergleichen mehr. Das sind höchst interessante Beobachtungen, sagte der Rath; doch wagten Sie es wohl zum Beispiel von der frühern Lebensweife meines Franz etwas aus scinen Beinen herauszudeuten? Aus meinen Beinen? rief der alte Diener, der noch mit Abräumen beschäftigt war. Hier sind dieselben, Herr Pastor. Bückt euch ein wcnig, — nun geht dorthin, — kommt wieder, — stellt euch ganz aufrecht__ Herr Parlamcntsrath, ich möchte darauf schwören, das ihr Franz in dcr Jugend, und noch wohl tief ins Manncsalter hinein, ein Seemann gewesen ist. Der Diener sah den Geistlichen verblüfft an, und der Herr von Bcauvais sagte: Sie haben es getroffen, geistlicher Herr, aber woran erkennen Sie es? Kein Seemann, sagte dieser, verliert jemals ganz den gespreizten und etwas gebückten Gang, den er sich auf dem Schiffe angewöhnt; er senkt im Gehen das Kreuz und behalt zeitlebens ein gelindes Taumeln. ^ ^ Als der zweite Diener sich näherte, nef der Geistliche sogleich: bemüht euch nicht weiter, man sieht auf einen Büchsenschuß weit sogleich, daß dcr gute Mann in seiner Jugend ein Schneider gewesen ist, ja, daß er gewiß noch jetzt die Beschäftigung treibt, denn die zurückgeschlagenen Schienbeine geben es deutlich kund. Ihr seyd also ein Waidmann (indem er sich zum stehenden Jäger wandte), es muß wohl so seyn, obgleich ich euch eher für einen -Soldaten, und dem Auge nach für einen Contre- bandicr genommen hätte. Indessen, __ was ist denn das mit dem rechten Knie? Vom Messcdicnen habt ihr es gewiß nicht, woher kommt denn die kleine Erhöhung? Solltet ihr denn wohl gar die seltsame Gcwohnheitangcnommenhaben, beim Schießen aufs rechte Knie zu fallen? Herr Pastor, rief der Jäger aus, Sie mögen wohl selber ein Stück von einem Hexenmeister seyn, so haben Sie's getroffen. Von Jugend auf hab' ich nie anders schießen können, als kniend; läuft mir eine Hase auch vor der Nase vorbei, im Stehen treffe ich gewiß nicht, ich muß mich erst niederwerfen. Hab ich doch von meinem Kameraden in allen Zeiten so viel deßhalb leiden müssen. Uebrigens habt ihr, fuhr der Pastor fort, Bergbeine, und müßt aus den hohen Cevennen oder den Pyrenäen gebürtig seyn; auch hat euer Auge den Charakter eines Bergbewohners, der an das Fernsehen gewöhnt ist. Nichtig sagte der Jäger, ich bin da oben aus Lozere, aus dem wildesten Gebirge. Nun, mein nmger Freund, wandte sich der Beinforscher an den jungen Burschen, — ihr wollt ein Müller seyn und habt keine Müllerbeine, wie geht denn das zu? Seht, von dem Tragen der Säcke senkt sich früh des Mullers Nucken und wird breit und rund, die Hauptlast aber drückt auf die stützenden Waden, diese und die Sehnen der Kniekehle werden unvcrhältnißmäßig stark; dieß sind aber bei euch gerade die schwächsten Theile; ebenfalls sind die Knöchel nicht groß genug: hier fehlt Summa Summarum dcr Müllercharakter, denn meine Wissenschaft kann mcht trügen. Da kann ich Ihnen nicht helfen, mein Herr, sagte der Jüngling verdrießlich, denn ich bin und bleibe doch einmal was ich bin. Meinethalb, eiferte der Kritiker, ich will eurer Müllcrehre auch gar nicht zu nahe treten; ihr mögt wohl so ein weichliches verzogenes Muttersöhnchen seyn, dem sie, nie viel haben aufsacken dürfen; auch habt ihr in Blick, Wange, Haar ganz den Mchlcharaktcr; die Stimme klingt auch nach dcr Mehlglockc und dem Aufschütter; aber wenn ich eure Knie betrachte, so sind es Bäckerknie, die werden so innen zusam-mengcdrückt vom Ausholen und Einschieben des Brodes, wo der Mensch sich in dcr Arbeit und bei der Oftnhitze spreizt und auf die Knie stützt. Den sonderbarsten Widerspruch finde ich aber in curen Schenkeln, denn es sind die eines Neiters, dcr viel zu Pferde sitzt; und so hat auch euer Auge den Soldatencharakter: es blitzt schnell hin und her, und steht nicht ruhig, wie es beim Müller muß, der 6 fein Geschäft abwartet. Kurz, ihr seyd mir in Bei-ncn und im ganzen Wesen ein confuser Mensch. Der junge Müller wurde roth vor Verdruß, und der Parlamentsrath suchte mit Scherz und Lächeln die Sache völlig zu begütigen. Französische Gerichtssceue. Nachsiehende, einem der neuesten ministeriellen Pariser Blatter entnommene und vor dem Disci-plinarrathe der Nationalgarde des Seincdcpartc-mcnts verhandelte Gerichtsscene, liefert wieder einen überzeugenden Beweis, wie sehr der Eifer des französischen, namentlich des Pariser Bürgers für den täglichen Nationalgardcdienst erkaltet ist, und wie schon jetzt Manche das Institut ansehen. Man beruft Herrn Tharant vor die Schranken des Gerichts. Eine schwache Stimme antwortet: »Hier!" und vor den Rath tritt ein kleines, munteres, schwächliches, gleichwohl aber sehr lebhaftes Herrchen. Der Präsident. Dieß ist wenigstens das zehnte Mal, daß Sie vor uns berufen werden. Tharant. Ja, aber das erste Mal, daß ich erscheine; so gleicht sich's aus. Der Präsident (ernst verweisend). Belieben Sie mehr Ernsthaftigkeit in ihre Antworten zu legen; die Fragen, die ich an Sie richten werde, sind sehr ernster Natur. Th ar a n t. Ich will mein Möglichstes thun, mich von der Feierlichkeit dieser Versammlung zu durchdringen. Der Präsident. Sie sind uns als einer der Widerspänsiigsten unter denjenigen bezeichnet, welche das Gesetz in die Reihen der Nationalgarden beruft. T h a r a n i. Ich muß gestehen, daß der Bür-gergardcd/enst nicht gerade zu meiner Liebhaberei gehört. Der Präsident. Es scheint, daß Sie, um sich dicscr Pflicht zu entziehen, jedes Mitel anwenden, jede List in Ausübung bringen. Tharant. Die unschuldigsten Handlungen werden schlecht ausgelegt, und der Zufall übernimmt es häufig, uns den Ruf eines geschickten und pfiffigen Menschen zu verschaffen. Der Präsident. Unter andern Auskunftsmitteln, sagt man, scy auch das, daß Sie jeden Tag Ihre Wohnung verändern. Tharant. Da sehen Sie, wie man übertreibt; jeden Tag! Sagte man, jeden Monat, so ginge es an. Uebrigens beweist dieß nichts, als daß ich die Veränderung liebe; Jeder nach seinem Sinn. Wenn mir eine Wohnung nach Verfiuß von dreißig Tagen mißfällt, so hindert mich kein Artikel des Gesetzbuches, sie zu verlassen und eine andere zu nehmen. Der Präsident. Sie glauben auf diese Weise den Wachbilleten, den gerichtlichen Berufungen und Befehlen zu entschlüpfen. Th arant. Möglich, daß die von Ihnen angegebenen Erfolge einer der zahlreichen Vortheile des von mir angenommenen Nomadenlebens ist; doch geschieht dieß von mir ohne besondere Absicht. Der Präsident. Kurz, Sie wohnen heute in der Vorstadt Montmartre. Tharant. Ja, ja... morgen abcr, wer weiß?... Der Präsiden t. In dieser Wohnung haben Sie ein Wachdillet mit dem Datum des 2. August erhalten. Tharant. Ich erhielt zwei Wachbillcte mit dem Datum des 2. August. Der Präsident. Wie das? Tharant. Eins in meiner früheren Wohnung, wo mein früherer Sergentmajor mich noch glaubte, und das andere in meiner neucn Wohnung, wo mein neuer Sergcntmajor dachte, daß ich bereits sey. Der Präsiden t. Folglich erhielttn Sie zwei Berufungen zum Dienste und Sie leisteten kcincr derselben Folge. Tharant. Ja, das ist leicht erklärlich, und jeder Andere an meiner Stelle würde es eben so gemacht haben. Ein Mann, der nur ein Wachbil-let auf ein Mal erhält, kommt nicht in Verlegenheit, er weiß gleich, woran er ist; ich will annehmen, er werde auf den Posten des Cai'ousselplatzcs berufen, so geht er geradewegs dorthin; ich aber war zu gleicher Zeit auf die Mairie dcö zweiten Ar-rondissements und auf den Gencralstab berufen; auf einmal an beide Posten konnte ich nicht, auch hatte ich keinen zureichenden Grund, einem den Vorzug vor dem andeui zu geben; so befand ich mich denn in der Lage von Buridan's Esel, zwischen zwei Bündeln Heu, die mich gleich sehr anlockten, und da machte ich es in meinem Zweifel wie er, ich enthielt mich ganz. Dieß scheint mir ziemlich logisch. Da der Disciplinarrath sich nicht bewogen fand, dicse Entschuldigung gelten zu lassen, verurteilte er den Angeklagten zu 48stündigcr Gcfäng-nißstrafe. Tharant. (im Weggehen.) Das gilt mir glcich, morgen ziehe ich aus. Mus dem Tagebuchs meiner Welsen. ^ Von Jean Laurent. Wenige Hauptstädte unseres Welttheiles haben so viele und so schöne Gebäude, als Bauten der neuestcn Zeit aufzuweisen, als München. Die Maximilians - Vorstadt, die gleichsam ein Agregat von Pallästm bildet, die neue Residenz Sr. Majestät 7 des jetzt regierenden Königs, und überdieß viele an» dcre, öffentliche und private Gebäude sind herrliche Werke der Baukunst. Zu diesen gehört wohl un- Nn'itig auch das königliche Hof - und National- Theater, das König Maximilian, nach dem Brande des vorigen, aufbauen ließ. Acht Säulen bilden die vordere Fronte des, auch im übrigen regulären Aeußern. Von Innen zählt es fünf Stockwerke, und überraschte mich bei meinem Eintritte durch seine Geräumigkeit und geschmackvolle Decorirung; st' henswerth sind die Maschinen, mittelst welcher, bei einer etwa eintretenden Feuersgesahr, alsogleich das ganze Theater unter Wasser gesetzt, und wieder vom selben entleert werden kann. s" Aber auch die Leistungen dieser Bühne gehören sowohl im Fache der Oper, als des ernsten Eothur-nus zu den vorzüglichsten. In den ersten Tagen meiner Anwesenheit wurde Mozart's Oper: „Die Hochzeit des Figaro,« auf.-geführt. Delle. Heinefetter trat als Gast in der Holle der Susanne auf, — und ich träumte mich durch die Gewalt ihrer Zaubertöne in das unvergeßliche Wien zurück. Ihre ausgezeichnete Leistung wurde mit rauschendem Beifall gewürdigt. Herr Pelegrini und Mittermaycr, und Delle. Schechner schloffen sich würdig dem Kunstreigen an, und feierten Mozart's Andenken auf eine würdige Art. __ Unter den dramatischen Leistungen aber sind mir Schiller's „Wallenstcin," Schackespeare's »No. meo und Julie,« »Macbeth" und .Hamleth," un» vergeßliche Darstellungen. — Schiller war der erste, den ich untcr Deutsch« land's Schriftstellern kennen lernte, und ich glaube es nicht bloß dem ersten Eindrucke zuschreiben zu muffen, daß er untcr den Deutschen mein Lieblingsschriftsteller geblieben ist. Alle andern Coriphäcn unserer Nation stellen uns in ihren Schriften doch nur eine schöne Individualität dar, und jede Individualität hat ihre Schranken und Flecken; Schiller lst aber mchr als Individuum, in ihm hat sich der Gattungsbegriff der Menschheit auf das Vollendet-^e ausgeprägt; er stellt das Ideal der geläuterten Humanität in sich auf; die Handlungen seiner Hcl-^" sind nicht blind herbeigeführt, sondern durch dieselben wird die mncre Welt, der Mkrocosmus aufgeschlossen, ^,Z dem sie quellen. Seine dramatischen Werke sind in der That die festesten Grundsteine zu einem deutschen Nationaltheater. So verdient auch Schakespeare, obgleich ein Fremdling unferem Lande, bei uns eingebürgert zu werden. __ Hier sieht man die Kunst im schönsten Glänze, hier fühlt man ihren göttlichen Ursprung, Und nur Ueber die höchste Wonne, und den wortlosen Schmerz, die süße Wchmuth und die bange Verzweiflung, der Liebe Zephyrsäuseln und der Leidenschaften Sturmtobcn, über das Höchste und Tiefste, das Erhabenste und Gemeinste waltet Schakcspecne, wie ein Halbgott mit seinem allmächtigen Zauberstabe, und gleich dienenden Geistern gehorchen ihm willig die Gedanken der verschwiegenen Menschcnbrust. — Narren in bunter Schellenkappe predigen Weisheit, und der Klugen Klugheit, und der Großen Größe, und der Starken Kraft verschwindet vor der unendlichen Idee, die, wie Geisterhauch, durch alle seine Stücke weht. Seine Gestalten werden leben __ so lange das Menschenbild —menschliche Züge trägt. — Von scincn Studium, von seiner geistesverwandten Nachahmung ist allen Heil — für den drama» tischen Dichter zu hoffen. Dieß bewährt die Geschichte der dramatischen Kunst. Während in Deutsch» land, wo man diesen reichen Genius mit Liede aufnahm und Pflegte, sich in dem Reiche der Dichtung ein höheres und freudigeres Leben regte, blieb in Frankreich, wo die obersten Stimmführcr der Li< teratur seine Vortrefflichkeit verkannten, und den kleinlichen Maßstab ihrer Theorien an seine Nicscn-glieder legten, das steife, mit Rauschgold und Flitter aufgeputzte Brettergerüste, aus den Zeiten Lud-wig XIV. prahlend stehen, verdrängte den einfachen Kunsttcmpel, machte die Musen zu zierlichen Damen , und den Apollo zu einem parfümirtcn Herrlein. Bei meiner Hinneigung zum Dramatischen ist es wohl natürlich, daß ich besonders auf jene Kunst mein Augenmerk wandte, welche die Producte des dramatischen Genies zu einer neuen, vollkommenen Existenz wiedergcbiert, ich meine nämlich die Kunst theatralischer Verkörperung, oder die Schauspielkunst. — Es sey mir hier vergönnt, wenigstens einige Ideen mit flüchtigen Worten auszuzeichnen. An die Stelle der großen Gcsammtinstitute des Nationalvergnüg-ens, die uns die Geschichte im Alterthume nachweiset, ist bei uns Neueren das Theater getreten, im Wesentlichen dasselbe, im Acußerli-chen größtentheils nur dem Namen nach ähnlich. Es scheint ein solches Institut eine Folge geselliger Fortbildung, ein Eharakteristicon des fortgeschrittenen Staatenlebcns zu seyn; es ist gleichsam eine Börse des geistigen Nationalreichthums, an dem man das Steigen und Fallen im Course der Bildung des Ganzen und Einzelnen am sichersten berechnen kann. Während der hochgebildete Grieche den sanften Rührungen der Tragödie willig seine Seele öffnet, und sich von dem attischen Witze des Aristophancs und Mäander gerne ein freundliches Lächeln entlocken läßt: weidet der Römer sein Auge an den Todesqualen gemarterter Thiere und den rohen Kraft-äußcrungcn balgender Gladiatoren, oder beklatscht 8 unter wieherndem Gelächter die Zotten der Attela-men, oder die plumpen Späße des Plautus. — Ich frage nun, sind unsere Localfarccn, Zau» bcrpantomimen und Pfcrdcstücke etwa verschieden von jenen Erscheinungen der alten Welt? oder fand vielleicht der gebildete Römer Geschmack an jener Pöbelkost, zu der so mancher gcbidet"scyn Wollende der neuern Zeit mit Heißhunger- sich drängt. Man lese doch nur einmal, wie Cicero, Horaz und Quintilian sich darüber äußerten! — Es ist nicht zu läugnen, daß das Theater im Vergleiche mit dem Alterthume auf einer bedeutend niedrigern Stufe steht. Die Schaubühne ist einerseits zur Dienerinn der langen Weile, anderseits zum Werkzeuge der Gewinnsucht herabgcsunken. Der Glanz des Heiligthums, der das alte^Theatcr umgab, ist jetzt wenigstens in den Augen des Volkes verschwunden. Es trugen manche Umstände von Außen dazu bei, die theatralische Darstellung allmälig von der Kunsthöhe herab in das Gebiet der mechanischen Gewerbe zu ziehen. Um so größere Anerkennung und Bewunderung verdient cinc Kunstanstalt, wie das Hoftheater zu Wien oder zu München, das mit wahrhaft fürstlicher Munisicenz, durch die einsichtsvollste Leitung und die ehrenvolle Stellung der Schauspieler in der bürgerlichen Gesellschaft, die Schaubühne zu ihrer ursprünglichen und ehrwürdigen Bedeutung zu adeln be« strebt ist. — Ich habe diesen Kunstvcrcinen viele der schönsten Stunden meines Lebens zu verdanken, und stets wer-de ich mich mit dankbarer Rührung der hochgefeiertcn Namen erinnern. Aber über nichts wird in Flugblättern und Journalen mehr geschrieben als über Theater; säst jeder hält sich selbstgefällig für einen Recensenten, für einen gebornen Kunstrichter; keine Kunst ist mehr Gemeingut geworden __ nur leider oft mißbraucht — und doch besitzen wir in dem ganzen Umfange unserer Literatur kein vollständiges und erschöpfendes Werk über die theatralische Kunsttheorie. In den Schriften der größten Genien alter und neuer Zeit zerstreut, liegen die Materialien dazu, und es bedarf nur eines Mannes, der mit Philosophie, Sprach- und Geschichts» kenntniß, Kunstgeschmack und kritischer Spurkraft ausgerüstet, sie zu einem Ganzen, voll Licht und Leben vereinige, wodurch endlich dem imi^wi-uin pccori offenbar werde, was deutsches Nationaltheatcr sey, ein Wort, das so viele brauchen, ohne zu wissen, was es sagen wolle. Es ist kein ästhetisches Treibhaus, in welchem Britanniens hohe Ncbellcichcn und die zarten Blumen des südlichen Himmels von Asturien mühsam fort vcgetiren; ein mächliqcr Baum ist es, gewurzelt im eigenen Boden, im Schooß der eigenen Erde be-fruchtet, vom eigenen Thau gedüngt; von den Strahlen der eigenen Sonne groß gezogen, in dessen Vlät-terrauschen der Deutsche freudig seiner Kräfte inne werde, und das vielfach gespaltene Volk die Einheit seines alterwürdigen Ursprungs erkenne. Feuilleton. (Marsch all Tu renne.) Der französische Marschall Turenne hatte unter Ludwig XIV. das oberste Commando über alle Truppen tes Reiches. Als dieser große Feldherr sein Leben durch eine Kugel verloren hatte, wußte der König keinen, dem er nun dasObercommando allein übergeben könnte. Ertheilte daher die Aufsicht über das Kriegswesen und die Armeen, und gab diesen Theilen verschiedene Häupter. Bei der Gelegenheit sagte eine Dame: ,,Dcr König hat den großen Turenne in kleines Geld gewechselt." E h a e a d e. (Zweisylbig.) Mein Erstes sagt so viel als: Sieh! Mein Zweites ist nicht das, »icht die. Mein Ganzes bleib'dir fern, mein Lieber, (5s zeugt von Abscheu, Eckel, Fieber. Vei Igi, az Alois Edlen v. Klein m ay r, Buchhändler i» Laib ach. sinv erschienen und zu haben: «Melooische Welle u.« Walzer für das Piano, forte von Franz Kaus. Obwohl man m neuester Zeit Alles/ was nicht unter di« Rubrik »classisch» gebracht werden kann, mit den, Zoll der Geringschätzung zu belegen, und, oft mit zu vicl Wärme» ganz wcrthlos darzustellen sucht, besonders/ wenn es in den gefurchte» ten Walzer e Tact ausartet, so wissen doch diese ciüschmcichclnden Producte einer fröhliche» Laune sich den Eingang in die gebildetsten Zirkel zu verschaffe»/ wo sie oft dem schwerfälligsten Misanthropen cin beifälliges Lächeln abgewinnen, die jüngere, cm« pfänglichere Welt aber, auf ihre» melodischen Wellen, wie in süsien Träumen, wiegen. — Wir wünschen der obbeiiannten Var, nevalospcnde des Herr» F. Kaus einen gleich glücklichen Erfolg, und erlauben uns daher alle Walzcrfreunde auf dicsclbe aufmerl-s.un zu machen., indem sie unbedingt unter allen seinen frühern Compositionen, als den »Cadetten-Ball-Tänzen, Marien-Wal-zern, Schmeichlern, Vclisar-Eotillon» :c., welche sich durchge, gchends einer beifälligen Aufnahme erfreuten, den ersten Platz einnimmt. Lieblichkeit und Lebendigkeit ist der Hauptcharaltcr derselben, und Nr. 1,2 und H zeichnen sich darin besonders aus. so wie auch in der Coda der Uebergang einer Melodie von z; in «5 das Ohr sehr angenehm berührt — Die äussere Ausstattung, aus der lithographischen Anstalt des Hrn. I, F. Kaiser in Gräy hervorgegangen, verdient ebenfalls wegen sciner Nettigkeit eine lobenswcrthe Erwähnung» - > . g. Die ?. I'. "'irl3 I)llUt5cll-Ol'l!l.'l15ll2U5c5 oin^l.'lall^n. in I^ikack 2m 1. Männer 1840. Verleger: Ignaz Alois Edler v. Kleinmayr.