Laibacher SCHULZEITUIG. Organ des krainisclien Lelirervereines. Erscheint am Leiter: Johann Sima. Leitung: 10. und 25. jedes Monats. Petersdamm Nr. 51. XVI. Jahrgang. Bezugspreise: FürLaibach: Ganzjährlich fl. 2'60, halbjährlich fl.1'40.— M it der Post: Ganzjährlich fl.2-80, halbjährlich fl.1-50 Versendung: Huchdruckerei lg. v. Kleininayr & Fed. Bamberg, Bahnhofgasse Nr. 15. — Anzeigen weiden billigst berechnet. Schriften und Werke zur Beurtheilung werden kostenfrei erbeten. — Vereinsmitglieder erhalten das Blatt umsonst. Zum Kaiser-inbiläum. In wenigen Tagen werden vierzig seit jenem denkwürdigen Zeitpunkte ins Land gegangen sein, da unseif^rlauchter Monarch das Scepler Oesterreichs in seine jugendlichen Hände nahm. Da ist es nun mehr als begreiflich, dass die Völker des alten machtvollen Kaiserstaates eines Sinnes diese Thatsache zum Anlasse herzlicher, aufrichtiger Kundgebungen ihrer angestammten Liebe und Treue zu Kaiser und Reich nehmen werden. Aber nicht lärmend, nicht durch Entfaltung seltenen Prunkes soll das kaiserliche Jubiläumsfest gefeiert werden — mehr durch Acte des Wohlthuns und durch Linderung der Noth. So der Wunsch des geliebten Herrschers. Und die Schule? Sie, die stille Pflegestätte der Erkenntnis- und Willenskräfte, des Sinnes für das Wahre, Gute und Schöne, kann nur den regsten Antheil an einem Feste nehmen, das ihr so vielfach Gelegenheit gibt, in die Herzen der Jugend jene Pflanze edler Art zu setzen, welche Vaterlandsliebe, patriotischer Geist genannt wird. Diese patriotische Gesinnung, das feste Banner des Opfermuthes und der Opferwilligkeit, der blinkende Schild echten Bürgerthums und echter Ritterschaft, hat die Schule zu jeder Zeit hochgehalten; sie hat, getreu ihrer hehren Aufgabe, getreu den Erziehungsgrundsätzen, die Liebe zum Herrscherhause und Reiche stets sorgsam und Weise geweckt und genährt. Im stillen Aufblick zum milden Lichte, das den Kaiserthron umstrahlt, findet diese Liebe, diese Anhänglichkeit stete Nahrung, stete Entfaltung — und in den grossen Thaten der Habsburger festen Halt auf immerdar. Ohne Gepränge, wie unser erlauchter Kaiser und Herr selbst es wünscht, aber mit umso grösserer Treue und Innigkeit soll der denkwürdige 2. December in den Schulen gefeiert werden. Das Wort des Lehrers, schlicht und herzlich zugleich gesprochen, soll sich tief ins Gedächtnis der jungen Welt eingraben, und sie soll es nie vergessen, was sie an diesem Tage durch Lied und Rede nach oben hin gelobt und was sie in ihr Gemüth versenkt. Diesen Empfindungen leihe das Beispiel des Erziehers Festigkeit, sein Thun und Weben immerwährende Frische und Kräftigkeit. Dann lodert still und unauslöschbar auch die Flamme des Patriotismus, dann blüht treu und ohne Welken auch echtes Oesterreicherthum — des Reiches Schutz, des Reiches Hoffnung! _a. Lehrplan für ungetheilte einclassige Volksschulen (mit ganztägigem Unterrichte). 1. Gruppierung der Schüler. In ungelheilten einclassigen Volksschulen findet eine Gruppierung der Schuljugend in drei Abtheilungen statt, von denen die erste Abtheilung das erste Schuljahr, die zweite Abtheilung das zweite und dritte Schuljahr und die dritte Abtheilung das vierte, fünfte und sechste Schuljahr umfasst. 2. Stundenausmass. Unterrichtsgegenstämle 1. Abtheilung II. Abtheilung III. Abtheiiung Anmerkung 1. Schuljahr 2. und 3. Schuljahr 4., 5. und 6. Schuljahr Religionslehre 2 2 2 Unterrichtssprache 12 10 10 Rechnen und geometrische Formenlehre 4 4 4 Naturkunde — 1 1 Geographie und Geschichte — 1 2 Schreiben — 7* 7, Zeichnen — i 2*) *) für Mädchen 1 Stunde Gesang 7* 7* 7, Turnen — '/*) 7»*) *) Turnen für Mädchen nur auf] Wunsch der Eltern obligat. I Weibliche Handarbeiten — 2 2 Wöchentliche Stundenzahl für Knaben 19 22 24 Wöchentliche Stundenzahl für Mädchen 19 24 25 (Die Bestimmung bezüglich des Gebrauches von Lehrbüchern für Realien hat in allen Lehrplänen denselben Wortlaut, wie im letzthin veröffentlichten. Auch in Bezug auf Religion und die Lehrziele ist alles mit demselben gleichlautend, daher diesbetreffs wegen Raumersparnis einfach auf diesen Lehrplan verwiesen wird. Das Gleiche gilt hin- sich!lieh des Lehrstoffes aus dem Anschauungsunterrichte und den übrigen Fächern, soweit es die erste und zweite Abtheilung der Untergruppe einer getheilten einclassigen Volksschule betrifft. Dieser Lehrstoff für die Untergruppe stimmt nämlich genau mit dem für die erste und zweite Abtheilung einer ungetheilfen einclassigen Schule überein, und wo uicht, findet sich derselbe auch für diese letztere Abtheilung im vorliegenden Lehrplane wortgetreu angeführt. In Bezug auf die dritte Abtheilung geschieht dies jedoch durch-gehends. Und nun zur Sache.) II. Unterrichtssprache. B. Lesen. Zweite Abtheilung. Lautrichtiges Lesen mit genauer Beachtung der Satzzeichen Punkt, Beistrich, Strichpunkt, Frage- und Bufzeichen; Wort- und Sacherläuterungen; Wiedergabe des Gelesenen nach gestellten Fragen, wobei nach und nach ein vom Lesest ücke unabhängiger Ausdruck anzustreben ist; Memorieren leichter Musterstücke in gebundener und ungebundener Rede; Uebungen im Vortragen derselben. Dritte Abtheilung. Geläufiges und sinnrichtiges Lesen der Druck- und Handschrift mit vollkommener Beachtung der Satzzeichen; Verständnis und Wiedergabe des Gelesenen, im letzten Jahre auch des Gedankenganges. — Bei der Wiedergabe ist ein vom Wortlaute des Lesestückes unabhängiger Ausdruck anzustreben. Wort- und Sacherläuterungen. Memorieren und Vortragen passender Lesestücke in gebundener und ungebundener Rede. C. Sprachlehre. (er. Slovenische Unterrichtssprache.) Zweite Abt heilung. Der einfache Satz. Kenntnis des Haupt-, Eigenschafts-, Zeit-, Für- und Zahlwortes. Geschlecht, Zahl und Biegung des Hauptwortes mit und ohne Eigenschaftswort; Person und Zahl des Zeitwortes; die drei Hauptzeiten. Schriftliche Behandlung des grammatischen Stoffes; planmässig geleitete Uebungen im Abschreiben aus dem Lesebuche, in kleinen, leichten Umwandlungen der Lesestücke mit Aenderung des Zahl-, Person- und Zeitverhältnisses. Dritte Abtheilung. Der erweiterte Satz; Begriff des zusammengesetzten und zusammengezogenen Satzes. Satzzeichnung. Steigerung des Eigenschaftswortes. Biegung des Fürwortes; das beziehende Fürwort «svoj». Das Zeitwort mit Rücksicht auf die Dauer der Handlung {verba perfectiva, verba imperfectiva). Biegung des Zeitwortes nach Person, Zahl, Zeit und Redeweise, das Supinum, das Mittelwort, das zeitwörtliche Nennwort, Begriff des Umstands-, Verhältnis- und Bindewortes. Rection des Haupt-, Eigenschafts-, Zeit-und Verhältniswortes. Einiges über Wortbildung. Schriftliche Behandlung des grammatischen Lehrstoffes. (ß. Deutsche Unterrichtssprache.) Dritte Abtheilung. Der erweiterte Satz; Begriff des zusammengesetzten und zusammengezogenen Satzes. Steigerung des Eigenschaftswortes. Biegung des Fürwortes, Biegung des Zeitwortes nach Person, Zahl, Zeit- und Redeweise. Begriff des Umstands-, Verhältnis- und Bindewortes. Rection des Haupt-, Eigenschafts-, Zeit- und Verhältniswortes. Einiges über Wortbildung. Schriftliche Behandlung des grammatischen Stoffes. D. Rechtschreiben und Aufsatz. («. Slovenische Unterrichtssprache.) Zweite Abtheilung. Planmässig geleitete Uebungen im Auf- und Abschreiben ganzer Sätze und der Lesestücke (beziehungsweise Theile derselben). Orthographische Uebungen mit besonderer Rücksicht auf Silbentrennung und Gebrauch grosser Anfangsbuchstaben; harte und weiche Mitlaute; die Mitlaute 1, Ij, nj, s, z, v und der Halb-vocal r. — Beantwortung kurzer Fragen, welche auf die erklärten Lesestücke Bezug haben. Dritte Abtheilung. Fortgesetzte orthographische Uebungen mit besonderer Berücksichtigung der ähnlich lautenden Wörter und der bei der Wortbildungslehre auftretenden besonders wichtigen Formen; die Satzzeichen; die gebräuchlichsten Abkürzungen. — Erzählungen und Beschreibungen, angeknüpft an Gelesenes und Wahrgenommenes, nach vorausgegangener Besprechung und Feststellung der Disposition. Leichte Briefe und die am häufigsten vorkommenden Geschäftsaufsätze (Zeugnisse, Quittungen, Schuldscheine, Anzeigen). (ß. Deutsche Unterrichtssprache.) Zweite Abtheilung. Planmässig geleitete Uebungen im Auf- und Abschreiben ganzer Sätze und der Lesestücke (beziehungsweise Theile derselben). Orthographische Uebungen mit besonderer Rücksicht auf Silbentrennung, auf Rein- und Umlaute, Zwielaute, Dehnung, Schärfung und Grosschreibung. — Beantwortung kurzer Fragen, welche auf die erklärten Lesestücke Bezug haben. Dritte Abtheilung. Fortgesetzte orthographische Uebungen mit besonderer Berücksichtigung der ähnlich lautenden Wörter und der bei der Wortbildungslehre auftretenden besonders wichtigen Formen; die Satzzeichen; die gebräuchlichsten Abkürzungen. — Erzählungen und Beschreibungen, angeknüpft an Gelesenes und Wahrgenommenes, nach vorausgegangener Besprechung und Feststellung der Disposition. Leichte Briefe und die am häufigsten vorkommenden Geschäftsaufsätze (Zeugnisse, Quittungen, Schuldscheine Anzeigen). ITT. Rechnen in Verbindung mit geometrischer Formenlehre. Drit te Abtheilung. Erweiterung des Zahlenraumes nach Ganzen und Decimalen. Die vier Grundoperationen mit Ganzen und Decimalen. Rechnen mit mehrnamigen Zahlen. Rechnen mit den häufiger vorkommenden Brüchen (Halbe, Drittel, Viertel, Fünftel, Achtel, Sechzehntel) in praktischen Aufgaben. Schlussrechnungen. Procent-, Zins- und Theilungs-rechnungen. Mündliches Rechnen. — Je nach den Ortsverhältnissen und den künftigen Berufsarten der Schüler sollen landwirtschaftliche oder gewerbliche und für Mädchen Haushaltungsrechnungen besondere Berücksichtigung finden. — Berechnung von Flächen und Körpern einfachster Art nach Umfang und Inhalt (Quadrat, Rechteck, Dreieck, Würfel, Prisma u. s. f.). IV. Realien. Umfang des gesammten Realunterrichtes: das für die Schüler Fasslichste und Wissenswerteste aus der Naturgeschichte, Naturlehre, Geographie und Geschichte mit besonderer Rücksichtnahme auf das Vaterland und dessen Verfassung (§ 3 des R. G. vom 2. Mai 1883). A. Naturgeschichte. (Wie im Lehrplane für getheilte einclassige Schulen, nur mit dem Unterschiede, dass statt «Obergruppe» hier «Dritte Abtheilung» zu setzen ist.) B. Naturlehre. (Wie im Lehrplane für getheilte einclassige Schulen. Was dort für die Obergruppe verzeichnet ist, gilt hier für die dritte Abtheilung.) C. Geographie. Dritte Abtheilung. Wiederholung der gewonnenen geographischen Grundbegriffe und entsprechende Erweiterung derselben. Heimatkunde, ausgehend vom Schulorte; Städte, Markl.flQcken und Orlschal'ten der nächsten Umgehung und des politischen Bezirkes, in dem sich die Schule befindet. — Allmähliche Einführung in das Verständnis der Landkarte. Das Heimatsland Krain: Grösse, Lage, Grenzen, Oro- und Hydrographie, Industrie, Handel, Strassen und Eisenbahnen; die Bewohner nach Zahl, Nationalität und Beschäftigung. Dfe österreichisch-ungarische Monarchie mit Rücksicht auf die Grösse, Lage, Grenzen und Kronländer derselben. Die wichtigsten Producte ihrer Länder. Die wichtigsten Städte, Flüsse und Gebirge; die Bewohner nach ihrer Nationalität und Beschäftigung. (Die angrenzenden Kronländer sind eingehender zu behandeln.) Allgemeine Uebersicht von Europa; die Erde als Weltkörper, ihre Gestalt und Bewegung. Die Welttheile, die Weltmeere. D. Geschichte. Zweite Abtheilung. Sagen und Erzählungen, welche sich auf den Schulort und dessen Umgebung beziehen; ferner Sagen und Erzählungen, die in Krain und in den benachbarten Ländern bekannt sind (z. B. die Sage vom wilden Manne, vom Wassermanne etc.). Kleine Gallerie berühmter Krainer (z. B. Vodnik, Preširen, Cop, Vega, Janša u. s. w.), deren Biographie und hervorragende Verdienste bei Behandlung passender Lesestücke kurz eingereiht werden können. Dritte Abtheilung. Leichte Erzählungen aus der Geschichte des Heimatslandes und der österreichisch - ungarischen Monarchie; Bilder aus der krainischen und österreichischen Geschichte, einige Erzählungen aus der allgemeinen Geschichte, so weit dieselbe mit der österreichischen im Zusammenhänge steht, im Anschlüsse an das Lesebuch. — Die wichtigsten Erfindungen und Entdeckungen. Belehrungen über die wichtigsten Pflichten und Rechte der Staatsbürger. V. Schreiben. Zweite Abtheilung. Die Buchstaben in genetischer Folge. Nachschreiben des auf der Tafel Vorgeschriebenen. Schreiben von arabischen und römischen Ziffern. Dritte Abtheilung. Vervollkommnung der Schrift. VI. Zeichnen. Zweite Abtheilung. Für den Anfang genügen solche Vorübungen, welche den Kindern einige Handfertigkeit im Ziehen der Striche verleihen; diesen folgen Uebungen im Zeichnen verschiedener Formen, denen die gerade Linie, der Winkel, das Dreieck und das Viereck zugrunde liegen. Anwendung dieser Formen auf Gebilde einfachster Art. Dritte Abtheilung. Freihandzeichnen nach Vorzeichnungen an der Schultafel. — Combinationen gerad- und krummliniger Figuren; bei Mädchen mit besonderer Rücksicht auf die weiblichen Handarbeiten. Vom Würfel ausgehend, wird die Kenntnis der einfachsten eckigen und runden Körper, bei den einzelnen Körpern die Kenntnis der verschiedenen Flächen, Winkel und Linien vermittelt. VII. Gesang. Erste und zweite Abtheilung. Gehör- und Stimmübungen. Unterscheiden von Tönen (hoch — tief — lang — kurz — stark — schwach); Einübung einfacher Liedchen in einem den Altersstufen entsprechenden Tonumfänge nach dem Gehör und nach vorausgegangenem Memorieren des Textes. Dritte Abtheilung. Singen leichter Lieder nach"dem Gehöre, nach Umständen mit Berücksichtigung der Kenntnis der Noten. VIII. Turnen. Zweite und dritte Abtheilung. Freiübungen: Fuss-, Bein-, Rumpf-, Hals-, Schulter-, Arm-, Hand- und Fingerthätigkeiten. Entwicklung und Einübung derselben nach den verschiedenen Gelenken durch Heben und Senken, Hin- und Herschwenken und Kreisen mit Beachtung des Taktes. Gehen, Laufen, Springen, Schrittarten bis Wechselschrittgang. — Wechsel von Gang- und Schrittarten und Richtungen. — Dauerlauf bis 3 Minuten. Ordnungsübungen: Bildung der Reihe, — Richtung, — Fühlung, — Verwandlung einer Flankenreihe in eine Stirnreihe mittelst einer Viertelwendung, Zerstören und Wiederherstellen der Reihe, — Schwenkungen um einen Flügel, — Hebungen der einfachen Rotten und Reihen in der Stellung der Reihe, — Gehen im Takt und Gleichtritt in verschiedenen Richtungen, — Oeffnen und Schliessen der Reihe nach je einer Richtung. Ortsübliche und Turnspiele. (Die Vornahme von Freiübungen im Schulzimmer während der Zwischenpausen wird besonders empfohlen.) IX. Weibliche Handarbeiten. (Wie im Lehrplane für getheilte einclassige Volksschulen.) Der freie Wille. In seltener Uebereinstimmung wird von allen Völkern seit Jahrtausenden an der Freiheit des Willens als Grundlage aller sittlichen Gestaltungen des Lebens mit Hartnäckigkeit und trotz aller Belehrungen der Philosophie festgehalten. Ein Streit hierüber besteht weniger im Leben als in der Wissenschaft. Im Leben wird diese Freiheit des Wollens nicht bezweifelt. Das bürgerliche wie das Strafrecht ist auf der Voraussetzung derselben errichtet. Nur freie Handlungen begründen Verbindlichkeiten; nur freie Handlungen werden bestraft. Auch die Reue, die Gewissensbisse, die Busse im Moralischen ruhe auf diesem Begriffe der Freiheit. In der Wissenschaft sind dagegen seit dem Mittelalter Zweifel gegen diese Freiheit erhoben worden; grosse Denker, wie Spinoza, Hobbes, Hume, Kant, Schopenhauer leugnen sie und unterwerfen das Wollen und Handeln der gleichen Nothwendigkeit, wie sie in der Natur gilt. Auch die empirisch-philosophische Naturbetrachtung der jüngsten Zeit pflichtet bekanntlich dieser Ansicht, mit aller Entschiedenheit bei. Nach ihren Lehren ist der Mensch ein Naturproduct seinem körperlichen wie seinem geistigen Wesen nach. Daher beruht nicht bloss das, was er ist, sondern auch das, was er thut, will, empfindet und denkt, auf eben solchen Naturnothwendigkeiten, wie der ganze Bau der Welt. Thun und Lassen jedes Einzelnen ist abhängig von dem Charakter, der Sitte und der Denkungsweise des Zeitalters und der Nation, welchen er angehört. Diese selbst ist aber ein Product der äusseren Naturzustände, unter denen sie lebt und emporgewachsen ist. Nach dieser Anschauung fällt allerdings das Wollen und Handeln einem Mechanismus anheim, der die Zurechnungsfähigkeit aufhebt und dem Unterschied zwischen Tugend und Laster seine Bedeutung raubt. Wert und Unwert des Menschen erscheinen dann nicht als sein eigenes Werk. Solche Consequenzen jedoch sind wieder unvereinbar ebensowohl mit dem unmittelbaren Bewusstsein eines jeden, als demüthigend für den Stolz und erniedrigend für die sittliche Natur des Menschen. Das thatsächliche Leben hat auch gegen eine derartige Auffassung stets protestiert, und zwar erfolgreich protestiert. Die allgemeine Erfahrung lehrte ja, dass bei allen unseren Handlungen die uns zugebote stehende Energie des Willens wesentlich dazu beiträgt, ein gewünschtes Ziel zu erreichen. Ebenso genau wissen wir, von welch grossem Einfluss auf den beabsichtigten Endzweck es ist, ob wir die Mittel und Wege, die wir einzuschlagen gedenken, auch gehörig überlegt und geprüft haben oder nicht. Wir verstehen und bezwingen ein schwieriges Problem erst dann, wenn wir die Mühe nicht scheuen, dasselbe-wiederholt zu studieren. Wir controlieren unsere Berechnungen, bis wir vermeinen, darin keinen Fehler mehr zu entdecken, und bezeichnen den als leichtsinnig, der solches zu thun unterlässt. Würden wir überhaupt sorgen und überlegen, wenn wir nicht die Ueberzeugung hätten, hiedurch die Ereignisse des Lebens in einer uns günstigen Weise zu beeinflussen? Hat es ferner nicht stets Einzelne gegeben, die sich über die Ansichten und Gewohnheiten ihres Zeitalters hinwegsetzten, im Gegensätze zu der herrschenden Meinung das thaten, was ihrem Dafürhalten als Besseres erschien, und so abseits der Menge neue Bahnen suchten und fanden? Der Widerspruch, der sich hier zeigt, hat zu mancherlei Vermittlungsversuchen geführt. Lavater meint: «Der Mensch ist frei, wie der Vogel im Käfig; er kann sich innerhalb gewisser Grenzen bewegen. > Büchner schliesst sich diesem Gedanken mit den Worten an: «Nur in der Betrachtung des Einzelsten und Kleinsten verlieren wir bisweilen den Anhaltspunkt, für die Erkenntnis dieser Wahrheit, im grossen Ganzen dagegen erblicken wir überall nur eine solche Ordnung der Dinge, welche Menschen und Menschheit bis zu einem gewissen Grade unerbittlich beherrscht.» Diesemnach wäre der Mensch unfrei, dabei aber dennoch frei «innerhalb gewisser Grenzen». Der Mensch wird unerbittlich beherrscht «bis zu einem gewissen Grade». Eine solche Lösung ist unklar- Entweder muss zugunsten des freien Willens eine Ausnahme von dem Gesetze der ausschliesslichen Causalität statuiert werden, es muss zugegeben werden, dass der freie Wille eine Reihe von Erscheinungen, die nach Naturgesetzen abläuft, schlechterdings von selbst anzufangen vermag, oder wir müssen zugestehen, dass eine Freiheit, mit der wir zu handeln vorgeben, und wären ihre Grenzen auch noch so enge gezogen, einer streng logischen Prüfung nicht standzuhalten vermag. Es mag auffällig erscheinen, dass eine vollständig klare Fassung dieser so alten Frage noch immer fehlt, allein man bedenke, dass erst die neuere, auf den Fortschritten der exacten Wissenschaften fassende materialistische Philosophie diesen Widerspruch in voller Schärfe aufgedeckt hat und erst jetzt die ganze Schwäche jener Voraussetzungen klar empfunden wurde, welche bisher zugunsten des freien Willens vorgebracht wurden. Sind wir einmal dahin gelangt, uns alles Geschehene ausschliesslich durch Naturgesetze beherrscht zu denken, so dürfen wir auch eine entsprechende Correctur der Begriffe Nothwendigkeit und Zufall nicht verabsäumen. In den Begriff Nothwendigkeit darf dann auch nicht mehr hineingelegt werden, als dass eben jedes Geschehen den allgemeinen Naturgesetzen entspricht. Das Wort Nothwendigkeit, auf den Willen angewendet, kann dann gleichfalls nicht mehr bedeuten, als dass einer gegebenen Ursache ihre Wirkung folgen wird, wobei diese allen Möglichkeiten einer Gegenwirkung durch andere Ursachen ausgesetzt bleibt. Mit anderen Worten: Was immer geschieht, hätte nicht anders geschehen können, ausgenommen, es hätte etwas stattgefunden, was es verhindert hätte. Denken wir beispielsweise an ein Schiff, welches den Hafen verlässt; dasselbe kann glücklich seinen Bestimmungsort erreichen, es kann aber auch unterwegs Schiffbruch leiden. Nothwendig ist weder das eine noch das andere. Günstige Witterung, ein geschickter Capitän und seine geschulte Mannschaft vermögen das Schiff vor mancher Gefahr zu bewahren, und umgekehrt werden widrige Verhältnisse oder eine nachlässige Führung nur allzuleicht die Katastrophe herbeiführen. Wer all diese Momente genau zu _ 328 übersehen vermöchte, der könnte allerdings mit Gewissheit den einen oder den andern Fall Voraussagen. Da wir dieses aber nicht imstande sind, so können wir nicht mehr, als irgend ein Resultat mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit annähernd vermuthen. Lässt sich also auch im ganzen Grossen die Zahl der Schiffbrüche im voraus statistisch berechnen, so bildet die Grundlage der Rechnung eben die Voraussetzung, dass sich die nautischen Kenntnisse ebenso wie die Fähigkeiten der SchifTsleute nicht plötzlich, sondern nur allmählich verändern und verbessern. Die vollkommene, jeden Zweifel aus-schliessende Gewissheit, die Nothwendigkeit des einzelnen Falles tritt für uns in den meisten Fällen erst dann ein, wenn ein Ereignis stattgefunden hat. Bei keiner unserer Handlungen können wir mit absoluter Gewissheit deren Verlauf und Resultat im voraus wissen. Ein unvorhergesehener Zufall kann im letzten Augenblicke die klügste Berechnung vereiteln. Wir wissen wohl, dass jedes Ereignis nach allgemeinen natürlichen Gesetzen ohne den Eintritt jeglichen Wunders verlaufen wird, aber die Wirkung und gegenseitige Beeinflussung der kosmischen Gesetze ist so mannigfaltig, dass wir ihre schliessliche reine Wirkung nie genau abzuschätzen imstande sind. So lässt sich dem menschlichen Leben in keinem Bereiche das Moment des Zufalls völlig benehmen, nicht im grössten und nicht im kleinsten. Die Summe der nicht wissbaren Umstände überwiegt jederzeit die Summe der wissbaren Umstände. Friedrich der Grosse spricht von «Seiner heiligen Majestät, dem Zufall». Wir können nicht vorausbestimmen, wie viel wir in irgend einer Richtung zu erreichen vermögen; wir können mit Sicherheit keinem Talente die Grenzen bestimmen, die ihm zu erreichen bestimmt sind. Wir wissen aus unserer Erfahrung nicht mehr, als dass Kenntnisse und Uebung einen Factor bilden, welcher die Naturkräfte in einem gewissen Grade zu lenken und zu modificieren vermag, ohne die Richtung der Resultierenden genau bestimmen zu können. Die Begriffe Nothwendigkeit und Zufall stehen nämlich im umgekehrten Verhältnisse. Je weiter in irgend einer Richtung unsere Erfahrungen und Kenntnisse reichen, desto mehr engt sich das Gebiet des Zufalls ein, wie umgekehrt wir bei unbekannten Erscheinungen jeden Augenblick eine unvorhergesehene, unerwartete Ueberraschung zu gewärtigen haben. Wir können uns gleichsam jede Handlung in mehrere Theile zerlegt denken. Jenen Theil, den wir am besten kennen, beherrscht die Nothwendigkeit der Naturgesetze; das Reich des Zufalls beginnt dort, wo uns diese Kenntnis noch fehlt, und einen weiteren Theil endlich bildet jener, innerhalb welchem wir, gestützt auf unsere Kenntnisse und Erfahrungen, imstande sind, die naturgesetzlich eintretenden Folgen dieser oder jener Art in einem gewissen Masse unseren Absichten gemäss zu lenken und umzugestalten. Die Explosion der entzündeten Patrone ist Nothwendigkeit; die Ruhe des Schützen, die momentane Beleuchtung des Ziels, eine unerwartete Bewegung eines Nebenstehenden; diese und ähnliche Momente beherrscht der Zufall. Den letzten Theil aber bildet die Ueberzeugung, dass wir durch Uebung und fleissigen Gebrauch der Waffe eine immer grössere Treffsicherheit zu erreichen imstande sind. Säen und Pflügen ist nothwendig. Der Gang der Witterung, die Chancen des Marktes sind nur annäherungsweise zu bestimmen; aber die Chancen der Berechnungen wachsen in dem Masse, als unsere Beobachtungen sorgfältiger und unsere Kenntnisse umfassender werden. Die Grenzen solcher Bruchtheile werden sich stets verschieben, zeitlich und individuell ihr bestimmtes Gepräge erhalten. Diesemnach gelangt man unschwer zu folgenden Erwägungen: Wir wissen recht gut, dass unser Wissen und Wollen nicht in nnserem Belieben steht, dass vielmehr der Umfang unserer Kenntnisse sowie die Art unseres Charakters von Bedingungen ab-hängen, welche sich unserer Einflussnahme entziehen, und wir müssen anerkennen, dass die Individualität das Product angeborener körperlicher und geistiger Anlagen darstellt, in Verbindung mit Nationalität, Klima, Boden, Zeitumständen, Lehre, Beispiel und Erfahrung. Wir wissen ferner, dass mit dem Grade unseres Fleisses und unserer Anstrengung auch die Summe unserer Erfahrungen und Kenntnisse und damit unserer Macht über die Natur zunehmen wird. Die Summe der Erkenntnis begründet den Fortschritt. Sie verschaff den Menschen die Mittel sowohl zur Verbesserung ihrer materiellen Lage, als zur unmittelbaren geistigen Vervollkommnung. Auf dieser Grundlage bildet sich die Cultur-entwicklung, das höhere Gedeihen und Emporblühen. Aber wir wissen endlich auch, dass ungeachtet aller Anstrengung eine gewisse, durch unsere individuellen Talente, durch unsere physische Constitution gezogene Grenze von uns niemals überschritten werden kann. «Nach dem Gesetz, wornach du angetreten, so musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen!» Würde jeder die Grenze des für ihn Erreichbaren zu bestimmen vermögen, dann freilich könnte in verschiedenen Fällen das Nutzlose mancher Anstrengungen oder Handlungen vermieden werden. Aber diese Kenntnis fehlt uns. Wir wissen nicht, ob die vermehrte Anstrengung von Erfolg begleitet sein wird. Wie viele müssen das Leben erst opfern, um zu erfahren, dass es vergebens geschah! Verschont sie mit Spott! Die völlig sicheren Anhaltspunkte fehlen. Der Unglückliche hat stets zu hoffen, der Glückliche zu fürchten! Was und wie viel wir zu erreichen imstande sind, ob und wann wir die Grenzen unserer Kräfte erreicht haben, ob weitere Anstrengungen nutzlos sind oder nicht — niemand vermag’s zu sagen. Die Ueberzeugung muss uns genügen, dass in dem Masse als die Summe unseres Wissens und unserer Energie sich vergrössert, wir umso nachdrücklicher vermögen, die uns entgegenstehenden Tendenzen zu beseitigen oder abzuschwächen und hiedurch unser Machtgebiet zu erweitern. Je mehr wir überlegen, je eingehender wir überprüfen, desto grösser werden die Chancen des Erfolges. Dieses Streben duldet kein Ende und keinen Stillstand, und unser Wollen muss uns stets frei erscheinen, denn die Grenzlinie können wir nicht bestimmen, wo ein weiteres Mühen erfolglos bleibt. So erscheinen die Handlungen der Menschen als ein Gesammtergebnis der allgemeinen Gesetze und Verhältnisse der menschlichen Natur und ihrer individuellen Charaktere; die Charaktere sind ihrerseits wieder die Folge der natürlichen und künstlichen Verhältnisse, welche ihre Erziehung ausmachen, und hiezu müssen auch ihre bewussten Anstrengungen gerechnet werden. Ist auch der Charakter durch seine Verhältnisse gebildet (darunter seine besondere Organisation mit inbegriffen), sein eigenes Verlangen, ihn in einer bestimmten Weise zu gestalten, ist eines jener Verhältnisse und keineswegs eines der einflusslosesten. Wie die Naturkräfte ihre Einwirkungen auf den Geist haben, so wirkt auch der Geist wieder auf die Natur zurück. Er ruft die Cultur ins Leben, vornehmlich dadurch, dass es ihm gelingt, die Naturkräfte zu bekämpfen, zu leiten oder sich dieselben dienstbar zu machen. Wir denken und überlegen nach den uns zugänglichen, von der Natur uns gebotenen Thatsachen. Dieses überlegte Handeln ist das der Natur zugefügte Plus unseres Geistes. Die Erfahrung, dass fortgesetzte Anstrengungen diesem Plus ein stetig grösseres Gewicht in der Wagschale der Ereignisse sichern, diese Erfahrung ist identisch mit dem Gefühle sittlicher Freiheit, dessen wir bewusst sind. A. V. Rundschau. Tirol. (Ständige Lehrmittel-Ausstellung.) Im «Oesterr.Schulboten» lesen wir: Nun hat auch Innsbruck seine ständige Lehrmittel-Ausstellung erhalten. Die Stadtgemeinde stellte hiefür einen leerstehenden Lehrsaal im Schulgebäude von Dreiheiligen, die Regierung eine Spende von 200 fl. zur Verfügung und erliess ausserdem ein Circular an die ßezirkshauptmannschaften mit der Aufforderung, die Lehrerschaft zur Betheiligung aufzumuntern. Die Ausstellung umfasst: a) Mustersammlungen von Lehrmitteln für Volksschulen mit besonderer Rücksicht auf die einclassige Volksschule; b) Schuleinrichtungsgegenstände oder Pläne und Modelle derselben; c) Hefte und sonstiges Schreib- und Zeichenmaterial; d) Materialien, Lehrmittel und Muster für weibliche Handarbeiten; e) Lehr- und Lesebücher für Volksschulen mit besonderer Rücksicht auf die approbierten sowie Erläuterungsschriften dazu; f) pädagogisch-didaktische Werke;