_ • • Zu einigen Legenden und Uberlieferungen von Wasserquellen in Bulgarien Nikolai Kolev In this article the author analyses Bulgarian myths, legends and festive rites to illustrate the traditional beliefs and pagan notions about water, which lie at the core of many myths and legends about water sources, elves, dragons and water bulls as well as in Christian legends about gods and saints: Perun, Jesus, the Virgin Mary, St. George, St. Ivan Rilski, St. Naum, and others. Das Leben ist ohne Wasser unvorstellbar. Das Wasser ist die lebensspendende Kraft für Menschen, Tiere und Pflanzen, ein Reinigungs- und Säuberungsmittel im alltäglichen und im sakralen Sinne des Wortes. Neben diesen nützlichen Qualitäten weist das Wasser auch andere, negativ geladene Eigenschaften auf. Es ist ebenso als nichtaufzuhaltende Naturgewalt bekannt, die alles auf ihrem Wege fortfegt, wie im Falle des verheerenden Regens oder Hagels und der Überschwemmungen. Diese Bedeutung und Zweispältigkeit des Wassers bedingt auch die wichtige Stelle, die es in der Praxis der Riten und Bräuche des Menschen, in seinen Liedern, Überlieferungen und Legenden einnimmt, aus diesem Grunde ist es zum Kultus, zum sakralen Gegenstand geworden. Das Wasser und die damit verbundenen Glaubensvorstellungen waren bereits Untersuchungsgegenstand einiger ethnographischer und folkloristischer Studien von D. Marinov, Chr. Vakarelski, St. Siskov, M. Arnaudov, E. Teodorov, I. Georgieva, Sv. Bogdanova, J. Mankova1. fl. MapHOHOB, Hapo^Ha Bapa h peaHrH03HH Hapo^HH oömaH / Volksglaube und religiöse Volksbräuche / In: CEHY XXVIII, 1914, S. 37 - 41. Chr. Vakarelski, Brunnen und Wasserleitungen in Bulgarien, In: Folklive, Stockholm, 1939, I, S. 5 - 43. Ct. fflHmKOB, KyaTtT Ha Bo^ara b Po^onHTe / Der Wasserkult in den Rhodopen / In: H36p. npoH3B. Plovdiv 1965, S. 374 - 379. M. ApHay^oB,, HeTHH oöhtoh h MarHH / Sommerbräuche und Magie /, In: CTy^HH Btpxy öiarapcKHTe oöpe^y h aereHÄH, Sofia, 1971, Bd. I, S. 115 ff. M. ApHay^oB, Brpa^eHa HeBacra / Die eingebaute Frau / ebenda, Bd. II, 1972, S. 221 ff. Ebt. Teo^opoB, flpeBHoTpaKHHCKo Hacae^cTBo b öiarapcKHa (omnop / Altthrakisches Erbe in der bulgarischen Folklore /, Sofia 1972, S. 11 - 20. Hb. TeopraeBa, EtarapcKa Hapo^Ha Mmonoraa / Bulgarische Volksmythologie /, Sofia 1983, S. 69 ff. Cb. Eor^aHoBa, Kna^eHe^T - KyaTypeH (aKT b ÖHTa Ha narpHapxanHoTo ceao / Der Brunnen, eine Kulturtatsache der patriarchalischen Lebensweise auf dem Lande /, In: E 1984, H. 1, S 53 - 63. H. MaHKoBa, OöpeflH cBtp3aHH c Bo^ara h cpeöpoTo / Bräuche im Zusammenhang mit dem Wasser und dem Silber /, In: EO 1987, H. 2, S. 14 - 20. Der vorliegende Beitrag richtet seine Aufmerksamkeit auf einen Teil der Nishtmärchen-Prosa, nämlich auf die toponymischen Überlieferungen und auf die ätiologischen Legenden, denen Beziehungen zu verschiedenen Wasserquellen in Bulgarien (Wasserleitungen, Brunnen, unterirdischen Flüssen, Seen) nachzuweisen sind. Durch die Analyse ausgewählter Belege wird der Versuch unternommen, Besonderheiten der traditionellen Weltanschauung der Bulgaren während ihrer 13 Jahrhunderte alten Geschichte aufzudecken. Der Interpretation werden sowohl bereits veröffentlichte, als auch vom Autor selbst belegte Überlieferungen und Sagen unterzogen2. Bevor sich der Mensch des Wasserkreislaufes in der Natur bewußt geworden ist, hat er verschiedene Vorstellungen vom Ursprung des Wassers gehabt. Nach einigen dieser Vorstellungen befände sich alles Wasser im Himmel, woher es durch den Regen auf die Erde komme, um die Erde zu befruchten. Andere Beobachtungen zeigen dem Menschen, daß das Wasser auch aus unterirdischen Speichern an die Erdoberfläche kommt; er glaubt dann, daß dort verschiedene dämonische Wesen mit zerstörerischen Kräften wohnen, die ihm gegenüber oft feindlich gesinnt sind: Berg- und Waldfeen ('samovili' in Westbulgarien und im Strandsha-Gebirge; 'samodivi' in Ostbulgarien), Hexen ('judi' in den Westrhodopen und im Piringebirge), Nixen ('rusalki'), Ungeheuer ('hali'=, Feuerdrachen ('zmejove') u.a.3. Der Teufel in seiner Eigenschaft als christliche Verkörperung des Chaos lebt manchmal auch im Wasser und kann Tod durch Ertränken herbeiführen. Weit verbreitet im Volk ist der Glaube, daß die genannten mythischen Wesen die Seen, die Wasserquellen und die Brunnen beschützen, wovon Toponyme wie Samovilski kladenec (Waldfeenbrunnen), Samodivski kladenci und Samodivski ezera (Waldfeenbrunnen und Waldfeenseen), Samovilska cesma (Waldfeenwasserquelle), Rusalsko kladence (Nixenbrunnen), Samovila (ein Dorf bei Kardshali) u.a.m.4 ein Zeugnis ablegen. Südlich des Rusalijski-Passes im Balkan-Gebirge befindet sich Samodivsko kladence (Bergfeenbrunnen), wo die Bergfeen sich zu ihrem Reigen treffen, aus welchem Grunde man dort kleine Kringel hinterläßt5. Eine Wasserquelle desselben Namens gibt es auch bei Zlatitza, in der Region um Sofia, wie auch in der Nähe von Kalofer6. Unweit der Stadt Sopot befindet sich eine andere Wasserquelle, Russalsko kladence (Nixenquelle) genannt7. Die Wald- und Bergfeen rächen aich an jedem, der ihre Besitztümer überschreitet und ihren Frieden stört. So z.B. wird Jova entführt als Strafe dafür, daß sie ihr Gesicht im Bergfeensee des Walachei-Gebirges gewaschen hat, sie muß dann Bogen und Pfeile tragen und die Bergfeenkinder baden8. 2 E. OraaHOBa, flocmraaao äo Hac /Überliefertes/, Sofia 1984. Bei der Analyse wurden auch unbekannte Überlieferungen und Legenden benutzt, die durch die aktive Mitarbeit von Fernstudenten der Historischen Fakultät der Hl. Hl.-Kyrill-und-Method-Universität aufgenommen wurden, denen ich meinen herzlichen Dank aussprechen will. 3 Hb. TeopraeBa, bereits zit., S. 111. 4 fl. MapHHOB, XHBa cTapHHa / Lebendiges Altertum /, Bd. I, Russe 1891, S. 23. E. AHreaoB, CaMOBH^HTe b EiarapcKaTa Hapo^Ha noe3Ha / Die Berg- und Waldfeen in der bulgarischen Volksdichtung /, In: HCCO, Sofia 1911, S. 14. K. HpeneK, niTyBaHHa no EiarapHa / Reisen durch Bulgarien /, Sofia 1974, S. 325, 372, 722. Hb. TeoprHeBa, zit., S. 112. Hb. TeoprHeBa,, AEHM, 570-II, S. 7, 43, 576-II, S. 2. 5 Hb. TeoprHeBa, bereitszit., S. 112. 6 ebenda 7 ebenda 8 ebenda, S. 113. In einem Volkslied ist von einem gewissen Stojan die Rede, der in der Nacht zum Bergfeensee gegangen ist, um Wasser für den Knaben seiner Schwester zu holen. Dort hat er drei Frauen, Bergfeen, angetroffen, die ihre Söhne im Wasser gebadet haben. Sie fragen ihn: O weh, Stojan, Stojan, warum bist du hierher gekommen, noch vor dem ersten Hahnenschrei. Geh heim, Stojan, daß dich deine Mutter gesundpflegen kann. Noch bevor Stojan zu Hause ankommen kann, hört man den ersten Hahnenschrei. Stojan erkrankt und stirbt darauf am Fieber9. Wenn man sich also mit Wasser wäscht, wo Berg- und Waldfeen gebadet haben, dann erkrankt man: man wird blind, taub, gelähmt, man wird zum Krüppel, mit anderen Worten, man holt sich die allerschwersten Krankheiten ('uradisva', wie es im Volksmund heißt).10 Vom Wasser des Samovilski kladenec oder Sveti kladenec (Bergfeen-brunnen, Heiliger Brunnen) glaubt man, daß es heilkräftig, aber auch gefährlich ist. Ihre Heilkraft wird nur freitags wirksam, weil die Bergfeen, die Herrinnen der Quelle, an diesem Tag ins Gebirge gehen, um sich dort auszutoben. Viele, die fiebrig sind, besuchen am Freitag die Quelle, waschen sich dort, manche legen sich paar Stunden daneben hin. Die Kranken reißen je drei Streifen von ihren Taschentüchern ab und binden sie an drei Bäume, die in der Nähe des Brunnens wachsen11. In der Volksdichtung findet sich auch das Motiv des Quellen-Versiegens durch eine Waldfee, weshalb sie dann in den Kampf mit mannhaften Helden tritt. So heißt es in einem Volkslied über eine Bergfee namens Gjurja oder Vida, daß sie 12 Wasserquellen in einem ausgedorrten Baum gefangen hält, der nur am Wipfel grün ist. Marko befreit das Wasser, wobei er den Baum fällt12. In den von den Brüdern Miladinovs gesammelten Volksliedern besingt man ein junges Mädchen Neda, die ins Gebirge geht, Wasser aus einer kühlen Quelle trinkt, über gelbe Waldfeenblumen tritt, weshalb die Bergfeen als Strafe ihre Augen verlangen. Neda bittet um eine Verzögerung der Strafe bis zu Christi Himmelfahrt, damit sie an den Tänzen am Lazarustag, zu Ostern und am Georgstag teilnehmen kann13. Zwischen dem Dorf Mokresch und dem Dorfteil Jumerova mahala bei Michajlovgrad befindet sich Ristov kladenec, der den Namen Risto nach einem Mann trägt, welcher durch die Wald- und Bergfeen seinen Tod gefunden hat. Hier leben und baden der Sage nach die Waldfeen in der Zeit zwischen März und August (zwischen den Feiertagen Blagovec und Seknovenie).14 Informationen über Wasserquellen, die mit diesen dämonischen Wesen verbunden sind, gibt es über das Dorf Stojanovo bei Ardino, Avren bei Kardishali über den Sinijat 9 ebenda, S. 113-114. 10 ebenda, S. 114 - 115. 11 E. OrHAHOBa, bereits zit., S. 113. 12 Hb. TeopraeBa, bereits zit., S. 113. EtarapcKH lOHamKH enoc / Bulgarischer Heldenepos / CEHY, Bd. 53, Sofia, 1974, S. 147, S. 149. 13 Epa-ra MHaa^HHOBH, EtarapcKH Hapo^HH necHH / Bulgarische Volkslieder /, Sofia 1961, S. 6, 8. 14 Hb. TeopraeBa, bereits zit., S. 112. pischur (der blaue Brunnen) im Balkan-Gebirge bei Teteven, über den Černoto ezero (den Schwarzen See) bei Samokov, über die Seen und Wasserquellen im Pirin-Gebirge15. In der Nähe des Dorfes Insovo bei Jambol hört um Mitternacht das Wasser zu quellen auf, damit die Wald- und Bergfeen in den drei Wasserbecken baden können16. Waldfeen sollen auch beim Brunnen nach des Dorfes Radilovo bei Pazardshik erschienen sein, wo man Wasser nur auf der linken Seite schöpfen darf, denn rechts der Quelle speisen die Feen17. Es wurden auch Berichte aufgeschrieben, in denen die Erzähler von ihren eigenen Kontakten oder von Begegnungen der Familienangehörigen mit Wald- und Bergfeen sprechen. Dazu gehört die Erzählung über den Waldfeenbrunnen, der 1951 von Tzvetan P. Balevski aus Ugarčin bei Loveč nach seiner Begegnung mit einer Waldfee gebaut worden ist18. Das Interessante dieser und anderer ähnlicher Erzählungen besteht darin, daß sie neben phantastischen Elementen auch realistische Einzelheiten, eine detaillierte Schilderung der Erlebnisse der handelnden Personen enthalten, mit einem bestimmten Ort und Zeitpunkt verbunden. Darin zeigt sich das Bestreben des Erzählers, überzeugend und glaubwürdig in seinem Bericht über die Zusammenkunft mit den "bösen Geistern" zu wirken. Ähnlich verhälts es sich um den Bericht über den Hadshi-Kadir-Brunnen, der beim Dorf Kozitza in der Region von Targovischte von Hadshi Kadir errichtet worden ist, nachdem sein Sohn den Reigentanzplatz der Berg- und Waldfeen betreten haben soll, worauf er erkrankt ist19. Unweit von Sopot und Kalofer hat es eine Wasserquelle gegeben, Rusalijsko kladenče genannt, wo die Kranken während der Rusalska-Woche20 Genesung gesucht haben. Ein ähnlicher Brunnen befindet sich bei Malo dere, an der Landstraße zwischen Koprivschtica und Plovdiv21. Oberhalb der Bahnhofsstation Kostenetz, unter dem Ravni-Gipfel des Rila-Gebirges, liegt der schöne Belmeken-See. Früher hat man geglaubt, daß in diesem tränenklaren See ein schreckliches Ungeheuer lebt22. Es soll mehrmals im Jahr aus dem Wasser gekommen sein. Dann habe sich dichter, undurchsichtiger Nebel ausgebreitet, Blitze hätten den Himmel durchzuckt, Donner hätten "Himmel und Erde" erschüttert, es hätte verheerend gehagelt, worauf die Ernte vernichtet gewesen sei. Nach den Volksvorstellungen bis zum Ausgang des 19. und dem Anfang des 20. Jhs. hatte jedes Haus, jeder Ort, jeder Baum, jede Quelle einen eigenen Beschützer, einen Herrn, der sehr häufig in der Gestalt einer harmlosen Schlange (Natter) oder eines anderen Tieres (Katze, Wasserochse, Schafsbock, Kreuzadler, Hund), nicht selten aber auch als menschliches Lebewesen in den Glaubensvorstellungen existierte. Herrinnen-Funktionen hatten auch Wald- und Bergfeen, Nixen, Hexen und Nachtgespenster23. Dieser schützende Geist wird häufig Wirt ('stopanin', 'sajbija', 'domakin'), Statthalter ('namestnik') oder Nachtgespenst ('stichja', 'talasam') genannt.24 Während Wirt und 15 E. OraaHOBa, bereits zit., S. 92 - 93. Privatarchiv des Autors. 16 Hb. TeopraeBa, bereits zit., S. 112. 17 ebenda 18 Privatarchiv des Autors. 19 Privatarchiv des Autors. 20 Hb. TeopraeBa, bereits zit., S. 112. Privatarchiv des Autors. 21 H. KapaBeaoB, 3anHCKH 3a EtarapHa h ötarapHTe / Notizen über Bulgarien und die Bulgaren /, Sofia 1933, S. 6. 22 E. OrHaHOBa, zit., S. 95 - 96. 23 Privatarchiv des Autors. 24 Hb. TeopHreBa, bereits zit., S. 175. Statthalter als die Seelen verstorbener Vorfahren aufgefaßt werden, so ist das Nachtgespenst ein erdachter Wirt/Herr, der durch Opfergabe oder durch den Einbau des Schattens eines lebendigen Menschen zu seiner Schutzfunktion kommt. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen dem Schutzherrn eines Hauses und dem Schutzherrn von natürlichen Objekten (Wasserquellen, Bäume, überhaupt Objekte und Orte, die nicht vom Menschen bearbeitet werden). Nach den bis zum Anfang des 20. Jhs. verbreiteten und belegten Vorstellungen widerspiegelt diese Hochachtung dem Schutzherrn gegenüber unterschiedliche Aufschichtungen im Bewußtsein des Volkes. Der Schutzherr ist eine komplexe, vielschichtige mythologische Gestalt, in der unterschiedliche animistische, totemistische und andere Glaubensvorstellungen einander begegnen. Der Glaube an ein Totem (Schlange, Adler, Hund, junge Katze) geht dem Glauben an einen Menschen in der Gestalt des verstorbenen Vorahnen voraus25. Der Herr eines Besitztums, eines Ortes oder einer Wasserquelle, d.h. eines Naturobjektes, nimmt häufiger einen zoomorphen Charakter an. Aus Nordwestbulgarien, vor allem aus der Gegend um Vratza wie auch aus der Samokover Region stammen einige Legenden, in denen es um einen den Wasserspeicher bewohnenden Wasserochsen geht. Er kommt dort aus dem Wasser hervor und greift den Dorfbullen an oder verfolgt die Kuhherde. Die Bauern besiegen ihn nur mit List, wobei sie Stirn und Brust des Dorfbullen mit Eisenstacheln versehen und das Tier mit eisernen Hörnern schmücken. Der verwundete Wasserochse kehrt in seine Wasserquelle zurück und wird nie wieder gesehen, oder aber er rächt sich an den Menschen, indem er Überschwemmungen oder Dürrezeiten herbeibeschwört26. Es ist klar, daß der Wasserochse als Herr ('stopanin', 'sajbija') aufzufassen ist. Der in der Erde eingegrabene Schatz hat ebenfalls seinen Herrn in der Gestalt eines Nachtgespenstes ('talasam')27. Ihn darf man nich töten, im Gegenteil, ihm soll man Gaben überbringen: Brot, Salz, eine Silbermünze, Beim Eingraben des Schatzes wird auch ein Seil danebengelegt, und es werden die Worte gesprochen: "Vergiß deinen Namen nicht!" Das so besprochene Seil verwandelt sich in eine Schlange und wacht über den Schatz, bis sein Besitzer zurückkehrt. Dieser hat dann die Worte zu sprechen: "Werd wieder zum Seil!" Darauf verwandelt sich die Schlange in ein Seil und man kann seinen Schatz wieder haben.28 In Nordwestbulgarien glaubt man, daß der Schatz von Feuerdrachen oder von Heiducken in der Erde verborgen wird, welche ein Nachtgespenst als Wache aufstellen: "Das Geld liegt hier eingegraben, es wird sich als Hund /Bär, Gans oder ein anderes Tier/ an der Erdoberfläche zeigen. Wer es ausgraben will, darf es bekommen, nur wenn er bestimmte Handlungen ausführt." Es gibt auch besonders begabte Hellseher, die den Zauberspruch und den Ort genau nennen können. Beim Ausgraben des Schatzes darf nicht geredet, gelacht oder geniest werden, sonst versinkt der Schatz noch tiefer und die Schatzgräber werden noch weiter ausgraben müssen29. 25 ebenda, S. 182. 26 Privatarchiv des Autors. Wasserochsen-Legenden wurden in Karagjol bei Samokov, in Rabischko blato bei Vidin, wie auch in den Wratzaer Däfern Lesura, Krivodol, Galatin aufgeschrieben. 27 Hb. reopraeBa, bereits zit., S. 173. 28 Privatarchiv des Autors. 29 Hb. reopraeBa, bereits zit., S. 173. Es sind verschiedene Verfahrensweisen und Techniken bekannt, um festzustellen, wer der Herr des Schatzes ist und welches Opfer zu bringen wäre. Am Ort, wo der Schatz verborgen ist, taucht dieser Herr auf und tanzt an ganz bestimmten Tagen (Vassilstag, Blaogovec, Georgstag, Enjovstag), wobei er als Flamme oder als kleines Feuerlicht dreimal aufleuchtet. Um die Gestalt des Herrn zu entdecken, bestreut man den Schatzort mit Asche oder Mehl und wartet die Nacht über, damit ein Tier darauf tritt. Am Morgen hat man da eine Spur, wonach man das Schutztier entdeckt oder die Entscheidung trifft, welches Tier als Opfergabe zu bringen wäre. Erst nach der Opfergabe darf man mit dem Ausgraben anfangen30. In der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt haben alte Leute aus Targovischte erzählt, daß Han Krum während seiner Flucht durch den Varbischki-Paß irgendwo in der Umgebung seinen Schatz eingegraben hat. Der Sage nach soll der Schatz bei Vollmond getanzt haben, wobei man Feuerflammen und Frauengelächter vernommen hat. Viele Schatzgräber haben ihr Glück ausprobiert, um den Schatz zu entdecken und zu sich zu nehmen, die Mühe ist aber vergebens geblieben. Keinem ist es gelungen den richtigen Ort zu finden. Soll jemand in der Nähe gekommen sein, so ist er gleich auf die Erde gefallen. Auch drei Brüder haben ihr Glück versucht. Aber während des Grabens hat sich anstelle des Schatzes kaltes Wasser eingefunden. Damit die Stadt keinen Schaden nimmt, haben sie beschlossen, einen Brunnen zu bauen. Der Bau sollte halten, deshalb haben sie dort den Schatten eines Mädchens eingebaut, welches zuerst beim Brunnen erschienen ist, um Wasser zu holen. Aus diesem Grunde heißt der Brunnen Momina cesma (Mädchenbrunnen)31. Das Motiv des eingebauten menschlichen Schattens ist auch bei Radina cesma (Radas Brunnen) bei Pernik anzutreffen, ebenso in der literarischen Bearbeitung des Themas durch P.R. Slavejkov in dem bekannten Gedicht "Die Quelle der Weißbeinigen", wo der Anlaß der Brunnen zwischen den Städten Harmanli und Ljubimec ist, in der Region von Haskovo32. Dieses Motiv ist weit verbreitet unter den Balkanvölkern, wovon die Untersuchungen von M. Arnaudov zeugen33. Der Autor ist der Meinung, daß dieses Motiv ursprünglich auf griechischem Boden entstanden ist, von wo es sich dann in den anderen Balkanvölkern verbreitet hat. Das Thema "Einbau eines Menschen" und "menschliches Opfer", wie es in den bulgarischen Volkslegenden des 18. und des 19. Jhs. verbreitet ist, wurde bereits aus den Erinnerungen gelöscht. Eine frühere Etappe der Opferpraxis illustrieren die Volkslieder. Der Einbau darf als magische Schaffung eines Herrn angesehen werden, der den Bau beschützen soll34 . Eine der vielleicht wichtigsten Funktionen des Feuerdrachens als mythologische Gestalt der Bulgaren ist die Funktion des Herrn, des Beschützers, die ihn mit der Schlange in ihrer Eigenschaft als Herrin verwandt macht. Vielen Sagen nach haben die Feuerdrachen riesige Schätze, die sie scharf bewachen. Vor seinem Tode verbirgt der Drache seinen Schatz 30 ebenda 31 Privatarchiv des Autors. 32 M. ApHay^oB, 1972, bereits zit., S. 221 ff. Privatarchiv des Autors 33 M. ApHay^oB, 1972, bereits zit., S. 415 ff. 34 Hb. reopraeBa, bereits zit., S 177. in der Erde und stellt ein Nachtgespenst als Wächter ein35. In einer von D. Marinov aufgeschriebenen Legende wirkt die Gestalt des Feuerdrachens fast identisch wie die mythische Gestalt der Schlange. In einem Volkslied fragt Rada den Feuerdrachen, der sie seit drei Jahren liebt, wo sein Zuhause ist, und er antwortet ihr: "Liebe Rada, du meine Schöne, geh aus dem Dorf, auf den Berg, sieh dich dann um: dort, wo du einen blauen See siehst, dort, wo du dunkle Wolken siehst, dort, steht mein Haus, mein Haus und mein Gehöft, mein Gehöft und meine Veranda...36 Nach manchen im Volk verbreiteten Glaubensvorstellungen besuchen die Feuerdrachen Wasserquellen, Flüsse und Brunnen oder bewohnen sie. Man erzählt, daß ein Feuerdrache den Brunnen beim Dorf Bojanovo aus der Jamboler Region häufig besucht haben soll, um darin zu baden. Ringsum hätte man Schuppen gefunden, bei denen man Heilkraft vermutet hat37. Zur Erntezeit soll eine Frau aus dem Dorf Zrebino bei Jambol zur nahen Quelle gegangen sein, um Wasser zu trinken. Als sie den Feldrain erreicht hat und sich über das Wasser gebeugt hat, ist das Wasser in Bewegung geraten, dort hat sich ein großes, glänzendes, mit Schuppen bedecktes Wesen gezeigt, welches einer Schlange sehr ähnlich gewesen ist, mit dem einzigen Unterschied, daß es menschliche Augen hatte. Das wäre ein Feuerdrache gewesen38. Im Dorf Reljovo in der Samokover Region hätte der Feuerdrache oft den "Drachenbrunnen" besucht39. Außerstande, die Heilkraft mancher Quellen zu erklären, hat man dem Wasser magische Kräfte zugeschrieben: Menschen und Tiere wieder gesund zu machen. Leute aus nah und fern haben solche Quellen besucht und sich daraus Linderung und Heilung der Leiden versprochen. In der Nähe dieser Wasserquellen, welche auch "ajazma" genannt wurden, haben jedes Jahr Volksfeste und Jahrmärkte stattgefunden. Manche Kranken, die dort Genesung gefunden haben, haben bei der Quelle Opfer dargebracht. Von der Heilquelle Petkanova voda (Petkanovs Wasser) handelt die Überlieferung aus dem Dorf Taza bei Stara Zagora40. Nordwestlich des Dorfes, in der Gegend Mecitet, gibt es eine Wasserquelle. Zu alten Zeiten, als die Bojaren des Ortes die Flucht in das Balkan-Gebirge ergriffen haben, um den Türken zu entkommen, soll ein blindes Mädchen aus der Familie der Petkanovs vor der Quelle stehengeblieben sein. Es hat sein Gesicht dort gewaschen und darauf das Licht der Welt erblickt. Seit dieser Zeit trägt die Wasserquelle den Namen des Mädchens, Petkanovs Wasser. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern 35 ebenda, S. 83. 36 P. fflonoBa, Hapo^eH MHporaeß b CaMOKOöcKO / Volksanschauungen in der Region von Samokov, nach dem zitierten Werk von I. Georgieva, S. 80 /. 37 Privatarchiv des Autors. 38 Privatarchiv des Autors. 39 P. monoBa, bereits zit., S 129. 40 Privatarchiv des Autors. auch heute suchen die Leute die Quelle auf, trinken ihr Wasser, waschen sich dort, manche bleiben sogar die Nacht über, andere lassen verschiedene Gaben da: frischgebackenes Brot, Tücher, unterschiedliche Kleidungsstücke. Eine gleichnamige Wasserquelle, Petkanovs Quelle, gibt es auch auf der Südseite des Rusalijski-Passes41. Auch hier tragen die Kranken ein rundes Bauernbrot mit, dadurch überprüfen sie aber ihr zukünftiges Schicksal. Taucht das Brot unter, verheißt es Unheil; bleibt es auf der Oberfläche, dann bedeutet das Genesung. Außerdem wirft man auch Münzen in das Wasser. Die Kirche, wie auch später die weltliche Macht, haben einen erbitterten Kampf gegen die heidnischen Verehrung des Wassers geführt. Nicht imstande, den heidnischen Wasser-Kult zu besiegen, hat sich die Kirche gezwungen gesehen, sich anzupassen. Sie hat einige Quellen für "wundertätig" erklärt und in ihrer Nähe kleine Kapellen oder Kirchen gebaut. Als Schutzpatron hat sie Heilige ernannt (anfangs Mutter Gottes, später auch andere christliche Heilige). Es wurden auch Bittgebete und Wallfahrten organisiert. So ist es zu einem Synkretismus zwischen Heidentum und Christentum gekommen. Es sind circa ein Dutzend Überlieferungen und Legenden über Wasserquellen bekannt, die mit religiösen Persönlichkeiten verbunden sind: der slavische Gott Perun; Gott, Jesus Christus, Mutter Gottes, der Hl. Georg; regionale moslemische Heilige wie Ak buba, Oris buba, Deri buba; Heilige aus dem bulgarischen christlichen Pantheon wie der Hl. Ivan Rilski, der Hl. Naum42. Es sind deutlich die unterschiedlichen religiösen Schichten zu sehen. Die Heiligen erscheinen oft als Greise in einfacher, sogar zerrissener Kleidung, mit einer Krücke oder einem Gehstock in der Hand. Sie kommen auf die Erde, gehen unter die Menschen, um sie auf die Probe zu stellen und die Bösen zu bestrafen. Dort, wo sie mit der Erde in Berührung kommen, quillt Wasser hervor, welches immer heilkräftig ist. Außerdem vollbringen sie auch andere Wunder: sie können ein Kind in einen Spatzen verwandeln, lassen eine Frau zu Stein werden oder lassen zur Abschreckung der anderen zwei Brüder einander töten, sie verwandeln Schlamm in Brot, füllen Gefäße mit Käse und die Fässer der guten Menschen mit Wein, das gestohlene Fleisch verdirbt. Die Menschen werden auch mit Erdbeben bestraft, die die Ortschaften vernichten u.ä.m. Gott nimmt eine irdische Gestalt an, besucht ein Volksfest, ißt "ceverme" (aufgespießtes gebratenes Lammfleisch), und wenn er Durst bekommt, schaut er auf die Erde, worauf dort kaltes, wohlschmeckendes Wasser hervorquillt. Der Hl. Georg z.B. verwandelt sich in einen Hahn, um mit seinem Hahnenschrei den Teufel verjagen zu können. Eine andere Legende erzählt vom Brunnen "Svetena voda" (Heiliges Wasser) bei Ovcarci und Spareva banja in der Kjustendiler Region, wo sich in der Vergangenheit die Mutter Gottes die Hände gewaschen haben soll. Seitdem ist das Wasser heilkräftig geworden43. Von der Heilquelle in der Nähe von Cernicevo bei Kardshali glaubt man, daß die Stelle, an der sich das Wasser sammelt, irgendwann Jesus Christus betreten haben soll44. Nach einer anderen Überlieferung ist das Wasser der Quelle südwestlich von Peschtera durch das Blut von zwei Einsiedlern heilkräftig geworden45. 41 Privatarchiv des Autors. 42 E. OraaHOBa, bereits zit., S. 102. Privatarchiv des Autors. 43 Privatarchiv des Autors. 44 Privatarchiv des Autors. 45 Privatarchiv des Autors. Heilbrunnen hat es auch bei Russe gegeben, in der Nähe des heutigen Restaurants "Lipnik". Auch hier fanden in der Vergangenheit Volksfeste (Jahrmärkte) statt, es gab einen slawischen Tempel, eine kleine Kapelle (es kann sich vielleicht auch um eine kleine Kirche gehandelt haben, denn beim Bau der Gaststätte hat man ein großes Kreuz gefun-den46. Über Gjumjisch ceschme (Silberbrunnen) im Tal der Pirole bei Kavarna existiert folgende Legende: In der schweren Zeite der Osmanen-Fremdenherrschaft ist das Gerücht über die Schönheit der Mädchen aus Kavarna bis zu den Ohren des Sultans gekommen. Der Grund für ihre Schönheit wurde dem Zauber des Wassers zugeschrieben, welches den kristallklaren Quellen im Tale am Meer entströmte und aus welchem die Mädchen getrunken und in dem sie gebadet haben. Das Volk glaubte, daß die Zauberkraft des Wassers den Wald- und Bergfeen zu verdanken sei, die das Tschirakman-Tal bewohnt haben. Einmal im Jahr, in einer vom Mond beschienenen Nacht sollen sie im heiligen Bach gebadet haben. Singend haben sie in die Mutter der Quellen die von ihnen zu geheimer Stunde und an geheimen Orten gepflücktet Heilpflanzen hineingeworfen, die ihre magischen Kräfte dem kristallklaren Wasser der Quelle weitergegeben haben. Die stärkste Heilkraft hatte das Wasser von Gjumjusch ceschme. Das Gerücht hat sich allmählich in einen festen Glauben verwandelt. Jede Frau hat nach Möglichkeiten gesucht, wenn auch nur einmal, die Lippen mit diesem Wasser zu benetzen, vom Brunnen zu trinken oder den Körper mit dem Wasser zu übergießen. Auch der Sultan hat von dieser Wasserquelle gehört, wie auch von der Schönheit der Warnaer Frauen. Dann hat er seine Hofleute zu sich gerufen und angeordnet, Wasser von Gjumjusch ceschme in Fässern durch ein weißgestrichenes spezielles Segelboot herüberzu-transportieren. Das Quellenwasser sollte streng bewacht werden, und nur auf ausdrücklichen Befehl des Sultans durfte daraus geschöpft werden. Es sollte außerdem ein Brunnen mit weißen Steinen errichtet werden, wo eine Tafel mit ihrer Inschrift Allah lobpreisen und seine Taten verherrlichen sollte. Der Text hatte folgenden Wortlaut: "Soll jemand von dieser gesegneten Wasserquelle trinken, so wird jede Krankheit vor ihm weichen, er wird schön wie die Blumen des Allahs und wird ein langes, glückliches Leben haben."47 Überlieferungen und Legenden über Wasserquellen, in denen sich religiöse Vorstellungen widerspiegeln, sind in verschiedenen Ortschaften der bulgarischen ethnischen Region belegt worden. Am häufigsten tauchen aber solche Motive in Südwestbulgarien auf. Hervorzuheben wäre die Regionen um Targovischte, Burgas, Stara Zagora, Kardshali, Pazardshik, Blagoevgrad, Kjustendil, Sofia. Zu den ältesten Schichten dürften jene Überlieferungen und Legenden gerechnet werden, in denen mythische Wesen vorkommen , welche die Wasserquellen beschützen oder in der Umgang wohnen. In Unkenntnis der Naturgewalten, zu denen das Wasser gehört, haben die Bulgaren einen Kult entwickelt, um sie für sich und für die Familienangehörigen zu gewinnen. Die christliche Kirche und Religion versuchen, gegen diesen heidnischen Kult einen Kampf zu führen, können aber wenig Erfolg verzeichnen, weshalb sie sich gezwungen sehen, eigene Heilige als Schutzpatronen für diese Quellen zu ernennen. Die heilkraft der Wasserquelle wird mit verschiedenen Heiligen vergangener Epochen in Beziehung gesetzt. 46 Privatarchiv des Autors. 47 Privatarchiv des Autors. Das systematische Sammeln und das Studium der bulgarischen Überlieferungen und Legenden, welche bis heute im Gedächtnis des Volkes erhalten geblieben sind, werden eine stabile Basis für die Untersuchung der bulgarischen folkloristischen Tradition, für das Aufdecken des schöpferischen Genies der Bulgaren, für die Untersuchung ihrer Weltanschauung im Laufe der vergangenen Jahrhunderte ermöglichen. Myths and Legends About Water Sources in Bulgaria Nikolaj I. Kolev The important place the water has in people's life and in nature accounts for its unequivocal presence in Bulgarian festive rites and folklore, and for its deification. Myths and legends related to water sources can be divided into several groups: pagan, Christian, historical. In this article the author touches on the first two groups: legends constructed round pagan notions about elves, dragons and water bulls, which are at the core of many myths and legends about water sources; and Christian notions about gods and saints - Perun, Jesus, Christ, Virgin Mary, St. George, St. Ivan Rilski, St. Naum. The analysis of the myths and legends collected by the author illustrates the traditional ways in which Bulgarians looked at things and celebrates their original imagination that created wonderful pieces of national folklore.