Inline Mts llie Aühe! Festpredigt 12. Jahresversammlung des siidöstcrr. Zweigvcreines der Gustav-Adolf-Stiftung gehalten am 29. Juni 1874 zu Laibach Ernst Schroll, preis lll Irr. Laibach 1874. Druck von Jgn. v. Kleiumayr L Fed. Bamberg. Dem verehrten evangel. Gustav-Molf-Frauenverein M Görz freundlichst gewidmet von seinem Schriftf ü h r e r. Vie Tuadt imstres Herrn Frsn Christi, die Diebe Gottes und die Gemeinschaft des heil. Geistes sei und bleibe mit uns Illen. Imen. Nach einer Unterbrechung von zwei Jahren hat uns der Herr heute wieder zur Jahresfeier unseres Zweigvereines berufen, und ich heiße deshalb alle wertheu Brüder und Schwestern aus der Nähe und Ferne, die dein festlichen Rufe gefolgt und hier im Gotteshause er¬ schienen sind, herzlichst und freundlichst willkommen. Der Herr hat uns diesmal lauge warten lassen, ehe wir uns wieder von Angesicht zu Angesicht schauen dursten, wie Er es oft thut, wenn Er uns Seine guten und vollkommenen Gaben recht kostbar machen will; Er hat uns warten lassen, damit wir uns heute desto inniger zu brüderlicher Vereinigung zusammenschließcn und schmecken und sehen möchten, wie freundlich Er ist, und wie fein und lieblich es ist, daß Brüder ein¬ trächtig bei einander wohnen; aber Er hat uns in dieser Zwischenzeit nicht versäumt, vielmehr auch während dieses Aufschubs die Herzen stark und fest erhalten, so daß wir mit freudigem Danke bekennen dürfen, die Liebe sei nicht karger, der Glaube nicht geringer, die Hoff¬ nung nicht ärmer geworden. — Solch' gesegnete Erfahrungen erfordern aber nicht nur dankbare, sondern auch vor allem wachsame und de- müthige Herzen. Denn überall, wo der Herr unsere schwache Arbeit über Bitten und Verstehen gelingen läßt, haben wir gegen einen mäch¬ tigen Feind anzukämpfen, der unter täuschenden Namen und in wech¬ selnden Gestalten uns entgegentritt als Eitelkeit, als Sicherheit, als Selbstrnhm oder als Hochmuth, und der uns des göttlichen Segens unwürdig und verlustig macht, weil er doch zuletzt, in wie prunkende 6 und schimmernde Gewänder er sich auch kleiden möge, nichts als Selbst betrug ist. Auch unser theurer Gustav-Adolf-Verein hat sich vor die¬ sem Feinde zu hüten, der uns vielleicht näher steht, als wir es ver- muthen. Ich will hiebei nur auf Eins hindcutcn. Wenn beispielsweise — wie es den Anschein hat — in unserem Kreise der Gedanke sich Bahn bräche, daß wir im Hinblicke auf das wachsende Gedeihen, auf die rege und tiefgewurzelte Teilnahme der Mitglieder, auf die feste und gediegene Organisation endlich des Vereines, der Ermunterungen und Bitten, der Stärkungen und Erweckungen, mit denen die bisher jährlich wiederkehrenden Versammlungen unsere oft dürren und matten Herzen erguickt und getränkt haben, fürder nicht mehr oder in gerin¬ gerem Maße bedürften, so müßten wir diese Versuchung als eine jener proteusartigen Verwandlungen bezeichnen, deren sich der Feind bedienen will, um uns zu berücken. Lasset uns auf der Hut sein, meine ge¬ liebten Brüder und Schwestern; gerade jener scheinbar ungefährliche Anschlag würde — zur That fortschreitend — den Anfang vom Ende bedeuten, den allmäligcn Verfall herbeiführen und schließlich den sicheren Untergang des Vereins zur Folge haben. Wachsamer und demüthiger Herzen bedürfen wir vornehmlich dann, wenn der Herr seine Hand aufthut, daß wir mit Gut gesättigt werden. Solche Herzen aber empfangen wir ganz gewiß durch den Glauben an Gott den Vater, der uns in Seinem Sohne ge lieb et hat; und wenn der Gustav-Advlf-Vcrein mit seiner Wurzel nud mit seinem Stamme und mit allen seinen Zweigen in diesem Glauben steht, dann wird er sein wie ein Baum gepflanzt au Wasser bächen, der Frucht bringt zu seiner Zeit und s e i n e Blätter verwel¬ ken nicht (Ps. 1), dann wird er die erhabenen Trostes-und Segens¬ worte: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt rc. (Ps. 121) sich ganz und voll zu¬ eignen dürfen. Nichts kann uns daher auch heute näher liegen, als solche Glaubenswahrung und Glanbensstärkung zu suchen; möge sic der Herr uns reichlich schenken. — Text: Luc. 5, 1 — 11. Unsere Jahresfeier fällt mit dem kirchlichen Gedächtnistage der beiden großen Apostelfürsten Petri und Pauli zusammen. Es lag daher au und für sich schon nahe, auf das Evangelium dieses Tages unser Augenmerk zn richten. Wo es sich aber um Glaubensstürkung 7 handelt, konnten wir kaum ein anderes mit so mächtigen: Inhalte unserer heutigen Betrachtung zu Grunde legen, als eben dieses. — Die Mitte der evangel. Erzählung bilden die Worte: Jahre aus die Höhe! Mögen sie uns als Worte des Herrn an den Gustav-Adolf-Vercin gelten. Wir wollen sehen, in welch' innigem Zusammenhänge dieselben stehen: 1. mit dein leiblichen Segen, dem reichen Fischzug des Gustav- Adolf-Vereines ; 2. mit dein geistlichen Segen und mit der Verheißung, die Simon empfangen hat. I. Unser evangel. Text führt uns heute an die Gestade des See's Genezareth. Wir stehen da an einer jener heiligen Stätten der Bibel, die wir nicht ohne ehrfurchtsvolle Scheu betreten können, weil sie durch besondere göttliche Bezeugungen vor andern ausgezeichnet sind. Keine derselben erscheint uns aber zugleich so lieblich, wie diese, was ja zum Theil schon in ihrer natürlichen Beschaffenheit begründet liegt. In Felsen gebettet rasten hier die Wasser des Jordans, umgeben von frucht¬ baren Ufergeländen, umkränzt von freundlichen Höhen, hinter welchen die schneeschimmernden Kuppen des Hermon sichtbar sind. In der That ein Bild voll anmuthiger Schönheit! Aber den wahren Liebreiz gewinnt es doch erst im verklärenden Lichte des Evangeliums. Denn hier wandelte der Herr, und zwar nicht blos vorübergehend, sondern oft und gerne; hier zeigte Er seine ganze Menschenfreundlichkeit in vielen Errettungen ans Krankheit und Noth, hier that Er seinen Mund auf zu holdseligen Gleichnissen, und so ist diese seine irdische Berufs¬ stätte ebenso zu einem heiligen Bezirke, wie zu einer gar lieblichen Pflanzschule des göttlichen Reiches, zu einer überquellenden Segens¬ stätte der Menschheit für Zeit und Ewigkeit geworden. Auch heute begegnen wir Ihm daselbst. „Es begab sich aber, da sich das Volk zu Ihm drang, zu hören das Wort Gottes, und Er stand am See Genezareth." (B. 1.)Das Volk harrte Seiner schon; Er aber sonderte sich ab, und trat in der Schiffe eines, und 8 lehrte, und weckte wieder himmlische Gedanken und streute wieder die Samenkörner der Buße und Gnade in den Acker der Herzen. find als Er aufgehört hatte zu reden — es mochte gegen Mittag sein, denn die Fischer wuschen ihre Netze — , sprach Er zu Simon: Fahre auf die Höhe und werfet eure Netze aus, daß ihr eineu Zug th nt. (B. 4.) Völlig unerwartet kam Simon diese Auffor¬ derung, seltsam dünkte ihm das Beginnen und gegen alle Fischerregel, in voller Mittagsglut mitten in den See sich hinauszubegeben; auch stand ihm noch die vergebliche Arbeit der vergangenen Nacht lebhaft vor Augen, und die daraus hervorgegangene Ermnthigung prägte sich deutlich auf seinem Gesichte aus. Allein der Herr fragt nicht nach Zeit und Stunde, wenn Er Säumige und Mißmuthige zur Arbeit ruft, und was er sodann befiehlt, geht oft gegen den Willen des eigenen Fleisches und Blutes, wie gegen das Urtheil der Welt. Wohl uns, wenn dann ans den dunklen Tiefen der Bedenken, der Zweifel, der Einwendungen, der Zagnisse und der Trägheit unser Geist in das Helle freudenreiche Licht des Glaubens gehoben wird, wie es bei Simon geschah, da er spricht: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf Dein Wort will ich das Netz aus werfen. (V. 5.) Seht da des Glaubens rechte Art: indem Er uns aus den Fesseln selbst¬ süchtiger Triebe erlöst, treibt Er uns zu ungewöhnlichen Entschlüssen, weckt in uns ungeahnte Kräfte und führt uns zu wunderbaren Erfol¬ gen. Denn da sie dies thaten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriß. — Und sie winkten ihren Gesellen, die im andern Schiffe waren rc. (V. 6 und 7.) Halten wir hier einen Augenblick inne. Wenn uns dies alles nicht nur Bild und Gleichniß, sondern auch Spiegel und Vorbild sein soll, so liegt die Anwendung auf unsere heutige Jahresfeier nicht ferne. Wo ist der See zu finden, der auch gebettet liegt auf Felsen¬ grunde, den auch des Jordans heilige Taufwasscr durchströmen, der auch dem sehnsüchtigen Auge den Hermon der Verklärung zeigt und den Aufblick ins ewige Leben öffnet, da auch der Herr Jesus Christus in Kraft des Geistes und der Liebe wandelt und lehrt und große Gna- dcnwunder verrichtet? Laßt es mich sagen, ich meine, diesen stillen, klaren, tiefen Gottessee, wir dürfen ihn evangelische Kirche nennen. Ja, das ist er und das soll er sein und bleiben, 9 auch bei allein Wechsel äußerer Erscheinungen, wie er wiederholt in ihr eingetreten ist. So gab es eine Zeit in ihr — wir zählen etwa 50 Jahre rückwärts —, wo man in Wahrheit von ihr sagen konnte: die er¬ schlaffende Schwüle des Mittags hatte sich über sie gelagert, und die Fischer, ermüdet und cntmuthigt, wuschen ihre Netze. Die einseitige Verstandesrichtung in religiösen Dingen, der man damals in den mei¬ sten Kreisen der evangel. Kirche huldigte, hatte, indem sie den lebendi¬ gen Glauben an die versöhnende Gnade in Jesu Christo in seinem innersten Marke schädigte, eine geistliche Dürre in Wort und Leben erzeugt, die uns aus den Zeugnissen jener Tage befremdend entgegeu- tritt; sie hatte eine Rath- und Thatlosigkeit zur Folge, die weithin als ein drückender Bann empfunden wurde. Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, so seufzte damals manch' treuer Gottesknccht, manch' unmuthiger Fischer am See. Wenn aber die Gottcskraft des Glaubens einmal erschüttert ist, so wankt mit ihm auch die opferfreudige Liebe, die in dem gekreuzigten und aufer-- standeueu Sohne Gottes ruht, in ihm eingewurzelt und gegründet ist; — denn Glaube und Liebe gehen Hand in Hand, ja sie sind so innig verwachsen, daß ich sie — es sei mir gestattet, mich dieses Bildes zu bediene» — den beiden Flügeln an dem Einen Leibe des Cherubs ver¬ gleichen möchte: sobald der eine ermattet, sinkt auch der andere, und der Flug des himmlischen Boten ist gelähmt. Und zwar meine ich hier ganz besonders die helfende Liebe im großen und wei¬ ten. Vereinzelte Nothschreie ließen schon damals zeitweilig das große Elend der nach Hilfe schmachtenden Gemeinden ahnen, aber sie erhellten nur blitzartig die Nacht, die darum nicht Heller ward. Es fehlte vor allem an Mitteln, um der immer weiter um sich greifenden Noth zu steuern, und da hatte die Verzagtheit bald gewonnen Spiel. Tausend Schwierigkeiten thttrmten sich vor den erschreckten Gemüthcrn ans, und große, mächtige Feinde schienen zu dräuen, wenn man Hand ans Werk legen wollte. Die Kirche bedurfte, um dahin zu gelangen, erst einer Erneuerung aus dem Kerne des Evangeliums, frischer Lebens- und Heilkräfte aus dem offenen Bekenntnisse von Jesu Christo, dem Heilande der Welt; die evangel. Christenheit mußte erst wieder einmal mit Hel¬ lem Klange und gläubigem Erfassen ihr Wiegenlied singen können: „Mit unsrer Macht ist nichts gethan, Wir sind gar bald verloren, Es streit' für uns der rechte Mann, Den Gott selbst hat erkoren," ehe sie zu rettender Liebcsthat schreiten konnte. 10 Der „rechte Mann" kam. Der Herr selbst sprach das befreiende Wort: Fahre auf die Höhe, auf die offene, freie Glau¬ benshöhe, und werfet eure Netze aus, daß ihr einen Zug thut. Er hatte schon am 300jährigrn Gedenkfeste der Refor¬ mation, 1817, vieler Herzen sehnsüchtiges Verlangen dahin gelenkt; Sein heiliger Weckruf halte und schallte nun weithin durch die deut¬ schen Gaue, und dröhnte und schmetterte wie Posaunenton, und be¬ schämte die verzagten und brach die trotzigen Herzen; ein schöpferischer Hauch des Geistes wogte wieder durch die evangel. Kirche, der Strom gläubiger Rede ging wieder tiefer, der Quell erbaulicher Lieder sprang wieder frischer — ein neuer Auferstehungsmorgen war angebrochen. — Bald begann auch die brüderliche Liebe wieder ihre Schwingen zu regen; denn der Herr hatte auch einem treuen Simon unserer Kirche das Wort ins Herz gerufen, und als derselbe aus dem Schlachtfelde bei Lützen, 1832, unter dem unsichtbaren Banner des großen Schwedenkönigs stand, da antwortete er: Herr auf dein Wort! und warf sein dich aus und that einen Zug. Der erste Schritt zur rettenden Lie- besthat war geschehen: der Gustav-Adolf-Verein gegründet. Und der treue Simon winkte den Gefährten, die im andern Schiffe waren, und die reformirten Brüder reichten den Lutheranern die Hand und halfen, füllten beide Schiffe voll. Und in immer weitere Kreise drang Wort nnd That, und immer reichlicher wurde der Fang; die Liebesgaben, in welcher Münze sie auch geprägt waren, wanderten von Land zu Land ohne Unterschied der Sprache und des Bekenntnisses. Das holländische Gold, das deutsche Silber, der österr. Gulden fanden den Weg über Alpen und Phrenäen, um das Werk der Evangelisation in Italien und Spanien zu fördern, nnd wenn wir denn heute zurück¬ blicken auf die 5 Millionen Gulden, die vom Gnstav-Adolf-Verein gesammelt und vertheilt worden sind, auf die 2000 Gemeinden, denen er in der Bedrängniß geholfen hat, und wenn wir uns zur Stunde fragen, wie das Wunder geschehen ist, so antworten wir: Nicht diese oder jene menschliche Persönlichkeit hat es gewirkt, sondern allein der Herr durch sein herzliches Erbarmen und durch sein mächtiges Wort, durch die Erneuerung der evangel. Kirche im Glauben, der durch die Liebe thätig ist. Das ist der Zusammenhang, in welchem das Wort: „Fahre auf die Höhe!" mit unserem Vereine steht. O möchten wir heute Alle unter diesem Paniere versammelt haben, möchten wir dies geweihte Banner auch da überall entfalten, 11 wo wir, sei es in den Familien oder in den Gemeinden, dem Klein- muthe und der Verzagtheit verfallen wollen. Dazu gehört denn freilich auch, daß wir ein thatkräftiges: Herr, auf Dein Wort! spre¬ chen; wir werden dann die Wahrheit des ebenso gewaltigen als de- müthigen Ausspruchs an uns erfahren: Joh. 14, 12: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch thuu, die ich thue, und wird noch größere denn diese thun. II. Ja, mit unserer Macht ist nichts gethan. Das mußte zunächst Simon in erschütternder Weise bekennen. Da das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu den Knicen und sprach: Herr gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch. (V. 8.) Der Anblick des reichen Fischzugs bewegte ihn auf das tiefste: gegen¬ über der Macht des Erlösers kam ihm seine eigene Schwäche und seine ganze Ohnmacht zum deutlichsten Bewußtsein; er empfand, was als dunkle Ahnung in seiner Seele geschlummert hatte, mit vollkom¬ mener Klarheit; er sprach aus, was vielleicht nicht so bald über seine Lippen gekommen wäre, mit unzweifelhafter Selbsterkenntnis;; er beugt sich in herzlicher Demuth nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich, er hält sich der Nähe des Heiligen für unwürdig; und nichts kann nns den bekehrten Hcrzenszustaud des Jüngers deutlicher machen, als eben die Worte: Herr gehe von mir hinaus re. — Dies aber, und nichts anderes nenne ich den geistlichen Segen des Fischzugs: die Selbsterkenntnis die Beugung, die Buße, die Bekehrung; einen größe¬ ren Segen können wir nimmer empfangen, als wenn wir vom An¬ blick der uns zu Theil gewordenen Gnadenführungen erschüttert, über¬ wältigt unsere Unwürdigkeit erkennen, so daß der Traum der Selbst¬ gerechtigkeit endlich verschwindet wie ein Nebel vor der Sonne, die in Jesu Christo aufgeht, und mit Paulo ausrufen: Es ist ja ge¬ wißlich wahr und ein tHeuer werth es Wort, daß J e s u s C h ri stus in d i e Welt gekommen ist, d i e Sü n d er selig zu machen, nie ter welchen ich der vornehmste bin, und die Wahrheit des Wortes an uns erfahren: Weißest du nicht, daß dichGottesGüte zurBnße leitet? Alle Buße ist Segen, denn die Buße kommt aus dein Glauben und ist der erste Tropfen heiligen Oels, der aus der reifen Frucht des Glaubens ge- 12 keltert wird. Darum konnte der Herr Simon nun auch des apostoli¬ schen Amtes werth achten, Er konnte ihm den gebrochenen Muth wie¬ der heben, indem Er ihm die Verheißung gab: Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen fangen. Sei un¬ verzagt, will Er sagen, dein Glaube hat dir geholfen, sei fest und unbeweglich; denn von nnu an weihe ich dich einem höheren Berufe, du sollst mein Jünger und mein Bote sein, du sollst das Netz des Wortes auswerfen, um Mcnschenseelen für das Reich Gottes zu ge¬ winnen. Und sie führten die Schiffe vom Lande, ver¬ ließen alles und folgten ihm nach. (V. 11.) Den irdischen Beruf hatten sie mit dein himmlischen vertauscht, der leibliche Segen war ihnen zum geistlichen Heil geworden, in treuer Nachfolge blieben sie beim Herrn, so lauge Er auf Erden wallte; und als sie nach seiner Himmelfahrt den ersten großen Fischzug an Meuschenseelen, am Pfingst¬ tage, thaten, da wußten sie wohl, was es mit der Verheißung auf sich habe: du wirst Menschen fangen. Und fragen wir heute nach dein höheren Segen, nach dem Segen in himmlischen Gütern, den wir im Gnstav-Adolf-Verein empfangen, so kann es kein anderer sein, als der der tiefen Beugung vor Dem, auf Dessen Wort der Verein sein Netz ausgeworfen hat und noch im¬ mer auswirft, der Segen des Wortes: Herr gehe von mir re. Alle die Millionen, die der Verein im Dienste der Bruderliebe ver¬ wendet, auch die schönen Gaben, die wir heute durch Gottes Gnade auf diesen Tisch legen dürfen, sie sollen unser Auge nicht blenden, un¬ fern Blick nicht weiter fesseln; es klebe keine Ruhmredigkeit an ihnen, es suche darin Niemand auch nur einen Schein der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, es baue sich Niemand daraus eine Stufe zum Himmel auf; die Gaben sind nicht unser, sie sind ans der Macht des Wortes geflossen: fahre aus die Höhe! So legen wir sie denn wieder dem Herrn zu Füßen und sprechen: sie sind Dein, o Herr, segne Du ihren Ein¬ gang und Ausgang! Vielmehr wollen wir bekennen, daß wir ganz unwürdig dieser Unterpfänder seiner Barmherzigkeit, dieses Reichthums Seiner Liebe sind, und je höher die Zahlen anschwcllcn, in welchen wir dieselben mit menschlichen Zeichen zu fassen und zu beschreiben suchen, desto tiefer sollen wir uns dcmüthigcn, um mit Jakob auszu¬ rufen: Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit rc. Die evangel. Kirche fußt auf der Rechtfertigung durch den Glau¬ ben: Wir werden ohne Verdienst gerecht, aus seiner 13 Gnade durch die Erlösung, so durch Jes um Christum geschehen ist. Röm. 3, 24. Die evangel. Kirche kennt nicht die soge¬ nannten guten Werke, insofern sie ein Verdienst begründen sollen vor Gott; die evangel. Kirche hat abgcstreift alle äußeren Ceremonien, in¬ sofern man Gott damit gefallen will; die evangel. Kirche ist dem Kaufmann gleich, der die köstliche Perle fand und hinging und ver¬ kaufte alles, was er hatte; das Stück- und Flickwerk der eigenen Ge¬ rechtigkeit, die Selbstbereicherung in der Werkheiligkeit, die Bespiege¬ lung im eigenen Verdienste — das alles gab sie gerne und fröhlichen Muthes hin und kaufte mit Kampf und Arbeit, mit Blut und Thro¬ nen die köstliche Perle: Aus Gnaden sollt ihr selig werden. Daher der heilige Ernst, der in ihr ruht und waltet, daher die sitt- lichende, ideale Kraft, die von ihr ausgeht. Und wenn solcher Ernst und solche Kraft sich auch heute unter uns fühlbar macht, wenn über¬ all, wo der Gustav-Adolf-Bcreiu seine Pilgcrhüttc aufschlägt, Geber und Empfänger in das Bekenntuiß Simons einstimmen, dann erst wird der Verein würdig, die Weihe des apostol. Amtes zu empfangen, als das Volk des Eigenthums, das verkündigen soll d i e Tu g e n d e n d eß, der uns berufen hat von d e r F in- st e rniß zu seinem wunderbaren Lichte. I. Petri 2, 9. — Es kann ja schließlich kein Zweifel darüber bestehen, daß auch dem Gustav-Ado-lf-Verein die Verheißung gilt: Fürchte dich nicht, von nun an w i rst du Menschen fangen; vielmehr liegt eben in der Mitarbeit am Reiche Gottes seine himmlische Berufung. Menschen fangen, Seelen retten, nicht mit List und Trug oder durch Ueber- redung, sondern auf dem Wege der Ueberzeugung und inneren Erfah¬ rung dem Herrn zuzuführcn, die Gläubigen zu stärken und die Ungläu¬ bigen zu bekehren, das Gewonnene zu bewahren und das Verlorene zu suchen, die Alten zu fördern und die Kindlein zu rufen, die brennen¬ den Lichter zu schüren und den glimmenden Docht nicht verlöschen zu lassen, ja wenn ihr so wollt, Pros eliten zu machen, aber nicht Proseliten des Bekenntnisses, sondern Proseliteu Gottes — dazu ist er vom Herrn berufen. Deshalb baut er nicht blos Kirchen und Schulen, sondern er greift auch thatkrästig ein überall, wo echt evangel. Zwecke zu fördern sind; auf dem Gebiete der Waisenvcrsorgnng, der Rettung Verwahrloster, der inneren Mission, der Ausbildung von Diakonissen steht ihm noch ein weites Feld gesegneter Thätigkeit offen, so daß er vor der Größe der wachsenden Aufgaben erschrecken könnte. 14 Aber wir haben die Verheißung vernommen: Fürchte dich nicht! Derselbe Herr, der da sprach: Fahre auf die Höhe! hat eben dort auf dem See Genezareth die Wellen bedräuet, also daß es ganz stille ward, und selbst wenn der Verein noch manche Demüthigung erfahren sollte, selbst wenn sich Wetter thürmten über seine gesegneten Fluren, wir halten fest an der Verheißung: Fürchte dich nicht! ich bin bei dir rc. Jes. 41. Das ist der Zusammenhang, in welchem dieser Text mit dem Segen und der Verheißung steht, die deni Verein gegeben sind. Eine Glaubensstärkung haben wir gesucht und — so hoffe ich — auch empfangen. Mögen wir nun soche auch mitnehmen in unsere Häuser und Gemeinden, wir werden dann nochmals und tiefer inne werden, was es heiße, wenn der Herr spricht Joh. 14, 12: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch thun, die ich thue, und noch größere denn diese sind. Amen.