Inhalt P. Karl Fischer: Aus welchen Lebensverhältnissen kommen unsere einheimischen Priester?........................................................................ 25 P. Franz Koch: „Ich will Schwester werden!" ........................................ 30 Kurznachrichten ..................................................................... 31 P. Wilhelm Kühner: Feldfeuer im Winter ........................................... 33 Br. August Cagol: Königslanze und Kreuz (Fortsetzung) .............................. 38 Hugo Kocher: Der Schatz des Inka (Fortsetzung) ..................................... 42 Fr. Oskar Hofmann: Gott braucht Menschen ........................... 3./4. Umschlagseite Das vordere Umschlagbild zeichnete Rudolf Wirth, München. Zur gefälligen Beachtung Die Missionszeitschrift „Stern der Neger“ erscheint alle zwei Monate im Umfang von 24 Seiten. — Der jährliche Bezugspreis beträgt in Deutschland DM 2.50; in Österreich 12 Schilling; in Italien 300 Lire. — Wir bitten, den Bezugspreis für 1955 bald einzahlen zu wollen. Bestellungen werden entgegengenommen: In Deutschland vom Missionshaus Josefs-tal, Ellwangen (Jagst), Württemberg; in Österreich vom Missionshaus Maria Fatima, Unterpremstätten bei Graz; in Italien vom Herz-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Einzahlungen sind zu richten: In Deutschland auf das Postscheckkonto Stuttgart 54 066 Missionshaus Josefstal; in Österreich auf das Scheckkonto 86 211 „Stern der Neger"; in Italien auf das Herz-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Miffionegebetemeinungen Vom Heiligen Vater gutgeheißen und gesegnet März: Für die Kirche in Pakistan April: Für die unter Buddhisten lebenden Christen Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des Heiligsten Herzens Jesu, Josefstal bei Ellwangen (Jagst), Württemberg. Postscheckkonto Stuttgart 54066. — Schriftleitung: P. Stephan Untermann. — Druck: Schwabenverlag AG., Zweigniederlassung Ellwangen (Jagst). Mit kirchlicher Druckbewilligung und Erlaubnis des Generalobern. Stern Oer Neger Katholifche Miffionö=Zeitfchrift Hcrauogepebcn non öer Kongregation Miffionärc Söhne öeo Heiligftcn Herzens Jefu 48. Jahrgang Heft 2 Am welchen Lebeneocrhältniffen kommen untere ein heim ifchen Priefter? Von P. Karl Fischer, Reichenau Mission (Natal) In Südafrika haben wir jetzt schon einige einheimische Priester und seit einem Jahr auch einen Bischof aus dem Negerstamme der Zulu. Vielleicht interessiert es die Leser des „Stern der Neger", etwas über die armseligen Verhältnisse zu hören, aus denen mancher dieser Priester kommt. Vor Jahren kam ich in Natal in ein Gebiet, das den Zulus als Siedlung zugewiesen ist. Viele der Familien waren noch ganz heidnisch; in anderen war die erste Frau und das eine und andere Kind katholisch getauft; wieder in anderen gab es Pleiden, Protestanten und Katholiken. Nur wenige Familien waren ganz katholisch. Die Gegend ist ein enges Tal, eingefaßt von hohen, steilen Bergen. Schafe und Ziegen, magere Rinder und Pferde suchen zwischen den Steinen ihr spärliches Futter. Das Tal ist nur gegen eine Seite hin offen, wo ein kleiner Bach das frische Wasser einer Bergquelle hinausführt in den Malengefluß. Von bebautem Land sieht man sehr wenig. Die Zulu nennen diesen Ort „Enqabeni“, das heißt „Festung". In diese „Festung" ritt ich also damals hinein, auf einem schmalen Pfad, der mich über Stock und Stein eine Stunde lang den Bach hinaufführte. Ich sollte den armen Leutchen eine Schule bauen. Diese Schule diente dann auch als Kapelle. Volle 14 Tage wohnte ich in einer Hütte, die mir der heidnische Familienvater des nächsten Krals zur Verfügung gestellt hatte. Ich schlief auf dem Boden und konnte von meinem harten Lager durch die Lücken des Strohdachs die Sterne betrachten und mein Abendgebet direkt in den Himmel schicken. Am Morgen feierte ich die heilige Messe auf einem wackeligen Gestell, das ein Tisch sein sollte, umgeben von einigen katholischen Frauen und Kindern, die von den Hütten an den Berghängen herabgekommen waren. In dieser Zeit hatte ich Muße, das heidnische Familienleben zu studieren und am Abend den Erzählungen beim Hüttenfeuer zu lauschen. Der Kral bestand aus vier runden Hütten mit spitzen Strohdächern. Die größte Hütte dient als Familienstube. Da kocht die Mutter das Essen am Feuer, das in der Mitte der Hütte offen brennt; da flechten die Frauen und Mädchen die Grasmatten; da schnitzen die Männer und Buben ihre Fechtprügel; da nähen die Mädchen, die auf einen Liebhaber ausgehen, ihren Perlenschmuck; da spielen die kleinen Kinder mit ihren größeren Schwestern, wenn die Erwachsenen auf dem Feld oder bei einem Trinkgelage sind. Die Buben sind während des Tages gewöhnlich nicht in der Hütte. Sie gehen morgens mit dem Vieh in die Berge und kommen erst abends wieder heim. Selbst die ganz kleinen Bübchen gehen mit. Abends kommen alle in der Familienhütte zusammen, sitzen um das Feuer und warten auf das Essen. Eine reichliche Portion Maisbrei ode: gekochter Bohnen stillt den lang verhaltenen Hunger und macht sie munter und redselig. Sie bleiben am Feuer sitzen und erzählen sich, was sie am Tage erlebt haben, loben ihre Lieblingsochsen und geben sich auch gegenseitig Rätsel auf. Das dauert so lange, als das Feuer brennt und bis der Schlaf einen nach dem andern auf den Boden streckt. Keiner hat ein Bett; sie schlafen auf dem nackten Boden, mit Ausnahme der Großen und der erwachsenen Mädchen, die auf einer Grasmatte schlafen. In der Familienhütte kommen auch die Kinder zur Welt, ausgenommen das erste Kind, das in der Familienhütte der Mutter geboren werden muß. Nach der Geburt nimmt die Großmutter das Kind unter ihre Kleider und drückt es an ihren Körper, um es zu wärmen. Unterdessen macht sich die Mutter allein fertig. Am nächsten Tag ist sie wieder auf den Füßen und mit dem Kind auf dem Rücken macht sie sich in der Hütte zu schaffen. Der Rücken der Mutter und der eines kleinen Mädchens bleibt jetzt die Wiege des Kindes, bis es laufen kann und noch länger. Hier macht es mit der Mutter die Arbeiten auf dem Felde, die Biergelage und Tänze mit, und mit seinem Schwesterchen das Springen und Spielen. Das Kind bleibt im Adamskostüm. Wo es noch keine Waschschüssel gibt, wird das Kind nach Väterart gewaschen. Die Mutter nimmt den Mund voll Wasser, hält das Kind mit einer Hand hoch, spritzt es mit dem Wasser im Mund an und wischt mit der anderen Hand nach. Abgetrocknet wird es nicht, das tut die Sonne. Wer das alles übersteht, ohne den Flug himmelwärts zu nehmen, wie es so viele Zulukinder gleich nach einigen Monaten tun, wird ein festes und echtes Naturkind, das etwas aushalten kann. Auch in Enqabeni wurde während meines Aufenthalts ein Büblein geboren. Der heidnische Vater schlachtete seinen Ahnen zum Dank eine Ziege. Die Mutter drehte aus dem Darm des Tieres die Halsschnur für das Kind, band sie, frisch wie sie war, dem Kind um den Hals und nannte es „Vumasoni". Wörtlich übersetzt heißt das: „Bekenne, Sünder." Der Name, den die Mutter ihrem Kind beim Opfer der Ziege gibt, bezieht sich gewöhnlich auf ein Vorkommnis, das sich zur Zeit der Geburt ereignet hat. Mir bleibt der Name unvergeßlich, weil ich nicht herausbringen konnte, was er eigentlich bedeutet. Man kann ja nicht annehmen, daß die Mutter hier jemanden als Sünder bezeichnen wollte. Ich denke immer noch, daß die Mutter vielleicht an einen „Um-' vumisi" gedacht hat und ihrem Kinde wünschte, es möchte einmal ein — Beichtvater werden, den die Zulu „Um-vumisi" nennen. In ein Ziegenfell gebunden kam Vumasoni auf dem Rücken seiner Mutter Zulukinder aus Natal — Die Mutter wollte den Fußboden der Hütte mit Ameisenerde frisch herrichten. Um von den Kindern nicht behindert zu werden, gab sie jedem ein wenig Zucker auf die Hand und schob sie zur Türe hinaus. Die Neger sind bekanntlich sehr musikalisch. Hier hat sich ein Bub aus einem Blechkanister, einem Brett und Stahldraht eine Gitarre gebaut und begleitet damit seine munteren Weisen. auch zur Arbeit beim Schulbau. Er machte alle Arbeiten mit und ließ sich in seinem festen Schlaf nicht stören Er hing auf dem Rücken der Mutter, wenn sie mir manchmal einen Krug Kaffernbier brachte, das mir immer gut schmeckte. Er war dabei, wenn sie mir am Abend das Essen in die Hütte brachte, einen hoch aufgefüllten Teller mit gekochten Bohnen. Auch das schmeckte mir, obwohl der Löffel oft recht unappetitlich ausschaute, als ob er direkt aus dem Viehkral käme. Wie es dem kleinen Vumasoni weiter erging, weiß ich natürlich nicht; er wird aber wohl dasselbe getrieben haben wie die übrigen Buben seines Alters. Als er größer wurde, schließt er sich seinen Brüdern an, die mit einem Stock in der rechten, die linke H° id voll mit gekochten Maiskörnern, jeden Morgen mit dem Vieh in die Berge ziehen und sich dort herumtummeln, bis abends das Vieh wieder heimgetrieben wird. Er muß lernen, während des Tages Hunger zu leiden. Dies ist wohl die Ursache, daß die meisten Zulububen mager und unterernährt ausschauen, während die Mädchen dick zum Zerplatzen sind. Der Hunger macht erfinderisch. Er lernt von den anderen Buben, wie man aus alten Drahtstücken auf einem steinernen Amboß mit einem Stein als Hammer Lanzen- und Speerspitzen klopft. Er lernt das Binsengras kennen, aus dessen Stengeln man die kleinen Speerschäfte macht. Er lernt, wie man mit diesen leichten Speeren Mäuse und Ratten im dürren Gras erlegt und wie die Beute dann am Spieß über dem Feuer gebraten wird. Er lernt die Anfertigung von Vogelschlingen aus Roßhaar, die an einem Zweig befestigt werden, den man so in die Erde steckt und abbiegt, daß der Zweig aufschnellt und den Vogel in die Schlinge nimmt, sobald dieser nach dem hingelegten Maiskorn pickt. Die erlegte Beute wird gemeinsam von allen Buben verzehrt. Das WsällffiKb;' stillt etwas ihren Hunger. Natürlich lernt er auch alle anderen Bubenstreiche. Abends kommt er heim in die Familienhütte, setzt sich mit den anderen ans Feuer, ißt seinen Brei und erzählt dann seine Erlebnisse und Streiche, aber nur jene, für die er keine Strafe zu fürchten braucht. Er weiß, daß sein Vater auf seine Erzählung horcht, obwohl er von ihm abgewandt mit anderen spricht. Er legt sich dann auf den Boden zum Schlafen, wobei er herumspäht, ob er nicht von den anderen einen alten Fetzen erobern könnte, um sich damit ein wenig zuzudecken. Menschlich gesehen besteht in einer solchen Umgebung keine große Aussicht für Priester- und Ordensberufe. Aber unter diesen Lausbuben gibt es manches edle Herz, das Gottes Auge sieht und wo die Gnade anknüpfen kann. Solche Buben, die bei ihren Herden in der freien Natur aufwachsen, haben. im allgemeinen wenig Lust, sich in eine Schule zu setzen und etwas zu lernen. Aber sie sind recht neugierig und wollen alles mit eigenen Augen sehen und kennenlernen. In der Nähe gibt es eine Schule, wohin viele Mädchen täglich gehen. Was machen die dort? Das möchte der Bub zu gern wissen. Also auch einmal hin. Das Vieh ist an einem sicheren Platz. Es ist keine Gefahr, daß sich ein Stück zur Unrechten Zeit heimverirrt oder in ein nahes Maisfeld einbricht. Das wäre gefehlt. Der Vater würde schnell dahinterkommen und am Abend gäbe es tüchtige Schläge. Bei jeder Außenschule sitzen fast täglich einige Hirtenbuben in der Nähe im Gras und beobachten scharf, was da vorgeht. So kommt es, daß der eine oder andere den Wunsch in sich fühlt, sich den Schulkindern anzuschließen und mit ihnen ins Schulzimmer zu gehen. Der Lehrer bemerkt den nackten Kerl natürlich gleich. „He, was willst du da?" — „Ich will lernen." — „Du mußt erst ein Hemd haben. Sag es deinem Vater." Der Bub drückt sich etwas beschämt hinaus, geht an seinen im Gras sitzenden Kameraden vorbei und steigt hinauf zu seiner Herde. Dort sinnt er tief nach: Ich soll zu meinem Vater gehen. Der wird mich schlagen, wenn er hört, daß ich von der Herde weggelaufen bin. Ich soll ihn um ein Hemd bitten. Da wird er mich auslachen. — Er fährt aus seinem Nachdenken auf und zählt seine Tiere. Xi, sie sind alle da! Jetzt nur schnell heim. Heute keine Schläge. Ja, ich werde meinen Vater bitten. Er sitzt in der Familienhütte beim Feuer, absichtlich ganz nahe hinter seinem Vater. Der Maisbrei ist verzehrt, sein Mut wächst. Ohne von seinem Vater gesehen zu werden und ohne ihn anzublicken, beginnt er ganz leise zu sprechen: „Mein Vater, ich will in der Schule lernen." — „Du kannst nicht in die Schule gehen, du mußt das Vieh hüten." —• „Mein Vater, kauf mir ein Hemd." —■ „Wozu brauchst du ein Hemd?" — „Mein Vater, ich brauche ein Hemd, weil ich dich bitte, mich in die Schule gehen zu lassen."—-„Meinetwegen kannst du ein Hemd kaufen, wenn du Geld hast." — „Mein Vater, ich habe kein Geld." Das geht so lange hin und her, bis beide vom Schlaf übermannt werden. Nichts ist ausgemacht worden und keiner hat dem andern auch nur einmal ins Gesicht geschaut. Aber der Heide hat auch ein Herz und vergißt die innige Bitte seines Buben nicht. Und auch der Bub weiß, wie es steht. Am nächsten Morgen treibt der Bub wie gewöhnlich sein Vieh auf die Weide und bringt es auf einen sicheren Platz. Dann springt er zur Schule hinunter, leiht sich von einem der Mädchen ein Stück Kleid und stellt sich mit den anderen Kindern dem Lehrer vor. Der Lehrer ahnt, wie es weiter geht, und läßt den Buben in der Schule. Und sein Vater? Der hatte es in der Frühe sehr eilig, um in den weit entfernten Kaufladen zu gehen und seinem Buben ein Hemd zu kaufen. Unterwegs spricht er mit allen Bekannten, daß er seinem Buben ein Hemd kaufen wolle, es sei ihm eingefallen, sich wie die Weißen zu kleiden und Lesen und Schreiben zu lernen. Am Abend zeigt er dem Buben das Hemd und macht ihm vor, wie man es anzieht. Dann gibt er es ihm. Daß das Hemd etwas groß ist, geniert weder den Alten noch den Jungen. Beide sind zufrieden. Für die Erlaubnis, in die Schule gehen zu können, spricht praktisch das Hemd. Ein solcher Bub lernt in der Schule gewöhnlich recht fleißig. Da er sein Hirtenamt auch noch zu versehen hat, benützt er die Zeit am Nachmittag, um hinter der Herde seine Aufgaben zu machen und zu lernen. Der Missionar wird auf ihn aufmerksam, ermuntert ihn zum Empfang der Taufe und ladet ihn später ein, zur weiteren Fortbildung in die Missionsschule zu kommen. Schritt für Schritt folgt der Bub der anregenden Gnade, bis er sich vor die wichtige Entscheidung gestellt sieht: Was will ich werden? Aber immer braucht er die Erlaubnis seines Vaters und muß bei jedem weiteren Schritt aufs neue bitten. Ein rechter heidnischer Vater aber hält auch sein Wort. Er hilft nach Kräften seiner katholisch gewordenen Frau und den Kindern, ihre Christenpflichten genau zu erfüllen. Nur bei den Mädchen gibt es manche Schwierigkeiten, wenn sie ins Kloster gehen wollen. Das muß sich der alte Heide lang überlegen. Auf den Kaufpreis von sieben und mehr Ochsen für ein Mädchen will er nicht so leicht verzichten. Aus solchen Buben sind unsere ersten schwarzen Priester geworden. Die Gnade Gottes hat sie bei ihrer Neugierde gefaßt, sie haben mit gutem Willen mitgewirkt und schließlich die große Gnade des Priestertums erlangt. Es kostete sie freilich viele und große Opfer, aber von der Gnade Gottes unterstützt haben sie ihr Ziel erreicht. Die Gnade Gottes ist mächtig, sie kann aus einem „Vumasoni" einen „Umvu-misi" machen, aus einem Sünder einen Beichtvater. Bild links: Drei heidnische Hirtenbuben. Der ältere streicht sein selbstgemachtes primitives Instrument und findet in seinen Kameraden aufmerksame Zuhörer. Bild unten: Beim Damespiel. (4 Aufn. K. Fischer) „Ich mill Schroefter roeròen!" Von P. Franz Koch, Gien Cowie (Transvaal) Es war am Christkönigsfest des vergangenen Jahres. Ich machte gerade im Missionskirchlein meine Danksagung nach der Frühmesse. Da stürzte eine schwarze Schwester herein und keuchte: „Father, komm schnell, sie wollen Flora erschlagen!" Flora ist eine schwarze Krankenpflegerin im Missionsspital und will Ordensschwester werden. Ihre Familie ist aber sehr dagegen, obwohl ihre Mutter und ihre Schwestern katholisch sind. Von der Schwester, die mich gerufen hatte, er- fuhr ich noch, daß 2 heidnische Brüder Floras, die in Johannesburg arbeiteten, mit einem Auto ge- kommen seien, um ihre Schwester mit Gewalt aus der Missionsstation wecrzu-bringen. Ich eilte zu Dr. Hübner und teilte ihm die Sache mit. Der steckte seinen Revolver zu sich, entschlossen, einige über den Haufen zu schießen. Im Heim der Krankenpflegerinnen herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Die Mädchen weinten laut, während verschiedene Burschen mit Prügeln auf Flora einschlugen. Dicke Striemen waren an ihren Füßen sichtbar, von ihrem Gesicht floß Blut. Der Rosenkranz war ihr vom Hals gerissen, teilweise auch ihre weiße Tracht als Krankenpflegerin. Die Brüder des Mäd- chens und ihre Helfershelfer waren in einer unbeschreiblichen Wut und hörten auf kein Zureden. Der Doktor wäre eingeschritten, wenn Flora um Hilfe gerufen hätte. Aber sie ließ die Schläge widerstandslos über sich ergehen. Auch hatte ich den Doktor gebeten, keinen Gebrauch von der Schußwaffe zu machen. So gelang es den Eindringlingen, Flora mit Gewalt aus dem Haus zu schaffen und sie in den heimatlichen Kral zu treiben. Jetzt ging ich ans Telefon und rief die Polizei an. Doch die ließ sich Zeit. Erst als ich Anzeige we-genHausfriedens-bruch gemacht hatte, erschienen gegenMittag zwei Polizisten. Mit ihnen fuhr ich zur Familie Floras. Unterwegs kam mir immer wieder der Gedanke: Vielleicht haben sie das Mädchen schon totgeschlagen. Als wir ankamen, waren die Brüder gerade damit beschäftigt, alles bereit zu machen, um das Mädchen im Auto nach Johannesburg mitzunehmen. Sie waren gewaltig erstaunt, die Polizei zu sehen. Damit hatten sie nicht gerechnet. Der Sergeant erklärte, er sei kein Feind der Schwarzen und wolle nichts von ihnen. Aber sie dürften nicht in andere Häuser einbrechen. Die zwei Brüder wurden um je zwei Pfund ge- Krankenschwester Flora von Gien Cowie, die trotz des heftigsten Widerstandes ihrer Ver- wandten Ordensschwester werden will. (Foto Fr. Bratina) straft. Sie rasten vor Wut. Einer zischte mir zu: „Das ist deine Schuld. So sind die Römer!" Um meinen guten Willen zu zeigen und die Angelegenheit friedlich zu regeln, bot ich nun dem Vater die „Lo-bola" an, d. h. ich erklärte mich bereit, die Brautgabe zu entrichten, die ein Bräutigam für die Braut zu zahlen pflegt. Gewöhnlich besteht sie in einem halben oder in einem ganzen Dutzend Ochsen, je nach der gesellschaftlichen Stellung der Familie. Doch unversöhnlich wies der alte Heide das Angebot zurück: „Ich will keine Lobola. Meine Tochter darf nie und nimmer Schwester werden!" Die Polizisten fragten Flora, ob sie wieder zur Mission zurück wolle. Ruhig sagte sie: „Ja, ich möchte wieder zurück. Ich will Schwester werden. Ich will nicht heiraten." Eine ihrer Schwestern drohte: „Du wirst verzaubert werden!" —■ Ruhig antwortete sie: „Ist schon recht." —• „Du wirst getötet werden!" —- „Das macht nichts." Sie mußten sie schließlich ziehen lassen, denn sie ist volljährig. Da ich fürchtete, die erbosten Leute würden Rache nehmen, ließ ich das Haus der schwarzen Schwestern bewachen. Sobald die Wachtposten etwas bemerken würden, sollten sie die große Glocke läuten, und alle würden zu Hilfe eilen. Auch der Weizen in der Scheune wurde bewacht, damit er nicht etwa in Brand gesteckt würde. Doch es geschah seither nichts. Warum sind diese Leute so sehr ge- gen den Eintritt ihrer Tochter ins Kloster? Sie haben noch kein Verständnis für die Jungfräulichkeit, die sie der Unfruchtbarkeit in der Ehe gleichstellen, und Eheleute ohne Kinder genießen keine Achtung. Nicht alle denken so. Ein Heide ließ zwei seiner Töchter als Schwestern ins Kloster gehen. Jetzt hat er selber die Taufe empfangen. Nach Ansicht der Schwarzen hat er einen großen Schaden erlitten, da er keine Brautgabe bezahlt bekommt. Er hat aber nie eine verlangt. Ein anderer Grund ist wohl der, daß das Christentum bei vielen Getauften noch sehr an der Oberfläche sitzt. Nur wenige sind ganz treu und sind wirklich tief erfaßt von der Lehre Christi. Vielleicht muß eine Verfolgung über unsere schwarzen Katholiken und über uns Missionäre kommen, die die Spreu vom Weizen sondert. Jedenfalls brauchen die zum Priestertum oder zum Ordensberuf strebenden Schwarzen viel Mut und Tapferkeit und darum auch viel Gebet. Flora ist jetzt eine eifrige Kandidatin. Eine andere Schwester, Maria Carmen, wurde vor ihrem Eintritt von ihrer Mutter viel geschlagen. Doch auch sie ist ihrem Beruf treu geblieben. Die neue Genossenschaft der „Töchter des Unbefleckten Herzens Mariä" zählt jetzt 17 Mitglieder. Diese schwarzen Schwestern werden der Mission große Dienste leisten, vor allem in privaten Missionsschulen. KURZNACHRICHTEN Ausreise in die Mission Am 21. Januar bestiegen in Genua P. Peter T a s c h 1 e r und Br. Ludwig K ä s t e 1 das Schiff zur Fahrt in unser Arbeitsfeld in Peru. P. Taschler ist Südtiroler. Er war zuerst Weltpriester der Diözese Brixen und trat dann 1952 in unser Noviziat' in Bamberg ein, wo er auch die Gelübde ablegte. Br. Kästel stammt aus Manholz, Diözese Eichstätt. Von 1947 bis 1952 war er im Missions- haus in Mergentheim. Br. Kästel wird unser erster Missionsbruder in Peru sein. Ergraut im Dienste der Mission Am 18. Februar konnte auf der Missionsstation Maria Trost, Transvaal, Br. Alexander C y g a n , der Senior unserer Kongregation, das 90. Lebensjahr vollenden. Geboren in Biskupitz in Oberschlesien, trat er mit 25 Jahren in das Missionshaus in Verona ein und war dann seit 1894 ununterbrochen in verschiedenen Missionsgebieten tätig: Zuerst in Ägypten und im Sudan, dann seit 1924 in unserer jetzigen Missionsdiözese Lydenburg, Südafrika. In vielseitiger Tätigkeit — als Gärtner, Uhrmacher, Schmied, Förster und Buchbinder — hat er dem Missionswerk große Dienste geleistet. 1952 konnte er das diamantene Profeßjubiläum feiern. Möge ihm noch manches Jahr im Kreis seiner Mitbrüder beschieden sein! Zur freudigen Überraschung des Jubilars traf aus Rom nachstehendes Telegramm ein: Telegramm Sr. Heiligkeit Papst Pius XII. „Heiliger Vater sendet Br. Alexander C y g a n anläßlich 90. Lebensjahres mit innigen Wünschen gotterfüllten Lebensabends in väterlicher Liebe aus Herzensfülle erbetenen Apostolischen Segen." gez. Dall' Acqua, Substitut Tschaka-Denkmal enthüllt Am 24. und 25. September des vergangenen Jahres feierte der große Stamm der Zulu beim Städtchen Stan- ger in Natal ein großes Fest: Ihr Großhäuptling Cyprian ka Dinuzulu enthüllte das Denkmal seines Ahnherrn Tschaka, des Begründers der Zulu-Nation. Tausend Krieger waren in ihrer traditionellen Tracht aufmarschiert. Zahlreiche Reden, wilde Kriegstänze und ausgiebige Festgelage füllten die beiden Tage aus. Tschaka, dieser ebenso tapfere wie grausame Mann, fand das Ende, das er so vielen seines Stammes bereitet hatte: Er wurde am 24. September 1828 auf einem unglücklichen Kriegszug von seinen Brüdern ermordet. Meine größte Gabe für Gott Am 17. Dezember 1953 wurde einer Klasse der Oberschule in Woonsocket, Südafrika, das Aufsatzthema „Meine größte Gabe für Gott" gegeben. Die 13jährige Simone Savoie schrieb: „Es gibt viele Dinge, die ich Gott gerne schenken möchte, aber das größte ist mein Leben. Gott hat mich erschaffen, und für ihn lebe ich. Wenn er mein Leben wieder nehmen wollte, würde ich nicht zaudern und nicht bange sein. Gott hat mich auf die Erde gestellt für Cyprian ka Dinuzulu, Großhäuptling der Zuluneger, enthüllt in Stanger, Natal, am 24. Dezember 1954 das Denkmal seines Ahnherrn Tschaka, der die Zulu-Nation begründete. (Die Wiedergabe des Bildes erfolgt mit Genehmigung des „Natal Mercury“, Durban). einen bestimmten Zweck, und es ist meine Pflicht, zu versuchen, ihn zu erfüllen, solang ich hier bin. Mein Leben mag nicht viel wert scheinen im Vergleich zu Gold, Silber und andern Reich-tümern, aber es ist alles, was ich ihm anbieten kann, wenn ich vom Gebet absehe. Es gibt viele Leute, die sich fürchten, ihr Leben Gott anzubieten. So geben sie dafür andere Dinge. Gott schätzt 'alles, was man ihm gibt, denn er versteht das menschliche Herz. Selbst wenn arme Leute nichts zu geben hätten, ein kleines Gebet würde Gott zufriedenstellen. Ich habe ihm nichts anzubieten außer meine Liebe und mein Leben, und und ich bin sicher, Gott weiß es zu schätzen. Mein Leben ist mein größter Schatz, und ich würde es ihm zu jeder Zeit opfern." Simone fuhr dann an Weihnachten zur Mitternachtsmesse. Auf dem Heimweg stieß ihr Auto mit einem andern zusammen. Klein Simone Savoie kam als einzige von den Insassen der beiden Autos ums Leben. Felöfeuer im Winter Von P. Wilhelm Kühner, Lydenburg (Transvaal) Hier in Transvaal ist der Winter von Mai bis September die regenlose Zeit. Das Gras auf den ausgedehnten Weiden wird trocken und dürr wie Stroh, doch kommen Ochsen, Esel und Schafe damit durch. Teile dieser Weideflächen werden im August und September abgebrannt und bald kommt zartes Grün aus dem schwarzen Boden. Oft kommt es vor, daß bei diesem Abbrennen des trockenen Grases das Feuer nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden kann und dann vom Winde gepeitscht seinen vernichtenden Lauf über ganze Länderstriche nimmt und Farmhäuser, Eingeborenenhütten, Bäume, Wälder, Tiere, oft auch Menschenleben vernichtet. „Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht." Doch „wehe, wenn sie losgelassen, wachsend ohne Widerstand." In diesem Winter haben Radio und Zeitung immer wieder von solchen verheerenden Bränden berichtet, denen Menschen und Tiere und zahlreiche Sachwerte zum Opfer fielen. An einem Sonntagnachmittag hatte ich mit Father Denis einen Spaziergang über unsere Farm gemacht. Am äußersten Zipfel der Weide sahen wir hohes, dichtes Gras. Ich fragte, wann wohl Br. Brand, unser Farmer, das Gras abbrennen werde. Dabei sprach ich auch den Wunsch aus, dabei zu sein und mir die Sache anzusehen. Ich sollte dieses Schauspiel genießen, früher als ich dachte, und in einer Weise, wie ich mir's nicht gewünscht hatte. Am nächsten Tag saßen wir nach dem Mittagessen auf der Veranda des Priesterhauses zur Erholung beisammen, als P. Rektor Lechner auf eine gewaltige Rauchwolke im Norden unserer Farm aufmerksam machte. Ein Grasbrand! Das Feuer kommt auf unser Gebiet zu! Wir müssen hinüber, löschen! Schnell! Patres und Brüder stürmen davon. Unterwegs reißen wir Äste von den immergrünen Blaugummibäumen, um damit die Flammen auszuschlagen. P. Rektor hat sich schnell in seinen Overall (Arbeitsanzug aus einem Stück) geworfen und einen Wassereimer mitgenommen. Der Bach hat noch etwas Wasser. Das Feuer wälzt sich schon mit alles verzehrender Hast über den jenseits des Baches im Norden gelegenen Teil unserer Farm. Mnisis Kral ist in unmittelbarer Gefahr. Die Flammen züngeln mannshoch aus dem strohdürren Gras empor. Wir schlagen im Gleichtakt auf die Feuerwalze. Zum Glück hat Br. Brand vor einigen Tagen einen Maisacker dort drüben umgepflügt, so daß jetzt das unheimliche Element dort keine Nahrung mehr findet. An den äußeren Furchen sinkt das Flammenmeer in sich zusammen. Doch wälzt es sich der Ackergrenze entlang, von einem starken Rückenwind getrieben. Wir hoffen, daß sich dieser Teil der Feuerlinie am Bach brechen wird, und wenden uns dem Drahtzaun zu, der die Farm umgibt. Von dort nähert sich die Gefahr dem Wald. Der muß auf alle Fälle gerettet werden, sonst sind die Folgen unabsehbar. Die ganze Station würde zu einem Aschenhaufen, die Kirche, die Werkstätten und Wohnhäuser, der Stall und die Scheunen. Einige der Gebäude sind ja noch mit Gras gedeckt. Wir arbeiten aus Leibeskräften. Da rennt ein armes Häslein um sein Leben. Da drüben ein anderes. — Die ersten Äste sind verbraucht, das grüne Laub versengt, und mit den dürren Zweigen ohne Blätter kann man das Feuer nicht ersticken. Einige rennen nun um frische Äste. Ein Gegenfeuer anfachen? Ja, aber der Wind verhindert es und dann ist auch kaum Zeit. Doch hier ist es unmöglich, die Flammen auszuschlagen. Sie speien uns einen solch glühenden Odem entgegen, daß wir an den Feuerherd nicht herankommen. Inzwischen sind immer mehr Leute zusammengeströmt, Schwarze von der Negersiedlung außerhalb von Lydenburg, Männer, Frauen und Kinder. Aber kein Bur läßt sich sehen. Die Feuerlinie nähert sich dem Wald mit rasender Schnelligkeit. Wir müssen versuchen, eine Gegenlinie zu bilden. Br. Lamprecht beginnt den Drahtzaun entlang, wo das Gras magerer steht. Er zündet immer einige Meter weit das Gras an und wir treiben die züngelnden Flammen mit unseren Ästen der Hauptlinie zu, dem Wind entgegen. Alle helfen zusammen. Es gelingt! Die Spitze der Feuerwalze, in Richtung auf den Wald zu, ist schon gebrochen. Weiter. Immer mehr Leute kommen und helfen, die Feuerschlangen aufs Haupt schlagen. Wir atmen auf, denn wir sehen, daß wir die entfesselte Macht immer mehr zurückdrängen. Endlich! Sieg! P. Rektor hatte zeitweilig die Hoffnung schon aufgegeben. Alle Heiligen, Sankt Florian an der Spitze, hatte er bestürmt. Unten am Bach war das Feuer schon über das fast trockene Bett herübergedrungen. Doch als wir ankamen, war es von einer anderen Abteilung unter Führung von Br. Brand, der von einer Verhandlung in der Stadt zurückgekommen war, bereits gelöscht. Und wer war der Brandstifter? Er befand sich mitten unter uns und half im Schweiße seines Angesichts beim Lö-. sehen. Er bekannte, daß er beim Pflügen auf der Nachbarfarm Schwierigkeiten gehabt habe, die trockenen Maisstengel unter den Boden zu bekommen. Da habe ihm sein Boß (Meister) gesagt, er solle sie anzünden. Das tat der gute Schwarze auch, aber ganz allein, ohne Leute, die ihm hätten helfen können, das Feuer in Schach zu halten. Wenn jetzt im September auf unserer Farm das Gras abgebrannt wird, und zwar in entgegengesetzter Richtung von dem Platz, wo der oben geschilderte Brand stattfand, werden wir vorsichtig sein. Am besten wird es abends gemacht, wenn die Sonne untergegangen und das Gras vom Tau etwas angefeuchtet ist und nicht so schnell brennt. Es ist ein schönes Schauspiel, wenn jetzt im Winter überall Feuer aufglühen auf den Drakensbergen rings um Lydenburg. Es könnte einem dabei fast weihnachtlich zu Mute werden. Diese vom Feuerschein erleuchteten Nächte erinnern mich aber auch an die Bergfeuer in Tirol am Sonntag nach dem Herz-Jesu-Fest. Friedlich strahlt das Kreuz des Südens tief am Horizont. Daneben ist eine auffallend dunkle Fläche am Himmelsbogen, wo kein Stern zu sehen ist inmitten all des Geflimmers und der herrlich klaren Nebel der Milchstraße. Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, daß dieser schwarze, licht-und sternlose Fleck im Firmament die Gestalt des schwarzen Kontinents hat. Er trägt den unheilvollen Namen „The devil's bag" (des Teufels Tasche). Aber darüber strahlt doch verheißungsvoll das südliche Kreuz, das Bild des Sieges über alle Dunkelheit, auch in Afrika. Von einer Nachbarfarm griff ein Grasbrand auf die Weideflächen von Maria Trost über jnd bedrohte die Station. Rechtzeitig waren Patres, Brüder und Eingeborene zur Stelle und nahmen den Kampf mit dem wütenden Element auf. Nach harten Anstrengungen gelang es ihnen, des Feuers Herr zu werden. (3 Aufn. W. Kühner) AÉEM F E R N El O S T E N Schlußfeier des Mariani-sehen Jahres in Seoul, I Korea. Die sieben Ober- i hirten des Landes erteilen den versammelten ! Gläubigen den bischöflichen Segen. Der dritte f von rechts ist der Ap. Vikar von Seoul, Exzel- ! lenz Ro; zu seiner Lin- : ken steht ein Gast aus Frankreich: Exzellenz Lemaire, der General- j superior der Auswärtigen Missionen von Paris. Kardinal Spellman von New York auf Besuch im St. Albert-Seminar in Hongkong. Das Seminar wurde von Nord-Vietnam nach Hongkong verlegt und fand gastliche Aufnahme im Konvent der Dominikaner von Rosary Hill. Die Seminaristen kommen vor allem aus den Dominikanermissionen von That Binh, Bac Ninh und Hai Phong. Chinesische Flüchtlingsfamilie vor ihrer armseligen Behausung in Honkong. Manche Männer können in der Stadt Arbeit finden, während j ihre Angehörigen zu- ! hause durch Heimarbeit, ' z. B. Verfertigung von Stickereien, zum Unterhalt der Familie beizutragen suchen. Flüchtlinge aus Nord-Vietnam, die der Kommunistenherrschaft entflohen, erreichen auf ihrem Bambusfloß ein französisches Schiff, das sie aufnimmt und ihren Leiden ein Ende macht. Bis zum 20. Januar 1955 zählte man 600 000 solcher Flüchtlinge. Viele von ihnen, vor allem Frauen und Kinder fanden auf der Flucht den Tod in den Wellen. Chinesische Flüchtlings- ! kinder in Hongkong. Die großen Waschschüsseln, die zwei von ihnen tragen, sind sozusagen ein Kennzeichen der Bewohner von Kwangtung, denen man nachsagt, daß sie sich von allen Bewohnern der Erde ani häufigsten waschen; nichts kann sie hindern, den Kindern ihr tägliches Bad zu geben. , Kinder von Vietnam-Flüchtlingen verzehren mit Behagen ihre Reis-Portion an Deck eines Rettungsschiffes. (Alle Aufn. Fides-Foto). Köntgelanze imO Kreuz Geschichtliche Erzählung von Br. August C a g o 1 (Fortsetzung) Akol wurde auf eine Barke gelockt und nach Redjaf am obersten Weißen Nil in die Verbannung geschickt. Der nun allgemein anerkannte König Kur wußte sich mit dem mahdistischen Oberherrn in Omdurman durch jährliche Abgabe von Sklavinnen gut zu halten. Endlich, am 2. September 1898, brach das barbarische Mahdireich, das den Sudan durch 16 Jahre in grausame Fesseln geschlagen hatte, durch die Entscheidungsschlacht von K e r r e r i bei Omdurman zusammen. Fast zwei Monate vorher war von Süden her eine französische Gesandtschaft unter Major Marchand im Schillukland gelandet und hatte dem schwarzen Oberhaupt seine Aufwartung gemacht. König Kur hatte sich sogleich gut zu stellen gewußt mit den fremden Besuchern, die mit Geschenken nicht kargten. Aber schon am 19. September erschien Lord Kitchener, der Sieger von Kerreri, vor Faschoda, begleitet von fünf Kanonenbooten, und fragte den Franzosen na.ch seinem Begehr. Die politische Angelegenheit wurde dann auf diplomatischem Wege zugunsten Großbritanniens geregelt. Da der Name Faschoda einen üblen Beigeschmack für die Franzosen hatte, führten die nunmehr im Sudan gebietenden Engländer den alten Schilluknamen K o -d o k dafür ein. König Kur hatte einen neuen Oberherrn in der Person des britischen Generalstatthalters erhalten und fand sich gut in die neue Lage. Nicht so gut gefiel den neuen Herren das selbstherrliche, oft grausame Vorgehen Kurs gegen sein Volk. Inzwischen war A k a t s c h , der älteste Sohn Luongs und Adors, nach F a -bur, einem Dorfe in der Nähe des Königsitzes gezogen, wo er mit Frau und drei Kindern seiner Beschäftigung nachging. Ein neuer Versuch Das Jahr 1900 brachte ein wichtiges Ereignis für das Schillukland. Am 27. Dezember landete ein kleiner Dampfer mit angeseilter Nilbarke vor dem Königshügel. Das Dampfboot trug vorn über dem Bug in großen Messinglettern den bedeutsamen Namen REDEMPTOR (Erlöser). Bischof Anton Roveggio, der nunmehrige Apostolische Vikar von Zentralafrika, machte dem Schilluk-könig Kur einen Besuch, um von ihm die Gutheißung einer Missionsgründung innerhalb seines Machtbereichs zu erlangen. Dem Ansuchen des Bischofs stellte der geschmeidige schwarze Diplomat sich wohlwollend gegenüber. Offenbar schmeichelte es ihm, daß ein Europäer in wichtiger Stellung ihn um eine Erlaubnis anging. Er sagte, es werde ihn freuen, wenn die weißen Männer Gottes sich in seinem Lande niederließen und sein Volk belehrten. Er riet dem Bischof, Umschau zu halten nach einem geeigneten Platze und ließ den Namen T u n g a fallen. Der Missionsvorstand überreichte sodann dem königlichen Gastgeber seine Geschenke, die in Eisen, Draht, Kleidungsstücken, einer Pfeife, Tabak, Zigarren, Salz, Zucker, Glasperlen und Spiegeln bestanden, die den Empfänger sichtlich erfreuten. Nach Empfang der königlichen Gegengeschenke — ein Ochse, ein Kalb und vier Schafe — wurde die Erkundungsfahrt flußaufwärts fortgesetzt. Der König gab den Missionaren seinen Neffen, der arabisch sprach, als Begleiter und Übersetzer auf die Reise mit. Nach Besichtigung unzähliger Dörfer gelangten die Glaubensboten endlich nach T u n g a , das ganz im Süden des Schilluklandes liegt. Die dichtbevölkerte Gegend gefiel dem Bischof und seiner Begleitung ungemein, um so mehr, als der König selbst diesen Platz zur Niederlassung angeraten hatte. Zudem zeigte sich der Großhäuptling dieses Distrikts den Missionaren anscheinend sehr geneigt. So beschloß der Bischof die Gründung einer Missionsstation zu Tunga. Ehe jedoch damit begonnen wurde, schickte er, wie verabredet, den königlichen Neffen zu seinem Oheim zurück, damit er diesem Bericht erstatte. Da die Landreise von Tunga bis zum Königsitz etwa zwei Wochen beanspruchte, wollte der Bischof die Zeit zur Weiterfahrt nach Gondokoro, dem Endpunkt der Schiffahrt auf dem Weißen Nile, benutzen. Um dorthin zu gelangen, war das für die Heizung des Dampfkessels notwendige Holz die Hauptsache. Zum Zwecke der Holzbeförderung hatte man die Barke mitgenommen. Bisher war diese meist unter eigenem Segel gefahren. Bald aber hörte der günstige Nordwind auf, und man war genötigt, die Barke an den Dampfer anzuseilen. Da zeigte es sich denn, daß man nur mehr die Hälfte Weges machte, so daß der Holzvorrat auf der Barke wenig Nutzen brachte. Deshalb wurde beschlossen, die Barke zurückzulassen. Doch der Steuermann des Dampfers wie der Reis der Barke wollten von einer Trennung nichts wissen, so daß nichts übrig blieb, als die Fahrt nach Gondokoro einstweilen aufzugeben und ins Schillukland zurückzukehren. In Tunga wollte der Großhäuptling die Missionare nicht ziehen lassen, da er befürchtete, sie kehrten nicht mehr zurück. Sie aber suchten den Königshügel wieder auf. Zu ihrem Erstaunen und Bedauern fanden die Glaubensboten, daß der Schillukkönig seine Ansicht vollständig geändert habe. Er eröffnete dem Bischof, es sei ihm lieber, die Missionare ließen sich nicht in Tunga, sondern mehr in seiner Nähe nieder, weil er sie auf diese Weise besser beschützen könne. Dem Bischof, dem Tunga den besten Eindruck gemacht hatte, mißfiel das Verhalten des Königs sehr, der die weißen Fremdlinge offenbar mehr in seiner Nähe sehen wollte, um sie besser beobachten zu können. Um es mit dem mächtigsten Manne des Landes nicht von vornherein zu verderben, mußte man wohl oder übel auf sein Ansinnen eingehen, und so wurde denn der künftige Missionsplatz bei dem Dorfe Lull, das zwischen dem Königssitz und der Regierungsstation Kodok liegt, gewählt. Es wurde ein Grund von 13 Hektar Ausmaß erworben um den Preis von etwa 56 Mark, welche Summe teils in ägyptischem Gelde, teils in Gegenständen erlegt wurde. Zunächst ging man daran, einige Hütten nach Art der Schilluk zu errichten. Nach den äußerst heißen Monaten März und April folgte im Mai mit dem Beginn der Regenzeit kühleres und sehr feuchtes Wetter, und die Stechmücken wurden peinvoll zahlreich. Das Verhältnis zum König gestaltete sich wenig erfreulich. Trotz seiner hohen Würde schämte er sich nicht, schamios zu betteln. Bald benötigte er dringend eine Flasche Arznei (Branntwein!), bald brauchte er Geld, bald anderes. Die in der Nähe wohnenden Schilluk machten es ihrem Großherrn nach. Den ganzen Tag lungerten sie auf der noch unaus-gebauten Missionsstation herum, wo sie sich keineswegs nützlich, wohl aber oft sehr hinderlich machten, und sie bettelten um alles und jedes. Unaufgefordert und ohne Gruß betraten sie die Hütten der Missionare, setzten sich auf den Boden und schwätzten, lärmten und belästigten sie, solange es ihnen gefiel. Als ein Brand in der Küchenhütte ausbrach und bald auf die benachbarten Hütten übersprang, rührte auch nicht einer der Neger Hand oder Fuß, um Hilfe zu leisten beim Löschen. Auf Hab und Gut der fremden Weißen zeigten die Schilluk wenig Rücksicht. Sie jagten gern ihre Ziegen auf Missionsgrund, und was diese neckischen Tiere nicht verdarben, holten die langfingerigen Hirten nach. Als einmal ein paar Stangen Eisen auf der Mission gestohlen worden waren, bestrafte der König die Diebe schwer, indem er ihnen alles Vieh abnahm (und für sich behielt); der Mission aber bot er keinen Schadenersatz. Als im zweiten Jahre der Niederlassung infolge von Trockenheit eine Mißernte drohte, gaben die Zauberer der Umgegend das Gerücht aus, die weißen Fremden seien schuld am Ausbleiben des Regens, so daß die Missionare eine zeitlang in Lebensgefahr schwebten. Zum Glück sandte die Vor- sehung noch späte Regen, so daß eine halbe Ernte eingebracht werden konnte. Zum Leiter der Mission Lull bestellte Bischof Roveggio den jugendlichen Pater Wilhelm Banholzer. Er war der rechte Mann am rechten Platze und bald die Seele der Schillukmission. Von Natur aus am Althergebrachten hängend, hatten die Schilluk seither von Fremden nicht nur nichts Gutes erfahren, sondern vieles zu leiden gehabt, von Sklavenjägern und -händlern, von käuflichen Angestellten der ägyptischen Regierung, von den Mahdisten, von feindlich gesinnten Nachbarstämmen. So war es nur natürlich, daß sie auch die weißen Missionare, die ungerufen in ihr Land gekommen waren, mit mißtrauischen Augen betrachteten und allerhand listige Absichten bei ihnen vermuteten. P. Banholzer ließ es sich von allem Anfang an angelegen sein, das Vertrauen dieses Naturvolks zu gewinnen. Er warf sich auch mit dem größten Eifer auf die Erlernung der Sprache des Landes, in der er bald mit den Leuten verkehren konnte und mit der Zeit maßgebend wurde. Die Erlernung einer ungeschriebenen Sprache ist gewiß keine Kleinigkeit. Die Schilluk lachten im Anfang, wenn sie sahen, wie die „Fremden" neue Schillukwörter in ein Heft eintrugen. Bald aber erkannten sie, daß das „Papier" sie ihnen sicher ins Gedächtnis zurückrief. Es schmeichelte ihnen auch, daß man sich so um ihre Mundart kümmerte. „Nicht wahr, unsere Sprache ist süß", pflegten sie zu sagen, „aber ihr Bauch (Umfang, Reichtum an Wörtern) ist groß." Im zweiten Jahre erhielt P. Banholzer in der Person des neugeweihten Priesters P. Bernhard K o h n e n einen ausgezeichneten Gehilfen. Der seelengute Mann wurde in der Folge wie ein Vater von der Schillukjugend verehrt. Um das Vertrauen der viehzüchten-ten Schilluk zu erlangen, war es auch unumgänglich notwendig, daß die Mission einen angemessenen Viehstand besitze, denn nur, wer eine gute Anzahl von Kühen und Ochsen sein eigen nennen kann, ist angesehen im Schilluk-land. Es war aber nicht so leicht, einen Viehstand zu gründen, denn die Schilluk verkaufen sehr selten einen Ochsen, niemals eine Kuh. Die erste Kuh hatte P. Banholzer von König Kur als Geschenk erhalten. Der Versuch, bei anderen Stämmen, so bei den Nubanern, Kühe zu kaufen, schlug fehl, da die an die würzigen Gräser des Nubaberglands gewöhnten Tiere das saure Sumpfgras der Schillukebene nicht vertrugen und nach kurzer Zeit eingingen. Da brachte eine Steuermaßnahme der Regierung unerwartet Hilfe. Bisher hatten die Schilluk ihre Steuern in Vieh erlegen müssen. Da es dabei viel Uneinigkeit und Streit abgesetzt hatte, sollten die Steuern forthin in Geld entrichtet werden. Dadurch waren die Leute naturgemäß zum Verkauf von Vieh gezwungen, und man konnte nunmehr leicht Kalbinnen von ein bis zwei Jahren erwerben. Auf diese Weise gelang es P. Banholzer, bald eine schöne Viehherde zusammenzubringen. Am 2. Mai 1902 starb Bischof Roveggio zu Berber auf der Reise nach Ägypten an Malaria, und P. Banholzer wurde von der römischen Propaganda zum Apostolischen Administrator des ausgedehnten zentralafrikanischen Mis-sionssprengels bestellt. Das verpflichtete ihn, sich auf einige Zeit nach Char-tum zu begeben. Im Herbst 1903 begann man in Lull mit dem Anfertigen und Brennen von Ziegelsteinen zwecks Aufführung dauerhafterer Bauten. Zunächst wurde eine bescheidene Kapelle von 9 Meter Länge und 4Va Meter Breite aufgeführt, der ein Wohnhaus für die Missionare folgte. Im selben Jahre kamen die ersten drei Missionsschwestern nach Lull, die der von Bischof C o m b o n i gegründeten Genossenschaft der „Frommen Mütter des Negerlandes" angehörten. Auch sie erhielten bald eine feste Wohnung aus gebrannten Ziegelsteinen. Am 22. Oktober desselben Jahres starb bereits eine der Schwestern an Malariafieber. Im Herbst 1903 erhielt die Mission ein neues Oberhaupt in Bischof Franz Xaver Geyer. In der Nacht vom 26. auf den 27. Januar 1904 kam er an Bord des „Redemptor" vor Lull an. Am Morgen war große Begrüßungsfeier des neuen Missionsvorstandes durch Missionare und Volk, das doch inzwischen gelernt hatte, den selbstlosen weißen Fremden einiges Vertrauen entgegenzubringen. Zwei stramme Krieger ließen es sich nicht nehmen, den „großen Vater" auf ihren Schultern vom Flußufer zu der einen halben Kilometer entfernten Missionsstation zu tragen. Selbst König Kur fand sich ein und hielt seinen Untertanen eine Ansprache. Alle Schilluk hockten am Boden, nur der König und sein Gefolge blieben aufrecht stehen. Während alle ohne Ausnahme ihre Lanzen mit den Spitzen nach unten gerichtet hielten, war des Königs Lanze zum Zeichen seiner Macht nach oben gerichtet. Der Herrscher sprach öffentlich seine Zufriedenheit mit den Missionaren aus und ermahnte seine Schilluk, mit ihnen in Frieden zu leben, sie nicht zu bestehlen und ihnen sonst nichts Böses zuzufügen, denn sie seien nicht gekommen, die Schilluk zu betrügen, sondern sie im Guten zu belehren. Nach kurzem Aufenthalt in Lull setzte der neue Oberhirte mit seiner Begleitung die Flußreise nach der fernen Provinz des Bahr el Ghazal (Gazellenfluß) fort, wo er die beiden Missionsstationen K a y a n g o und M b i 1 i gründete. Kur, der König der Schilluk, kam mehr und mehr in Ungnade bei der Regierung, hauptsächlich wegen der ungerechten Handhabung der Rechtspflege. Oft mißhandelte er bei Gerichtsverhandlungen die Vorgeladenen so, daß nicht selten Blut floß. Zwischen den streitbaren Jünglingen der Dörfer Boll und Fabur war es wegen eines Mädchens zum Kampfe gekommen. Der König, davon benachrichtigt, eilte mit starkem Gefolge herbei und befahl die Einstellung der Feindseligkeiten. Nach kurzer Scheinverhandlung verurteilte er das Dorf Fabur — das nicht zu ihm hielt — zur Abgabe allen und jeden Viehs, während das Dorf Boll — das von ihm stets begünstigt wurde — straflos ausging. Nun waren die unglücklichen Bewohner von Fabur plötzlich bettelarm geworden, doch das Dorfoberhaupt ließ die Sache nicht so hingehen. Der Wackere begab sich nach Kodok und verklagte seinen König beim englischen Statthalter, Matthews Bey, eine bisher unerhörte Sache im Schilluk-land. Der Engländer aber gab dem Schillukkönig den Auftrag, die Hälfte des abgeführten Viehs an das Dorf Fabur zurückzuerstatten, und da mußte auch der König gehorchen. Die englische Regierung, die im allgemeinen das Ansehen der Großen zu stützen sucht, stellte sich damit auf die Seite des Volkes. Sie beschloß weiter, den selbstherrlichen König seines Amtes zu entheben. Im April 1903 wurde Kur eingeladen, einen Dampfer zu besteigen und eine Fahrt nach Chartum zu machen. Nach kurzem Aufenthalt brachte man ihn mit der Bahn nach G e g e r bei Wadi Haifa und von dort nach Port Sudan am Roten Meer, wo er in der Verbannung starb Kur war ein Hauptfeind der „Fremden" gewesen. Äußerlich hatte er sich freundlich und entgegenkommend gezeigt, aber hintenherum tat er alles, damit seine Schilluk ihnen fernblieben. Solange er herrschte, hätte kein Schilluk es gewagt, sich den Missionaren offen anzuschließen. Sein Nachfolger wurde F a d i e t, ein anderer Sohn Kwatkers, der bereits in vorgerücktem Alter stand. Seine Wahl geschah auf Befehl der Regierung, die einen willfährigen Mann wollte. Das wurde von einem Teile des Volkes als Eingriff in ihre alten Rechte angesehen, um so mehr, als viele dem Sohne des früheren Gegenkönigs Akol, der in der Verbannung gestorben war, zugetan waren. Die Mißstimmung schwand erst, als die Regierung bekanntoab, daß Kur auf keinen Fall zurückkehren werde und Fadiet als rechtmäßiger König anzuerkennen sei. Nach dem Verschwinden Kurs wurde die Schillukjuaend gegen die Missionare zutraulicher. Selbst ein Prinz, namens Niikana, Sohn des früheren Königs Johr, kam zur Mission und zeigte großes Interesse an den christlichen Wahrheiten. (Fortsetzung folgt) „Hoho, will der Grünfink ausbrechen, soll ihm nicht leicht werden", lachte der Alte gröhlend. „Hauptmann Miguel hat bereits die Knechte gemustert. Weht ein scharfer Wind durch die Quartiere. Wird manchem nicht behagen, der im alten Schlendrian behaglich gelebt hat." Der Alte nickte. „Biete jedem Unzufriedenen doppelten Sold, wenn er zu mir kommen will." „Dann, fürcht ich, wird der gute Don Fernao bald allein haushalten müssen. Auch der Bruder Antonio und sein Sa-kristan, der dicke Juan, sind dem neuen Herrn zugetan. Der Bruder will sich der von den Ketten der Sklaverei befreiten Indianer annehmen." „Einstweilen sind sie noch in unserer Herrenfaust. Hat schon mehr als einer versucht, sie aufzubrechen, ist ihm-nicht gelungen", murrte Don Carlos. „Weiter, weißt du nichts über seine sonstigen Pläne?" „Don Fernao will Schritt um Schritt Vorgehen. Erst einmal will er seiner Soldknechte sicher sein, dann seiner Amtsleute und Schreiber. Mir sche'nt, er mißtraut auch mir, seinem ergebensten Diener", fügte der Kleine hämisch grinsend hinzu. „Es wird mir schwer, Kundschaft zu bringen. Wäre wohl ein paar Maravedis mehr wert als sonst, Don Carlos." Mit einer Geste, als wollte er etwas Ekelhaftes von sich abstreifen, warf ihm der alte Abenteurer ein paar Münzen zu, von denen einige zu Boden rollten. Eilfertig haschte sie der Schreiber. Mit spinnenflinken Griffen fuhr er hinter dem Geld her. Nachdem der Schreiber gegangen war, griff der Alte nach dem Weinkrug. Den Becher, aus dem der Kleine getrunken hatte, schleuderte er zu Boden und rief einer eintretenden jungen Indianerin zu: „Schaff mir das Zeug fort!" Dann hob er den Krug und trank in langen, durstigen Zügen. Mit dem Handrücken wischte er sich die Weintropfen aus dem Bart. Er warf sich schwer auf ein mit Fellen bedecktes Ruhebett und hielt murmelnd mit sich selbst Zwiesprache. „Ruhig halten, zuwarten, zuwarten, so riet mir Franzisco de Carvajal, als er das letztemal bei mir weilte. Ruhig halten, dabei zuckt es mir in den Fäusten. Zuschlägen möchte ich, zuschlagen, diesen Vizekönig von Karls V. Gnaden zum Teufel jagen mit seinem ganzen Anhang. Warten, ja worauf warten wir eigentlich noch? Treten die neuen Gesetze in Kraft, so winden uns die Beamten eines unserer Vorrechte nach dem andern aus den Händen. Haben wir dafür gekämpft und geblutet? Wir waren es, die mit einer Handvoll kühner Männer das Inkareich zerschlugen, den letzten König Atahuallpa aus tausenden von Kriegern herausholten." Ein Schatten verdüsterte seine Züge, er spie verächtlich aus. „Franzisco Pizarro ließ ihn ermorden, wie er später den wackeren Alma-gro töten ließ. Nun, er hat den Preis dafür im Palast zu Lima bezahlt. Blutige Saat, blutige Ernte; pah, wer so denkt, der bleibt am besten zu Hause sitzen und spinnt Wolle mit den alten Weibern. Wer auszieht, eine neue Welt zu erobern, dem darf vor blutigen Händen nicht grauen. Aber wohin verliere ich mich mit meinen Gedanken? Da ist dieser Grünfink, dieser junge Hidalgo, Fernao de Lara, Liebling beim Vizekönig und mit besonderen Vollmachten ausgestattet. Ein Floh in meinem Pelz, hätte nicht übel Lust, ihn zu zerdrücken. Habe ich nicht versucht, ihn mit Güte zu gewinnen? Drei Maultierladungen an Tafelgerät und kostbaren Teppichen ließ ich ihm zum Willkomm bringen, ein halbes Dutzend hübsche Indianermädchen sandte ich ihm zur Bedienung. Er hat mit mir auf gute Nachbarschaft getrunken, aber er denkt nicht daran, sich meinen guten Ratschlägen zu fügen. Will eigenmächtig handeln, das Bürschchen. Ich werde ihm die Flügel stutzen. Bei dem, was ich mit Urupo vorhabe, kann ich keine Späher brauchen. " Don Carlos erhob sich und trank den Rest des Weines. Grübelnd stützte er den kahlen Kopf in die Fäuste. „Kaufen kann ich ihn nicht..." setzte er sein Gespräch fort, unterbrach sich aber selbst, denn eben waren in der Halle Stimmen laut geworden. „Lucia ist zurück, daß ich nicht gleich an sie dachte. Ein Netz aus Frauenhaaren, das hält noch besser, als eines aus reinem Gold. Lucia, Lucia!" „Da bin ich schon, warum schreist du denn so." Ein junges, hochgewachsenes Mädchen trat in die Herrenstube. In Falten floß das rote Wollkleid, das die stolze, schöne Gestalt umschmiegte, bis auf die zierlichen Schuhe hinab. Ein Netz aus Goldfäden bändigte das üppige, schwarze Gelock. Die feine Röte, die der schnelle Ritt in die bräunlichen Wangen getrieben hatte, paßte gut zu dem vollen, roten Mund und den dunklen, blitzenden Augen. „Was ist, Vater? Wenn du so laut rufst, dann geht es allemal um etwas Besonderes. Hast du mir endlich einen Jagdfalken gekauft, den ich mir schon lange wünschte? Ist die Harfe gekommen, die ich haben möchte?" „Setze dich her zu mir, Lucia, es geht um mehr als um kindische Spielereien." „Einen Falken nennst du eine Spielerei? Höre, Vater, aus dir wird nie ein richtiger Edelmann." „Mancher, der ein altes Wappen sein eigen nennt, wäre nicht zu stolz dazu, es mit meinem Gold und Silber zu behängen", versetzte Don Carlos mürrisch. „Aber genug davon. Höre mich an, ich habe Sorgen, schwere Sorgen. Dieser junge Fernao de Lara fängt an, aufsässig zu werden. Er will den neuen Gesetzen, die in Kraft gesetzt wurden, Geltung verschaffen. Was das heißt, das brauche ich dir nicht zu sagen. Viel, nein alles steht auf dem Spiel. Nimmt man uns unsere Sklaven, so nimmt man uns unsern Reichtum. Was nützen mir meine Ländereien, wenn ich sie nicht mehr bewirtschaften kann? Was wird mir die faule Bande an Silber fördern, wenn sie meine Aufseher nicht mehr mit der Peitsche antreiben dürfen?" Gelangweilt spielte Lucia mit ihren Handschuhen. „Was soll das alles, Vater? Hast du noch nicht genug zusammengerafft? Laß uns nach Spanien heimkehren, ein Leben führen, wie es eines reichen Eroberers würdig ist. Dort bist du ein großer Herr, die Adligen werden sich um deine Gunst bemühen. Wenn du deine Bitte mit klingender Münze unterstützt, so wird dich der Kaiser selbst zum Ritter schlagen. Don Carlos, der Waffengefährte Franzisco Pizarros, so werden sie auf den Gassen tuscheln, wenn du in deiner Karosse durch die Straßen Madrids fährst." „Ein großer Herr . . . nein, ein Herr bin ich hier, Herr über viertausend Indianer, Besitzer von Ländereien, die ich in einem Tag nicht zum dritten Teil umreiten kann, Besitzer einer Silbermine, aus der unerschöpflicher Reichtum quillt. Aber freilich, wir müssen fest zusammenstehen. Gegen die neuen Gesetze, gegen Spanien, ja, wenn es sein muß, gegen den Kaiser selbst. Es geht um unsere alten Rechte, überall setzen sie sich fest, die Beamten des Vizekönigs. Bei uns in Santiago dieser Fer-nao de Lara, ein junger Hidalgo, ein verarmter Adliger. Wir müssen ihn auf unsere Seite ziehen. Mit Gold geht es nicht, ich wüßt einen andern Weg . . ." er machte eine Pause. „Einen andern Weg?" Eine feine Röte stieg in Lucias Wangen: „Wie meinst du das?" Don Carlos lächelte verschmitzt. „Was meinem Gold nicht gelingt, das wird dir wie ein Spiel." „Aber Vater!“ Lucia wollte aufspringen. War ihre Empörung ganz echt? Hatte ihr Auge nicht schon mit heimlichem Wohlgefallen auf dem jungen, schlanken Hidalgo geruht, in dessen Person sich alles vereinte, was sie in ihren Mädchenträumen ersehnt? Mit eisernem Griff hielt Don Carlos seine schöne Tochter nieder. Seine Augen lohten. „Lucia, fang mir den Burschen ein. Wenn nicht, dann muß er fallen. Wir, Franzisco de Carvajal und ich, können keinen Schnüffler in Santiago brauchen." „Aber als Schwiegersohn wäre dir Don Fernao recht." Dona Lucia sagte es, mühsam ihren Mädchenstolz zurückdrängend. Don Carlos lachte. „Wer denkt denn gleich an Trauring und Altar. Ein Spiel für müßige Stunden. Fürs Leben kann meine Lucia den Blick höher wenden. Ein verarmter Hidalgo ist mir für dich noch lange nicht gut genug." Dona Lucia senkte den Kopf. Ihre Brust hob und senkte sich unter schweren Atemzügen. Nur allzugut hatte sie des Vaters Drohung verstanden. Fügte sich Don Fernao nicht, so traf ihn ein vergifteter Pfeil aus dem Hinterhalt oder ein Schlangenbiß, ein Gifttrunk räumte ihn aus dem Weg. Sie schauderte. War es wirklich nur das Mitleid, das ihr die Worte auf die Zunge legte, die sie jetzt sprach? „Ja, Vater, ich will ihn dir einfangen. Ob es so schwer ist?" Sie warf einen selbstbewußten Blick in den Silberspiegel, der auf einer Konsole zwischen den Fenstern stand. „Gut so, mein Mädchen; noch heute geht der Bote ab, der deinen Falken holen soll. Den schönsten Vogel muß er kaufen, der in Lima zu bekommen ist, und wenn er ein paar tausend Ma-ravedis kostet." Er rieb sich behaglich die Hände. Franzisco de Carvajal und Gonzalez Pizarro nannten ihn immer einen Raufbold und Draufgänger, der nichts von der feinen Kunst der Politik verstand. Wie schlau hatte er es diesmal angefangen! Franzisco würde große Augen machen, wenn er von der geheimen Besprechung der Encomenderos zurückkam. Es war durchaus nicht nötig, immer gleich zu einem Mittel zu greifen, das nur gar zu leicht auf den Anstifter zurückschlug. Die wilden Zeiten, in denen man alles und jedes mit einem Dolchstich, einer nächtlichen Tat, aus dem Wege räumte, waren vorbei. Zudem handelte es sich hier um einen Schützling des Vizekönigs. Haha, der alte Carlos war kein schlechter Spieler, im rechten Augenblick warf er einen Trumpf auf den Tisch. 3. Das Netz der Kolibris Wieder stieg ein strahlender Sonnentag über Perus Berge und füllte das weite Flußtal, in dem Santiago lag, mit goldenem Glanz. Die Nebel zogen an den Hängen empor. In der weiten, hügeligen Savanne glänzte jeder Grashalm im Schmuck der Tauperlen. Im Galeriewald, der den Fluß säumte, kreischten die Papageien und kecker-ten die Affen. Taubenschwärme kreisten mit goldumrandeten Schwingen über den Pflanzungen, aus denen sie das laute Schreien der Indianer verscheuchte. Da und dort ritt bereits ein Aufseher die Pfade entlang, die gefürchtete Lederpeitsche am Sattelknopf. In langen Kolonnen zogen die Arbeiter zu Feld. Fernher rief und lockte das Glöcklein von Santiago, das der Sakristan kräftig und ausdauernd läutete. Komm, komm, komm, klang es, aber außer den täglichen Messebesuchern, den Beamten und einigen christlichen Indianern der Siedlung fand sich niemand ein. Für die großen Grundherrn war der Weg zu weit, lagen doch ihre Häuser viele Leguas von Santiago entfernt, verstreut in den Bergen; zudem mochte wohl auch mancher der wilden Gesellen lieber dem Klappern der Würfel und dem Becherklang lauschen als dem Ruf der Kirchenglocke. Nur an den Sonntagen kamen sie mit ihren Frauen und Kindern angeritten, wobei sie ein buntes Gepränge entfalteten. Die Pferde strotzten von Gold und Silber, die Frauen waren mit Schmuck überladen. Nur wenige vermochten das rechte Maß zu halten; meist war es rohe, übertriebene Pracht, die sie zeigten, stammten doch die meisten von ihnen aus der Hefe des Volkes. Manch einer, der jetzt einen fürstlichen Aufwand trieb, war dereinst in Spanien oder Portugal in den übelriechenden Hafengassen umhergekrochen und hatte sich kümmerlich genug mit Bettel und Diebstahl durchgeschlagen. Das große Wagnis der Ozeanüberquerung hatte sich für sie gelohnt. Unter tollkühnen, beutegierigen Anführern waren sie in fremde Länder eingebrochen und über Nacht zu reichen Männern geworden, die sich spanische Frauen nachkommen ließen, wenn sie es nicht vorzogen, eine Indianerin zur Gefährtin zu wählen. Freilich, nicht allen war der große Wurf gelungen. Zu Dutzenden hatten Fieber und Seuchen die des Tropenklimas Ungewohnten dahingerafft Feindliche Stämme hingen an den ziehenden Heeren, wie die Wölfe an einer Schafherde. Vergiftete Pfeile zischten aus dem Hinterhalt und wehe, wenn die Spitze eine Öffnung in der Rüstung fand. Zu Skeletten abgemagert, von Helm und Panzer wundgedrückt, von Schmutz überkrustet, so erreichten die überlebenden endlich das gesteckte Ziel. Aber die Neunmalgestählten, die Zähesten, Trotzigsten ernteten dann auch in Tagen mehr, als ihnen ein langes arbeitsreiches Leben je beschert hätte. In der Schenke, die der immer lächelnde Nuno zu Santiago betrieb, fanden sich Frauen und Männer nach der Messe zusammen. So oft sich Don Fer-nao sehen ließ, wurde er mit lautem Zuruf zu einem Trunk eingeladen. Die Encomenderos taten sich nicht wenig darauf zugute, daß sie es waren, die dem armen Hidalgo den Wein kredenzten. Don Fernao de Lara hatte sich mit großem Eifer ans Werk gemacht. Uber Erwarten schnell war es ihm mit Hilfe Miguel Stechlins gelungen, die Söldnertruppe von allen Unzuverlässigen zu reinigen. Aber mit ihnen waren auch viele tüchtige und brauchbare Männer davongelaufen. Don Carlos und Don Francisco de Carvajal boten doppelten und dreifachen Sold. Zudem ging das Gerücht um, daß es bald blutige Arbeit und reiche Beute geben werde. Die Stirn des jungen Beamten furchte sich sorgenschwer. Wohin er blickte, überall sah er sich von unzuverlässigen, bestechlichen Heuchlern umgeben. Außer Miguel Stechlin und Bruder Antonio hatte er keinen einzigen Menschen in Santiago, dem er vertrauen konnte. Trotz aller Bemühungen gelang es ihm nicht, tüchtige Beamte zu werben. Mit Bestechung und wenn nötig mit Drohung hielten die Amtleute und Schreiber fremde Eindringlinge fern. Don Fernao war nicht gesonnen, ruhig zuzusehen. Er gedachte, gelegentlich eine Reise nach Lima oder bis hinauf nach Quito zu tun, um verläßliche Männer zu werben. Aber einstweilen blieb alles beim alten. Die reichen Grundbesitzer kümmerten sich wenig oder gar nicht um die neuen Gesetze. Nach wie vor betrachteten sie ihre Indianer als Sklaven, mit denen sie nach Willkür verfuhren. Alle Einsprüche Don Fernaos prallten an ihren Eisenköpfen ab. Der junge Hidalgo legte sich auf die Lauer; es galt, einen der Grundherren auf einer besonders üblen Tat zu ertappen, dann konnte er zugreifen. So sehr es ihm zuwider war, er mußte heimliche Lauscher und Aufpasser in Sold nehmen, um alles zu erfahren, was auf den Hacienden, den großen Höfen, geschah. War Fernao de Lara lässig geworden? Immer seltener sah man ihn in den Amtsstuben. Die Beamten, die mit der Eintreibung der Steuern beschäftigt waren, lachten über ihn und verfielen in den alten Schlendrian. Munter rieselte das Bestechungsgeld in ihre bodenlosen Taschen. Die Schreiber fälschten die Eintragungen, nach wie vor erreichte aus den staatlich betriebenen Silberminen von fünf beladenen Maultieren nur ein einziges das Schatzhaus von Santiago. Don Fernao war in diesen Wochen ein eifriger Jäger geworden. Tagelang streifte er in der Savanne umher, die mit ihren Busch- und Baumgruppen einem herrlichen Naturpark glich. Neben der Armbrust trug er häufig die Laute über der Schulter. Band er sein Roß an den großen Timbobaum, der an einem munter plätschernden Bach unterhalb der Zwingburg Don Carlos Orgaz stand, so dauerte es nicht lange und aus dem weit geöffneten Tor sprengte Dona Lucia zu Tal. Der junge Hidalgo begrüßte sie mit einem fröhlichen Lied und ließ kein Auge von der fürstlichen Gestalt, die sich anmutig mit dem verhaubten Falken auf der Faust im Sattel wiegte. Mit silberhellem Lachen, das an das zärtliche Gurren der Tauben in den Wipfeln erinnerte, grüßte sie den Lautenspieler. Seite an Seite ritt das Paar durch die Savanne. Hinter ihm lag der Ärger mit den widerspenstigen Beamten, den aufsässigen Grundherrn. Nur allzuschnell vergaß es der junge Hidalgo, daß das schöne Mädchen an seiner Seite die Tochter eines solchen Machthabers war. Die Runzeln auf seiner Stirn glätteten sich, fröhliche Scherz- worte flogen hin und zurück. Im Galopp folgten die Jäger dem Falken, wenn er auf einen Taubenschwarm oder einen Papageienflug stieß und sich seine Beute holte. Schon mehr als einmal hätte sich für Fernao Gelegenheit geboten, einzugreifen und den Gesetzen Achtung zu verschaffen. Er wies Bruder Antonio und Miguel Stechlin wie lästige Mahner ab. „Ein andermal, die Aussagen der Zeugen widersprechen sich. Vielleicht war alles nur müßiges Indianergewäsch." Morgen, übermorgen wollte er den Fall untersuchen, aber das Morgen kam nie. Leer stand die geräumige Amtsstube. Don Fernao aber ritt in die Savanne, Sehnsucht und Ungeduld trieben ihn hinaus. Wohl fühlte er die eigene Schwäche und schämte sich ihrer, aber stärker, tausendmal stärker war sein Sehnen nach einem Blick aus Lucias seelenvollen Augen, nach ihrem silbernen Lachen. Und jetzt war eine Stunde für Fernao und Lucia gekommen, in der sie verstummten, weil ihnen die Worte fehlten, das zu sagen, was sie erfüllte. Sie saßen unter einem mit lichtblauen Blüten überladenen Baum auf einem Hügel über dem Fluß. Sanft plätscherten die Wellen, ein sachter Windhauch schau- kelte die Blütenzweige. Blaue Blättchen gaukelten herab, lagen zwischen den Maschen des Goldnetzes auf Lucias Kopf und ließen ihr blauschwarzes Haar noch dunkler erscheinen. Grüngoldene Kolibris umsummten das Paar und zogen ein diamantfarbenes Netz, in dem zwei Herzen gefangen zuckten, sich verlangend aneinanderdrängten. Die Laute entglitt Don Fernaos Händen. Mit summendem Klang fiel sie in das Gras. Die Hände suchten sich und nun fanden sich auch die Lippen im ersten, beseligenden Kuß der jungen Liebe. Du ... du . .. du . . . gurrten die Tauben in den Wipfeln. Eifriger summten und spannen die Kolibris. Aus dem Spiel war Ernst geworden. Dona Lucias Arme schlangen sich um den Hals Don Fernaos. Aller Übermut, alles Spielerische war von dem jungen Mädchen abgefallen. Das Weib war in ihr erwacht, sie liebte, liebte zum erstenmal in ihrem jungen Leben mit aller Glut und aller Hingabe, deren sie fähig war. Du ... du .. . du . . . gurrten die Tauben und „Du ... du . .. du . .." flüsterten die Lippen. „Lucia, Liebste!" Wie schön, wie wunderschön war doch das Leben. Gab es überhaupt noch Widerstände? Don Fernao fühlte, wie er in seiner Liebe über sich selbst hinauswuchs. Mit Riesenkräften begabte ihn das urewige Gnadengeschenk der ersten Liebe. Mochten sich ihm auch Berge in den Weg stellen, mochten tiefe Ströme seinen Pfad kreuzen, er fürchtete sie nicht. Wie jubelnder Vogelsang klang Lucias Stimme in seinem Ohr, ja selbst noch in ihrem Schweigen vernahm er den rauschenden Klang der Liebesmelodie, der alles ohne Worte sagte. Zwei Menschen ritten durch die Savanne auf den urewigen Pfaden der Liebe. So mochten hier schon durch die Jahrhunderte die rothäutigen Kinder der Inkastämme gegangen sein, Hand in Hand, mit Blumen geschmückt, erfaßt von dem Feuer, dem der Mensch sein Dasein verdankt. — Die Tage laufen hintereinander her, eilfertig, unaufhaltsam wie die Wellen im Fluß. Für Don Fernao und seine Lucia sind sie nichts anderes als eine schimmernde, blinkende Perlenkette. Jede einzelne Perle ist anders und jede noch tausendmal schöner als die vorhergehende. Wie hat er sich nur Sorgen machen können um die neuen Gesetze, um die Widerstände, die sich um ihn aufbau-ten, so bergehoch wie die Felsmauern über dem Apurimactal. Das Leben liegt vor ihm wie ein sonniger, klarer Sommertag. Er reitet, reitet durch den blühenden, duftenden Garten der Liebe. Groß ist seine Ungeduld. Er fährt Miguel hart an, wenn er ihm mit irgendwelchen Anliegen in den Weg tritt, verliert alle Ehrfurcht vor dem Kleid Bruder Antonios und behandelt ihn hochmütig. So bringt er den demütigen Gottesstreiter am schnellsten zum Schweigen. Don Fernao läßt seinen Braunen galoppieren, daß der Schaum von der Trense flockt. Schon sieht er den Wipfel des Timbobaumes, an dessen Fuß ihn Lucia erwartet. Er summt eine verliebte Melodie vor sich hin, zu dem die pochenden Hufe den Takt schlagen. Was ist das? Hört er nicht laute Stim- Lachen, das Klirren von Waffen. Er täuscht sich nicht. Er runzelt die Stirn, aber unwillkürlich greift er in die Zügel und schon trabt sein Brauner auf dem schmalen Buschpfad. Braungrüne Dämmerung umfängt ihn. Da sieht er auch schon die Gestalten einiger Männer. Sie haben einen Gefangenen zwischen sich und werfen ihn jetzt roh zu Boden. Zwei der Knechte beginnen den schwarzen Boden aufzugraben. Was geschieht hier? Don Fernao kann nicht mehr zurück. Er erkennt Joao und Felipe, zwei Soldknechte Don Carlos. Jetzt schwingt er sich vom Roß. „Was geht hier vor?" Seine Stimme ist hart und stählern. Er vernimmt das Stöhnen des Gebundenen, sieht die Wunden, deren brandige Ränder von erbarmungslosen Folterungen erzählen. Es ist ein Indianer, nackt und bloß liegt er vor Don Fernao. Heiß steigt das Mitleid in dem jungen Manne auf. „Der Bursche hat die Hand gegen seinen eigenen Herrn erhoben, er und vier andere. Sie haben ihren Lohn, und der da wird ihn jetzt erhalten." Mühsam zwingt sich der Hidalgo zur Ruhe. „Wer sprach das Urteil und wie lautet es?" fragt er. Joao grinst. „Don • Carlos verurteilte ihn. Wir graben ihn ein, bestreichen sein Gesicht mit Honig, den Rest besorgen die Insekten." Ein rohes Lachen der Knechte hallt durch den Wald. Mehr als einmal hat Don Fernao von solchen Scheußlichkeiten gehört. Mancher Abenteurer, der in die Gefangenschaft der Indianer geriet, wurde den Ameisen zum Fraß eingegraben. So handelten Wilde . .. Mit zwei Schritten steht er vor dem nackten Indianer, beugt sich nieder und zerschneidet die Bande. „Der Mann ist mein!" Wie ein Fanfarenstoß gellt seine Stimme. Die Knechte zucken zusammen. Die beiden, die mit dem Grabscheit werken, lassen die Arbeit ruhen. Joao und Felipe senken die Spieße. Aber noch ehe sie zu einem Entschluß kommen, hat Don Fernao die Armbrust, vom Sattel gelöst und einen Bolzen aufgelegt. „Zurück!" donnert er. „Wer es wagt, auch nur eine Hand zu rühren, den schieße ich durch und durch. Noch einmal, der Mann ist mein. Sagt das Don Carlos und richtet ihm aus, daß ich ihn binnen drei Tagen vor meinem Amt erwarte." Das sichere Auftreten des jungen Spaniers schüchtert die Knechte ein. Sie tauschen einen fragenden Blick. Don Fernao beugt sich über den Indianer. Er hebt ihn auf und trägt ihn zu einem gestürzten Baum. Dann lockt er sein Pferd. Von dem Stamm aus kann er, mit dem Indianer vor sich, in den Sattel steigen. Ein Schenkeldruck, der Braune trabt an. Hinter dem Abreitenden lärmen die Knechte. Einer macht dem andern Vorwürfe. Ein böses Donnerwetter erwartet sie zu Hause. Jäh hat die harte Wirklichkeit den schönen Traum, in dem Don Fernao eingesponnen lebte, zerrissen. Während er dahintrabt, sorgfältig den schwach atmenden, stöhnenden Indianer in den Armen hält, geht er mit sich ins Gericht. Ihn trifft alle Schuld an diesen Vorgängen. Stellte ihn nicht der Vizekönig an diesen Platz, um den Gesetzen Geltung zu verschaffen? Er hat die Zügel schleifen lassen, er hat die Augen vor allem geschlossen, was um ihn geschah. Nur seiner Liebe wollte er leben. Jetzt erntet er die Früchte seiner Pflichtvergessenheit. „Sie standen alle gegen mich, alle wie ein Mann, was wollte ich Einzelner dagegen tun?" verteidigt er sich murmelnd gegen den Mahner in seiner Brust. „Wer stand mir bei im Kampf? Wem konnte ich vertrauen?" Aber unerbittlich hämmern im Hufschlag die Worte des Mahners: In Eid und Pflicht! Treue dem Vizekönig, Treue dem Gesetz hast du geschworen und mit geschlossenen Augen hast du geduldet, daß die Grundherren ihre Sklaven bedrückten, daß ihre Aufseher die Kranken und Müden erschlugen." „Libera me de sanguinibus, Deus, laß dies Blut nicht über mich kommen, o Gott!" stöhnt Don Fernao. Und wieder wallt heiß der Zorn in ihm auf. Jetzt gilt es, mit eiserner Hand dreinzufahren. Jäh verhält er das Roß. Ein liebliches Gesicht taucht aus dem Grün der Büsche, blauschwarze Locken umringeln es. Zwei Augen lok-ken und winken. „Lucia, Lucia!" stöhnt der junge Spanier. Erst jetzt kommt ihm zum Bewußtsein, daß er sich anschickt, ihren Vater anzuklagen. (Fortsetzung folgt) Gott braucht Menschen Lieber Freund! Bald ist es nun so weit, daß Du die letzte Hürde genommen hast und mit dem Abiturzeugnis das Gymnasium verläßt. Glaube aber nicht, daß Du mit dem Abitur schon alles geschafft hast; denn jetzt fängt ja erst Deine wirkliche Lebensaufgabe an: Dein Beruf! Ich weiß, schon oft hast Du Dir Gedanken darüber gemacht, was nach der Abschlußprüfung aus Dir werden soll. Bald wolltest Du Arzt werden, um Deinen Nebenmenschen in leiblicher Not helfen zu können. Dann lockte Dich wieder die Aufgabe des Lehrers und Erziehers, weil Dir die Arbeit in der Pfarrjugend ans Herz gewachsen war. Ja, ich weiß schon, Du hast noch große Ideale. Aber ich weiß auch, daß Dich eine Sorge immer wieder gequält hat, die Sorge, ob Du bei der großen Überfüllung in diesen Berufen auch Aussicht hast, unterzukommen. Nun, von der schlechten Aussicht darfst Du Dich nicht unterkriegen lassen. Wenn Dich Gott zu einer solchen Lebensaufgabe bestimmt hat, dann mußt Du diesen Weg trotz aller Widerstände gehen. Aber wie ich Dich kenne, hast Du bei Deiner Berufswahl auch noch an einen anderen Beruf gedacht, wenn Du ihn Dir auch wegen seiner Größe vielleicht gleich wieder aus dem Kopf geschlagen hast. Doch gerade mit diesem Beruf solltest Du Dich einmal eingehend auseinandersetzen, solltest zuvor aber recht andächtig beten, damit der HERR Deine Gedanken lenken möge! Ich glaube nämlich, daß der Priesterberuf der Beruf wäre, in welchem Du glücklich werden könntest. Weißt Du, Gott braucht Menschen. Gott braucht Menschen, damit sich sein Reich auf Erden ausbreite! Gott braucht Menschen, auf daß er in einer Welt, die zum größten Teil von ihrem Schöpfer abgefallen ist, noch verherrlicht werde; denn zu seiner Verherrlichung hat ER den Menschen geschaffen! Gott braucht Menschen, die der Welt auch heute noch das Ideal ewiger Jungfräulichkeit Vorleben, damit die Welt nicht ganz des Teufels werde! GOTT BRAUCHT DEN MENSCHEN, DEN ER ZUM PRIESTERTUM BERUFEN HAT. Aber auch der Mensch von heute braucht den Priester! Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, wie sehr sich die heutige Welt mit dem Priester beschäftigt? Sicherlich hast Du die beiden Schauspiele gesehen oder doch davon gehört, die der amerikanische Dichter Lavery geschrieben hat: „Die erste Legion“ und „Monsignores große Stunde“. Sicherlich hast Du Dir die Filme „Der Weg zum Glück“, „Tagebuch eines Landpfarrers“ und „Der Abtrünnige“ angesehen. Und auch die Bücher „Der Kardinal“, „Jedermann nennt mich Hochwürden“, „Die Kraft und die Herrlichkeit“ u. a. werden Dir bei Deiner alten Vorliebe für schöne Literatur nicht unbekannt geblieben sein. Weißt Du, warum man zum Haupthelden dieser Theaterstücke, Filme und Romane die Priestergestalt gewählt hat? Ich kann es Dir sagen. Viele Menschen unserer Zeit fühlen es schmerzlich, wie das Leben ohne Gott ein Leerlauf ist; sie sehnen sich nach Gott und fragen nach dem Priester, der sie zu Gott führen könnte. Wolfgang Borchert, der junge deutsche Dichter der Nachkriegszeit, bekannt durch sein Drama „Draußen vor der Tür“, der nur allzu kurz gelebt hat, hat den Ruf nach Gott erschütternd ausgestoßen: „O, wir haben Dich gesucht, Gott, in jeder Ruine, in jedem Granattrichter, in jeder Nacht! Wir haben Dich gerufen, Gott! Wir haben nach Dir gebrüllt, geweint, geflucht! Hast Du Dich von uns gewandt? . . . Gibt denn keiner, keiner Antwort?-----------“ Rom — Am 2. Januar empfing der neuernannte Apostolische Delegat von Belgisch-Kongo und Ruanda-Urundl, Exz. Alfred Bruniera, in der Kapelle des Propagandakollegs die Bischofsweihe. Hier sehen wir ihn umgeben von afrikanischen Alumnen aus seinem Delegationsgebiet. (Fides-Foto) Lieber Freund! Arzt oder Lehrer willst Du werden? Der Priesterberuf und der Missionarsberuf vereinigt beide Berufe in sich. Werde Arzt der Seelen! Werde Lehrer derer, die nichts mehr oder nur mehr wenig oder noch gar nichts von Gott wissen! Gott braucht Menschen und die Welt braucht Priester. Und nun, mein Lieber, hast Du noch einige Wochen Zeit. Überlege es Dir gut, ob Dich der HERR nicht zu seinem Dienst berufen hat, zu seinem Dienst als Priester in der Mission! Glaubst Du, Dir einigermaßen sicher zu sein, dann schreibe an unseren H. P. Rektor des Missionshauses St. Heinrich, Bamberg, Obere Karolinenstraße 7. Er wird dann gerne alles weitere veranlassen. Für heute aber sei herzlich gegrüßt. Fr. Oskar Hofmann, stud. theol.