///2^ ^ ^< Amen uuti Gnttterlmngen in Hortl" untl Zentral-AMa in den Jahren 1849 bis 1855 von Nr. Heinrich Narth. In, Auszuge bearbeitet. Erster Sand. Mit Holzschnitten, 2 Bildern nnb dem Portrait des Reisenden. V . i li ^ / Gotha. Verlag von I u st us Pert h e s. 1859. Inhalt des crsteu Bandes. Seite Erstes Kapitel, Einleitung. Reise nach Tripoli........ 1 Zweites Kapitel, Ausflug durch die Tripoll umgebende Gebirgslandschaft .................... 11 Drittes Kapitel. Von Tripoli nach Mursuk......... 40 Viertes Kapitel. Von Mursuk bis Rhat.......... 73 ssiinftes Kapitel. Von Nhat bis Tin-tellust......... 103 Sechstes Kapitel, Ausflug nach Agades.......... 157 Siebentes Kapitel. Von Tin-tellust bis Taghclel....... 204 Achtes Kapitel. Trennung der Reisenden. Tessaua. Katsena. Aukunst in Kano.................... 233 Neuntes Kapitel. Aufenthalt ill Kano. Reise nach der Hauptstadt Bornu'S .................... 279 Zehntes Kapitel. Empfang und erster Auftnthalt in Kukana. Kurzer Abriß der Geschichte von Bornu............ 337 Elftes Kapitel. Reise nach Adamaua........... 390 Zwölftes Kapitel. Fortsetzung der Reise nach Adamaua. Entdeckung des Strompaares Bcnuc uud Farr, Rückkehr nach kukana ... 436 Dreizehntes Kap itcl, Zweiter Ausenthalt in Kutaua. Zng nach Kanem 474 Ansichten. Taepe, Znsammenfluß des Benue und Faro..........437 Clephanteuheerde am Tsad................48? Erstes Kapitel. EilMtiMlj. Amse nnch Tchwsi. Im Sommer 1849 legte Herr James Richardson, welcher sich bereits durch seine in den I. 1845 und 46 ausgeführte Entdeckungsreise nm die Geographie des uördlicheu Afrita wohl verdient geinacht hatte, der englischen Regierung den Plan zu einer größeren Expedition nach einigen der wichtigeren Königreiche vou Mittelafrita vor, wobei er als Hauptzwecke die Abschaffung des Sklavenhandels und die Au-tniiftfung von Handelsverbindungen vor Angcn hatte. Die englische Negicrung ging ans diesen Plan ein, nnd durch den Preußischen Gesandten in Londou, Baron von Bunsen, veranlaßt, gestattete sie, daß ein deutscher Gelehrter sich der Erpedition anschließe, damit auch in wissenschaftlicher Hinsicht das Unternehmen nach Möglichkeit ausgebeutet würde. Es war am 5. October 1849, als mein verehrter Lehrer und Freund Herr Prof. Karl Ritter mir dies Anerbieten der englischen Negierung mittheilte. Ich hatte gerade in jenen Tagen die Herausgabe der Beschreibung meiner früheren, in den I. 1845, 46 und 47 ausgeführten Wanderungen durch das nordafritanische Ge-stadeland abgeschlossen. Auf dieser Wanderung hatte ich aw einzelner Rciseuder mich gauz den Arabern angeschlossen und mich vollstäudig eingebürgert in jene eigenthümliche Lebensform, deren charakteristische Züge das Kamerl und die Dattelpalme bilden. Ich hatte lange Reisen durch wüste Landschaften gemacht, hatte den weiten Saum der Großeu Syrte umkreist und nach einer durch das tlciuc malerische Gebiet von Eyreuaika gebotenen erfreulichen Abwechselung die Libysche Wüste bis nach Egyptcn hin durchzogen. Auch in Egypten hatte ich meine Reise nicht auf eine bequeme Bootfahrt auf dem Nil beschränkt, sondern hatte langer als einen Monat in den Gebirgsthälern zwischen Assuan, Berentte und Kosser zugebracht; ich hatte dann später meine Reise ein ganzes Jahr lang durch Syrieu uud iiNeinAsien fortgesetzt. ^aith'6 Reisen. I, I 2 Ich hatte also die Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten einer solchen Wanderung zur Genüge kennen gelernt, und diese Vorübung und Gewöhnung an Neiscbeschwerden war unschätzbar. Ja, ich kann wohl mit Bestimmtheit sagen, daß ich meine große, fast sechsjährige Reise, wo ich fünf volle Jahre in den Tropengegcnden umherzog, die schwüle Hitze der Vorsommer und die Nässe von fünf Regenzeiten an Flüssen und Sümpfen ertrug, und oft ungeheuer angestrengte Eilmärsche machen mußte, ohne jene Vorbereitnng nie ertragen haben würde. Allerdings war mein Hauptaugenmerk auf jener Reise durch die Gcstadeländer des Mitlclmeeres vorzüglich auf die Reste des Alterthums und anf solche Völkervcrhältnisse gerichtet, welche noch jetzt ein Licht auf die alten Zustände werfen; doch war mir die lebendige Gegenwart keineswegs gleichgültig geblieben und ich hatte stets einen Seitenblick nach jenen halb oder ganz unbekannten Landschaften im Innern Afrika's geworfen, welche in fortwährender Verbindung mit der Küste stehen. Freilich leiteten mich damals auch in jene Gegenden mehr die Sftnren deS iu's Dunkel sich verlierenden Handels des alten Karthago, als die Zusammenhänge uud Ergebnisse der neueren Entdeckungen, wenn gleich in früher Jugend schon Mungo Park's und der Gebrüder Lander Reiscu meine geistige Theilnahme im höchsten Grade erregt hatten. Ich hatte so viel von jeucu Gegenden kennen gelernt, daß das Verlangen, mehr von denselben zu wissen, mich nur um so heftiger bewegte. Mochte das heimliche Sehuen nach jenem fernen Binuenlande, das in eigenthümlichen kleinen Zwischenfällen Nahrung fand, während der Reise von den lebhaften Eindrücken anziehender nnd malerischer Gegenden in den Hintergrund gedrängt sein, jetzt, da ich zur Ruhe des europäischen Lebens zurückgekehrt war, fing es au, mich immer dringlicher zn mahnen, zumal bei der unerfreulichen Wendung der vaterländischen Verhältnisse. Der alte biedere Colonel Warrington, englischer Consul in Tripoli, der in mir einen Erforscher Inner - Afrika's geahnt zn haben schien, hatte bereits versucht, mich von meiner beabsichtigten Bahn an den Küstenländern abzuzieheu, uud mir seinen vollen Beistand zugesichert, falls ich es versncheu würde, in's Innere einzudringen. Auf meiner dreijährigen Reise in den Gestadeländeru des Mittelmeeres hatte ich oft Gelegenheit gehabt, die Macht des englischen Schutzes zu prüfen. Alle englischen Consuln von Tanger bis Vrusa hatten mir ihre freundlichen Gesinnungen bewiesen, und ich hatte Wiederholt ihre Gastfreundschaft genossen; ihr Schutz hatte es mir 3 möglich gemacht, mit einen, gewissen Grad von Sicherheit jene wüsten Gegenden zu durchziehen. So war die allgemeine Bewunderung, die ich für die britische Nation hege, und die persönliche freundschaftliche Hinneigung, mit der ich mich zu vielen Engländern hingezogen fühlte, für mich ein neues Motiv, meine Mitwirkung bei der Ausführung der kosmopolitischen Absichten der Engländer in Bezug auf die verwahrlosten Völkerschaften Inner-Afrika's anzubieten. Mit Begeisterung erklärte ich mich daher bereit, mich Herrn Richardson anzuschließen, unter der Bedingung jedoch, daß der wissenschaftlichen Erforschung des Innern eine größere Ausdehnung und Bedeutung gegeben werde, während ursprünglich die Abschaffung des Sklavenhandels und dic Abschließung von Handelstractaten mit den Häuptlingen der Wiistc m den Vordergrund gestellt waren. Während noch die Verhandlungen zwischen der englischen Regierung, Herrn Richardson und mir im Gange waren, suchte mein seliger Vater mich von dem gefahrvollen Unternehmen mit so eindringlichen Gründen abznhaltcu, daß meine kindliche Liebe und Er» gebenheit ihm nicht widerstehen tonnte. Ich trat daher von der übernommenen Verpflichtung zurück und machte Herrn Dr. Ovcrweg Platz, welcher in jugendlicher Begeisterung sogleich hervortrat und, von der Berliner geographischen Gesellschaft unterstützt, seine Dienste anbot. Allein es war zn spät; die englische Regierung hatte inzwischen mein Anerbieten bereits angenommen. Es gelang mir, die liebevollen Besorgnisse meines Vaters zu beseitigen; — hat er doch auch noch die Freude gehabt, mich ruhmgekrönt von meiner Reise heimkehren zn fchen? So schloß ich mich der Unternehmung an, die englische Regiernng gestattete mit anerkennenswcrther Liberalität, daß auch Dr. Overweg an der Expedition Theil nehme, und dieser selbst sollte nunmehr eine ausgedehntere wissenschaftliche Richtung gegeben werden. Deshalb ward auch ein Seemann den Reisenden beigesellt, und es ward beschlossen, ein Boot mitzusenden. Die Wahl des Seemanns war nicht ganz glücklich, und Herr Richardson hielt eS für besser, itm don Mursnk znrückznscnden; das Boot dagegen, das auf dem außerordentlich schwierigen Landwege über Mursuk, Nhat, Air und Sinder fortgeschafft wnrde und die Verwunderung und das Staunen aller Stämme des Innern erregte, kam endlich glücklich bis an den ^N seiner Bestimmung, welchen zu erreichen dem Leiter der Unternchnu'ug nicht beschieden war. Schon Anfang November 1^49 fandte mich Herr Richardson 4 zu näherer Besprechung mit der englischen Regieruug »mch London und !>,-. Overwcg folgte nur dahin. Nachdem wir nun dort ein schriftliche Uebereintommen getroffen, reistcu wir beiden Dentschen, während Herr Richardsou noch in Paris auf eiuige Depeschen wartete, über Marseille, Philippeville nud Bona nach Tuuis, das wir ain 15. December 1849 erreichten. Hier versahen wir uns vor allen Dingen mit Kleidungsstücken, da Tunis auch jetzt noch unter den Städten des Maghreb den Rang eines kleinen Paris bewahrt und in Kunstschneideret Tripoli bei weitem hinter sich läßt. Daneben »nachten wir täglich zu Pferde höchst interessante Ausflüge nach der Stätte des alten Karthago. Diese Uebungen waren um so nothwendiger und nützlicher, da 11i-. Overweg früher nie zu Pferde gewesen war. Mir aber war eö ein höchst erfreuliches befühl, daß ich vor dein Antritt meiuer laugeu und schwierigen Reise noch einmal die ^ Ruinen dieser ciust so mächtigm und gewcrbthätigen Hauptstadt eines gcwaltigcu Reiches ausländischer Ansiedler auf dem afrilauischeu Fest' laude besucheu tuuute; auf dieser ruhmvollen Stätte machte ich die kühnsten Entwürfe für mcin großes Unteruehmeu. Mit einem hübschen Borrath nützlicher und schmucker Artikel versehen, verließen wir Tunis am Nachmittag des 30. December, um nnn Tripoli, den eigentlichen Ausgangspunlt unserer großen Reise, zu erreichen, wo wir mit Richardsoli wieder zusammeutreffen wollten. Die erste Nacht brachten wir in Haunnam el Enf zu. Schou vor drei Uhr Morgens brachen wir wieder auf und verfolgten den reizenden und anziehenden Weg über Krumbalia. Dieses schön gelegene Dorf ist jetzt nnr ein Hanfe Rniuen und gewährt nns ein Bild sowohl von der Schönheit und Fruchtbarkeit des tunesischen Gebiets, wie von dem cleudeu Zustande, zu dem es jetzt hcrabgesuuten ist. In einer weiten wüsteu Fläche liegt hier überall der reichste Fruchtboden, und nur die schönen Gärten von Turti, die wir zur Seite ließen, bilden hier eine beschränkte Stätte des Anbaues. Dann ließen wir el Chuiu zu unserer Rechteu, einen, wie cs heißt, eiust dichtbewohnten Ort, desscu (Einwohner aber an den Wirkungen eitler verderblichen, mit Erdharz geschwängerten Duelle gestorben sein sollen, die später gleichfalls wieder verschlvuudeu ist. Darauf crreichteu wir das mit einigen einsamen Palmbäumen geschmückte, höchst malerische cl Arbain, die Stätte der „Vierzig", uämlich der vierzig Vlntzeugeu; an dieser heiligen Stätte nahm nnser Maulthiertreibcr Ali in seinem frommen Eifer eine Handvoll des heiligen Erdreichs uud besprengte nnS damit, 5 ohne Zweifel in der frommen Absicht, daß uns dich' Weihe in den uns bevorstehenden Gefahren beschirmen sollte. Während wir nns in der Ebene hielten, tanchte in der Ent-fcrnnng der schön geformte malerische Berg Saghnan, die heilige Bergknpftc der alten Einwohner, in seiner majestätischen Gestalt ans. Eine Stnnde nach Mittag erreichten wir den „bir el buita", den "Brunnen des Gemächleins". Hier konnten wir in einem anständig aussehenden, reinlichen Ehan nnser Quartier nehmen. Aber nnfer jn^rndlicher Mnth erlanbte nns nicht lange Rast nnd dor elf Uhr Abends saßen wir wiederum auf unseren Manlthieren. Ich werde nie diese Nacht vergessen, die Nacht, welche das uene Jahr 1850 anfing, in dessen Verlauf wir so manche schwere Prüfungen bestehen nnd dnrch Ansdaucr nnscrc Erfolge erringen sollten. Es war eine finstere, überaus falte Nacht, nnd kaum wussten wir uns mit all' unserem Vorrath von Unter- nnd Oberzeug vor der Kälte zu schlitzen. Als Mitternacht eintrat nnd der feierliche Angellblick gekommen war, da das nene Jahr begann, machten Qverweg und ich Halt, begrüßten das neue Jahr mit Begeisterung und wünschten nns, nnsere Hände schüttelnd, glücklichen Erfolg alls unserer gefährlichen Vaufbahn. Wohl tonnten wir ahnen, daß nns manche Schwierigkeiten bevorstehen und daß wir der besonderen Gnade des Barmherzigen bedürfen möchten. Unsere mohammedanischen Begleiter — außer nnscrem Dieucr und den beiden Manlthierfnhrern vier Reiter des Bey und drei Eingebornc von der Insel D^irbi — nahmen an dieser Scene innigen Antheil, als sie den Gru»d davon erfuhren, und wünschten nns anch ihrerseits allen möglichen Erfolg für das neue Jahr. Auch unterhielten sie uns während des ermüdende» nächtlichen Marsches mit ihren keineswegs ganz unharmonischen Gesängen, die auf der weiten öden Steppe und in der unheimlichen Stille der Nacht einen tiefen Eindruck machten. In der Morgendämmerung erreichten wir das Djeriba genannte Gewässer, das wir erst Passiren konnteil, nachdem wir eine Art Damm gebildet hatten. Anch bei den, verfallenen Städtchen Herkla hielten wir nur kurze Rast, und als Wir um 1 Uhr Nachmittags bei Susll eintrafen, nahmen wir unser Quartier außerhalb der Stadt im Funduk Ssidi Djafer, nm wiederum bei Nacht anfbrechen zu können; denn die Stadtthore bleiben bis zum Morgen geschlossen. Vor drei Uhr Morgens waren wir wieder im Sattel, nnd ein zwö Windiger Ritt brachte uus nach Djcm oder Ledjem, zur ruhin- 6 würdigen Vnrg der Prophetin, die noch immer eines der glänzendsten Denkmäler römischer Größe ist und dnrch den Gegensatz gegen die elenden zu ihren Füßen liegenden Wohnungen, welche die nloham-mebanische Indolenz charattcrisircu, noch mehr gehoben wird. Nach einem weiteren zwölfstüudigeu Ritt kamen wir am 3. Ia-nnar nach Ssfakes. Hier wünschten wir die Langwierigkeit, Kostspieligkeit nnd Gefahr einer dnrch unser bedeutendes Gepäck noch erschwerten Landreise um die Kleine Syrte zu vermeiden. Wir suchten uns deshalb ein Boot zn verschaffen, nm uns direct nach Tripoli oder einem anderen Punkte auf der anderen Seite der Kleinen Syrte zu bringen. Hätten wir aber vorher wisfen können, wie töd-tend langwierig nnserc Seereise ausfallen und uns am Eudc duch gerade an der gefährlichsten Stelle znr ^andreise zwingen würde, so würden wir sicher den Landweg rings um die Syrte vorgezogen haben. Wir hatten gehofft, daß eine Fahrt von höchstens 48 Stunden uns über den Golf hinüberführen würde. Statt dessen gebrauchten wir nenn volle Tage, um die weniger als 12») nautische Meilen betragende Strecke von Ssfakes bis Sarsis zurückzulegen. Der Grund der Schwierigkeit lag darin, das; die Insel Djirbi, die natürliche Station des Wasserverkehrs zwischen dem tunesischen und tripoli-tamschen Gebiet, eben damals, mehr aus politischen als aus sani-tatspolizrilichen Rücksichten, nnter die strengsten Qnarantaincregeln gestellt nnd von allem Verkehr mit dein Fcstlande abgeschuittru war. Nur mit vieler Mühe gelang es uus daher, einen „Gareb" zu miethen, um uns uach dem westlichen Soara überzusetzen. Während unseres zweitägigen Allfeiithaltes in Ssfakes machten wir die Bekanntschaft eines Juden, der sich Barancs nannte nnd identisch ist mit dem jüdischen Diener Jakob, der Drnham nnd Elap-ftertou begleitete nud in ihrem Tagebuch als ein eingebildeter, störriger Mensch geschildert wird. Er theilte uns Manches von jener Expedition mit nnd er;ählte namentlich anch von ihrem Ansammentreffen mit einem als Moslim verkleideten dänischen Reisenden, der von Dar For über Wadai nach Bornu vorgedrungen sei. Obgleich er seiner Sache ganz sicher zu sein vorgab-, so lann ich doch kaum an die Wahrheit der Geschichte glanben, weil weder in dem Tagebuch jener Erpedition, noch sonst irgendwo eine so wichtige Unternehmung eines europäischen Reisenden erwähnt wird. Am Morgen des 5. Iannar 1850 schifften wir uns in unserem „Gareb" ein. Es war ein kleines, armseliges Boot. Die Kajüte, 7 kaum größer als cm Hnndehans, ums; in ihrem größten Durchmesser nur sechs bis sieben Fuß. Hier mußten Overweg und ich bei dem kalten Wetter ohne irgend ein Verdeck die Nacht zubringen. Anfangs ging unsere Fahrt leiblich gut von Statten, aber bald ward der Wind ungünstig; schon am Abend des ersten Tages waren wir genöthigt, nachdem wir hier mehrere Tage festgelegen, konnten wir endlich unsere Fahrt fortsetzen nnd gelaugten im Dunkel der Nacht nach Mehcrcss. Hier wollten wir uns um jcden Preis aus einem so elenden Kerker, wie unser Boot war, befreien und giugru deshalb mit unsere,» ganzeu Gepäck au's Land. Zwei Tage und Nächte blieben wir in Meheress, einem tranrigcn, verödeten Orte, in welchem eine große Cisternc fast das ciuzige anständige Gebäude ist. Von dem hohen Dache der Cisternc ließ ich mein Ange über das Bild abschreckender Wüstenei hmschwcifcn, zu welcher das alte Vyzacium, eiust der Reichthum Karthago's, gegenwärtig herabgesunkcn ist. In dem Orte selbst bemerkten wir wenigstens noch einige Spuren von Industrie, indem man theils Matten, theils wollene Deckeu oder sogenannte Barrakane verfertigte. Ein Unterofficier oder Schausch, der hier seinen Posten hat, hielt uus wahrscheinlich für Spione im Sold des Sultan, vor dem der Bey damals in nicht geringer Aesorgniß war. Denn er wollte uns glauben machen, daß an diesem Theile der Küste nicht weniger als 500 Mann Tunesischer Truppen stationirt wären. Nachdem wir uns vergeblich bemüht hatten, hier Kameele anzutreiben, mußten wir nns am Morgen des 11. Iannar entschließen, die See noch einmal zu versuchen. Der Wind war nördlich und versprach günstige Fahrt, aber bald hatte er sich wieder gedreht, und im langweiligsten Schneckengang kreuzten wir an der Küste hin. Bei Souuen-untergang passirten wir das mit dem Kasr Unga bekränze Vorgebirge. Jetzt hatten wir das Schlimmste überstanden, nnd am nächsten Morgen sah ich mit Vergnügen, daß wir von der Küste entfernt mitten auf dem Golfe schwammen, und daß nnser Raeis oder Capitän verwegen genug gewesen war, sein Schifflein gerade anf den itanal von Djirbi loszuhalten, statt wie vorher an der Küste cutlang zn steuern. Wir ruckten nun leidlich vorwärts nnd hatten zngleich die anziehende Ansicht des Bergznges, der in der Ferne hinter den die Küste schmückenden Palmen-Pflanzungcn in dcntlichen Umrissen sich hinzog. Wir hatten gehofft, noch vor Einbrnch der Nacht den Kanal Passiren zu können; da uns aber der Wind verließ, mußten wir Anker werfen und bis Tages-anbruch warten. Denn während der Nacht kann der Kanal seiner 8 Scichtigteit wegen nicht passirt werden. Selbst in der Helle des folgenden Tages kanl nnser kleines Boot, das nur zwei bis drei Fuß tief ging, zweimal auf den Grund. Vom Wasser aus hatte ich Gelegenheit, den malerisch zerrissenen Charakter des weithin sichtbaren hohen Vorgebirges Djnrf oder „tarf cl djnrf" zn beobachten, anf welchem im Alterthum ein Tempel der Vcnns, der gastfreundlichen Göttin des Seefahrers, stand. Nachdem wir das seichte Bassin oder die Erweitcrnng Passirt, kamen wir dnrch dir zweite lHnge. Hier ward die Passage dnrch Ruinen von Kastellen erschwert, welche, auf dem Festlande wie auf der Insel gelegen, die Brücke oder .fkantara", den jetzt in Ruinen liegenden I'on» /itiln, der Nömer, vertheidigten. Nachdem wir den Kanal passirt, hielten wir lins gerade ans durch die offene See und nach Umsegelung des Rass Mamnra betraten wir endlich am U5. Iannar Nachmittags den Hafen von Sarsis. Hier schafften wir sogleich unser Gepäck an's Land; denn obgleich gerade der schwierigste Theil der Vandreise nach Tripoli noch bevorstand, nämlich der seiner Unsicherheit halber verrufene Greuzbezirk des tunesischen und tripolitauischen Gebiets, so wollten wir doch lieber Alles ertragen, als den Zustand von Sklaverei, zu dem wir in unserer elenden Barte nenn Tage laug verdammt gewesen waren, noch länger erdulden. Sarsis besteht aus füuf gesonderten Dörfern, jedes mit seinen besonderen Palmenhamen. Einzelne verfallene Häuser ausgenommen, macht der Drt im Ganzen den (5'iudrnck von Drdnuug und Wohlstand. Auch einige römische Ruinen sind in der Nähe, namentlich eine Cisterne von bedeutender Ausdehnung. (5s gelang nns hier, zwei Pferde und füuf ^amrele zu miethen, und schon am folgenden Tage fetzten wir unsere Neise fort. Da sich uns noch andere Reisende anschlössen, so bildeten wir eine ganz zahlreiche nnd wohlbe-waffuctc Truppe nnd tonnten daher den etwas unsicheren Weg um die südliche Seite des See's von Biban wählen, dessen nordwestlichen Winkel wir nach etwa acht Meilen Wegs erreichten. Der See oder die „Ssebcha" von Biban ist ein tiefer Golf oder Ansen des Meeres und ist dnrch einen engen Kanal, den „wad mta cl Biban", mit der offenen See verbunden. Das eigentliche Bassin hat daher nicht den Charakter einer wirklichen Ssebcha; denn mit diesem Namen bezeichnet man eigentlich eine seichte, mit einer Salzrinde bedeckte (5insenknng, die zuweilen trocken ist und zn anderen Zeiten eine Wasseransammlung bildet. Eine solche Beschaffenheit haben nur die Ufer des See's und namentlich die sogenannte „Machada", eine Einscnlnng, welche, weit 9 in's Land einschneidend, zuweilen auf cincm großen und Wege» der Nachbarschaft gesetzloser Beduineustälumc gefährlichen. Umwege um-gangeu werden muß. Glücklicherweise fanden wir die Machada trocken nnd konnten dieselbe ohne Schwierigkeit Passiren. Nachdem wir die Nacht in geringer Entfermmg von einem Bednmenlagcr zugebracht hatten, setzten wir am 15. Januar unsere Wanderung fort. Wir kamen jetzt durch besser bewohnte Gegenden; denn zahlreiche Heerden von Rindvieh bedeckten die reichen Wcidcgründe; auch ließen sich zuweilen Rudel von Antilopen scheu. Ich lenkte etwas vom Wege ab, um die Ruinen einer römischen Ortschaft, >.el Medeina" oder ..die Stadt", am Rande des See's zu besnchen. Jedoch sind dieselben uninteressant nnd kleinlich mit Ausnahme des Quai's. Dieser besteht aus ziemlich regelmäßigen,, gut erhaltenem Quaderwcrt und beweist, daß der See in alten Zeiten viel tiefer als gegenwärtig gewesen sein muß. Von hier setzten wir unseren Weg über schönes Wiesenland fort, ließen eine nahe am Ufer gelegene Gruppe Ruinen znr Seite liegen, und hatten um 2 Uhr zur Rechten eiu leichtes Gehänge, das nach der einstimmigen Angabc unserer Begleiter die „inatta" oder die Grenze zwischeu dein tunesischen und tripolitanischen Gebiet bildet. Eine Stnndc weiter wählten wir uuser Nachtlager zwischen dem an? steigenden Boden nnd dem Meeresufer, das weiterhin den tief einschneidenden Hafen Mirssa Bnreta bildet. Am folgenden Tag erreichten wir mit zehn Meilen die Ruinen eines Castells nnd eines gleichfalls ans Quadern gebauten Dorfes, neben denen eiu lauger nnd imposanter Molo „el Mina" m's Meer hinausragt. Als wir später den weit sichtbaren Hügel erreichten, anf dessen Gipfel die Kapelle des Heiligen (Ssidi) Said ben Salah steht, war keiner unserer Gefährten, der nicht die Höhe bestiegen hätte, um dort ein kurzes Gebet zn sprecheil. Hier verließeu wir das Ufer und setzten unseren Marsch über schönes Stcppenland fort, bis wir uns der Pflanzung Soara oder Soara el gharbia näherten. Hier eilte ich voranö, um uns bei meinem früheren Frcnnde Said-bu-Ssemmin Quartier zu verschaffe», für den ich früher, als er in Ungnade gefallen, Fürsprache eingelegt hatte und der wirklich in die Negieruug vou Soara wieder eingesetzt war. Er war hoch erfreut, mich wieder zu sehen, und als er von der gefährlichen Reise hörte, die ich jetzt beabsichtigte, empfahl er mich der Gnade des Allmächtigen und vertraute auf meinen Un-tmlchmnngsgeist, der mich sicher durch alle Gefahren führen werde. Wir betraten jetzt eine Landschaft, welche im Alterthum durch 10 große und wohlhabende Städte ausgezeichnet war, nnter denen Sabratha als die bedeute.udstv hervorragt. Anch jetzt ist die Gegend mit lieblichen Palmeuhainen bestreut, die von schönen» Weideland unterbrochen sind. Jedoch lieben die Palmcnpflanznngen fast alle in einiger Entfernnng von der Küste; hart an dieser ist der Boden voll von Ssebcha's nnd deshalb höchst einförmig. Etwa 16 Meilen östlich von Soara gelangten wir an die Grenze zwischen der gleichnamigen Provinz nnd dem Regierungsbezirke von Bu-Aoiila. beider waren unsere Pscrdc zu ermattet, als daß wir die Rninenstätten von Sabratha (in der Nähe der anmntlugeu Pflanzung von Kasr Aleiga) und von Pontcs (bei Soara e' Scherkirh) hätten besuchen tonnen. Unser Nachtquartier nahmen wir in einem Arabrrlager, das höchst malerisch in dem Dattel-Haine von Utbah lag. Wir erfrenten nns an dem magischen Vicht, welches die großen Fener ans die Palmen warfen. Eine sehr nnan-genehme Zugabe aber waren die zahllosen Flöhe, die uus iu dem arabischeu Zelte während der Nacht Walten und uns selbst bis Tripoli verfolgten. Am folgenden Tage, Itt. Januar, eilten wir, nach Tripoli zu kommen, das wir nach einem ununterbrochenen Marsch von dreizehn und einer halben Stnnde erreichten. Wir hatten erwartet, Herrn Richardson hier bereits anzutreffen; allein er langte erst zwölf Tage nach uns an. Inzwischen wurden wir überaus freuudlich von dem euglischeu Gcneralconsnl Herrn Crowe nnd von dem Viccconsul Herrn Readc aufgenommen, und fanden in dem Hause des früheren österreichischen Consuls eiu freuudliches Unterkomme». Unter Vorbereitungen znr Reise, Spaziergängen in der anziehenden Umgebnng nnd gelegentlichen Besuchen verstrich uns die Zeit gauz augeuehm. Auch dem Statthalter der Provinz, Bascha Jesid, wurden wir vorgestellt und er empfing nns freundlich nnd wohlwollend. Zn den Personen, die uns interessirtcn nnd uns Dienste erwiesen, gehören anch der französische Consul Herr Pelissier, Dr. Edward Dielson und der österreichische Consul Herr Fraucowich. Vor Allem aber sei es nur vergönnt, den Tribut meincs Dankes Herrn FredencVarrington darznbringen. Dieser liebenswürdige arabisirtc Europäer ist für einen afrikanischen Reisenden ohne Zweifel die interessanteste Persönlichkeit in Tripoli. Er begleitete mich im März IM) bis Kasr Ghnrian nnd empfing mich bei meiner glücklichen Rückkehr im Sommer 1855 bei Delem nahe bei Mursul. Er widmete sich mit Eifer nnd?iebe dem Interesse nnserer Expedition und trng nach Kräften zu unserem Erfolge bei. Zweites Kapitel. Ausflug durch die TriM unMliende ^eüilMÜiildschast. Wir brannten vor Begierde, unser großes Unternehmen baldmöglichst anzutreten; allein weder das von Malta erwartete Boot, das znr Befahrnng des Tsadsce dienen sollte, noch die Instrumente, Waffen und Zelte waren angekommen, nnd wir sahen ein, daß die Vorbereitungen für die definitive Abreise wenigstens noch einen Monat erfordern würden. Daher beschlossen Oderweg und ich, diese Zeit zu einen, längeren Ausflüge in einen, Umkreis von 60—80 Meilen um die Stadt zn benutzen. Zwar war nnserc Ausrüstung sowohl in wissenschaftlicher als anch in materieller Hinsicht nicht genügend, doch waren wir mit einem guten Sextanten, einem Chronometer, ziemlich guten Kompassen, Thermometern, einem Aneroid - Barometer nnd durch die Güte des Herrn Warrington mit einem Zelte versehen. Wir verließen die Stadt am 4. Februar Abeuds erst nach Sonnenuntergang nnd folgten anfangs in westlicher Richtung den, Küsten-sanme. Wir hatten die erste Nacht in Ghargasch zubringen wollen; allein da es so spät geworden war, so lagerten wir in der Meschia unter Palmbänmen. Wir kamen dadurch um einen heiteren Abend; erst am folgenden Morgen trafen wir bei dem hart an der Straße gelegenen alten römiscken Gcbändc, welches ..Kasr el Djehalich" oder "die Bnrg der Unwissenden oder Heiden" genannt wird, nnsercn Freund Frederic Warrington, der hier die ganze Nacht auf uns gewartet hatte. Bald passirten wir den Stein Ssidi Arifa, den, wie die pegende erzählt, der Heilige dieses Namens durch sein Wort an die Oberfläche gehoben haben soll, als er Arbeitern, welche einen Brunnen gruben, anf die Köpfe gefallen war; diese Leute aber seien unbeschädigt davongekommen. Nicht minder merkwürdig ist das Wunder, das vom Ssidi Ssalah, einem andern Heiligen, erzählt Wird, dessen Kapelle wir weiterhin nahe an der Seckilstc trafen, und der aus der 12 Tiefe des Meeres eine Menge wohlgekochter Fische sich vor die Füsse gezaubert haben soll. Bis hierher begleitete uns Herr Warringwn; von jetzt au waren wir uns selbst überlassen. Wir verfolgten anfänglich uoch die am Meere entlang führende Straße, wandten uns aber bald in mehr südlicher Richtung von derselben ab und betraten die schöne, schon im Mittelalter hochgepriefenc Palmenpflauzung von Sensur. Uebcrhaupt ist der District vou Seusur wegeu seines fruchtbaren Bodens uud guteu Wassers riuer der schönsten Theile der Küste vou Tripoli. Weiterhin, nachdem wir Esayada zur Seite gelassru hatteu, wurden wir durch eiilige ueu angelegte Gärten angenehm überrascht. Dies ist eine in diesem ^ande um so seltnere Erscheinung, weil die Art der Bcsteurung, welche nicht vom Ertrag des Baumes, smidrrn vom Baume selbst erhobeu wird, geradezu von neueu Aulageu abhält. — ^tachdem wir um Mittag einen kurzen Halt nahe bei der klciuen Oase des Ssidi Ghar gemacht hatten, uahmcu wir uuser Nachtquartier in dein grossen Hofrallm des Kasr Gamnda, wo uus der Keintakam Mnstapha Bey nüt großer Freund-lichleit empfing. Die gauze Pflanzung von Sauya, zu welcher Gamuda gehört, soll N<),s)M Pallnbäume enthalten. — Wir verfolgten von hier eine südliche Richtung, um baldmöglichst die ersten Ausläufer des gebirgigen Nordraudes des tripolitanischcn Plateau's zu erreichen. Der Morgen des s». Februar war überaus schön, und wir benutzten einen angenehmen Spazierritt dnrch die Palmenpflanzuug, nm Datteln nnd Korn einzulaufen. Nachdem wir von dcn Palmen Abschied genommen, kamen wir zuerst durch tiefc Saudhiigcl, die sich hier unmittelbar au den schmalen Saum der Pflanzungen anschließen. Bald aber zeigte der Buden wieder einen frnchtbareren Charakter und war mit vielen Arten vortrefflichen Kameelfutters bedeckt. Kurz vor Mittag wurden wir zuerst dnrch einen Blick über dcn mannigfaltig gestalteten Kamm der vor uns liegenden Bergreihe erfreut, über die mau schon vom Thurm der großen Moschee in Tripoli eine weite Aussicht hat. Später am Nachmittag tamen Wir durch wohlbevölkertes, schönes Steppculand; hier sind die Wohnsitze des Stammes der Belaufn, welcher die ganze Gegend zwischen den Urschefana nnd den BwAdjila einnimmt. Ueberall in der Nähe der Straße erblickten wir Lager der Bela-ssa, nnd für die Nacht schlugen wir unser Zelt neben dem Lager des Häuptlings dieses Stammes auf, welches aus sieben Zelten bestand. Der Häuptling selbst, Namens Mohammed Tschelebi, brachte uns etwas Basin, ein gewöhnliches tripolitauisches Gericht; dcn Kaffee 13 aber, mit dem wir ihn dafür bewirthen wollten, verschmähte cr; vielleicht fürchtete cr, wir möchten es machen wie die Türken, welche die ihnen nicht ergebenen Häuptlinge oft mit Kaffee vergiften. Auch am folgenden Tag (7. Febr.) ging es noch in der „Djefarah" oder dem „Unterland" weiter, aber indem wir unfcren Weg südwärts durch die kräuter- und brunnenreichc Landschaft „el HM" verfolgten, näherten wir uns dem Bergabfall immer mehr. Bon der nicht unbedeutenden Erhebung „cl Ghuuna«, der höchsten Spitze einer kleinen Hügelkette, würden wir eine schöne Aussicht auf die vor uns liegende Bergkette gehabt haben, wenn nicht der starke Wind die ^uft mit Sand erfüllt und nns dadnrch jeden Blick in weitere Ferne genommen hätte. Nachdem ich mit meinem Diener Ibrahim lange auf der Höhe von „el Ghunna" verweilt hatte, verloren wir fast die Spur unserer kleinen vorausgeeilten Kafta, deren Fußstapfen auf dem sandigen Boden gänzlich verweht waren. Erst am „bir el Rhcmem" oder „Schaafsbrunnen" vereinigten wir nns wieder mit den Unsrigen. Bon hier erreichten wir in eincr Stunde die ersten Borhügel der Bergkette. Der Theil des Gebirges, den wir zuerst betraten, führt bald als der höchste Theil des Platcanrandes den allgemeinen Gattungsnamen Djebcl, bald wird er mit dem besondern Stammnamcn Mfren bezeichnet; er hat eine durchschuittliche Höhe von 2200 Fuß. Er besteht aus Kalkstein, dem hie uud da Sandstein aufgelagert ist; auch kommt an manchen Stellen Basalt zum Borscheiu. Deu natürlicheu Zugang in die Bergregion bilden hier, wie überall, die von der Höhe hcrabsteigendcn Wadi's, uud so folgten wir dem „Wadi el Ethel«, daS seincu Namen vom Ethelbaum erhalte« hat, welcher hie und da die Oede der Gegend unterbricht. Das Thal, bald in größerer, bald in geringerer Breite ansteigend, bildet allmählich eine bedeutende Ebene. Es war wiederholt der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischeu den Eiugeborncu und dcn türtischen Eroberern. Jetzt unterbrach nur eine kleine Ziegen- und Schaafheerde und ein einsames Beduincnlager die Stille nnd Oede, welche die ganze Gegend beherrschte. Die Eiuge-borneu, ursprünglich dein Berberstanune angehörig, aber start mit Arabern untermischt, hatten früher in diesem Gebirge eben so behagliche wie liebliche Wohnsitze. Allein die Zeit ihres unabhängigen nationalen Bebens ist vorüber, und durch wiederholte erfolglose Versuche, das türkische Joch abzuschütteln, haben sie ihre Vage nur verschlimmert. Jetzt ist das Veben dieser ganzen Bevölkerung ein wahrhaft klägliches; denn ausgcsogeu uud alleu möglicheu Plackereien ausgesetzt verlieren 14 sie allen frohen ?ebensmuth, und während sie mit Stumpfsinn die fortdauernden Ungerechtigkeiten ertragen, warten sie lanernd den Augenblick der Rache ab, wo sie gegen ihre Unterdrücker wieder aufstehen mögen. Ihre Dörfer scheinen eher Rninen zu sein als nuch belebte Wohustä'ttcu. Inmitten dieser armseligen Behausungen aber erhebt sich die Zwingburg der türkischen Unterdrücker, gewöhnlich »Kasr-il Djebel" oder „das Bergschloß" genannt. Gegen Abend stiegen wir abwärts in die tief ausgcrisscne Schlucht des ,,Wadi Scheich", dessen steile nnd jähe Wände sehr schöne Schichten rothen und weißen Sandsteins mit einer uuteren horizontalen Kaltschicht zeigten. Hier suchten wir einen gegen den unangenehmen kalten Wiud geschützten Platz für unser Nachtlager. Am nächsten Morgen (X Februar) stiegen wir aus den« Thal-schlnnde auf der anderen Seite aufwärts und kreuzten zu wiederholte» Malen das „Wadi Scheich". Die mannigfach geformten Abhänge der Berge mit einer Menge von Kegelhöhen, auf deren Gipfeln mehrere halbvcrlassene Burgcu ans dem Mittelalter der Araber lagen, gewährten einen interessanten Anblick. Namentlich zeichnete sich die zweimal von den Türken zerstörte Burg der Uclad Mcrabetin aus. In den zwischen den kegelförmigen Höhen schroff einschneidenden Thälern bilden sich zur Zeit der Regengüsse schöne Wasserfälle, welche mit Gewalt von den jähen Felswänden herabstürzen nnb den zerrissenen Bergschluchten den Charakter einer wildeu malcrischcu Scenerie geben. Wo Wadi Scheich sich mit Wadi Ginna oder Gilla vereinigt, folgten wir dem letzteren, uud wurden bald dnrch den Anblick der ersten Gruppe Dattelbäume, denen dann anch Feigcnbänme folgten, erfreut. Nachdem wir an der hohen, steilen östlichen Thalwand hinaufgestiegen waren, zeigten sich bald anch Olivenbäume. Nachdem wir das in ächt bcrberischer Benennung Tnssemcraye genannte Dorf passirt und einige audere Dörfer zur Seite gelasseu hattcu, crrcichtcu wir die türkische Festung ..Kasr il Djebcl". Diese Burg liegt am äußersten Rande einer steilen Felswand, welche sich in die Thalebene senkt, in einer Höhe von 2150 Fuß über der Meeresfläche. Wenige hnndert Schritte östlich davon erhebt sich eine andere, die Bnrg beherrschende Anhöhe, auf welcher früher gleichfalls ein befestigtes vierccktesGcbände stand. Von dieser letzteren Anhöhe hat man einen sehr freien Blick über die Thäler uud Hochebeuen im Südeu. Die hohe und steile Felswand, auf der die Burg selbst liegt, ist wuuderbar schön in Geschieben von Oyps und Kalkstein von verschiedener Farbe gelagert. Zur Zeit unseres ------ 15------ Besuches hatte die Burg eine Besatzung von 400 Mann und nur eine Bastion mit drei Kanonen an der südlichen Ecke. Im Juni 1855 ward sie den Türken von dem abenteuerlichen unternehmenden Häuptling Rhoma oder Ghoma entrissen, ist aber gegenwärtig wieder in den Händen der fremden Zwingherren, die jenen aufständischen Häuptling besiegt haben. — Nachdem unser Zelt aufgeschlagen war, machte uns der Kcimakam oder Statthalter Hadj Naschid einen Besuch. Da die ganze Landschaft von Soara bis Ghadames in SW. und bis zum Tar-Hllua in SO. unter seinem militärischen Befehl stcht, so gilt er für die zweite Person im Äaschalik. Er war früher im cilkischeu Adana Gouverneur gewesen, und ich erging mich mit ihm iu Erinnerungen au Kleiu-Asien. Allein diese Ossmanli haben keinen Sinn für das mannigfach gestaltete Völtcrleben ihres weitgeschichteten Reiches, sie denken nur an ihre Pfeife und ihren Geldsack. Ich wünschte sehr, diesen schroffen Abfall des Plateau's, der durch seine massenhaft in die Ebene vortretenden Bergsporucn überaus malerisch gestaltet ist, näher lennen zu leruen. Während daher 1),-. Overweg bei Kasr il Djebel zurückblieb, um seine geologischen Forschungen weiter zu verfolgen, unternahm ich am 9. Febrnar mit dem Schausch, der uns dun Tripoli aus begleitet hatte, und mit einem hier aufgegriffenen Sintani-Burscheu einen Ausflug in westlicher Richtung. Anfänglich machten wir eine kleine Abschweifung nach Norden, um Ta-gerbust zu besucheu, welches eiust in der alten Berberzeit der reiche und bedeutende Hauptort des ganzen Iefren gewesen sein soll. Jetzt ist eS ein Haufen Ruinen, und tanm 25 seiner Steinhäuser sind noch bewohnt. Von hier stiegen wir in südlicher Richtnng allmählich in Windungen den steilen Abhang der Kalkschichten hinunter. Die Felswand erhob sich über uus, schichteuweis iu verschiedener Farben Pracht vom hellsten Gelb bis zum dnntclsten Braun gelagert. Uebcrall, wo die steile Senkung durch ein ebenes Plätzchen unterbrochen wurde, an dem etwas Fruchtboden sich festsetzen tonnte, erhoben sich einzeln stehende Dattelpalmen und bildeten mit ihrem leichten, federartigen Blätterwert einen anmnthigeu Gegensatz gegen die nackte todte Fels wand. Auf einer kleinen Terrasse rauscht aus einer Höhle am Fuße steiler Felsmassen eine reiche Quelle des schönsten, klarsten Bergwassers herbor und giebt einer Gruppe von etwa zwanzig zwischen den Felsblöcken aufschießenden Dattelpalmen Nahrung und Leben. Kaum vermag die Phantasie sich eine reizendere Scenerie zu denken, al,s die, selche den Qnellburu umgicbt, uud während unsere Thiere getränkt wurden, cutwarf ich die nachstehende Skizze dieser malerischen, prächtig beleuchteten Gruppe. So den Felsabhang hinabsteigend gelangten wir in das Thal „Wadi el Gassass", das sich hier zu einer rauhen Ebene erweitert. Von hier verfolgten wir unseren Weg nach Westen; zur Rechten hatten wir die Djcfara, die in wellenförmigen Schwellungen fich bis zum Meere erstreckt, zur Anken die fast 2000 Fuß hohen Ausläufer des Plateau'S, die als großartige, regelmäßig geschichtete Vorgebirge in die Ebene hervortreten. Gewiß mit Recht dürfen wir diese Formation der Gewalt der Wasser zuschreiben, die sich zur Zeit der Ab-trockuung des Festlandes durch diese tief eiugerisseuen Schluchten Bahn brachen. Nachdem wir das Wadi Ehaleifa zur Linken gelassen, änderten wir unsere bisher westliche Richtung mehr nach Südwcsten, und da hier auch zu nnfercr Rechten ein mächtiger Bergsporn weit in die Ebene vortrat, so kameu wir wieder iu den Bereich der Bergregion. Wir betraten zunächst das malerische Thal „Uclad Ali«, iu welchem der Pfad allmählich sehr steil anstieg, namentlich in der Mitte des Abhanges, nachdem wir die sanfter abfallenden Schuttmasseu überwunden hatten. Einst war dieS Thal reich mit Baumpflanzungen nnd Dattelwäldern geschmückt, jetzt ist es eine öde Wildniß, und uur vereinzelte Feigenbäume und Dattelpalmen lassen die Culturfähigteit ------ 17 ------ des Bodens erkennen. Zu Zeiten bilden hier die am jähen Bergabhang herabstürzenden Wassermassen einen Wasserfall, dnrch den das horizontale mittlere Kaltlager blusgelcgt und eine vollständige Terrasse gebildet ist. In zwei am Rande des Abhanges gelegenen elenden Dörfern der Nieina bemühten wir uns vergeblich, etwas Futter für unsere Thiere zu kaufeu; nnr Feigen für uns selbst fanden wir ill Ueber-fwß. In der That sind Feigen ein Hauptnahruugsmittcl für die ^cwohncr dieser Gegend, gerade wie Datteln in den flachen Landschaften Nord-Afrita's und Erdmandeln in CentralMrika. Das Dorf Kasr Schellnf, welches wir später erreichten, machte den Eindruck größerer Wohlhabenheit, nud die Einwohner erwiesen sich viel gastfreundlicher als die vou Niciua; doch war das kcllerartig dumpfe und feuchte Loch, welches man nur als Nachtquartier anbot, so abschreckend, daß ich es vorzog, noch weiter zu geheu. Nach kurzer Zeit verließen wir unsere südwestliche Richttmg uud wandten uns, den Rückweg antretend, ostwärts nach dein großen und in dieser Gegend weltberühmten Kloster Sauya; hier wollte man uns jedoch kein Nachtlager geben. Inzwischen war bereits vollständige Dnnkelhcit eingetreten, und nnr mit großer Schwierigkeit gelang es uns, die steilen Kalkterrassen hinabznsteigcn und iu dem Dorfe Chaleifa ein Unterkommen für die Nacht zn finden. Am folgenden Tage (10. Februar) verfolgten kür unseren Weg in östlicher Richtung; uuter mehreren Schluchten, an deren Rande wir hinzogen, war namentlich die von dem Quellstrum Wnanirh gebildete durch ihre Schönheit ausgezeichnet. Allmählich ansteigend erreichten wir wieder das Niveau der Hochebene, die leicht wellenförmig gebildet und mit Halfa und Gediin bedeckt ist. Wir blieben auf der Hohe dcö Plateau's, bis Wir den Nand des Thales Nnmich erreichten, des oberen südlichen Theiles des Wadi el Ghassass, das wir am Tage zuvor in westlicher Nichtnng dnrchzogen hatten. Hier betraten wir eine wunderbar schöne, wilde Acrglandschaft, die den großen Rnf, welchen dieses Thal bei den Emgebornen hat, vollkommen rechtfertigt. Das Thal ist sehr fruchtbar, zugleich aber anch sehr ungesund und rrzcngt viele Fiebertranlheitcn. Ein reicher Quellstrom schäumte in einer engen, steil abfallenden Schlucht dahin nnd bewässerte zahlreiche Grnvpen von Palm-, Granat-, Feigen- und Apri-loscubäumen. Eine Zeit lang zogen wir in dein prachtvollen Fcls-schlund hin; dann erstiegen wir den östlichen Rand des Thals, und Earth's leisen. I. , ____ 18 ------ diesem in nördlicher Richtung folgend erreichten wir bald wieder die türkische Zwingbnrg. Hier war gerade Markttag, aber die Armseligkeit des Verkehrs war nns ein uener Beweis von den: Mangel an nationaler Wohlfahrt. Nicht gesinnt, nns hier länger anfzuhalteu, nahmen Otierweg und ich vom Kaimatam frenndschaftlich Abschied und verfolgten unseren Weg zunächst in südöstlicher Richtung, um den höchsten, 2800 Fuß über der Mceresflache gelegenen Pnntt dcs Diebel, auf welchem das merkwürdige römische Denkmal Ensched e' Ssufet gelegen ist, zu besuchen. Unser Weg führte an mehreren Dürfern vorbei, unter welchen Um e' Srrsan das bedeutendste und auch deshalb merkwürdig ist, weil es stets ein Herd dcs Anfstandes und der Ansgangspnnkt fast aller nationalen Erhebungen im Gebiete dcs Defrcn gcwefen ist. Nachdem wir noch ein einzelnes Pachtgehöft — hosch -^ mit einer wohlgepflcgten Olivclchflanzuug passirt hatten, erreichten wir die Ruincu eines befestigten Dorfes, aus denen das römische Denkmal uns plötzlich vor Allgen trat. Die eintretende Dnnkelheit erlaubte uns am Abend nicht mehr, dasselbe genauer zu besichtigen. Nach einer überaus kalten Nacht — wir hatten am Morgen uur 3" Wärine — erstieg ich mit Anbruch dcs Tages den höheren, dem Monument gegenüber liegenden Hügel, auf welchem einst eine aus Quadersteinen erbaute Burg stand. Ohne Zweifel war dies einst eine römische Befestignng; der großartige Qnadcrban, dessen Grundmauern sich noch nnterschciden lassen, beweist dies unzweifelhaft. Die Frontseite war nach Osten gerichtet und maß eben so wie die Westseite 57 Fnß 8 Zoll, während die Nord- und Südseite nur 54 Fuß hiclteu. Ein starker Vorban an der Ostseitc schützte das Thor. Nach dem Fall der römischen nnd byzantinischen Herrschaft scheinen die Berbern die Burg neu befestigt zn haben. Ihre Ergänzungen '— ein Vorbau an der Westseite, Bastionen an den Ecken und beträchtliche Außenwerke am Abhänge des Hügels — lassen sich leicht daralt erkennen, daß sie in minder großartigem Style aus kleinen unregelmäßigen Feldsteinen erbaut sind. Diese Burg ist während der geschichtlichen Stürme, die Jahrhunderte lang diese Gegenden erschüttert haben, bis auf wenige Trümmer zerfallen. Wohlcrhalten dagegen ist noch das römische Grabmal Ensched e' Ssufet, und es wird noch jetzt, wie fast alle diese vereinzelten hohen Grabdenkmale, von den nmwohnendcn Stämmen mit einer Art von heiliger Schen und Verehrung betrachtet. Leider ist teilte Inschrift erhalten, und wir können deshalb nicht mit Bestimmtheit 19 ermitteln, wem zu Ehren das Grabmal errichtet Worden. Allein der Banstyl scheint dein zweiten christlichen Jahrhundert anzugehören, und es ist daher wahrscheinlich, daß es das Mal, ciucs römischen Befehlshabers der Anrg ans der Zeit der Antonine ist. Das Denkmal steht südwestlich von der Burg auf einer etwas niedrigeren Anhöhe. Die nebenstehende Ansicht wird zur Verdeutlichung der Beschreibung dienen. Die gcsammtc Höhe beträgt 3N Fuß. Der Grnndbau mißt16ssuß^M au der West-nnd Ostsrite nnd 10 Fuß au der Nord- und Südseite. Dieser Grundbau umschließt die Grab-kammrr, die wegen der eigenthümlichen itonstruttiou des Daches bc-merkeuowcrth ist. Auf der Basis . erhebt sich das Deutmal in zwei z Stockwerken; das uutcre dcrsel-l>cn, 1^ ^lis? 7 Zoll hoch, ist an d^n l^äen mit Pilastern gebiert und nnt einem reich geschmückten Ge-!iinse Verseheu. Das obere, auf diesem Hanvttheile ruhende Stockwerkist etwa 10Fnß hoch und mit ^ wriuthischeu Pilastern verziert; au der Süd- und Westseite hat es glatte Mauern, an der Ostseite ein mit korinthischen Pilastern geschmücktes Bugenfenster ^ und an der Nordseite eine einfache Bogeuöfsuung, welche die gauze Höhe des Stuckwertes eiuuimmt. Hier stand wahrscheinlich das Standbild des Mannes, dem das Denlinal errichtet worden. Der Oberbau hat ein einfaches, .etwa 4 Fnß hohes, von einer ktranzleiste überragtes Gesimse. Das Material ist em schöner Kaltstcin, wie er 2» ------ 20 ------ am Platze selbst gebrochen wird; derselbe hat in: Laufe der Zeit eine lebhaft bräunliche Farbe, fast wie Travertin, angenommen. Aufgehalten dnrch die Betrachtung dieses Denkmales mußten Overweg nnd ich eilen, um unsere Kamecle, die schon einru weiten Borsprung gewonnen hatten, wieder einzuholen. Durch eine ctwaS eingesenkte, fruchtbare und ziemlich gut angebaute Landschaft kamen wir nun in ein schönes kleines Thal, den oberen Theil des Wadi Scheich, welcher, von zwei Quellbächcn bewässert, eine herrliche kleine Pflanzung von Fruchtbäumcn hervorbringt. Wir folgten der Haupt-richtmig des Thals und schlugen später ciuc mehr nördliche Richtung ein, uni einen Blick auf den Bezirk von Kikla zu werfen, der durch den während des letzten Krieges von den Einwohnern den Türken geleisteten Widerstand berühmt geworden ist. Von den zahlreichen Dörfern, welche zum Bcrggau von Mla gehören, lonntcu wir manche in kleinen Eiuscukungen oder an dcu Abhängen von Schluchten liegen sehen. Im letzten Kriege haben diese Dörfer sehr gelitten; viele Menschen sind hingeschlachtet uud ihre Wohnungen von dcu Türken zerstört worden; die Gegend hat daher einen melancholischen Charakter, und wir verließen bald diesen von Blut getränkten Boden, um in unsere östliche Richtung gegen Nabda hin zurückzukehren. Bald erreichten wir den Abfall der Hochfläche in den tiefen Thalcinschnitt Wadi Rabda; dies ist ein westliches Seitenthal einer höchst imposanten und breiten Bergöffnung, welche das Gebiet des Djcbcl oder Aefren ^,, dem östlich daran grenzenden Berg-distritt Ghurian trennt, uud welche in ihrem oberen oder südlichen Theile Wadi Kcrdemin, im unteren oder uürdlichcu Theile Wadi Ssert heißt. Zur Linken des Wadi Rabda war der Abhang in eine Anzahl gesonderter Kegel zerrissen, unter denen namentlich die Tahhona, „die Mühle", genannte Kuppe durch ihre aumuthige Form sich auszeichnet. Bei dein hoch am Rande des Abhanges gelegenen Dorfe Djafet singen wir an, in das Thal hinabzusteigen, was wegen dcS schwierigen und steilen Pfades eine ganze Stnnde in Anspruch nahm. Das Thal hat einen unmuthigen Charakter, der noch gehoben wurde durch die prachtvolle Beleuchtung der untergehenden Sonne, durch welche auch die schöu geformten Abhänge des Tahhona mit den verschiedensten Lichtern und Schattirnngcn übergössen Wurden. Allmählich traten wir nun iu den oberen Theil des Haupt-thals Wadi Kerdemin ein. Der Boden besteht aus äußerst fruchtbaren! Mergel, uud das Thal t'üuute, wenn menschliche Kultur es ------ 21 ------ belebte, eine der reichsten Stätten sein; jetzt aber ist cS eine traurige, baumlose Ocdc, nur mit einförmigem Haifa bedeckt. Die östliche Eingrenzung des Thales bildet eine steile, etwa 1500 Fuß hohe Felswand; an der westlichen Seite dagegen zog unter einer Gruppe von Felsen nnd Bergen namentlich ein schwarzer Kegel unsere Aufmerksamkeit auf sich. Ovcrwcg fand, daß er aus Basalt bestand, in Platten zerklüftet und mit Olivin untersetzt, nnd daß er unzweifelhafte Allzeichen vulkanischer Thätigkeit an sich trug. Allmählich ward unterdessen der Palmenhain von Nabda immer deutlicher sichtbar, im Hintergründe überragt von der schön geformten Dopftclspitze des Berges Mantcrusö. Doch tonnten wir Rabda heute nicht mehr erreichen und lagerten uns daher im Wadi Ssert nähr bei fünf Zelten der Lassaba- oder El Assaba - Araber. Ihr Häuptling besuchte uns und bewirthete uns mit dem gewöhnlichen Bassin; dagegen fürchtete anch er sich, von uns Kaffee anzunehmen, wie früher der Häuptling der Bclaffa. Die Nacht war sehr kalt, und am nächsten Morgen (12. Februar) hatten wir nur 1^° Warn«. Bald nachdem wir aufgebrochen, mündete ein östliches Seitenthal, ans dessen Abhänge sich das Kasr Lassaba erhebt, in das breite Hanptthal. Ein kleiner Rcgcnstrom ergoß sich von da quer über unseren Weg und belebte die Gegend. Allmählich, als wir uns der Mündung des Thales in die Ebene näherten, erweiterte sich der Blick, nnd wir gewannen eine freie Aussicht über die ,,el Gatt iss" genannte Ebene, welche gleichfalls den allgemeinen Charakter der Verödung und der mangelnden Kultur zeigte. Gegen neun Uhr erreichten wir das westliche Dorf Rabda (oder Rabda el gharbieh), neben welchem m geringer östlicher Entfernung Nabda e' schcrlich liegt, beide Dörfer mit schönen Dattel^ Hainen. Der Dattelhain des westlichen Dorfes wird von einer reichen Quelle gewässert, nnd als wir dem Bache an dem leicht sich abdachenden Boden aufwärts folgten, fanden wir zu unserem großen Erstaunen ein Becken von etwa 50 Fuß Länge und 30 Fuß Breite, in welchem das fortwährend aufsprudelnde Wasser eine Temperatur von 22^« C. hatte, während die Wärme der Luft nur 11/<><' betrug. Dattelbäumc nmgaben rings umher das Becken, nnd das von diesem ausströmende Wasser rief eine frische Vegetation in's Leben. Das Dorf Rabda war ehedem die Residenz des »nächtigen Araberhäuptlings Hanüd, welcher damals die ganze Berglandschaft regierte. Er hatte endlich den Türken weichen müssen, aber auf meiner Heimreise ------ 22 ------ im Jahre 1855 sollte ich noch mit ihm iu Beni-Ulio zusammentreffe. Unterdessen erreichten wir, von Nabda weiter ziehend, den Fusi des weit m die Ebene vorspringenden doppeltgehöruten Djcbel 3)lan-teruss. Overweg und ich hatten nns vorgenummcu, den Vera. zu ersteigen; wir ließen daher den Schansch nnd uuseren Führer am Fuße desselben auf uns warten, während die Kmuecle weiter zogen. In 25 Minuten erreichte ich die östliche höhere Spitze, auf welcher das Grab eines heiligen Ziegenhirten (Bu-Masa) liegt. Indeß in meiner Erwartung einer interessanten Ansficht wurde ich getäuscht; dcuu die nach Norden sich ausdehnende eintönige Ebene hatte wenig Anziehendes; nach Osten war der Vlick dnrch den weit höheren Kegel des Tctut und eines anderen ferner liegenden Berges beschränkt; nur gegen Süden war die Aussicht in das von hohen Felswänden eingeschlossene Wadi cl Uglah lohnend. Der Manternss selbst ist deshalb bemerkcnswcrth, weil er unzweifelhafte Spuren früherer vul-lauischcr Thätigkeit zeigt. Wir betratcu jetzt deu östlich vom Djebel gelegeuen Bcrgdistritt Ghurian, welcher gleichfalls ciuc durchschnittliche Höhe vou 2200 Fuß hat. Auch hier befindet sich ein nicht unbedeutendes türkisches Kastell, das Kasr Ghurian. Es ist auf einem Sporn oder Vorsprung des Platean's erbaut nnd schaut gegen Süden in das Wadi Nn-mana, gegen Norden auf die hügelige Landschaft hiuab, die zwischen^ ihm und dem Berge Tetut, einem erloschenen Wtltan, liegt; es beherrscht die große Straße iu's Innere Afrika's und bei unserem endlichen Aufbruch nach Süden, im Anfang April, sollte cS noch einmal eine bedeutende Station für nils werdeu. Die Dörfer sind auch iu diesem Distrikt in cleudem Zustande und halb verlassen; doch ist das Vaud durchschnittlich noch ziemlich gut angebaut; der sehr fruchtbare Boden besteht ans fettem, rothem Lehn, nnd macht mit seinen üppigen An-ftflauznngen von Saffran nnd Oelbänmen, den beiden Hanpterzeng-nissen der hiesigen Betriebsamkeit, noch immer einen angenehmen Eindruck. Sogar Weingärten trifft man an einzelnen Orten, wogegen Datteln sehr selten vorkomme». Nachdem ich von meinem rüstigen Anstieg wieder am Fnße des Manteruss angelangt war, machte ich mich mit unserem Führer anf, um die vorausgeeilten Kameele baldmöglichst wieder einznholcn. Indeß der Führer hatte die Spur der Kameele verloren, nnd erst nach einem bedcuteudeu Umwege trafeu Kur wieder mit ihnen zusammen. ^. 23 ------ Wir stickn auf einem sehr steilen Pfade aufwärts und zogen dann am Rande der Berge hin quer durch eiuc Schlucht, biS wir endlich den Olivenhain erreichten, welcher Kasr Ghurian umhiebt. Es War bereits dunkel und nur mit einiger Schwierigkeit fanden wir das Kastell. Wir mußten, um Quartier und Lebensmittel zu erhalten, dem Befehlshaber unsere Aufwartung machen. Die Türleu in der Beste aber waren anfangs sehr mißtrauisch und durchsuchten uns nach Wafsen. Als jedoch der Agha sich überzeugt hatte, das; wir temc feindlichen Absichtel« hätten und mit Briefen vom Bafcha versehen wären, ließ er uus in dem Gehöft oder ..hosch« cincs seiner Dlener Quartier anweisen, und hier .nachten wir uns endlich um neun Uhr Abends ermüdet und hungrig unser Lager zurccht. Am folgenden Morgen (13. Februar) machten wir dem Gouverneur einen Besuch, der uns eben so wie der Agha mit Höflichkeit empfing und, um uns eine Ehre ;u erweisen, die aus 200 Mann bestehende Besatzung vor unö Revue Passiren liest: es waren gut aussehende und gut gehaltene, nur im Allgemeinen etwas junge Leute. Auch die Vorrathe waren in guter Ordnung. Außerdem ist das Kastell mit einer ausgezeichneten Eifterne versehen. Gleichwohl ward es im I. 1655 von den Türken ohne erheblichen Widerstand auf. gegeben und diente eine Zeit lang den aufständischen Arabern zum Rückhalt, gegenwärtig aber, nach Unterdrückung des Anfstaudcs, ist es wieder in den Händen der Türken. Overweg und ich benutzten den heutigen Tag, nm den nördlich von Kasr Glmrian gelegenen Berg Trknt zu besuchen. Dies ist der höchste Punkt des ganzen Gebirges, und auch die Gestalt des Berges nahm nnser Interesse in Anspruch. Wir machten, um unsere ermüdeten Esel zu schonen, den Weg zu Fnsi und stiegen auf den, ,.tril tobbi" genannten Wege den nördlichen Abhang hinnuter. Nach einem rüstigen Marsch von anderthalb Stunden erreichten wir den Fuß des Berges an der östlichen Seite. Der Gipfel desselben hat eine Hohe von 2^)0 Fuß, und obwohl Overwcg das Gestein nicht für reinen Basalt erklärte, so scheint doch die entschieden kratcrähnliche Form der Höhe zn beweisen, daß der Berg in früheren Zeilen ein thätiger Vulkan gewesen sein müsse; denn den Gipfel bildet eine runde, lrunzartige Erhebnng, deren höchster Punkt an der Nordseite 'st, und welche eine vollkommen runde kleine Ebene, gerade wie ein Amphilhcater, einschließt. Die Anssicht von diesem hohen Puntte ist sehr ausgedehnt, und ich nahm die Winkel mehrerer hervorragenden ------ 24 ------ Anhöhen. Wir stiren an dem weniger steilen nördlichen Abhänge wieder hinunter und kehrten auf dem „Um el nechcl" genauutcu Wege nach Kasr Ghuriau zurück. Ein an diesem Wege gelegenes römisches Grabmal, das schon Capital! Lyon in allgemeinen Ausdrücken beschrieben hat, konnte ich wegen der bereits eingetretenen Dunkelheit nicht mehr selbst untersuchen. Am nächsten Morgen s14. Februar) machte ich in Begleitung des Schausch einen Ausflug iu südwestlicher Richtung, um einige der haupt-sächlichsteu umliegenden Plätze zu besnchcn. Wir kamen zncrst nach Kasr Teghriuua, das durch die natürliche Festigkeit seiner Lage auf einem isolirtcu Hügel ausgezeichnet ist, gegenwärtig aber fast nur aus einem Haufen von Trümmern besteht. Von hier wandte ich mich nach den „Kssur Gamndi" genannten Dörfern, welche ehemals einen wohlbefcstigten Platz bildeten, aber im letzten Kriege ganz zerstört worden sind. Dann in nordöstlicher Richtung weiter ziehend ließen wir das Dorf Bu-Mat und die Numeu einiger zerstörter Plätze, wie Hanschir Mctelili, Hanschir Djamum nnd Hanschir Tset-tara, zur Seite liegen uud lehrteu gegen Mittag in unser Quartier bei Kasr Ghurian zurück. Die Landschaft ;eigtc im Allgemeinen den bereits geschilderten Charakter uud war namentlich durch Saffrau-ftflauzuugcu und Oliveuwäldchcu ausgezeichnet. Die Bewohner, na-mcutlich vuu Gamudi, waren gegen mich sehr freundlich und gaben mir jede gewünschte Auskunft; zugleich aber licßeu sie ihrem Haft gegen die Türkeu ganz freieu Lauf uud gabeu dicfeu sogar Schuld, daß die Saffraupflauzuugen nicht mehr durch ihre alte Blüthe uud Fruchtbarkeit ausgezeichnet wäreu; sie meinten, dies wäre eine natürliche Folge der Verunreinigung oder Entweihung s.,ns>6^t,n") durch die Türken, welche selbst die Oiesetze der Natur verkehrt hätten. Eiuc dem Distrikt Ghurian eigenthümliche merkwürdige Erschei-nung sind die hier zahlreich vorkommenden uutcrirdischen Dörfer, welche schon Cavitä'n Lyon beschrieben hat. Wir hatten auf nnserem heutigeu Ausflug mehrere solche uuterirdische Wohustätten angetroffen, namentlich Tchnedia, Tuayeh, Uschen und Hosch cl Jehud. Mir scheint, daß diese Anlagen von den Juden herzuleiten sind. Wenigstens schon seit der Zeit der Ausbreitung des Islam waren die Juden über ganz Nord. Afrika innig mit den Berbern verbunden, ja viele Berberstämme nahmeu das Iudcnthum an, und so Wie die Juden hier mit den ursprünglich hier einheimischen Berbern uutcrmischt gefunden werden uud mit ihueu auf dein freuudschaftlichstcu Fuße stehen, ------ 25 ------ so findet dasselbe Verhältnis; in den Bergschluchten deS Deren oder Atlas in Marokko statt. Als wir bei der türkischen Zwingburg wieder eintrafen, war dort gerade Wocheumartt, der jeden Douuerstag an der Ostseite der Festung gehaltcu wird. Zwar war der Markt etwas belebter, als der bei Kasr Djebcl, aber doch ohne Bedeutung. Die Einwohner bringen ihre Waaren nicht her, weil sie argwöhnisch sind nnd die Plackereien der Türken fürchte». ^- Wir dachten jetzt daran, zum Wcitermarsch aufzubrechen; allein der Agha wollte uns erst das Paradies dieser legend zeigen und begleitete uns in daß Wadi Rmnana hinab. DieS lst cm tiefer Thalspalt, welcher in der Richtung von Südost nach Nordwest sich au, Südraude des Bergspornes, auf welchen« das Schloß lica.t, hinwindet. Eine reiche Quelle, die aus dem Innern des Kaltfelsens dringt, bewässert das Thal; das dnrch ziunst erweiterte Bett des Quellstroms theilt sich später in mehrere über die Terrassen des Abhanges geleitete Rinnsale. Diese künstlich angelegten Terrassen sind zu Obstftflanznngen benutzt; außer feigen uud Trauben prangen hier vorzWliche Granaten, von denen das Thal seinen Namen erhalten hat. Die Vegetation ist etwas wild nnd vernachlässigt, aber überaus üppig und reich. Ein selbst für Pferde gangbarer Weg führt von der Burg in das Thal hinab. Nachdem ich mir eine Skizze dieser reizeudeu und anmutliigen Scenerie entworfen hatte, brachen wir nach drei Uhr Nachmittags auf, um unsere Reise in südöstlicher Richtung fortzusetzen. Wir tameu durch eine in: tanzen offene Landschaft mit freier Aussicht auf die südliche Bergkette uud wurden durch den Anblick schöner Weingärten bei dem Dorfe Djclili und eines Olivenhains bei dem Dorfe Sgcif erfreut. Bei einbrechender Dunkelheit waren wir bis au den Abhang des breiten Thales Wadi Ran gelangt. Von einem empfindlich falten Luftzüge begleitet stiegen dunkele Wolken von allen Seilen empor und ließen uns ein schlimmes Wetter für die Nacht ahnen. Wir suchten daher einen möglichst geschützten Platz für l»tsrr Vager zu gewinnen, uud kaum hatlcu wir unser Zelt aufgeschlagen, als Negcu eintrat, der, mit Schnee untermischt, die ganze Nacht anhiclt. Am folgenden Morgen war die gan;e Landschaft etwa einen Zoll hoch mit Schnee bedeckt, und das Thermometer stand auf lro". Auf dem schlüpfrigen Boden des steilen Abhanges, anf dem wir uns befanden, war au Fortkommen nicht ;u denken, znmal da bcr Regen noch immer anhielt, und wir muftteu den ganzen Tag hier liegen bleiben. Glücklicherweise war das Zelt, das wir Herrn ------ 26 ------ Warrinqton verdankten, darauf berechnet, jeder Art von Wetter Widerstand zn leisten. Erst am folgenden Tage (Ni. Febrnar) tonnten wir aufbrechen; zwar hielt der Regen noch an und wir hatten am Morgen früh nnr ^" über Null. Indeß geleitet von einen, erfahrenen Führer versuchten wir in das Wadi Ran hinabzusteigen, waö auf dein schlüpfrigen Boden besonders für die Kameele eine schwierige Arbeit war. Nach eiustündigem Marsche erreichten wir steinigen nnd festeren Grund; rechts lag das Dorf Usinc, das lvegen riner eigenthümlichen Art von kurzen, dicken lind einen breiten Kern umschließenden Datteln bemerkenswerth ist. Wir durchschnitten bald ein anderes Thal, Vadi Marmel), nnd betraten dann eine schöne, fruchtbare, ringsum von Höhen eingeschlossene Ebene. Jedoch für die Kameele war dieser mergelige, vom Regen durchweichte Bodeu sehr ungünstig; wir tonnten deshalb auch nicht den direkten, über die Hügel führenden Weg verfolgen, sondern mußteu uus in fast nördlicher Richtung am Fuße des Hüheuzuges halten, bis wir hinter einem vorspringenden Ausläufer oder ^ahu desselben, dein „Sseuuct cl Ossis", einen Paß fanden; hier verließen Wir in scharfem Winkel unsere bisherige Richtung nud wendeten uus östlich. Sobald wir dicscu Bergsporn umgangeu hatten, zeigten sich vor unseren Blicken die Höhen des Distriktes Tar-Houa, welcher sich in nordöstlicher Richtung an den Distrikt Ghurian anschließt. Am Fnße eines Mgrls, auf welchem Kasr ilusseba liegt, in geringer Cutferuuug vou eiuem Lager der Merabetiu Bu-Aaischa, schlugeu wir daun nnser Zelt für die Nacht anf. Nach dem Gebiet Tar houa zu bcgiunt die legend einen cut^ schieden vulkauischcu Charakter auzuuehmeu; vou allcu Höhen steigen Basalttegel auf, während die Eiuseutuugrn mit Halfa bedeckt sind. Die Araber, welche für die natürlichen Bodenverhältnisse eine, empfängliche Auffassung besitzen, haben solchen vou basaltischen Bergeu umgebenen Einseutungcn den bezeichnenden Namen „schaba" oder „schabet" gegeben. So passirten wir heute die „Schabet ssoda" nud „Schabet el achera". Die durchschnittliche Höhe des Gebiets Tar-Hona beträgt 1000 Fuß, also kaum die Hälfte der Distrikte Djebel und ("hurian. Zahlreiche Ruinen aus der Nömcrzeit beweiseu, daß diese Gegend im Alterthum vorzugsweise bewohnt nnd bebaut gewesen sein muß, und daß hier der Sitz einer reicheu städtischeu Kultur war. Gegeuwärtia, ist diese gan;c Landschaft fast nur vou nomadisircnden, iu Zelten lebenden Stämmen der Araber bewohnt. Feste Ausiedclnugeu sind ____ 27 ____ sehr selten. Maugel an Leben und Verödung sind daher die bezeichnenden Charaktere der ganzen Landschaft, und die düstere, freudenleere Stille, die sich über diese Gegend lagert, musi sich nothwendig anch der Beschreibung des Reisenden mittheilen. Vergeblich sucht der über die Ebenen und Höhen hinschweifcndc Blick nach einem einzigen die Landschaft belebenden Banm; Korn dagegen gedeiht vortrefflich, wenn der Boden von reichlichem Regen befruchtet wird. Die nmna-disirenden Araber haben beträchtliche Hccrden von Kamcelcn und Schaafen; Rindvieh dagegen ist hier, wie fast in der qanze« Regentschaft Tripoli, selten. Es ist eine eigenthümliche interessante Erscheinung, daß die zwei ausgezeichnetsten Berge, welche Tar-Hona nach Osten und Westen hin begrenzen, dcn glcichm Namen ..Djebel Mssid" haben, und zwar bezeichnet sie dieser Name augenscheinlich als religiöse Knltusstätten des hohen Alterthnms. Beide Berge haben eine großartige, imposante Kuppenfurm, aber der westliche hat eine regelmäßigere Gchalt. — Am 17. Februar früh eilten Ovrrweg und ich den Kameelen voraus, um diesen westlichen Djcbel Mssid zu ersteigen. Durch eine anmnthige, auch von Heerden belebte, aber unangebantc Landschaft, in der der häufig hervorbrechende Basalt den vulkanischen Charakter anzeigt, gelangten wir auf eine Ebene am Fuße deS Berges, während zur Rechten eine breite felsige Schlncht von großartig imposantem Charakter fick, von dcn Hohen herabscnttc. Wir fingen hier an aufwärts zu steigen. Eine eigenthümliche, mit dem oben bemerkten Charakter dieser Höhe in Zusammenhang stehende Erscheinnng ist an diesem Abhang des Berges eine Reihe von großen Standftfcilcrn, welche auf einer Seite mit viereckigen Vöchcrn versehen sind. Diese Pfeiler folgen einander in regelmäßiger Ordnung den Berg hinan und bezeichneten augenscheinlich die heilige Straße der Wallfahrer, welche die Kuppe zu religiösen Zwecken erstiegen. Achnliche Pfeiler waren mir schon vor einigen Tagen in den Nninen von Hanschir Ssettara anfgrfallen. — Nasch und ohne Schwierigkeit erreichten wir den Gipfel dcö Kegels, dessen regelmäßige domartige Knppelgcstalt in hohem Grade vemcrtens- werth ist. Schöner frischer Rasen brdeckt die ganze Oberfläche des- N'lben und verbirgt den darunter liegenden Basaltteru. Eine Burg von guter arabischer Bauart, wohl dem dreizehnten Jahrhundert an- gehörig, krönt den Gipfel; in ihren verfallenen Manrrn suchten wir Schutz gegen dcn starten Wind; es war eben dieser Wind, der unsere Aufgabe, genaue Winkel zu nehmen, sehr erschwerte, was um so ------ 28 ------ mehr zu bedauern war, als eine große Menge von Vcrgspitzcu und Kegeln von dieser hervorragenden Höhe aus gesehen werden kouute. Kurz nach Mittag brachen wir in Gesellschaft unserer Leute und der Kameele, die wir am Fuße des eigentlichen Kegels zurückgelassen hatte», wieder anf und verfolgten unsere nordöstliche Richtung. Einen lieblich frischen, von hohem, üppigem Grase belebten Platz bildet Wadi Hammam; hier tränkten wir unsere Thiere in dem Bach, der das Thal durchrieselt. Trotz der Frische uud Ueppigkeit der (Gegend war hier nirgends ein lebendes Wesen zu sehen. Ueber die Ebene, welche wir j,etzt betraten, waren wieder viele basaltische Erhebungen uud zahlreiche Spuren vulkanischer Thätigkeit verbreitet. So ließen wir zur Rechten ciue Gruppe basaltischer Kegel liegen, unter denen als der höchste Gipfel der Leblu hervorragt. Nachdem wir eine große, mit Halfa bedeckte, einförmige Steppe durchschuittcu, betraten wir die fruchtbare Thalsohlc Lekcm oder Elkem, in welcher wir ein Lager der Uelad Ali antrafen. Wir dagegen wählten unseren Lagerplatz am AbHange der Hügel, welche die Ebene im Nordosten begrenzen. Zahlreiche Rnincn von Quaderbantcn, unter denen sich sogar der Schmuck einer Säule befand, und spätere An bauteu von kleineren Steinen beweisen deutlich, daß die fruchtbare Ebene Elkem und die benachbarte, Namens Madher, einstmals gut angebaut und dicht bewohnt waren. Ihre ^age ist entschieden günstig, da die direkte Straße von Tripoli nm'l' Beni-Ulid nnd Ssot'ua durch ------ 29 ------ das bckllmttc Thal Melgha hier nähr vorbeigeht. Ganz vorzügliches Interesse aber verdient ein eigenthümliches Baudenkmal des Alterthums, welches ich hier am Fuße eines mit Befestigungen von Quadern gekrönten Hügels antraf. Dasselbe verdient um so mehr eine genauere Beschreibung, als es ohne Ziveiscl wesentlich dazu beitragen wird, uns über den Charakter der Gottesvcrehrung der ursprünglichen Bewohner dieser Gegend aufzuklären. Die vorstehende Ansicht zeigt, daß es auö zwei auf gemeinschaftlicher Basis errichteten großen viereckigen Pfeilern besteht, über welche ein dritter ungeheurer Stein oder Kämpfer von gleicher Breite mit den Pfeilern gelegt ist. Jeder der beiden Pfeiler nuyt 60 Centimeter in's Gevierte; sie sind 48 Centimeter von einander entfernt; ihre Höh? beträgt 3 Meter 12 Centimeter. Der westliche Pfeiler hat viereckige Vöchcr an der inneren Seite, während die entsprechenden Ocffnungen des östlichen Pfeilers ganz durchgehen. Nahe bei diesen Pfeilern befindet sich eine Anzahl großer flacher viereckiger Steine aus weißen: Kalkstein, welche eigenthümlich bearbeitet und zu besonderen Zwecken eingerichtet sind. Einer derselben ist 65 Centimeter lang und breit, mit einem vorstehenden Theile an der einen Seite, und 35 Centimeter hoch. Ans der Oberfläche bildet eine ringsum laufende 12 Centimeter breite Rinne ein mit den Seiten des Stcius Paralleles Viereck; von dieser Rinuc geht eine andere aus, welche . an dem vorspringenden Theil entlang lä'nft. Mehrere ähnlich gearbeitete Steine liegen umher. Verschieden von diesen aber ist das Brnchstiick eines gewaltig großen Steines, der 1 Meter 10 Centimeter an Breite und Dicke mißt; an den Ecken ist er abgerundet; auf der oberen Seite befindet sich eine etwa 25 Centimeter betragende Vertiefung, die an der Vorderseite eine kleine Oeffnung hat. Das Interesse, welches diese sonderbaren Baureste erregen, wird 'wch dadurch erhöht, daß sich in der Nähe, gleichfalls im Distrikt Tar-Hona, mehrere ganz ähnliche Monumente finden. So sah ich zwei Tage später nahe bei dem „Kasr Doga" genannten großen römischen Grabmal ein gut erhaltenes Beispiel eines solchen Pfeilen jochs. Ein sehr merkwürdiges Beispiel derselben Bauart sah ich an, 20. Februar in der Nähe des östlichen Djcbel Mssid und nahe der Grenze, welche die Landschaften Tar-Houa uud Mcssellata von einander scheidet; dieses Denkmal ist bcmcrkenswerth sowohl durch die Höhe der aufrechtstchcndcu Pfeiler, als auch durch die rohe Skulptur emes Ungeheuers, welches auf dem oberen Theile des einen der beiden Pfeiler zn sehen ist. sticht weit von diesem entfernt, in den Ruiuen cines alten, aus Ouadersteinen errichteten Gebä'ndes, das etwa 60 Schritt in's Gevierte mißt und clitschiedcn ein alter Trmpel gewesen sein muß, sah ich sechs Paare solcher afrikanischer Cromlech's, van denen die Meiston allerdings jetzt mngestnrzt sind. Wer diese eigenthümlichen Banreste ohne Vornrthril betrachtet, Wird ganz von selbst die Ansicht gewinnen, daß dieselben alten ötul-tnsstätten angehören; denn kein gewöhnlicher Zweck aus dem Alltagsleben läßt sich denken, für den sie hätten bestimmt sein tonnen. Dazu kommt ihre uuverkennbare Aehnlichteit mit den weitberühmten celtischen Rnincn bei Stouehcnge nnd Avebury, über deren religiösen Zweck nicht der mindeste Zweifel mehr obwaltet. Aber nicht allein in England und Irland hat man entsprechende Bauten gefnndeu, sondern anch in verschiedenen Theilen Indiens, besonders in den Nil-ghcrries, ferner in Circassian, in dem südlichen Nnßland, an der Südküste Arabiens nnd, wie Einige behanpten, anch im Somali-Lande"'). Diese wcitgrcifcnde Uebereinstimmung dürfte wohl ihre natürlichste Ertlärnng in der ursprünglichen Aehnlichkeit des Princips finden, anf welchem die religiösen Gebräuche roher Völker zn bcrnhcn pflegen. Jedenfalls ist es, wenn man diesen Nniuen einen allgemeinen Namen geben will, gewiß passender, sie „scythisch", als sie „druidisch" zn nennen; denn der letztere Name kann nnr auf dcu Nordwesten Europa's Anwendung finden. Eine genügende Erklärung des diesen Bauten zn Grunde liegenden Symbolismns mag bis jetzt wohl uoch unmöglich sein; als ein Beitrag zur Erläuterung derselben mögen die folgenden Bemerkungen dienen. Die ältesten Götzenbilder waren Pfeiler oder Steine, nicht allein von runder Gestalt, als Symbole der schaffenden Natnrkraft, sundern auch von viereckiger Form. Oft ward auch die herrschende Macht der Gottheit dnrch ein Paar solcher Sänlen dargestellt. Ferner ist es einleuchtend, daß ein Paar massiver Pfeiler oder Sänlcn, mit einem massenhaften Qucrpfeilcr überlegt, wohl geeignet ist, auf symbolische Weise die Festigkeit uud ewige Unwandelbarkeit dcr Weltordnung darzustellen. Scheint doch selbst dem Namen dcr Hauptgottheit der heidnischen Berber, „Amnn", die ursprüngliche Bedeutung »Träger" und „Erhalter" zuzukommen. Auch dürfte man vielleicht, *) Auch im Gebiet des aUen Etrnrien hat Dennis Monumente gesunden, welche vollkommen an die druidischeu Eromlcch'S erinnern. 6l. LuUettlnu äeU' Institut«, 2roli«u1«ßio<), 1845), pu,^. 140, und 1847, pu,^- 52. ------ 31 ------ in Uebereinstimmung mit den Ertlärcrn der ccltischen Cromlech's daran denken, daß dieser enge Durchgang als ciuc Art reimender und demüthigender Vorbereitung für Opfernde gedient habe. Zu einem gewöhnlichen Durchgang oder Portal tonnen diese Bauten, selbst wenn sic nut einem größeren Denkmal verbunden wären, nicht gedient haben wegen der großen Enge des Zwischenranms zwischen den zwei Pfeilern. Entscheidend für den religiösen Eharatter des Baues ist die Beschaffenheit des großen flachen Steines; denn die iu diesem angebrachte tiefe Rinne lann nur dem Blut des Opfers zum Abfluß gedient haben. Man taun dabei auch an einen astronomischen Nebenzweck denlen. — Für die Bestimmung der Zeit und des Ursprungs dieser Bauwerke mag nns vielleicht der Baustil ciuigen Anhalt gewähren. Denn während diese Anlagen im Principe roh sind, zeigt der Styl der Ausführung offenbare Spuren einiger Knnst, welche wohl nur römischem oder karthagischem Einfluß zugeschrieben werden tönneu. Der Charakter dcs Banwcrtes im Ganzcu aber ist entschieden nicht römisch; und so werden wir diese Ruinen den ursprünglichen Bewohnern dieser Gegenden, den Berbern, zuschreiben, aber die Entstehung derselben in eine Zeit setzen, in welcher der römische Einfluß sich schou bis hierher erstreckte. Währcud der Nacht fiel heftiger Negcu, und wir tonnten daher am folgenden Morgen (M Februar) erst zu ziemlich später Stunde aufbrechen. Unser Weg führte über dic leichtgewellte Grassteppe des Dhahar Tar^hona. Ein ^agcr der Megcigera mit großen Vieh-hccrdcu, uutcr dcurn auch einige Kühe sich befanden, war dir einzige Spur von Vebcu, durch welche auf lauge Zeit der einförmige und melancholische Ernst der Vaudschaft unterbrochen wurde. Nur zahlreiche, zuweilen ziemlich ausgedehnte Ruinen, unter denen ich auch em in dieser Gegend seltenes Stück, nämlich ein gut und hübsch gearbeitetes ionisches Kapital fand, erinnerten uns daran, daß einst hier der Sitz eines reicheren Lebens gewesen ist. Nach langem Marsche trafen wir endlich am Nachmittag ein Araberlager an nnd von hier an gewann das ^and allmählich einen Mannigfaltigeren Charakter. Eine bedeutende Bergkette mit reicher Abwechselung von Klippen, Kuppen nnd Schluchten nähert sich don SSW., und indem sie sich nach NO. wendet, verschließt sie jede Ans-sicht in dieser Richtung. Aber auch hier ist das ^and ganz tahl, nnd nur ärmliche Sftureu sind von den Olivenpflanzungen übrig geblieben, welche man hier vor wenigen Jahren anzulegen versucht hatte. Es ____ ZI ____ mag dahin gestellt sein, ob der Grund solchen Mißlingens darin zu suchen ist, daß, wie meine Begleiter behaupteten, die Stürme ans dieser Ebene zu heftig seien, um junge Oelbänme kräftig gedeihen zu lassen, oder ob nicht vielmehr die Schuld in dem Charakter der Bewohner liegt, welche, der Banmzucht fremd, den jungen Schößlingen nicht die gehörige Sorgfalt zuwenden. Nachdem wir ein kleines Wadi durchschnitten, kamen wir an die Quelle „aiu Scherschara", einen lieblichen Platz, wo der Kaid oder Gouverneur von Tar-Hona in einem Zeltlager rcsidirte. Das Lager dehnte sich am südlichen Fuße eines kleinen Kegels aus und bestand ans einem grünen türkischeu Officierszelte uud mehreren dasselbe umgebenden kleinereu Zelten. Eine Gruppe von zwölf schwarzen Be-dumenzelten, etwas höher hinauf am Berge gelegen, enthielt die Familien der Angestellten. Der Gouverneur, Namens Äcl Kassem el Loheschi Mahnmdi, ein Eingeborncr der Provinz, hat den Türken geholfen, alle Glieder seiner eigenen Familie, welche einst eine der ersten im Vande gewesen, auszurotten. In der Folge spielte er während des Aufstandes im I. 1855 anf Seiten der Türken eine hervorragende Nolle; denn er befehligte das türtische Heer gegen seinen nahen Verwandten, aber bittern Feind Nhoma, welcher mehrere Jahre als Gefangener in Treblsond gewesen war, von dort aber während der Wcchselfälle des russischen Krieges entkam nnd plötzlich, von den benachbarten tunesischen Stäunneu unterstützt, im Djcbel die Fahne des Aufruhrs erhub. El Loheschi wurde geschlagen, gefangen genommen uud nach den ersten Berichten sollte er sogar ermordet wurden sein. — Als wir ihn besuchten, empfing nnö der Gouverneur in freundlicher, aber etwas komödiantcnartigcr Weise. Er bekleidete seinen Posten damals seit einein Jahre, nachdem er früher Gouverucur vom Djcbel gewesen war. Augenscheinlich bestand sein Hauptgeschäft nur in der Einsammluug und Negistrirung des Zehnten; von den Lebensprincipien und der ganzen Einrichtung der Provinz, deren Regierung ihm anvertraut war, wußte er nnr wenig. Nachdem wir unser Zelt aufgcschlagcu, machten wir nns auf, um die Umgegend kennen zn lernen. Sie hat einen recht anmuthigen uud pittoresken Charakter. Wenige Schritte nördlich vom Lager stürzt sich der gepriesene Quellbach am Scherschara, der dnrch die Vereinigung dreier Quellen gebildet wird, in einem Gefalle von etwa 25i Fuß über feste, von Natnr abgeglättete Kalkfelsen herab, nnd nach kurzem westlichen Laufe durchbricht er den Abfall der Berge in einer tiefen, ------33 ------ malerischen Schlucht; von da fließt er nördlich in daS Wadi Namlc, aber versieg, ohne die Mündung deS Thales am Meere zu erreichen. Die Ruinen eines großen, aus Quadern errichteten Gebäudes be^ weisen, daß schon zu den Zeiten der Römer hier ciuc beliebte Wohn statte war. Weit zahlreichere Ruinen aber sahen wir am folgenden Morgen (19. Februar) an einem etwa drei Meilen nördlich gelegenen Pnntte, wohin uns eine beträchtliche Anhöhe ,.Bu-lauil" lockte. Zwar fanden wir hier nicht die erwartete Fernsicht, doch entschädigte uns der mtcr^ essantc Charaltcr der durchzogenen Landschaft, und namentlich sahen wir unsere Mühe belohnt durch die bedeutenden Ruinen, mit denen di< am westlichen Abhang des Berges gelegene Terrasse bedeckt ist. Außer den Trümmern von zahlreiche» Qnadcrstemgebäudcn fanden Wir hier auch zwei römische Grabmäler; das cine erhebt sich in zwei Stockwerfen, von dcnen das untere etwa 10 Fuf? hoch und an den Ecken mit Pilastern verwert ist. Das andere Grabmal war zerstört: an dein heruntergefallen,,'!! Deutstem, der höchst wahrscheinlich aufrecht auf dem Grabmal gestanden hat, befindet fich in erhabenem Relief und in natürlicher Größc das Standbild eines mit der Toga betlei dcten Mannes; die Arbeit scheint dem Anfang des dritten ^ahrlinn^ derts nach Chr. anzngchörcn. ^tachdem wir von diesem Ausflug zu unserem ^ager znrückgelehrt waren, beschlossen wir, nns fiir eiuigc Tage zu trennen, da Qverweg diese Gegend in geologischer Hinsicht noch genancr auszubeuten wünschte. Wir kamen daher übcrcin, am vierten Tage im Kasr el Djefarah an der Küste wieder zusammenzutreffen. Schon eine Stunde vor Mittag war ich znm Aufbrnch bereit. Ovcrweg begleitete mich noch bis zu dem römischen Dcntmal Kasr Doga, das wir nach einem etwa zwcv stündigen Marsche erreichten. Dies ist ein mehr durch Masseuhaf-tigteit als durch Schönheit der Verhältnisse ausgezeichnetes Baudenkmal, scheint aber trotz seiner grosiartigm Dimensionen ursprünglich uur zu einem Grabmal bestimmt gewesen zn sein; später ward es von den Arabern zugebaut und als Burg benutzt. l5s ist auS Kalt-steinauadcru erbaut, die eiue sehr braune Farbe angenommen haben; bcr Banstyl ist sehr roh und unvollendet. Das Gebäude, «lit der Fa^adc nach Südeu gerichtet, erhebt sich auf einem Sockel von drei stufen nnd hat nicht weniger als 14 Meter 25 Centimeter Vä'nge nud ^ Nieter 40 Centimeter Breite. Der Cingang war in der Mitte der 3a snn dieselben, so oft sie es bedürfen. Die Wohnnngen sind hier im Allgrmciucn besser gebaut; auch sollen sich die Bewohner einer größeren Wohlhabenheit erfreuen, als in anderen Theilen des Bandes., Das sehr verschiedene Mima dieses Distrikts, welcher 800—1000 3uß über der Soc liegt, im Vergleich mit Yefren und Ghurian, deren durchschnittliche höhe über 2000 Fuß beträgt, zeigte sich schon darin, daß dic Oliven hier bereits vor einem Monat eingesammelt waren, während sie in den erwähnten Landschaften noch jetzt an den Wumeu hingen. Äald nachdem wir das Gebiet von Tar-Hona verlassen, erblickten wir zur Rechten eine kleine alte Festung, Namens Kasr Saadc, etwa ^> Schritt in's Gevierte messend und aus großen, unregelmäßigen steinen anf dein Gipfel eineS Hügels erbaut. In einer Einsentnng "m Fuße dieser Burg sah ich die erste Oliveupflanzung und den ersten Fruchtgarteu im Gebiet von Messcllata. Von hier an folgen ^e einander in kurzen Unterbrechungen. Hocherfreut über diesen Wechsel der Scenerie setzten wir unseren augenchmen Marsch fort > ------36 ------ und erreichten bald das Schloß Messellaw, einen ganz aus Quadern von alten Ruinen zusammengesetzten Bau am Viordeude des Dorfes Kussabat. Schon von Weitem hatte die Kalah oder Gellah, eine mit Festnngsruiucn gekrönte, henwrragendc und weit sichtbare Anhöhe, meine Aufmerksamkeit erregt. Ich war begierig, dieselbe zu ersteia.cn; der hier residircndc Chalil Aga gab nur, wahrscheinlich durch ciu lächerliches Mißtrauen getrieben, zwei Begleiter zu dieser leeren Nuineustätte mit. Das Dorf Knssabat ist auf ciucm alknähliä, nach Süden sich absenkenden Terrain gelegen, dessen höchster Punkt 12.W Fuß hoch ist. Von der Westseite her ansteigend gelangten wir durch eiue kleine freundliche Einsenluug auf deu nackten Gipfel der Kalthöhe, wo einst die jetzt in Nninen liegende Festung ciu weites Gebiet beherrschte. Auf deu geschleiften Mauern umhergehend hatte ich eine weite Aussicht anf die mit Dörfern übcrsä'etc Umgrgeud. Die Fcstuug hat die Gestalt eiueö Dreiecks, dessen Seiten 15^, 118 und 160 Schritt laug sind; au jeder der drei Eckcu war eine Bastion angebracht. Die Festung ist gewiß nicht mohammedanischen Ursprungs, sondern wahrscheinlich von Spaniern in der ersteu Hälfte des 16. Iahrhuuderts erbaut. Von der Festuug herabgestiegeu erfreute ich mich an dem wohl' häbigcu Ausfehcu dcS ans etwa 300 — 400 Steiuhütteu bestchcuden Dorfes Kussabat. Gern würde ich den Markt, der hier am nächsten Tage abgehalten werden sollte, besucht haben; allein ich mußte mir dies versagen, weil ich am folgenden Morgen (21. Februar) früh aufbrechen mußte, um mein beabsichtigtes Ziel, Wabi Kaam, noch an demselben Abend erreichen zu können. Mein Weg führte mich aufaugs durch eiue liebliche uud wohlangebantc Gegend, wu zwischen üppigen Kornfelderu uud weiten Olivcnpflauzungcn sich hie uud da Gruppcu von Ruinen zeigteu, und wo also die Spureu meuschlicher Thätigkeit aus der Vergangenheit und der Gegenwart mannigfach mit einander Wechselten. Allmählich, als ich die letzten niedrigen Absenkungen der Bergkette gegen Osten erreichte, erinnerten die größeren Verhältnisse der Ruiueu und ihr hänfigcres Wiederkehren daran, daß ich mich dem Bereich der bcrühmtcu Ruincnstätte von Lcptis näherte. So fand ich rechts von unserem Wege die Baltstätte ciues ziemlich großen Tempels von eigenthümlicher Konstruktion, der jetzt Ssancm ben Hammedan genannt wird. Die gegen Norden gerichtete Fronte besteht nur ans einer Doppclreihe sehr großer, aufrecht stehender Steine, während der innere Theil mit ionischen Säulen geschmückt ist. Jedoch ____37 ___- ist dcr Bau von MUMM architektonischen Werthe. — Etwa 1500 Schritt weiter nach Osten sind die Ruinen eines anderen noch größeren Gebäudes, 77 Schritt in jeder Richtung niessend nnd von den Arabern „Kasr werter" genannt. ES hat im Innern mehrere Abtheilungen. Etwa in der Mitte des Gebäudes ist ein großer viereckiger Stein mit der hier dargestellten, zwar ziemlich roh ans-geführten, aber mertwürdigon Stulptur. Die Gegend behielt fortwährend ihreu anmuthigen Charakter, nnd namentlich erinnere ich mich nicht, je schönere Olwenbänme gesehen zu haben als hier. Bei Wadi ^ebda, das zu meinem Erstaunen vollkommen trocken war, erblickte ich znr linken bereits die ausgedehnten Ruinen von ^eptis, die sich an dcr Küste über das Wiesen^ land ausbreiten. Am Nachmittag erreichte ich die znm Ssahel gehörigen Dörfer, die sich, von Kornfeldern, Oliven- und Dattelhainen nmgcben, in fast ununterbrochener Reihe einander folgen. Die Ebene wird südlich von dcr niedrigen Kette dcr Boudara-Verge begrenzt und bei reichlichem Rcgcnfall dnrch das Wasser des Wadi Bondari überschwemmt. Die Bewohner des Ssahel sind dem Interesse dcr Türken ergebener, als irgend ein anderer Stamm deS Baschalit; deshalb blieben sic anch in der Folge während des Aufstandcs im Jahre 1855 den Türken trcu nnd kämpften au ihrer Seite gegen deu rebel-«scheu Häuptling Rhoma. Nahe vor dem Dürfe Sauya Ferdjani, wo wir für die Nacht unser Zelt aufschlugen, betrachtete ich mit der schuldigeu Vervhrung die Dattelpalme „El Dcchelc", welche die älteste im gauzen Ssahel sein soll, ohne Zweifel aber die schlankste uud höchste Dattelpalme ist, die ich je gesehen habe. Am folgenden Morgen (22. Fcbrnar) besuchte ich das weiter östlich gelegene Wadi Kaam, den Einypö der Alten. Die Umgegend desselben gilt für ungcsuud, uud namentlich soll das Dorf Abd e' Saade sehr an bösartigen Fiebern leiden. Auch fand ich, dasi schon in ansehnlicher Entfernung vom Wadi Kaam der Anbau gänzlich anfhört; nnr ein weites wüstes Feld von Vcröduua, und Zerstörung zeigt sich hier dem Blick. Und doch ward der Eiuyps bei den Alten mit so reichlichem ^obe gepriesen! Aber freilich, sie wußten sein zeitweiliges Ungestüm iu deu uöthigen Schranken zu halteu, nud verhinderten seine zerstörenden Ncberschwemmuugen durch __^ Ig____ ein großartiges System von Deicheu, von denen noch jetzt höchst interessante Roste vorhanden sind. Nachdem ich diese nntersucht und gemessen, lehrte ich am Nachmittag nach Sauya Ferdjani zurück. Von hier eilte ich weiter, nm nuch vor Abend LeptiS zu erreichen. Ich passirte Wadi Ssuk, durchzog dann die offeile Wiesrneoene mit dem blauen Meeresspiegel zur Rechten und traf in Lefttis gerade im Augenblick ein, als meine Leute, die schon vor mir angebrochen wann, im Begriffe standen, das Zelt im östlichen Theile der Stadt aufzuschlagen. Den folgenden Vormittag oca) geschmückt war. Ctwa eine halbe Stunde östlich von uuscrem ^ager war ein Hügel, Namens Fulidjc; diesen bestiegen Overweg uud ich, anstatt uns sogleich der Ruhe des Lagerplatzes zn überlassen. Wir hofften hier genaue Wiutel ciuigcr Puukte der Bergkette uehmen zu tönueu; auch ward uuferc (^rwartuug nicht getäuscht. Nachdem wir zufrieden von uuscrem kleiucu Ausflug zurückgekehrt warcu, verbrachten wir den Abend höchst behaglich in Herrn Warringtou's Zelt. Am folgeudcu Äliorgeu fetzteu wir uuserc Reise fort lind hatten bald den Fuß des Abfalls dcr Bergkette erreicht. Auch andere Reisegesellschaft außer unserer Karawane belebte den Weg; namentlich begegnete uns eine Sklaven Mfla, aus etwa sechzig unglücklichen Opfern dieses abscheulichcu Menschenhandels bestehend. Den Abhang dcr ersten Terrasse des Plateau's bildet das Wadi Äu-Ghelau, das, l.,ou Dattel-banmgruppen geschmückt, uns das Bild einer frenndlichcu Landschaft gewährte. In einer Stunde hatte ich anf meinem trefflichen Au-sscfi den Anstieg vollendet uud hatte uun Zeit, unter einem schönen Oliven-bäume gelagert uusercn ganzen bunt zusammengesetzten Trupp von Europäern, Arabern und freigelassenen Sklaven nach uud nach die Höhe rmporttimmcu zn sehen. Der Pfad war oft sehr eng uud tief in den mergeligen Boden eingcschnittcn. Die Langsamkeit, mit der unsere Kafla sich bewegte, erlaubte mir, ein wenig von dcr großen Karawanenstraße abzubiegen und das Dorf Guassem zu besuchcu, das nahe am Ostfuße des bei früherer Gclegeuheit vou uns bestiegenen Verges Tekut liegt. Auch behielt ich noch Zeit, das römische Grabmal, das zwischen dem Tclut und (^huriau liegt, zu besichtigen. Doch ist der Haupttörpcr des Denkmals gänzlich eingestürzt; die Basis mißt 24 Fuß in's Gevierte. — Unterdessen fingen wir a»i, die zweite Terrasse zn ersteige»,, und erreichten die Fläche dcS ------ 45 ------ Plateau's des Ghurian etwa um 2 Uhr Nachmittags. Kur; bevor wir das nach der Berghohe genannte Uasr Ghurian erreichten, stiegen wir ein wenig abwärts an den Rand des Steilabfalls in das früher von mir beschriebene Wadi Numana. Hier schlugen wir unser ^ager auf uud blieben auch den folgenden Tag hier, indem wir all' nnser Gepäck officiell auf dem Schlosse wicgcu ließen, um den übertricbeuen ^ordernngeu uuserer Kameeltreibcr zu begegnen. — Die Landschaft hatte gegenwärtig cm viel interessanteres Ansehen, als bei meinein ersten Hiersein vor zwei Monaten; denn jetzt war Alles mit grünem Korn bedeckt. So war unser Lagerplatz überaus behaglich; unter uns lag das Wadi mit sciuen steilen kt'alkwändeu und mit der mannigfachsten Vegetation bekleidet; im Norden ragte der Tekut mit feiner vollendeten ilratergestalt über alle niedrigeren Höhen hervor, und hinter ihm breitete sich die weite Ebene ans, welche wir durchschnitten hatten. Nach diesem neuen Aufenthalt setzte sich nnser Zug endlich am 5'. April Morgens wieder in Bewegung. Hier nahmen wir inuigen Abschied von ^unserem Freund Frederic Warrington; als ich anf meinem herrlichen, wohlgcsatteltcn Bu-sscfi an der Spitze des Zuges dahin ritt, winkte er mir noch ein letztes frcnudliches Lebewohl zn. Mir allein von nns drei Reisenden war die Rückkehr und ein freudiges Wiedersehen beschieden. Unser Pfad schlangelte sich anfangs in starken Windungen, dann zog er sich in gerader südlicher Richwug hin. Die Vandschaft war mannigfaltig nnd abwechselnd; wir passirten mehrere Dörfer mit den zu ihnen gehörigen Olivenwäldchcn. Hinter dem Dorfe Ssemssa wandten wir uns ostwärts ab in eine liebliche, mit einem Olivenhain geschmückte Schlucht und begannen dann den steilen Anstieg nach der Höhe von Knlcba, welche das Joch über deu südlichen Kamin des Plateau's bildet. Das Dorf Mleba ist hoch am östlichen Abhang gelegen und weithin sichtbar; durch seine Lage an der Südgrenze des Ghurian ist es von bedeutender Wichtigkeit; feine Einwohner sind die natürlichen Vermittler zwischen den nördlichen, dichter bewohnten Gauen und den Oasen der Wüste. Auf der höchsten Kuppe, das Dorf beherrschend, war früher eine Burg, aber sie ist von deu Türken zerstört worden. — Dieser Pnnkt ist zugleich die südliche Grenze des Delbaumes; wir lagerten hier bei den letzten kümmerlichen Oliven-bänmen, uno Jahre sollten vergehen, ehe ich mich wieder dcs AublickeS dieses schöum und nützlichen Baumes erfreuen tonnte. Unsere Vcute ------ 46------ nahmen hier einen bis zur Oase von Misda genügenden Wasser^ vorrath cm. Unterdessen erstiegen Overweg und ich die hervorragende Berghohe Toesche, die höchste Erhebung dieser Gegend, 2212 Fuß hoch, nnd nahmen von hier ans mehrere Winkel. Am nächsten Morgen (U. April) von Mileba weiter ziehend sahen wir anfänglich noch vereinzelte kleine Korufeldchen, bald aber verschwand fast jedes Zeichen von Anbau, nnd unser Weg führte uns in die traurige Wüstenlaudschafl Ghadama. In geringer Entfernung zur Rechten zieht sich die „Tnel cl hamcr" genannte Bergkette hin. In den ans horizontalen Kaltstemschichtcn gebildeten Thälern, die wir durchzogen, bestand die einzige Vegetation ans kleinem Gestrüpp und Geniste, „ghandul" genannt. Eine erfrischende Unterbrechung in dieser Wüstenei machte Wadi Ranne, ein von O. nach SW. ziehendes Thal mit zwei Brnnnen nnd mit frischem grünen Kraut bedeckt. Hier ist die nördliche Grenze des Aawmbanmes ll'i^ciü ^tl.inlioiv), und mit seinem frisch grünen Laubwerk trug dieser Aanm viel dazu'bei, die kiesige und vielfach mit Feuersteinen bedeckte kahle Gegend wenigstens an einzelnen bevorzWereu Stellen zn beleben und zn schmücken. Wenig südlich von Wadi Ranne fanden wir den ersten römischen Meilenstein mit einer leider nicht mehr leserlichen Inschrift; weiterhin folgten noch andere umgestürzte und auf der <3rdc liegende Marken dieser in's Innere führenden Nömerstraße. Anch am folgenden Tage fanden wir im Wadi Villa, einer von leichten Höhen umschlossenen Thalebene, viele Spuren früheren Anban's, und nahe dahinter wnrden andere Zeichen römischer Industrie sichtbar, die es immer deutkicher machten, daß anch durch diese wüste binnenlän-dischc Gegend einst eine römische, mit regelmäßigen Meilensteinen besetzte Poststraße führte; leider aber ist keine der neunzehnzeiligen Inschriften leidlich erhalten oder in lesbarem Znstande. Wir schlugen unser Vager am Fuße der schön geformten westlichen Bergkette auf, wenig nördlich von einer Stelle, wo dnrch das nahe Herantreten der östlichen Kette ein enger Paß gebildet wird. Hier sammelt sich die Feuchtigkeit von zwei Thälern, nnd daher war außer einigen Batumbäumcn anch etwas Korn zn scheu. Panther sollen in dieser Gegend in großer Menge Hansen. Bei unseren: Aufbruch am nächsten Morgen (7. April) lenkten Nur sogleich in den erwähnten Paß ein; die denselben einschließenden Kegclhöhcn zeigten Gypsschichten. Nachdem wir viele kleine ausgetrocknete Regenbäche überschritten, hatten wir nach einer Stunde die Höhe des Passes __^ 47 ____ erreicht. In den Höhlen des felsigen Bodens des Wadi Mesnmmita fanden wir dachen von Regenwasser angesammelt, und wir genossen hier daS außergewöhnliche Labsal eines erfrischende!, Trullles. Es war erst dor wenigen Tagen heftiger Negen gefallen; sonst darf der weisende keineswegs darauf rechnen, hier Wasser zu finden. Weiter hin war der steinige und felsige Boden sehr aufgerissen nnd erschwerte den Marsch in hohem Grade, so daß wir in 17 Minuten nur eine halbe (nautische) Mcile vorwärts kamen. Wir waren fast überrascht, als eine kleine Heerde Ziegen und das Bellen eines Hundes nns bewiesen, daß die legend selbst in ihrer gegenwärtigen Abgestorbcnheit noch nicht ganz unbewohnt ist. Um Mittag begegnete uns eine Kafla mit 25 Kameelen und etwa 60 meist weiblichen Sklaven, den unglücklichen Eingeborncn der Landschaften, zu deren Erforschung wir auszogen. Bald nach Mittag gelangten wir durch rincu klciueu Engpaß M das Wadi Ude-Scherab, den nordwestlichen Zweig des Thales bon Misda. Die kleine Rinne, welche die nackte steinige Thalebene durchzieht, war mit vielen Batmnbänmen nmsäumt. Wir waren herzlich erfreut, als wir nach diesem ersten Vorgeschmack der Wüste die kleine Oase von Misda mit ihren schönen, wohlbcwässerten und regelmäßigen Gcrstcnfeldern nnd ihren Dattelpalmen erreichten. Wir zogen zwischen den zwei getrennten Quartieren ober Dürfern hindnrch nnd lagerten auf einem offenen sandigen Platze, nahe bei einem Brnnnen, hinter dem unteren Dorfe. Misda, höchst wahrscheinlich identisch mit dem östlichen „Musti Kome" des Ptolemäus, scheint eine sehr alte Niederlassung der Berber zu sein, nnd namentlich eines Stammes derselben, der Gnntarar; selbst jetzt, obwohl vielfach mit Arabern vermischt, haben sie nicht ganz ihr Berber-Idiom verloren. Die Oase liegt in einer Höhe von 1018 Fuß im oberen Theile oder in einem von SW. nach NO. sich hinziehenden Zweige des Wadi Ssofcdjin. Dies ist das größte aller Thäler zwischen dem Ghurian-Gebirge nnd der Hammada und die fruchtbarste Landschaft der Regentschaft von Tripoli; es ist belohnt von den Stämmen der Guntarar, der Sintan und der Uelad Vu-Sses. Die Ursache der Fruchtbarkeit, uud somit der Entstehung "N Oase, scheint darin zn liegen, daß die Feuchtigkeit, welche von Wadi Scherab herabzieht, von einem ganz ans Gyfts bestehenden vorspringenden Anslänfer des Platean's aufgehalten nnd daher von bem thonigen Buden aufgesogen wird. Der nachstehende Holzschnitt ____ 48 —__ gewährt rine Ansicht der ganzen eigenthümlichen Oertlichtcit von der mehr westlich gelegenen Höhe Madnm ane«. >-'^2Nss^ Misda besteht ans ;lvei völlig getrennten O.nartieren oder Dorfschaften, deren Bewohner friiher, so lange sic noch nicht nntcr türkischer Herrschaft warm, in beständiger Fehde mit einander lebten. Die westliche Dorfschaft, Misda ,,el fok" oder „das obere" a.cnannt, ist bei weitem größer und lie^t am ^stfllße des Hlizicls. Eine mit vielen vorspringenden und sich einziehenden Winteln sscbautc, jetzt aber sehr verfallene Dopvelmauor umgiebt den Ort. Znr Ve-fcstiziull^ dienten anch verschiedene hohe, rnnde Tlinrme, die nach oben sich etwas verengen und mit mehreren Reihen Schießscharten versehen sind. Der Ort wär früher diel nrö's;er, .;ählt aber noch immer IM erwachsene und waffenfähige Männer. Bei weitem tleiner ist das südöstliche Dorf, Miöda „el ntah" oder „das untere" genannt, welches von dem anderen etwa 4 nischeu Baustyl. Auch die Mauern wareu früher augenscheiulich in »tu«oc> bemalt; jedoch ist davon nur ein geringer Rest erhalten. Die Froute des Gebäudes hat sehr durch die Araber gelitten, welche viele Skulpturen von hier fortgeführt haben sollen. Unzweifelhaft ergiebt sich hieraus für uns, daß wenigstens uoch im zwölften Jahrhundert in diesem abgelegenen Thale eine christliche Gemeinde oder ein Kloster cMirte. Unwahrscheinlich ist dies durchaus nicht, da Mohammed ausdrücklich befahl, die eifrigen Priester und Mönche unangefochten zu lassen, und da wir viele Klöster in anderen Mohammedanischen Ländern finden. Auch ein Kloster scheint hier mit der Kirche verbunden gewesen zu sein; wenigstens ist im oberen Stockwerk eine Eintheilnng in Zimmer oder Zellen erkennbar, nnd auch an der Nordseite der Kirche war ein Flügel angebaut mit mehreren ganz einfachen, gleichmäßigen Kammern. Die beiden so eben beschriebenen Gebäude sind benannt nach dem Chafaidji Aamer, der, wie mau erzählt, eiu mächtiger Häuptling gewesen seiu soll, uicht minder in Tunis angesehen, als in Ttarabolns (Tripoli). Vielleicht ist diese Angabe nicht ohne historischen Grund; dem» wir wissen, daß vom Jahre 724 bis 802 nach der Hcdjra (13W bis 1399 nach Chr.) in Tripoli eine Dynastie der Beni Aamcr geherrscht hat. Etwas nach Sonnenuntergang kehrte ich, zufrieden mit der Ausbeute meines Ausfluges, anf einem südlicheren Wege nach Misda zurück. Am 10. April setzten wir dauu unsere Reise fort; unser Weg war fast derselbe wie der, auf dem ich am Tage zuvor zurück-ssct'ehrt war, und uach einem mäßigen Marsche lagerten wir im Wadi Ssofcdjin an einer von Büschen freien Stelle. Von hier besuchte ich am folgenden Morgen die eben beschriebene Burg oder Kirche in schabet Um el Charnb und eilte dann, uuserc Karawane einzuholen, welche inzwischen bereits aufgebrochen war nnd in ihrem einförmig langsamen Schritte vorwärts zog. Das Land nahm jetzt wieder, wie Redlich oon der ^ase, seinen öden, steinigen Charakter an; nnr selten schmückte eine dürftige Alnme oder ein kränklicher Halm die wüste Iläche; zuweilen gewährte ein Thal mit einigen schönen Batum-^äumcn eine crfrenliche Abwechselung. Etwa um 5 Uhr lagerten wir im Wadi Talha. In der Nähe auf einem Hügel zur Linken liegt 4» ____ 52 ein römisches Kastell, das aus Quadern von unregelmäßiger Gestalt und ohne Cement aufgeführt ist und im Innern 20 Fuß im Quadrat mißt; die Ecken find abgerundet, und auf der Ostscite bildet ein enges Thor den Eingang. Ein anderes antikes Denkmal, das sich auf der Hochebene vor uns zeigte, besichtigte ich am folgenden Morgen. Es war ein römisches Grabmal, welches ursprünglich aus drei Stockwerken bestanden zu haben scheint; doch war nur die Basis und das erste Stockwerk erhalten, während die Bausteine, die den oberen Theil des Denkmals gebildet hatkn, verstreut umherlagen; indeß konnte man noch erkennen, daß die Ecken mit kleinen korinthischen Säulen verziert gewesen sein müssen. — In der Nähe stand einst noch ein anderes Grabmal, von dem aber nur die Basis erhalten ist. Unterdessen war nnsere Kafla bereits vorübergezogen, nnd ich eilte, sie einzuholen. Unsere Kameele schritten heute mit besonderer Rüstigkeit vorwärts. Denn während bis Misda kaum 2 nautische Meilen in der Stunde gemacht wurden, legten wir heute und auch an den folgenden Tagen beinahe 2,^ Meilen in der Stunde znrnck. Die Schnelligkeit unseres jedesmaligen Marsches maßen wir vermittelst einer eigens dazu bestimmten Kette, was bei starkem Sounen^ brand und ans ranhem Terrain nicht gerade eine angenehme Beschäftigung war. Die zunehmende Schnelligkeit des Marsches erklärt sich zum Theil daraus, daß im Anfang die Lasten der Kameele größer gewesen waren; dazu kommt, daß erst nach einigen Reisetagen Thiere und Menschen ihre volle straft anspannen; endlich aber bietet dieser dürre, steinige Boden selbst dem einzeln dahinziehenden Kameele weniger Verführung zu naschen und von der geraden Nichtuug ab^ zuWeichen. Um den traurigen Charakter der öden Stcinwüste noch schrecklicher zu machen, begann an diesem Tage ein heißer Westwind zu wehen, der sich nach und nach zu furchtbarer Heftigkeit steigerte. Der vom Wind aufgewirbelte Sand trieb uns in's Gesicht und verdunkelte die Luft. Zur Rechteu von unserem Wege ließen wir römische Ruinen, wie es schien, eine Burg nnd unweit davon ein Grabmal; jedoch der Sturm erlaubte kaum, das Gesicht nach jener Seite hinzuwenden, geschweige denn an eine genauere Untersuchung zu denken. Auch auf dem links vom Wege sich erhebenden breiten Bergplateau „el Chaddcnniye" soll nach der Aussage meines arabischen Dieners ein römisches Grabmal sein. Wir waren froh, als wir nm drei Uhr Nachmittags im Wadi Tagidje lagern konnten. In diesem Thal, 53 dessen oberer Theil el Churub heißt, scheint sich zu Zeiten ein nicht unbedeutender Regenbach zu bilden. Daraus ertlärt sich auch der frische und üppige Graswuchs, der hie uud da im Thale unter Büschen und Gestrüpp hervorsprießt. Das Nadi senkt sich nach Osten und soll, nach verschiedenen Verzweigungen mit anderen Thalern, schließlich mit dem Wadi Semsem zusammentreffen. Der reiche Graswuchs verschaffte uns einen unfreiwilligen Rasttag; denn der vorzüglichen Weide wegen wollten die Treiber am nächsten Morgen nicht aufbrechen. Ich benutzte diese Muße, um ein Denkmal der Porzeit aufzusuchen, von dem mir mein arabischer Diener erzählt hatte. Ich ging in östlicher Richtung das Thal entlaug, und nach etwa zwei Stunden Weges erspähte ich in der Ferne etwas wie eine Säule. Ich eilte darauf zu und war nicht wenig überrascht, in diesem verödeten Thale eines der schönsten und kunstvollsten Grabmonumente zu fin-dcu, welche aus dem römischen Alterthum uns erhalten sind. Die Existenz eines solchen Denkmals ist ein genügender Beweis, daß diese Gegend im Alterthum nicht so verödet gewesen sein kann, das; vielmehr hier eine Bevölkerung gelebt haben muß, gebildet l^nug, solche Werke der Knust ;n würdigen und sich an ihnen ;u erfreuen. Das Monument erhebt sich auf eiucr Basis von drei Stufen und in drei Stockwerken zu einer Höhe von 48 Fuß. Die Basis enthält eine ____ 54 ____ Grabkammer mit drei Nischen, eine an der Nord- und zwei an der Ostseite. Die Hanfttfronte des Denkmals und die am reichsten verzierte Seite ist nach Osten gerichtet. Das erste Stockwerk besteht aus sechs ?agen Steinen. An demselben ist unten eine Graburne gebildet, über welcher sich eine hübsche junge weibliche Büste erhebt; zwei wilde Thiere, anscheinend Panther, sind an den Seiten der llrnc dargestellt und bewachen dieselbe gleichsam, indem sie ihre Vorderpfoten auf ihr ruhen lassen. Die fünfte Steinlagc ist an allen vier Seiten mit Iagdsccnen geschmückt. Der Fries wird an jeder Seite dnrch vier Rosetten gebildet; über diesen zieht sich ein Traubengewinde rings umher, nnd darüber liegt das Gesimse auf. — Der untere Theil des zweiten Swckwerles zeigt eine reich verzierte Schein-thüre; über dieser hatten zwei schwebende Genien einen Kranz empor. Eine Nische darüber enthält die Büste cineS Mannes und seiner Frau, während sich an der Nordseite die Büste einer älteren Frau befindet. Der Nann« zwischen den Kapitalen der Ecksä'ulcn ist mit zwei Trauben verziert; daranf ruht der Fries mit deu gewöhnlichen ionischen Ornamenten. <— Ueber dein Gesimse dieses Stockwerkes erhebt sich ein Manlidalcs Dach von 12 bis 1'j Fnß Höhe, welches fast eben so vollkommen wie der gesummte Bau sich erhalten nnd mir seine höchste Spitze verloren hat. So»st ist mit Ausnahme der Grab-kaminer, die nach Schätzen durchwühlt ist, das ganze Monument ungeachtet seiner schlanken Verhältnisse mif's Beste erhalten, nnd ein Zeitraum von etwa 17 Jahrhunderten hat diese reichen und zierlichen Ornamente, nicht zu zerstören vermocht. Es ist wohl geeignet, einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck zu macheu. — Die Eingebornen betrachten diese hoch emporstrebenden Grabmäler der Borzeit als Götterbilder oder Kulturstätten der Heiden und nennen sie „ssancm". Ich selbst konnte mich diesen» knüstreichen nnd in seiner schlank emporstrebenden Form wie von Genien getragenen Monumente gegenüber eines gewissen unheimlichen Gefühls nicht erwehren. Ningsnm in dem breiten verödeten Thale war kein menschliches Wesen, ja nicht eiumal ein lebendes Wesen überhaupt zu erblicken. Als der Römer hier sein reichgcschmücktes Monument baute, tonnte er nicht ahnen, daß es nach so vielen Jahrhunderten von einem Nachkommen jener Germanen, die er wie die Garainanten zu den Barbaren rechnete, der gebildeten Nelt zur Bewuuderung wieder vorgeführt werden Würde. Am Nachmittag machte ich mit Overweg einen anderen Ausflug ____ 55 ____ in der entgegengesetzten Richtung. Von einer Berghohe, dir wir erstiegen, gewannen wir cinc interessante Aussicht über das nach Westen vor uns liegende, von wilden Schluchten zerrissene und jäh abstürzende Hochland. 3ln der Grenze dieser wilden Scene großer Naturvcrändernngcu fand Overwcg einige gut erhaltene Exemplare interessanter Versteinernden, von denen ein besonders merkwürdiges Stück nach ihm c»xs>^i'5l, Overw^gi benannt worden ist. Am folgenden Tag (14. April) brachen wir früh anf und gelangten von Wadi zu Wadi meist durch Engpässe, von denen einige nur mit Schwierigkeit zu passireu waren. Wir ließen zu beiden Seiten des Weges einige minder bedeutende Nninen, theils römischen, theils arabischen Ursprungs, liegen.' Später kamen wir an eiucn schonen alten Ethclbaum, der seine abgestorbenen Aeste zn gewaltigem Umfange ausbreitet und sich so einen besonderen Namen, „athelet Ssi Mohammed fi Usrat", verdient hat. In geringer Entfernung liegt rechts vom Wege die Kapelle des Ssi Naschedau, des großen Me-rabet der Uelad Bu-Ssef. Dics ist eiu Stamm, der wegen der Reinheit seiner Sitten bei den anderen Stämmen in großem Ansehen steht. Nicht allein dnrch ihren Sinn für Recht uud Gerechtigkeit und durch ihre Gastfreundschaft sind die Uelad Bn'Sscf ausgezeichnet, sondern auch durch die Zucht vortrefflicher Kanieele, die sie mit großer Sorgfalt und fast wie Glieder ihrer eigenen Familie behandeln. Bon jeher haben sie uuaufhörliche Fehden mit den Urfilla, den: kriegerischsten nnd gewaltthätigsten Stamme dieser Gegenden, geführt. Einen besonders hohen Einfluß in diesem Stamme besitzt gegenwärtig seiner Gelehrsamkeit wegen ein alter Mann, Namens Ssidi Bubakr. Etwa um zwei Uhr Nachmittags laugten wir im Wadi Semsem an, einem der berühmtesten Thäler dieses Theiles von Nord-Afrika; es zieht sich von W. nach 57NO. uud giebt mehreren Brunnen Nahrung; wir lagerten uns hier in der Nähe einer Kafta, welche von den Natronsee'n lam nnd auf dem Wege war, ihr Produkt nach Tripoli auf den Markt zn bringen. Am Nachmittag erstieg ich einen vorspringenden Berg an der Südseite des Thales; er bestand ans Mergel- und Gypsschichten und war voll fossiler Muscheln; er war wild zerrissen und zerklüftet, gewährte aber auch, weil er sich nicht über die Durchschnittshöhe des Plateau's erhob, keine umfassende Fernsicht. Diese einförmige Bildung Nord - Afrika's, von der sich der Reisende schon an den Nilrändern eine Vorstellung verschaffen kann, hat einen großen Nachtheil für umfassende Aufnahme des Landes. 56 Der Marsch des nächsten TageS (15. April) führte uns bis zum Brunnen von Tabonich, au den Nordrand dcr großen Wasser-losen wüsten Hammada. Unser Pfad war anfangs rauh und steinig und schlangelte sich durch dir Abhänge der vorragenden Höhen des Hochlandes empor. Weiterhin theilte sich der Weg; die östliche Ver> zweigung führt längs dem Hauptarme des Thales nach der kleinen Stadt Gharia, der westliche Weg dagegen nach dem Brunnen Ta- bonieh. Wir wählten die letztere Richtung als die vorthcilhaftere und kamen allmählich in das Wadi Tolagga, das reich mit verschiedenen Aänmen und Sträuchen, namentlich mit Siddcr-, Ethel-, Ghurdok- und anderen Bäumen bekleidet war. Wir begegneten hier einer Karawane nnd trafen dann ein Araberlager vom Stamme der Urinssa. In der Nähe des Brunnens von Taboniel) ist der Bodcn mit Salz untermischt nnd die Vegetation in Folge dessen weniger reich. Eigenthümlich ist hier eine Banmart von niedrigem, krüppeligem Wnchse, welche die Eingebornrn „fro" nennen. Während hier die Zelte aufgeschlagen wurden, machte ich mich sogleich anf, um eiu Monument ;u besichtigen, welches während dcr letzten Stnnde nnsercs Marsches unsere Richtung bestimmt hatte, ^n der (5'ntfcrnung von Ijengl. Meilen von unserem ^ager fand ich cin römisches Grabmal, zwar weniger prachtvoll als das im Nadi T agidje, aber doch bedentrnd genug, um selbst in einem wohl-bevölkcrten ^ande ein großes Interesse in Anspruch zu nehmen, ------ 57 ------ um wie viel mehr hier in einer öden Gegend nnd am Rande einer großen wasserlosen Wüste. Wie dic vorstehende Skizze zeigt, erhebt sich das Monument ebenfalls in drei Stockwerten, aber in weniger schlanken Verhältnissen, als das oben beschriebene Grabmal; es ist nur etwa 25 Fuß hoch und stammt gewiß aus einer späteren Zeit. — Nicht weit von diesem finden sich uoch die Reste von zwei anderen Grabmälern, die indeß fast gänzlich zerstört sind. Doch sind selbst diese Trümmer nicht ohne Interesse, denn sie dienen zum uuwiderleglicheu Beweise, daß die römische Herrschaft iu diesen Gegenden nicht eine kurz vorübergehende war, sondern sich längere Zeit erhielt. Nur für Männer vou hervorragender Bedeutung tonnteu so kostbare Grabmäler errichtet werdeu, und wahrscheinlich enthielten sie einst die irdischen Neste der aufeiuauder folgeuden Befehlshaber der benachbarten römischen Station, zu der ich am folgenden Tage mit Ovcrweg und Richardson einen Ausflug unternahm. Denn unsere,Mrawaue mußte au dem Brunnen Tabonieh einen Tag rasten, um den Wasservorrath für die Reise über die vor uns liegende weite, hcißglüheude Hochebene einzunehmen, die Kameele zu tränken und ihnen Weide uub Ruhe zu gewähren. Wir benutzten diesen Tag zu dem erwähutcu AuSstug nach Gharia, oder genauer Gharia el gharbia, wie es zur Unterscheidung von dem östlicher gelegenen Städtchen Gharia e' scherkie genannt wird. Nach emer fast endlos scheinenden Wanderung über die einförmige steinige Ebene befaudeu wir uns plötzlich am Rande einer tiefeu Schlucht, iu welcher zu unserer Linken eine frische grüne Pal-meupflanzung uns begrüßte, rings von nackten, kahlen Felswänden nmgcben. Wir durchschnitten die Schlucht und erklommen die gegenüberliegende Thalwaud, uud nachdem wir die verlasseneu Straßen des elenden Städtchens durchzogen hatten, lagerten wir außerhalb seiues römischen Thores, dessen massenhafter, regelmäßiger Bau einen merkwürdigen Gegensatz zu den elenden, verfallenden Käthen des Ortes bildete. Dieses großartige Ballwert besteht aus drei Thorwegen, einem mittleren größeren nnd zwei kleineren an den Seiten. Die beiden letzteren sind gegenwärtig mit Schutt bciuahe ausgefüllt; die oberen Stcinlageu fehleu ebenfalls, nnd nur dir Steine, welche den Bogen selbst bilden, siud erhalten. Der Schlußstein über dem mittleren Bogen trägt iu einem Siegeskranze die Zuschrift: I'IlO ^15 II^I. (pi-uvinma /l.i'i-ion, Mustri»). Der Schlußstein über dem östliche« Sciteuthore ist mit einer großen 58 Skulptur verziert, deren unterer Theil nicht ganz genau mehr zu erkennen ist, die sich aber offenbar anf einen Sieg oder Triumph bezogen hat. Außer einigen, in späterer Zeit hinzugefügten, Berber-namen befindet sich jetzt an dem Gebäude keine andere Inschrift. Dagegen ist in einem runden arabischen Thurme oberhalb des Dorfes ein großer, mit einer lateinischen Inschrift versehener Stein als Querbalken benutzt worden. Dieser Stein ist unzweifelhaft von dem römischen Bauwerk genommen, und obwohl die aus neun Zeilen bc^ stehende Inschrift nur zum Theil mit Sicherheit gelesen werden kann, so ergiebt sich doch aus derselben augenscheinlich, das? hier neben einem doi-Au» —ein Wort, das hier vielleicht zum ersten Mal erscheint— das Standlager einer voxilditil, oder nia sooiurnn! war; es möchte scheinen, daß diese Befestigungen schon aus der Zeit des M. Aurelius Severus Antonmus (d. h. des Caracalla) herrühren. Damit läßt es sich wohl vereiuigeu, daß diese direkte und westlichste Straße nach Fesan und Djerma nicht vor der Zeit Vespasian's eröffnet wurde.— Die noch erhaltenen Reste der römischen Befestigung sind offenbar nicht ein in sich abgeschlossenes, selbstständiges Bauwerk, sondern sie bildeten nur dcu stark befestigten Eiugaug zum römischen Standlager. Von dem letzteren selbst war jedoch keine Spur mehr zu finden, cs lagen aber viele Quadern in: Dorfe nmhcr. Das einzige antike Gebäude, welches ich außer dem Thore fand, war eine Cistcrnc an ____ 59____ der Nordwestecke der Mauer, nahe an dem hier sehr abschüssigen Abhang des Wadi. Der erwähnte runde arabische Thnrm oder Nadhur hat unverkennbar in früheren Zeiten als Wachtthurm gedient, nm von seiner Höhe'durch warnende Zeichen anzndeutcn, wenn sich Freibeuter oder „djesch" in der Nähe blicken ließen. Dnrch solche Raubzügler, namentlich die Urfilla, scheint der Verfall des Platzes herbeigeführt zu sein, und gegenwärtig ist derselbe so heruntergekommen, daß er fast nur 30 waffenfähige Bewohner zählt. Außer Datteln (die Zahl der Dattelbämne dürfte etwa 350 betragen) wirb hier anch etwas Walzen und Gerste geballt. Die Karawanen vermeiden den Platz, weil das Wasser für ungesund gehalten wird. Die ganze Oase verdankt ihren Ursprung der unter einem Felsen hervorsprudelnden Quelle, deren Wasser 17^° C. warm war, während die ^uft 21^° C. Warme hatte. Gern hätte ich noch den verschwisterteu östlichen Ort Ghana e' scherkie besucht; aber es war nicht möglich, da wir am folgenden Tag von Tabonieh aufbrechen sollten. Nach den Angaben unseres Siutani-Dieners liegt dieses östliche Dorf von dem westlichen etwa 10 engt. Meilen entfernt und ist gleichfalls dnrch ein Dattclwäldchen nnd durch die Ruinen eines römischen Schlosses ausgezeichnet. Auf einem mehr nördlichen Wege, der anfällglich über eine ziemlich schwierige Passage führte, dann aber mit unserem gestrigen Pfad zusammenstieß, kehrten wir zn nnserem Lagerplatz beim Brunnen Tabonieh zurück. Overweg und ich beeilten uns hier, nnfere Vorbereitungen für die am nächsten Morgen beginnende Reise über die Hammada zn treffen, während Herr Richardson beschloß, mit seinen schlecht disciplinirten Schwarzen nnS in nächtlichen Märschen zu folgen, so daß während der nächsten Tage unsere Kasia getrennt war. Am nächsten Morgen (17. April) standen wir sehr zeitig auf und nach einigem Aufenthalt, der durch Zwistigkeiten der Kmneel-treiber veranlaßt war, begannen wir unseren Marsch. Wir stiegen allmählich längs der grünen Kvantrinne, welche an der Abdachuug des Hochlandes herabzieht, empor. Nicht ohne Bewegung nahm ich Abschied von dem römischen Grabmal, das hier wie ein einsamer Leuchtthurm von Macht und Bildung sich ans der meerähnlichen Fläche der wüsten Hochebene emporhebt; ich wnßtc zur Zeit nicht, daß ich selbst noch südlich von der Hammada ein Denkmal jener großen Nation sehen sollte. Nachdem wir das flache, noch mit „ghatuf" und „retcm" bewachsene ------ 60 ------ Wadi Leberet durchzogen und den gleichnamigen Hügel erstiegen hatten, befanden wir uns wirtlich auf der gcfürchteteu, Schrecken erregeudeu Hammada. Schon auf meinen tunesischen Wanderungen hatte ich mehrere Hammaden durchschnitten, hier aber hatte ich dic Hammada vor mir, die eine wohlbekannte heißglühende, wasserlose Hochebene, die sich in ungeheurer Ausdehnung durch diesen Theil Nord - Afrika's ausbreitet. Sic war die Ursache, daß die beiden früheren Expeditionen, Ritchie sowohl wie Ouoncy, den weiteu Umweg der östlichen Straße nach Mursuk machten, um die Schrecken des Wüsteuplateau's zu vermeiden. Dadurch, daß wir dieseu westlichen Weg über die Hammada einschlugen, haben wir selbst hier in so geringer Entfernung von der Küste gauz ueue Gegenden der wisseuschaftlichcu Kenntniß eröffnen können. Die Breite dieser steinigen und unbewohnten Wüste beträgt von Norden nach Süden etwa 15(1 cngl. Meilen, uud wir brauchten sechs starke Tagemarsche, vom 17. bis 22. April, bevor wir den nächsten wohlbekannten Brunnen el Hassi erreichten. Die durchschnittliche Erhebuug des Plateau's beträgt 1400—1500 Fuß. So verrufen auch die Hammada wegen ihrer erschrecklichen Nacktheit uud wegen ihres völligen Wassermangels ist, so entspricht sie doch nicht gauz deu Borstellungen, welche man sich in Europa von dem Charakter der afrikanischen Wüste zu machen Pflegt. Namentlich war ich überrascht, zn gewahren, daß sich in ihrer ganzen Ausdehnung hiu und wieder Stellen frischen, wenn anch spärlichen, Krantwuchses finden. Dieser Umstand ist sehr wichtig für die Ausdauer der Kameele, trägt aber freilich auch dazu bei, die Schnelligkeit des Fortkommens zu vermiuderu. Wir fanden, daß, währeud wir in der letzten Zeit gc^ wohnlich bis zu 2^ Meileu iu der Stunde gemacht hatten, wir hier auf dieser offenen Hochebene kaum zwei Meilen zurücklegten. Aber nicht blos Krautwuchs findet sich, wcuigstens zeitweilig, auf der Ham> mada, sondern anf einer grünen Stelle, „el Wucschteh" genannt, trafen wir sogar eine Gruppe freilich verkümmerter Palmen, und am folgrndeu Tage stießen wir anf einen einzelnen ärmlichen Talha-baum, der als „el Duheda" besonders benannt war. Auch das Thierleben ist in dieser Wüste sehr schwach und fast noch weniger ent-, wickelt als die Vegetation. Ich beobachtete hier den kleinen grünen Ammer, der nur von den doriiberziehcudeu Karawanen lebt, indem er das Ungeziefer von den Füßen der Kameele aufpickt. Nahe bei der erwähnten Palmengrnppe tödteteu die Kameeltreiber eine Anzahl jener giftigen uud gefährlichen Eidechsen, welche Bu-Kcschasch gcuanut werden. ------ 61 ------ Am 17. April lagerten wir nach einem mäßigen Marsche in einer kleinen Einsenkung, welche mit dem Djcderia genannten Gesträuch bewachsen war. Bald hernach erhub sich ein kalter Regcnwind, durch den wahrend der Nacht unser Zelt umgeweht wurde. Die folgende Nacht schliefen wir ohne Zelt, fanden aber die Kälte sehr empfindlich. Am 19. April ward die Einförmigkeit des Marsches ein wenig dadurch unterbrochen, daß uns zwei Karawanen begegneten. Um 1^ Uhr Nachmittags erreichten wir die höchste Erhebung der Hammada, 1568 Fuß über dem Meeresnivean; sie ist durch eine Halde bezeichnet und trägt den Namen „redjm el erhha" „das Zeichen der Steinhaufen". Wir lagerten uns in geringer Entfernung. Bald darauf fing ein su heftiger Sturm zu wehen an, daß die Schwalben, die unserer Reise^ gescllschaft bisher gefolgt waren, in unserem Zelte eine Znftuchtsstätte suchten. Aber auch hier sollten sie keine Nuhc finden; denn in der Nacht ward unser Zelt wieder umgeweht, während ein dichter Regen den Sturm begleitete. Am 20. April betraten wir den traurigsten und ödesten Theil der Hammada, welcher durch den Namen „el Homrah", „die Rothe", bezeichnet wird. Hier zweigt sich ein Weg zur Anlen ab, welcher nach dem östlichen Theil von Wadi Schati führt und früher die gewöhnliche Straße nach Fesan war, da die Räubereien der Urfilla die Straße über el Hasst unsicher machten. Am folgenden Tage, nachdem wir uns inzwifchen mit Richardson wieder vereinigt hatten und su die ganze Kafla beisammen war, erreichten wir die frischeste und größte Einsenlung der ganzen Hammada, welche Wadi el Alga heißt. Am sechsten und letzten Tag hatten wir bei geringem Wasservorrath noch einen weiten Weg zurückzulegen, bevor wir den Südrand der Hammada und den ersehnten Ärunnen erreichen tonnten. Aus diesem Grunde-brachen wir zeitig, noch in der Dunkelheit, auf. Nach etwa 12 Meilen Wegs erreichten wir den ersten Abstieg, der von der Hammada abwärts führt, aber für unsere schwer beladene Kafla zu steil war. Wir verfolgten also unseren Pfad, bis wir an den breiten Paß „tnie ei ardha" gelangten und nun anfingen, abwärts zn steigen. Eine rauhe, in gewundenem Vaufe tief eingerifsene Felsentluft führt zu der im Süden sich ausbreitenden Thalebene hinab und gab uns Gelegenheit, die geognostische Formation der Hammada zu beobachten. Die Gesammtmassc der steilen Seitenwände der Kluft besteht aus Sandstein; beim ersten Anblick würde ihn aber Jeder für Basalt gehalten haben; denn nicht nur die Seitenwändc, sondern auch ------ 62 ------ einzelne losgerissene Blöcke zeigten eine vollkommen schlvarze Oberfläche. Ueber dieser »nächtigeli Sandsteinschlcht, welche au einigen Stellen ein Thoulager mit Aeimischulig von Gyps deckte, ruhte eilte Schicht Mergel und auf dieser, als oberste Kruste, Kaltstein mit Kiesel. Nachdem wir uns eine volle Stnnde in der engen, von steilen Wänden eingeschlossenen Schlncht hingeschlängelt hatten,, erweiterte sich dieselbe etwaS; jedoch verlor die Landschaft noä, nichts an ihrem düsteren Aussehen. Begierig, den Brunnen zu erreichen, eilten wir drei Reisenden der etwas zersprengten Karawane voraus und ließen unS nicht dadurch stören, das; der Südwind uns den Sand in's Gesicht trieb. Wir hofften ein liebliches frisches Wäldchen zu finden, wo wir nach den Strapazen der Wüstenreise uus im Schatten behaglich ausstrecken tonnten. Aber wie bitter wnrdcn wir enttäuscht, als wir uns endlich dein Brunnen näherten! Der Sand ward immer tiefer, nud die weuigen tierliimmertcu Palmbüsche, die hier zu sehen waren, hörten am Bruuuen selbst völlig auf. Es war in der That ein trauriges Lager nach eiuem so ermattenden Marsche, nud nnr der (bedanke belebte uns, daß mm alle Furcht vor Wassermangel eiu Ende habe. Denn wir hatten jetzt den Brunueu „el Hassi" erreicht, den einen wohlbekannten Brunnen auf dieser Straße, wie die Hammada die eine wohlbekannte Hammada ist. Die „Durchglühte", die heiße, Wasser- und beinahe vegetationslose striuigc Hochfläche, die den Wanderer sechs lange Tagemärsche ohne Nast und in Gefahr zu verdursten vor-wärts treibt, und „der Ärnnnen", der ewig wasserreiche Brnnnen, der ihn an ihrem (5ndc empfängt, welch' ein Bild des Lebens dieser Weltgegend! Diese beiden Wörter schließen eine ganze Welt des afritanischeu Nomaden m sich. Wasser hat der Bruunen in Fülle, seine Umgebung aber ist eine so öde Sandwüstc, wie nur irgend eine zu fiildeu ist. Ohne Zweifel ist hier eine Einsenknng in der Thalcbene, und eine unter dem losen Sande liegende Fclscuschicht sammelt die Feuchtigkeit. Das ist die Natur eiucs „hassi". Der Brunnen ist 5.^ Klafter tief; sein Wasser hatte eine Temperatur von 32° C. und war im Vergleich mit dem salzigen Wasser von Tabouich gewisi sehr a."t. Die Höhe dieses PunlteS über dwi Meere beträgt 606 Fuß, nud wir waren also uou der Kante der Hochfläche etwa 760 Fuß herab gestiegen. In frühereu Zeiten war hier eine Art befestigten Chans, um die Karawanen gegen die Nanbzüge der Urfilla zu schützen. Der Hassi bezeichnet die Grenze zwischen der Regentschaft Tripoli „___ gg ___ und dem Baschalik Fesan, und wie er die Haminada und den nord-afriianischen Sauni abschlißt, so eröffnet er die Zone d^r Oasen und zugleich die der Wohnstätte der äthiopischen Racen. Denn alles Land südlich von hier gehörte ursprünglich, d. h. in der historischen Zeit des Alterthnms, zu Aethiopien, und nnr die Crodernng der Berbern und Araber hat diese ursprüngliche Bevölkerung gemischt. Ungeachtet der Platz im höchsten Grade unbehaglich war nnd auch nicht den geringsten Schatten but, hielten luir eö doch für nöthig, aus Rücksicht auf unsere Leute und auf die Thiere den folgenden Tag hier Rast zu halten. Erst am 24. April tonnten wir daher unsere Ncise fortsetzen. Von el Hassi theilt sich die Straße nach Mursuk in drei Arme; der mittlere, „trik e' ssafar", den die Kameel-trciber wählten, erwies sich als ein wüstes und grauseuhaftes Bild der wilden Wüste, gleichsam ein unvollendetes Gebiet der Schöpfung. Anfänglich war der Charakter der Landschaft milder, und das Auftreten von Granit gab hie und da dem Felsbodcn einige Abwechselnng. Auch einige Kräuter, namentlich das von den Kameclen so geliebte „schia" (^,rtomi8in, oäui-Hti^imn,), übcrwnchsen die Thalgründe. Bald aber traten wir in die in: höchsten Grade öde Negiou der Sandhügcl, die von felsigen Erhebungen uud Klippen niitcrbrochcn werden; zwischen diesen zieht sich der äußerst beschwerliche Pfad in mäandrischen ili'rüln mnngen hili. Wir wählten unseren Lagerplatz für die Nacht uahe bei einer hohen Granitmasse, „el Medal", von deren Gipfel ich eine interessante Anssicht über diese eigenthümliche Gegend genoß. Am folgenden Morgen führte uns eiu kurzer Marsch zu der gepriesene» Thalüffnung „Schabet c' talha", dann aber erstiegen wir eine kahle und öde felsige Ebene, nnd die rings nmher sich erhebenden Wände von schwarzem Sandstein verliehen der Gegend nur einen noch wilderen Charakter. Erst an: nächsten Morgen (26. April) gewährte das Wadi Siddre, in welchem einige Talhabäume Nahrung finden, eine kleine Abwechselnng. Mittag war vorüber, als wir in der Ferne das Dattclwäldchcn des Wadi e' Schati oder Schiati erblickten, nnd wir eilten vorwärts, nm ans der glühend-heißen und bleudendeu Sandwüste hinaus zu gelangen zn diesem schönen, frischen Kulturstreife'n, der anmuthige Schattcnkühle versprach. Denn das Wadi Schiati (der Thalspalt) und das vier Tagereisen südlicher gelegene kurzwcg „cl Wadi" geuannte Thal sind die beiden großen Lebensadern des Gebiets von Fesan. Nachdem wir bei einigen wilden Palmen, die in vereinzelten Gruppen ganz sich selbst ____ 64 ____ überlassen sind, vorbeigekommen waren, folgte ein Gürtel nackten schwarzen Bodens, mit einer weißlichen Salzkruste überzogen. Dann gelangten wir in das freundliche Thal nnd wählten nnseren Lager-platz zwischen Dattelbänmen nnd Kornfeldern nahe bei dem größten Quellbrnnnen am Nordwestfuß des malerischen Stadthügcls von Ederi. Hier im Nadi Schiati vereinigt sich unsere westliche Straße mit der früher von Oudney eingeschlagenen östlichen. (5'ine seltene nnd eigenthümliche Erscheinung in diesem Vandstriche ist die auf dem Gipfel eines steilen, terrassenförmigen Felshügels gelegene Stadt Eberi. ^hrer vortheilhaften Vage wegen hat die Stadt von jeher eine große Bedeutung gehabt, uud sie hat sich dieselbe zu erhalten gewußt, bis vor etwa 17 Jahren die Tyrannei Abd el Djelil's, des kriegerischen Häuptlings der Uelad Ssliman, den unabhängigen Sinn der Bewohner brach. Die alte Stadt anf dem Gipfel des Felsens wurde zerstört, und da unter der gegenwärtigen ruhigen, wenngleich aussaugendrn Regierung der Ossmanli Äefestignngen nicht mehr für nöthig erachtet werden, so hat man das neue Dorf an den nördlichen Fuß des Hügels verlegt. Wir durchschritten dasselbe und erstiegen dann die steilen, engen Straßen der alten Stadt. Bon dem höchsten, etwa 1W Fuß über die Thalsohle sich erhebenden Punkte gewannen wir einen interessanten Blick über den größeren Theil des Thales, in welchem sich ein Bild der eigenthümlichsten Gegensätze vor uns entrollte: hier dcr an seiner Oberfläche geschwärzte Sandstein, oft Hügel von bedeutender Ausdehnnng bildend, dort grüne Felder von Walzen und Gerste mit einzelnen Feigenbäumen; hier ein großer Dattelhain, dcr in langen, engen Streifen sich über einen weiten Naum erstreckt, dort die hohen Sandhügel, welche das Thal im Süden be^ grenzen; hier der kahle schwarze Boden der Thalsohle, mit weißlicher Salztruste überzogen, dort der ganze Grnnd mit dichten, Krautwnchs bedeckt. — Bemerkenswerth sind an der steil abfallenden Südseite des Stadtfelsens die schon von Oudncy erwähnten Höhlen, die in ovaler Gestalt in dem Konglomerat ausgearbeitet sind. Die rings umher zerstreuten Gruppen von Palmen könnten, wenn mehr Sorgfalt darauf verwendet würde, in der That eine liebliche Pflanzung werden; denn Wasser ist hier in Fülle vorhanden. Doch müssen diese Anlagen durch Abd el Djelil sehr gelitten haben, wenn anch die Angabe der An^ wuhner, daß er 6000 Bäume habe niederschlagen lassen, sehr übertrieben sein mag. Wir rasteten einen Tag an diesem lieblichen Platz, und ich be- — 65 ^— nutzte denselben zu Spaziergängen in der Pflanzung und zu Erkundigungen über die anderen Theile dieses Thales. Unter den zahl reichen Dörfern desselben scheint Meheruga das voltreichste zu sein; dagegen hat Abrät den Vorzug einer Schule. Am 26. April verließen wir uusercu malerischen Lagerplatz bei Eden und gelaugten in vier Tagemärscheu iu das große, „Wadi Gharbi" oder einfach „el Nadi" genannte Thal. Dieser höchst beschwerliche Weg führte uns fast ununterbrochen durch tiefe uud steile Sandhügel; doch entbehren diese keineswegs ganz und gar der Vegetation, ja sie erzeugen sogar au einigen günstigen Stelleu Gruppen von Palmbäumen, die ihre bestimmten Eigenthümer habet«. Die bedeutendste aller mit Patinen geschmückten Einsentungen in diesen hohen Sandwäuben ist Wadi Schinch, das in der That einen interessanten Anblick gewährt: ein ganz schmaler Streifen von Palmbänmen, zwischen hohen, bergartig aufsteigenden Dünen feinen weihen Flugsandes versteckt; einige Bäume auf dem Gipfel tleiuer Hügel, von anderen iu den Höhluugeu begrabenen kaum uoch die Krone sichtbar. Am folgenden Tage (29. April) war unser Marsch noch beschwerlicher. Die Sandhügel waren oft so steil, daß die Kauten der Abhänge mit den Händen abgeflacht werden mußten, um den Kameeleu das Austeigeu zu ermöglichen. Einer uusercr Kameeltreiber, Mohammed ben Sbeda, theilte mir mit, daß dieser Sandgürtel sich von SW. nach NO. von Duessa bis Fukta (5 Tagereisen diesseits vou Ssokua) erstrecke. Auch behauptete er, daß die Sanbhiigel in der Richtuug der Natronsee'n noch viel höher und beschwerlicher seien. Die ermüdende Anstrenguug des heutigen Marsches ward noch gesteigert durch die furchtbare Hitze. Der Sand war so glüheub heiß, daß es kaum möglich war, langsam über ihn hinweg zu gehen; so bedeutend branute er durch die Schuhe. Ein auf einen Augenblick in den Sand gegrabenes Thermometer stieg alls 45° C. Obgleich über die direkte Straße nach Mursuk keiu Zweifel obwalten konnte, so entstand doch heute ein Streit über den Weg, der einzuschlagen sei, und das Resultat war, daß wir den Weg über Ugrefe wählten. Diese nicht unbedeutende westliche Abweichung vun der geraden Straße ward dadurch veranlaßt, daß mehrere uuserer Kameeltreiber aus Ugrefe waren und ihr geliebtes Heimathsdurf zu besuchen Wünschtm. Nachdem wir die Nacht im Wadi Mukmeda im Schatten eines wilden Palmbusches gelagert hatten, setzten wir am 30. April unseren Vllich'a Reisen. I, o ___^ 66------ Marsch durch dic Region der Sandhügel fort. Ein Wäldchen von Dattelpalincn schmiickte Wadi Djemal, nnd hi« besaß einer nnseror Kaineeltreiber ein ganzes Magazin (40 Kameelladnngen) Datteln, welche von der „tefssirt" genannten Art, von bedeutender Größe und ausgezeichnetem Geschmack waren. Nachdem wir lins hier etwas er< friscbt Iiatten, gelangte» wir an den steilsten Anstieg dieser ganzen Sandwüste, über den selbst mein kräftiger Bn-sscfi mich nicht hin^ übertragen tonnte, so das? ich absteigen mnßte. Obgleich inan nns versicherte, daß mit diesem mächtigen Sandrnckeu jede schwierige Passage überwunden sei, so folgten doch noch andere beschwerliche Stellen. Wir lagerten endlich im Wadi Tigidefa bei zwei znsammensteheuden Palmbänmen uud neben einem reichen Brunnen lnit gnteiu Wasser; der Lagerplatz hatte Nlir den Fehler, daß der ganze Boden, wie es oft an solchen Stellen der Fall ist, mit ktaineelwanzen bedeckt war. Am 1. Mai brachen wir früh Morgens bald nach 2 Uhr auf nnd machten einen mehr als zwölfstündigen nnnnterbrochenen Marsch, nin endlich ans den Sanddünen in das Wadi zn gelangen. Nach sieben Stlmden erblickten wir znerst die steilen nnd jähen Felswände, welche die Südseite desselben begrenzen. Sie bildeten einen interessanten l^egensal? gegen die weißen Sandhügel im Bordergrnnde; ihre horizontale schwarze Vinie, die nach beiden Seiten hin schwächer und schwächer wnrde, veranlaßte das trügerische Bild eines See's in weiter Ferne. Gegen Mittag schlng der kühle Ostwind, der nns bisher erqnickt hatte, in einen heißen, ermattenden Südwind nm. Um Mittag hatten wir eine Temperatur von 3'.)° (5. Endlich gegen 2 Nhr Nachmittags erreichte ich, der Karawane vorauseilend, den Rand des Wadi nnd bald darauf den Brnnnen Moghras am Fnßc zweier Palmbänme. Hier saß eine Frau mit zwoi niedlich gekleideten Kindern; sie gehörte zu den Asgar Tnareg, einem Stamme, der seine Wohnsitze jetzt weiter im Westen hat, aber, wie flar nachgewiesen ist, erst allmählich aus den Gegeudeu Libyens, an den Grenzen Cyrenail'a's, über diese Gegenden Fesans dorthin gedrängt worden ist, so daß diese Familien im Grunde nur wieder ans ihren öderen neueren Wuhnsitzen in die fruchtbareren älteren zurückgelehrt sind. Die ^eutc führeu hier ein patriarchalisches ^cben, haben sich leichte Hütten ans Palmblättern gebaut und treiben itameel nnd Schaaf zucht, obgleich einige von ihnen in großer Armnth leben. In der That ist fast lein Dorf im Wadi, wo nicht diese Tnareg außerhalb des Paliuenwäldchens eine Art von Borstadt, ans der erwähnten Art von leichten Hütten gebildet, auf dem nackten Boden der Thalsohle gegründet hätten. Bei alleden» halten sie die Faunlienbeziehunqm zll ihren Stammbrüdcrn bci Nl>at aufrecht nnd leisten in gewisser Hinsicht den Befehlen des Stanlmhällptlings Nachnuchen Folge. Daß diese Verhältnisse bei einen: Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen Türken und Tuareg für Fesau sehr ungünstig werden müßten, ist augenscheinlich. Nachdem wir einen Gürtel von Salzinlrnstation, der sich in der Breite von mehr alö einer halben englischen Meile durch die Mitte des Thales zieht, passirt halten, erreichteu wir endlich das gefeierte und ersehnte Dorf Ugrefc. Es besteht aus 3() medrigeu Wohnungen, die alle in leichtem Style aus ^ehm und Palmzwcigen geballt sind. Neben zwei herrlichen Cthclbämneu, den größten, welche ich je gesehen, wählten wir unsercu Lagerplatz, nnd als die Zelte aufgeschlagen waren, gewährte das Vager in der That, wie die vorstehende Skizze nur mwolltummen andentet, einen höchst freundlichen Anblick. Am nächsten Morgen streifte ich in den Pflanzungen umher. Das iiorn stand ausgezeichnet uud ward eben eingeerntet. Nahe bei unserem ^ager waren zwei Negersklaven daunt beschäftigt, es zu schneiden, während drei oder vier Sklavinnen es nach den Speichern trugen. Sie begleiteten ihre Arbeit mit Gesang. Die Negrr waren 5» starke junge Bursche, die Weiber indeß ziemlich häßlich; nur eine zeichnete sich durch eine hübsche Figur aus. Durch ihre nnauständigen Bewegungen ließen sie nns anf die leichtfertigen Sitte>l dieser Gegend schließen und bestätigten den üblen Ruf, iu Welchem Wadi Gharbi wegen der Freiheiten steht, die seine weiblichen Einwohner den jährlich auf ihrcln Wege von oder nach Aietta dllrch das Wadi ziehenden Pilgerlarawanen gestatten. Später machte ich zn Esel einen Ausflug in den östlichen Theil des Thales, um mich zu überzeugen, ob M-Djerma identisch sei mit dem Garama der Römer, und um das von Ouduey beschriebene römische Grabmal aufzusuchen. Die Stadt Alt-Djerma ist seit langer Zeit verlassen; der ganze Umfaug derselben beträgt 5000 Schritt, die Südseite allein ist 1500 Schritt laug. In der Nähe der Stadt sind dnrchaus leine römischen Ruinen, uud ich mußte, um das römische Grabmal aufzufinden, weiter nach dem Dürfe Tuasch geheu. Hier fand ich einen Führer, der mich zu dem Denkmal begleitete. Es liegt iu eiuer Vucht der südlicheu Thalwaud uud ist leidlich gut erhalten. Es ist nur ein Stock hoch und scheint anch nie höher gewesen zu seiu. Die Basis, deren Seiten etwa 7 g Fuß messeu, schließt eiue geräumige Grabtammer eiu. Vou dem Haupttörper des Mo uuments lnesscu die nördliche uud südliche Seite 5 Fuß l-^ Zoll, die westliche und östliche aber 7 Fuß. Die Ecken siud mit toriuthischeu Pfcilcru geschmückt. Dieses ist das südlichste bekannte Denl'zeichen der Macht jenes großen Voltes; und es ist iu der That eiue merkwürdige Erscheinnng, daß die Nömcr schon vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung bis zu diesem Punkte durdrangen; denn im Jahre 19 vor Ehr. hielt V. Eoruelius Balbus, der Eroberer von Eydamus (Ghadames) uud von Garalua (Djcrma), seiueu Triumph-eiuzug. iu Rom. Auf eiucm direkteren Wege kehrte ich ziemlich ermüdet uach uusercm Vager zurück. Overwcg hatte nnterdeß die höchste Spitze der Felswand, welche die südliche Grenze des Thales bildet, erstiegen und sie 1U05 Fuß über dem Meere oder 413 Fuß über unserem Lagerplatz gefnnden. Am folgenden Tage (3. Mai) kamen wir nicht vor 4 Uhr Nachmittags fort nnb machten deshalb nur einen kleinen Marsch. Wir zogen in östlicher Richtuug im Wadi fort uud betraten znerst das Palmenwäldchen von Neu-Djerma; die Bäume wareu hier au deu Wurzeln mit dichtem Palmgcstrüpp umgeben und schienen fast ganz ------ 69 ------ der menschlichen Pflege zu entbehren. Aber wie malerisch anch dieser Anblick sein mochte (denn die Palmbä'ume sind in ihrem wildesten Znstande immer am lnalerischstcu), so erweckte er doch eine ungünstige Meiuuug von der Industrie der Einwohner von Ncu-Djerma. Anch soll dieser verfallene Ort don nicht mehr als IN Familien bewohnt sein. Mchdrm wir noch einige andere Wäldchen nnd Dörfer dassirt hatten, lagerten wir am Eingang des Haines von Tewiwa, unmittelbar bei dein gleichnamigen Dorfe. Auch dieser Ort machte mit seinen eingefallenen Manern den Eindruck eines halbverlassenen Platzes, und überhaupt ist Verödung nnd Entvölkerung der allgemeine Charakter von Fcsan. Eiuigermaaßen läßt sich dies vielleicht dadurch erklären, daß die ^eute nach dem Sndan auswandern, um sich dem türkischen Militärdienste zu entziehen, gegen den sie eine so unttber^ windliche Abneigung haben, daß sie sich lieber Zähne ausschlageu und sich halb blenden. Wir waren am nächsten Tage (4. Mai) ebm im besten Zuge, als plötzlich uahe beim Dorfe Tekertiba die Karawane ans ungenügenden Gründen Halt machte. Um nnn die Zeit nicht nutzlos zu ' verlieren, erstieg ich einen von der Südwand des Thales vorspringenden steilen nnd schmalen Felsrücken nnd gewann hier einen Ueberblick über ein die interessantesten Gegensätze vereinendes ?andschaftsbild: hier der frische grüne Thalbodcn voll reich aufsprossender Vegetation, jenseits desselben, ihn hart begrenzend und mit Zerstörung bedrohend, die blendend weiße Wand der hohen Sandhiigel. Von hier ging ich zu den Pflanznngrn von Tckertiba hinab und beobachtete, wie junge Arbeiter beschäftigt waren, Wasser aus deu großen, teichartigen Brunnen zu ziehen. Sie bedicucu sich dazn eiuer Art von Bnmnengerüste oder Ziehbruuncn, die, aus den mächtigsten Pallnstämmen gebaut, eine Höhe von 60 bis 80 Fuß haben, und die durch Esel in Bewegung gesetzt werden. Das Dorf Tekertiba selbst ist nächst Mari das bevölkertstc im ganzen Thale, aber gleichwohl uur vou höchsteus vierzig Familien bewohnt. Mit vieler Mühe ward uuserc kleine Kafla endlich an, Nachmittag wieder in Bewegung gesetzt, und wir verließcu das Wadi durch einen Paß, der einst vou Manern vertheidigt gewesen zu sein scheint. Von hier betraten wir am 5. Mai das Hochland von Mursuk, dessen durchschnittliche Erhebung der Hammada ziemlich gleichkommt. Im Allgemeinen ist dasselbe mit Ausuahmc weniger grüner Thal-senkuugeu und kleiner Dattelwälder sehr öde und wüst. Wir lagerten ------ 70 ------ am 5. Mai bei der Pflanzung Kon Aghcir, und da wir Alle den lebhafteu Wunsch hegteu, am nächstell Tage dir erste große Station unserer Reise zn erreichen, so wareil wir schon früh iu voller Thätigkeit, und imch angestrengteln Marsche gelangten wir bis au die Mauern von Mnrsut; wir nmzogeli die ganze West> und Nordscite der Stadt, weil nur das östliche Thür groß genug für eiue Karawane ist. Hier elnftfing uns der englische Agent, Herr Gagliuffi, und in seinem Hause fauden wir eiu behagliches Unterkommen uud freundliche Aufnahme. Ich sah voraus, daß wir läugere Zeit iu der Hauptstadt von Fesmi würden verweilen müssen. Denn die Verhandlungen mit den Tuareg. Häuptlingen, nuter deren Schutz wir unsere Reise fortscheu sollten und die wir erst von Rhat Hieher tommen lassen mußten, tonnten voraussichtlich nicht iu wenigen Tagen zu Ende geführt werden, Ich benutzte dieseu Aufenthalt hauptsächlich znr Aufarbeitung meiner Aufnahmen über den ersteu Theil unserer Reise. Das Baschalit Fesau besteht zwar zum größten Theile aus uu-frnchtbarem Boden, enthält aber doch auch zahllose schr schöne Kul-wrsteeleil und hat eine überaus günstige Lage für Handelsbeziehungen mit deu verschiedensten Gegenden dieses Erdtheils. Es klingt daher fast nuglaublich, daß diese weite Proviuz gegenwärtig nur eiue Bc-dölterllug vou weniger als 60,000 Sccleu eruä'hrt. In allen Orten Feslius stellt sich drin Nriseudeu dasselbe Bild des Verfalls und gänzlicher Berin'muug dar. Iu der That siud die eiuzigeu 'iDrtc, welche noch einigermaaßcu das Ansehen von etwas Wohlhabenheit uud Leben haben, Ssolim uud Mnrsnf. Die Stadt Mursut selbst hat einen Umfang von nicht ganz zwei euglischeu Meilen. Die Mauern sind ails ^ehm gebaut, der ganz vou salzigen Inkrustationen glimmert, und sind mit runden und eckigen, znm Theil schlecht erhalteneu Bastionen versehen. Von den drei Thoren der Stadt ist das östliche das Hauplthor, das westliche ist vou geringeren! Umfange uud das nördliche sehr llciu. Die Südseite hat leiu Thor und ist von Abd el Djelil sehr eingerückt. Gleichwohl ist die Stadt noch viel zu groß für ihre geringe Einwohner, schaft, die sich mit Einschluß der Garnison von 400 Manu nur auf 2800 Seeleu belaufen soll. Der größte Theil der Stadt, namentlich in einiger Entfernung vom Bazar, ist nur düuu bevöltert und halb verfallen. Eiuc charakteristische Eigenthmulichteit, welche deutlich zu erkennen giebt, daß Mursut mehr verwaudtschnftliche Beziehungen zum ------ 7, Sltdlln als zu dm bänden, der Araber hat, ist die geräumige Esplanade oder »dendal^, die sich vom östlichen Stadtthore bis znm Kastell erstreckt und den Haupttheil der Stadt luftiger, aber auch der Hitze unendlich mehr ansgeseht macht. Der Bazar ist natürlich das besuchteste Qnmtier und er gewährt mit seinen ans Palmstämmen ruhenden Hallen, welche, sich zu beiden Seiten des inneren Theiles des Dendal hingehen, einen beqnemeu Platz für Ein- und Verläilfcr. Die Kabbah hat Niancrn von nngehenrer Dicke und nnr kleine Gemächer. Der äußere Hof derselben ist ausgezeichnet durch eine fnr dies Land recht stattliche Kaserne oder „kischlah", ein großes viereckiges Gebäude mit einem geräumigen Waffenplatz im Innern. Dieselbe soll 2M0 Mann beherbergen können, obwohl gegenwärtig, wie schon bemerkt, nur ^<>l) hier einquartiert waren. Diese Truppen haben gute Wohnnng und 5tost, in der That weit besser, als durchschnittlich die übrige Bevölkerung, und doch fiircktcn die Fesaner nichts mehr als den Militärdienst und suchen sich demselbeu alls jede mögliche Weise zu entziehen. Die äußere Erscheinung der Stadt im Ganzen macht keineswegs einen Übeln Eindruck und hat sogar etwas Malerisches. Dagegen macht die außerordentliche Truckenheit den Platz zn einem überans unerfrcnlichen Wohnort. Mursuk liegt iu einer „Hofrah" oder Ein^ senlmig des Plateau's, welche von einem leicht ansteigenden Sandrücken umgeben ist. Diese eigenthümliche ^age schließt alle reinigenden Vnftbewegnngen aus; der nur sclteu von schwachem Negcn befeuchtete Sandboden erfüllt die Vnft stets mit Saudtheilcheu, welche die Gluth der Sonnenstrahlen in hohem Grade vermehren müssen. Zugleich verftesteu die Salzbecken am nördlichen Nande der Stadt, in denen sich stets eine Änsammlnng von faulem stagnireuden Wasser befindet, die Vnft mit nugesnnden Dünsten. Der Mensch kann der drückenden Hitze nicht anders entfliehen, als iu den kühlen Hallen seiner Be-hausnug, und er findet leine Erheiterung als iu sinnlichen Genüssen. Besonders ist der starke Gennß des Palmweins zum richtigen Ber ständuiß der im Orte vorwiegeudcn Fieber wohl in Anschlag zn bringen. Selbst die Pflanzung, welche die Stadt iu gauz unsymmetrischen und llngeordneteu Anlageu umgiebt, hat ebenfalls diesen heißtrockeuen Charakter. Nur an wenigen, von Dattelbänmen dichter beschatteten Plätzen sind Hrnchtbäume angepflanzt, wie z. B. Granaten, Feigen und Pfirsiche; Gemüsearten außer Zwiebeln sind ungemein selten. ------72 ^------ Milch, mit Ausnahme einer sehr beschränkten Menge von Ziegenmilch, ist ganz uucrschwingbar. In Bezug auf den Handel ist die Stellung von Mursnk insofern eine ungünstige, als es nur ein Zwischenplatz, aber nicht der Sitz reicher Kaufleute und eines bedeutenden selbststäudigeu Handels ist. Die auswärtigen Kaufleute nehmen den für ihre Waaren eingehandelten Preis mit sich hinweg; die Medjabera bringen ihren Verdienst nach Djalu, die Tebu oder Teda nach Bilma uud Boruu, die Leute von Tauat nach ihrcu jedesmaligen Hcimathsorten. Nur wenige der hauptsächlichsten Kaufleute von Mursuk sind daselbst dauernd angesessen. Daher mag es auch kommen, daß ein frisches Volksleben hier gänzlich fehlt, obgleich einige der wohlhabenderen Einwohner ein angenehmes häusliches ^'cbeu zu führeu scheiucn. Ucbrigens kann man auch in anderen Theilen des weiten osmanischcn Reiches bemerken, wie unter türkischer Herrschaft alle nationalen Volksbelustigungen ein Eude haben und wie das Lebeu der Bürger nur träge dahinschleicht. Der Gesammtbctrag dcö alljährlichen Umsatzes in Mursuk beläuft sich auf etwa 100,000 österreichische Thaler; davon kommen sieben Achtel auf den Sklavenhandel, so daß die Folgen der Abschaffung dieses Handels für Mursuk ganz unberechenbar sind. F'. Viertes Kapitel. Von 3Uursuk lii 8 Rljal. Von Mursuk führen zwei Hauptstraßen nach dem Süden, die direktere östliche durch das Gebiet der Tcbu über Äilma nach Kukaua und die weitere westliche durch das Laud der Tuareg über Rhat und Air nach Katsena und Kano. Die letztere ist für den Handel die bei weitem günstigere; denn während auf ihr die Tnareg stets bereit sind, irgend welche Anzahl von Kamcelen zum Waarentransport zu liefern, und dabei Sicherheit verbürgen, ist die Straße nach Bornu in so unsicherein, gefährdeten: Zustande, daß der Kaufmann seine Waaren mit seinen eigenen Kamcelen nnd auf eigene (Gefahr hin transportireu muß. Ans diesem Grunde, und nm das interessante Gebirgslaud Air oder Asben, das noch nie von einem Europäer betreten war, zu erforschen, wählten wir den wcstlicheu Weg. Um diesen aber mit einiger Aussicht auf Sicherheit verfolgen zu können, mußten wir nothwendig unter den: Schutze eines mächtigen Häuptlings stehen. Nun befand sich gerade damals in Mnrsuk ein Mann, wie von der Vorsehung gesaudt uud vollkommen dazu geeignet, als Vermittler zwischen uns uud den zunächst zu betretenden Ländern zu dienen. (5s war dies Mohammed Äoro, mit dcm Titel „sferki n turaua«, „Herr der Weißen". Er wohnte gewöhnlich in Agades und stand, wenn er auch augeublicklich uicht das Amt, dessen Titel er trug, bekleidete, doch iu den nächsten Beziehungen zum Sultan von Agadcs. Er hatte außerdem ein Haus und diele Verbindungen in Ssokoto und war überhanftt ein Mann von großem uud weit^ reicheudcm Einfluß. Er war daher, wie sich im weiteren Verlauf nnserer Reise nur zu deutlich zeigte, vollkommen im Stande, uns je nach feiner Neigung zu schaden oder zu nützen. Er war gerade auf seiner Heimreise von einer Wallfahrt nach Mekka begriffen und war uns von Hassan Bascha, dem früheren Statthalter von Fcsan, der __^. 74____ die politischen Verhältnisse des Sudan sehr geuau kannte, auf's Angelegentlichste empfohlen. Allein der englische Konsul, Herr Gagliuffi, unterschöbe die Wichtigleit dieses Mannes; zwar versicherte er ihm, daß Erfolg und Wohlfahrt unserer Expedition gänzlich in seine (Mo> hammed Boro's) Hände gelegt sei, zugleich aber bewies er ihn, dnrch daS armselige Geschenk, das er ihm mit einem ziemlich magern Schaaf nnd einem tleiin'N Hut Zucker machte, eine Mißachtung, welche diesen einflußreichen Äiann, statt uns seine Freundschaft zu gewinnen, außer^ urdeutlich gegeu uus aufbrachte. Dagegen hatte Herr Gagliuffi gleich nach unserer Aukuuft an die Häuptlinge der Asgar-Tnareg in Nhat geschrieben nnd sie eingeladen, nach Mursut zu kommen, dauüt wir uutcr ihrem Schntze unsere Ncisc fortsetzen könnten. Abgesehen davon, daß dnrch ein solches Verfahren die Ansprüche dieser und der benachbarten Häupte linge bedeutend gesteigert werden mußten, stellte sich später heraus, daß die Häuptlinge von Nhat jenseits ihres Gebietes gar keinen Schntz gewähren tonnten, sondern daß man die Gunst der verschiedenen, oft einander feindlich gegenüberstehenden Tuaregstämme, dnrch deren ^and die Reise ging, dnrch schwere Opfer crkausen mußte, uud dabei mcht einmal genügende Sicherheit für das ^ebeu gewann. Auf der westlichen Sndanstraße ist der Trauspurt der Waaren fast ganz iu dcu Händen der Tinylkum, eines Tuaregstamines, der seine Wohnsitze westlich von Mursuk hat; auch im Wadi wohnt eine große Anzahl derselbeu, und eine andere Abtheilung hat ihreu Wohnort bei der Stadt Sscb-Ha, zwischen Ssokna nud Wtursuk. Der ganze Stamm umfaßt etwa 350 — 400 Familien, welche im engsten Ver^ bände leben mid wie mit einer Seele handeln oder — um in ihrem eigenen Bilde zu red^n — „wie Mehl, das durch die vielfachen Löcher eines Siebes in einen nnd denselben Topf fällt". Dennoch aber ziehen sie znweilen eine hübsche Fesanrrin in ihre Familienver-binduug hineiu, uud so ist ihr Blut nicht ganz unvennischt geblieben, obwohl einige Familieu eiuen gauz reineu Verbercharalter bewahrt habeu. Sie gehöreu einer strengen, von Mohanliued e! Äie-dani gestifteten, mohalumedauischen Eckte an, dereu ^ehve sich besonders durch die Abschaffnug der Verehruug der Heiligen auszeichnet. Diese Tinyltnm iibevuahlnell die ^oltschasfllug uuseres Gepäckes, und sie waren uuscre Führer uud Begleiter alls dem gau;eu Wege von Mnrsul bis Air, ja einige von ihnen sogar bis >tauo. Sie betricbeu die Abreise mit Uugcduld. Hndeß wareu die Hänptliugc ____ 7Z ____ aus Rhat noch iimner nicht angekonnnen, und Richardson wollte Mursut nicht verlasen, so laug».' nicht uut ihnen ein Al'konuuen über den uus zu gcwä'hreudeu Schutz getroffeu war. Auch mir war es vollkommen klar, daß, wenn ich auch vorher von Niuvsnl aufbrach, ich doch uiu tciue Stuude früher unser Ziel erreichen wüvde. Doch vertauschte ich gcru unser bequemes Quartier iu Gagliuffi's Hause mit dem Zelte; dcuu ich habe es mir zum Grundsatz gemacht, vor dem Autritt einer langen Reise mich an die Entbehrungen uud au die Sonnenhitze erst allmählich zu gewöhnen uud dou plötzlichen Ueber-gang vom städtischcu Stillleben zu dcn Strapazen der Reise zu ver-meidcu. So verließen Overwcg und ich aiu 13. Iuui Morgens, die Stadt, begleitet vou Herrn Ga^liusfi uud eiui^en befreundeten Eingeborncn. Uuser Abschied vom englischen Agenten war herzlich. Er hatte uns gastfreundlich aufgenommen uud bewirthet uud hatte mit der lebhaftesten Theilnahme die Zwecke der Expedition zu fürdcru gesucht. Daß er bei der Aeferuug der Waareu, mit deueu er die Expedition zu Verseheu hatte, auch seinen eigenen kaufmännischen Vortheil im Auge behielt, war uns allcrdiugs iu der Folge höchst nachtheilig, ist ihm aber doch in sriuer Stelluug nicht zu hoch anzurechnen. Wir hielteu mW in westlicher Richtung im Allgemeine» auf dcm-selbeu Wege, auf dem Kur uach Mursut' get'ommen warcu. Währeud der Mittagshitze lagerten wir im Schatten der kleinen Pflanzung von Serghan nnd labten uns an dein köstlichen Wasser der »iahen Onellc. Wir hofften, nnser Gepäck, welches schon vor mehreren Tagen zur Stadt hinaus gebracht war, iu „Om el hammam" zu finden, wo wir nahe bei dem halbverfallenen und verlassenen Dorfe uuser Zelt aufschlugen! allein uusere Kamceltrciber waren bereits weiter gezogen, nach ihrem hemmthlichen Dorfe Tigger-urtiu oder Tigger-odc. Wir folgten ihnen dahin am nächsten Morgen, indem wir beinahe eineu rechten Winlel gegen Norden zu machten. In Tigger ode blieben wir bis zum 19. Juni Morgens, um den Rest uuserer Reisegesellschaft zu erwarteu. Diese Tage gehärteu zu deu heißesten, die wir überhaupt auf unserer Reise hatteu, denn am 14. Juni um 1^ Uhr Nachmittags hatteu wir 43° C., am 1ü. Iuui um Mittag 44° E. ulld am 17. ^uui gcgeu 2 Uhr Nachmittags 46" E. Jedenfalls erhielten wir hier eineu Vorgeschmack vou dem, was uus bevorstand. Mohammed Boro, der Mnrsuk schon vor uns verlassen hatte, war auch hier gelagert. Wir machten ihm einen Besuch uud hörtcu ------ 76 ------ da von ihm, daß er, auf unS wartend, seinen ganzen Vorrath von Lebensnu'tteln verzehrt habe. Wir suchten ihn zu beruhigen und schickton ihm eiue hübsche Menge Datteln und Korn. Ich benutzte die Zeit des Wartens zu Streifereirn und Spazicr-aängen in der Uingegend von Tigger. urtin. Dieses von Tinnllnm bewohnte Dorf ist Mi; aus Palmzweigen gebaut. Ich beobachtete, hier manche lebhafte und interessante Scene. Während die Männer auf einem nahen Hügel ihre (Gebete verrichteten, waren die Frauen eifrig beschäftigt, Vurrä'the für die bevorstcheude weite Reise ihrer Ehemänner in Bereitschaft zu setzen. Zwischen beiden Gruppen spielten heiter die Kinder. Der ^anptreichthum dieser?eute besteht in Kaiure^ len; außerdem besitzen sie noch eine beträchtliche Menqe von Tchaafen. Während meiner verschicdeneu Ausflii^c durch das Thal fand ich in qcriiMr Entfernung ^eqen NW. einige sehr schöne und male^ rische Palmbaumgruppe». Das ^.Vl'alerischste jedoch war das alte, anö Lehm erbaute Dorf, welchw, obwohl gänzlich vorlassen, doch von einer dichten Gruppe Dattelbäume riiu-zs nmgebeu war. Ich zeichnete die vorstehende Ansicht desselben. Am 17. und 18. Juni wm endlich der größte Theil unserer Reisegesellschaft und unseres Gepäckes au. Nnr die Tnareg Häupte linge fehlten noch, bannt unser Zug sich definitiv iu Bewegung setzen tönue. Am 19. Iuui Morgen« brachen wir auf; unser Zug ge- ------ 77 ------ Währte einen lebensvollen, anregenden Anblick. Denn während die schlaffe Gewohnheit der Araber, ihre Kamecle ganz nach Gefallen rechts nud links abschweifen zn lassen, für den Reisenden änßerst er müdcnd ist, hat es dagegen etwas Ermuthigendes, wenn die ganze Reihe Kameele, eins an das andere gebunden nnd alle von einem Manne geführt, ohne Halt und Unterbrechung in gleichmäßigem Fortschritt dahin zieht. In diesem Gebrauche der Böller des Innern liegt ein tiefer, Ernst, welcher sich der Seele des Reisenden mittheilt. So zogen wir dahin — das Gesicht noch nicht nach dein ersehnten Süden gewandt, soudern nach Westen; aber auf diefem Wege eben konnten wir hoffen, bald in neue, noch uuentdcckte Gegenden zu gelangen. Wir hielten nns am Südrande der Pflanzung von Aghar ent--lang nud passirteu hier nnscren früheren Lagerplatz. Später betraten wir saudigeu Boden, der einige isolirte Palmgruppen trug. Unter diesen war mir eine doppeltgespaltene Dattelpalme mit zwei getrennten Kronen sehr merkwürdig. Die Dumpalme, bei der diese Form vorherrschend ist, kommt auf unserem W^e nicht nördlicher als bis Sselnfiet vor; bei der Dattelpalme aber habe ich, so viel ich mich erinnere, nie ein zweites Beispiel einer solchen Spaltung der Krone gesehen. Hierauf passirten wir das Dorf Tessaua oder Ta-ssaua. Es sieht mit seinen ^ehunnauern und Thürmen viel bedeutender aus, als es wirtlich ist. Dann lagerten wir etwas weiterhin auf offenem Sandboden. Kaum hatten wir nns bequem eingerichtet, als wir hörten, daß endlich die Hänpllingc aus Rhat angekommen seien und bei nns vorsprechen würden. (5s waren Hatita, der Sohn Chuden's, llteti, der älteste Sohn Schafo's, ein anderer jüngerc-r Sohn Schafo's und sieben Begleiter. Ihre Ankunft war uns überaus erwünscht, da wir nicht ohne sie von Mursnt aufbrechen tonnten; andererfcits aber brachten nus diese Häuptliuge in eine nm so schiefere Stellung zu Mohammed Boro. Dieser angesehene Mann hatte lange auf uns gewartet, in der Meinung, daß wir unseren Erfolg gänzlich von seinem Schutze abhängig machten. Jetzt überzeugte er sich, daß wir uns im Grunde nur auf die Häuptlinge von Rhat verließen und mit ihm selbst nur unser Spiel trieben. Der ehrgeizige und leiden-schafllichc Manu gerieth iu unmäßigen Zorn und stieß uffen gegen uns Drohungen aus, die, wie wir im späteren Verlauf unserer Reise aus bitterer Crfahrnng erkannten, nur zu ernstlich gemeint waren. Dem heißen Tage folgte ein fehr fchöncr Abend; bei dem Pracht- ------ 78 ------ vollen Mondlichtc streckte ich mich vor unserem Lagerplätze hm und lauschte l»,it duller Theilnahme den innigen nnd ernsten Gebeten der Tinylkum, welche sie in tonreichem (befalle, oft mit dem langge zogeucn ^aut l,ha, ha" begleitet, jetzt zu einem mächtigen, sturmähn-lichen (Geräusch sich erhebend, dimu zn eiuein melancholischen, geisterhaften Tone sich senkend, in asketischer Weist- iu dio ^ä,ige zogen. In der friedlichen Mondnacht, in der von Palmgruppen gehobenen phantastischen Landschaft waren diese dumpf dahinschallende» ^aute wühl geeignet, einen tiefen Eindruck iin (Gemüthe des Hörers zu hinterlasse:,. Wie bereits erwähnt, gehören die Tinyltnm zn einer strengen, von Mohammed rl ^iedani gegründeten Sekte. (5s ist be-merlcnowerth, daß, wahrend der Islam an den Küsten des Mittelmeers mit schnellen Schritten seinem Verfall entgegengeht, im Innern von Afrika sich einzelne asketische Sekten bilden, welche die letzten eifrigen Bekenner znsammenhalten. Ich gestehe, dass ich Nlich über die Ausbreitung dieser strengeren Sekte des Islam frene; ich fehe keinen Fortschritt darin, dass Mohammedaner gegen ihre Religions lehren gleichgültig werden oder dieselben gar verspotten; vielmehr glaube ich noch an die Lebensfähigkeit des Islam, welche mir dnrch einen Nefor-mator wieder erfrischt werden muß. Am folgenden Morgen te unser Zelt noch vor Mitternacht. Die Tiuyltum aber waren linterdesseli nlit unseren« Gepäck schon weiter gegangen, nnd ivir nuipten ihnen a>n nächsten Tage (25). Juni) folgen, ohne auf Herru Richardson warten zu Immen. Nachdem wir einige Saudhiigcl hinter uus gelassen, betraten wir Wadi Merdjusch oder Äerdjusch, eine lan^e, schinale d'insenkun^, ivelche sich westlich lns ^um Thal Elanen erstreckt, uud die nur ihrer nan;eu ^äu^e nach ^u durchziehen hatten. Dieselbe bringt Urautwuchs für iüuueele nnd Schaafe hervor und ist mit vereinzelten Talhahänmen geschmückt. Wir lagerten bei dem Brunnen Echaraba, a>l einer Stelle, wo der Buden eine höchst auffallende Emsenüing bildet; denn der Brunnen liegt Wl) Flch über der Meeresflächc und also beinahe 6l)0 Fuß unter deln Niveau von Mursul. (Gleichwohl hat er nnr wahrelld zweier oder dreier Monate des Jahres Wasser. Gegend Abend lagerte sich an derselben Stelle eine tleine SNa-ventafla, ans 33 Stlavinnen nnd 5 Kameclen bestehend. Der Führer derselbe» war Mohammed Trnmba oder el ?lterut, ein thätiger, ener gischer Mann, welcher mir später im Jahre 1>var von Siuder nur 65 Tage, von Asbcn 33 Tage unteNvegs. Er berichtete von einem groben Kriegszuge, den die Kel owi gegen die Uelad Sslinian uuteruoiunlen, nnd gab die Zahl der Streiter, welche bei dieser Gelegenheit ausgezogen seien, auf 7000 an. Iu Folge dieser Verhältnisse sei große Theuerung in Asben. (Kr bestätigte es, daß in der Wüste viel Negcu gefalleu und ill Folge davon die Brnnneu voll Wasser feien; zugleich warnte er mich, mich vor der eiupfiudlichen nächtlichen stalte in Acht zu nehmen. Der Marsch des nächsten Tages (2 F^ß übcr der Thalsohle erhob, mnßle umgaugeu werdeu. Wir lagerten anf eincul ülmluthigeu freien Platze, lind nach einer tiihlen und erfrischenden Nacht fühlten wir uns am nächsten Morgen neu gestärkt zu unserem weiteren Marsche, auf dem wir noch fortwährend in dem einförmigen ------ 80 ------ Wadi Berdjusch blieben. Offenbar bildet dieses die große natürliche Straße zwischen Fcsan nnd der westlichen Wüste. Zuweilen aber, nach heftigen Regengüssen, muß das Thal einen sehr verschiedenen Anblick darbieten; denn dann wälzt sich in ihm ciu bedeutender Regen-ström hinab, nnd in der That sahen wir am Nachmittag mehrere Stellen, wo sich der Strom ein Bett von fünf Fuß Tiefe aufgerissen hatte und wo der Schlamm anf dein Boden des Bettes noch feucht war. -^ Dnrch wiederholtes Messen mit der Kette fanden wir, daß wir durchschnittlich eine halbe englische Meile iu 13 Minuten zurücklegten. — Wir lagerten auf einem frenudlicheu Platze, „Hamaua" genanut, und die frische ^uft der Wüste erfüllte uns mit solchem Gehagen, daß wir nicht einmal unsere Zelte aufschlugen. Eine Stuudc, nachdem wir am nächsten Morgen (28. Iuui) aufgebrochen warcu, kamen wir au einem zeitweiligen Brunnen Namens Ahitsa vorbei, nnd bald daranf bemertten wir iu der Ferne zwei weiße Zelte. Es war das Lager unserer Kafla, die wir mm endlich wieder einholten. Es war auf einen: freien Platze mitten in dem grünen ztrautstrcifen aufgeschlagen uud von eiuer reichen Menge von Talhabäumen umgeben. Die Stelle bot ausgezeichnete Weide für die Kameele dar. Ein anderer Trupp Tinyltum, die ihre Kamcelc uud Schaafc hier weideten, hatte sich am Nande der (ömsentuug bei den Bau-men niedergelassen. So gewährte die Scene ein reiches, belebtes Bild. Als wir am folgeudeu Morgen (39. Iuui) vou lner aufbrachen, bildeten wir eine ansehnliche Gesellschaft mit 62 Mmeelcn. Overweg und ich machten für kurze Zeit Jagd auf einige Gazellen, die sich im Thale zeigten. Wir lagerten nach kurzem Marsche iu der Nähe des Brunnens (5m-cncssa, welcher einige Zeit im Jahre Regenwasser enthält. Hier blieben wir während der nächsten zwei Tage liegen, damit Richardson uud die Hmifttlingc der Asgar uns einholen könnten. Theils mit Schreiben und Stndircn beschäftigt, theils umherstreifend oder meinen Gedanken nachhängend, brachte ich diese Zeit ziemlich angenehm zu. Am 2. Juli kam die Nachricht, daß nnsere Freunde in der Nähe seien, uud wir zogeu daher etwas weiter. Jetzt cudlich verließen wir das endlos scheinende Wadi Merdjusch und erreichten bald darauf Wadi Gauen, eine breite Thalsohle, die, durch mehrere kleine Verzweigungen, welche vom nördlichen Plateau herabsteigen, vergrößert, sich nach den Sandhügeln im Süden senkt. Hier hatte der Regen, in zwei Strömen vom höheren Boden herunterfluthend, ein Wasserbecken ------ 81 —- gebildet, das jetzt etwa 100 Fuß lang und 50 Fuß breit war und die Gegend erfreulich belebte. Wir wählten unseren Lagerplatz in geringer Entfernung von diesem Becken, und alle Welt überließ sich hier badend und spielend der Heiterkeit, während Schwärme durstender Flughühner umherflogen nnd den Augenblick abpaßten, wo sie sich an dem Wasser erquicken könnteu. Am Nachmittag kamen endlich Richardson nud die Häuptlinge der Asgar all uud Alles versprach den schönsten Fortgang, aber sogleich trübte sich der Horizont wieder. Am folgenden Abend nämlich berief uns Hatita zu einer Verhandlung. Da erklärte er nuu, daß er ciuen vollen Monat Zeit gebrauche, um die nöthigen Vorbereitungen znr Reise nach Air zu treffen; auch sei es nothwendig, erst einen Boten dahin zu senden, um uns anznmcldcu, damit uus der Häuptliug dieses Landes erlaube, dasselbe zu betreten; diese Autwort müßten Wir jedenfalls erst abwarten, uud daher sei es nothwendig, daß wir l»ns von der Kafla trennten und mit ihm nach Rhat gingen, wo wir andere Kamccle miethen oder kaufen könnten. Im Widerspruch mit diesem unbilligen uud albernen Verlangen, welches unr den Zweck hatte, möglichst viel Geld von uns zn erpressen, erklärten wir auf das Bestimmteste, daß wir in Gesellschaft uuserer Kafla der geraden Sndanstraße folgen und auf keinen Fall länger als sieben Tage in Nhat verweilen wollten. Nachdem die Sache mehrfach hin und her verhandelt war, entschlossen wir uns doch endlich, mit Hatita nach Nhat zu gehen; nnterdcsscn sollten unsere Kameelfnhrer mit dem Gepäck die direkte Straße nach Arikim, einem Brnuuen drei Tagereisen südlich von Nhat, verfolgen, und wir versprachen ihnen eine kleine Entschädigung für jeden Tag, den sie dort auf uus würben warten müssen. So rächte sich schon jetzt die ungenügende Art, in welcher in Mnrsuk das Geschäft mit den Häuptlingen abgeschlossen war. Durch diese Streitigkeiten mit den Asgar-Häuptlingen waren wir einige Tage au dem Becken Elanen aufgehalten. Ich benutzte diese Muße zu Streifereieu rings um unseren Lagerplatz. Bon einigen Anhöhen ill der Nähe gewann ich eine interessante Rundschau Über die verschiedenen Verzweigungen des Thales. Zahlreiche Fuß-stapfeu von Gazellen bewiesen, daß diese Thiere hier einen Lieblings-aufeuthalt haben. Obgleich wir uns ungern von den Tinylknm und nnserem Gepäcke trennten, so waren wic doch froh, als wir endlich am 5. Juli unsere Reise fortsetzen tonnten. Vom Brunnen Scharaba au hatte Naith'e Reisen. I, « ------ 82 ------ der Boden sich fortwährend gehoben, und auch heute führte nns unser Wog beträchtlich aufwärts, Ich ritt, den: übrigen Trlipp etwas voraus, neben Hatita nnd seinen (Gefährten. Der alte Häuptling war höflich uud artig, sehte aber zugleich feixe ganze Schlauheit in Bewegung, lnn mir irgend ein Geschenk abzulocken, ein Paar Pistolen, einen Teppich, ciucn Bernus oder was fönst. Obgleich ihm dies nicht gelang, blieb er doch frenndlich nnd fchien an meinem ganzen Be-nehmen Gefallen zn finden. Ich tonnte es ihm auch kaum verbeulen, daß er die Gelegenheit wahrnehmen wollte, seinen Wüsteu-haushalt ctwaö zu verbessern. Während er so ruhig neben mir dahin ritt, zeichnete ich unvermerkt die nebenstehende Stizzc in mein Memoraudeubuch. Wir lagerten im Wadi Elghom-ode (Thal des Kameels), welches einen tiefen Einschnitt in das steinige Plateau von Nord nach Süd macht nud, n'ich mit Kränteru bewachsen, einen heiteren Anblick gewährt. Eiu herrlicher Morgen eröffnete den nächsten Tag kühl uud frisch. Eine tlciue Kafla, die nnS, aus dein Sudan kommend, begegnete, brachte uns zwei wichtige und erfreuliche Nachrichten, nämlich erstens, daß mit ihnen fünf Männer aus der Familie Annur's, des Häuptlings der Kel-owi, nach Nhat gekommen seien und daß diese Veute bald in ihre Heimath zurückzukehren beabsichtigten, und zweiteus, daß die Expedition der ilebowi von Muem zurückgekehrt sei, nachdem sie die Uclad Ssliman gänzlich aufgerieben. Wir hatten noch nicht drei Meilen zurückgelegt, als unsere Begleiter bereits im Thale Teli-fsarhe sich nach einem Vagerplatz umsahen. Doch waren wir über die Kürze nnscres Tagemarsches ganz nnd gar nicht unzufrieden, als wir das uugewühuliche Interesse bemerkten, welches dieses Thal erregte. Es ist zwischen steilen Felswänden eingeschlossen nnd mit schönen Talhabäumen bewachsen. An der westlichen Felswand, wo wir linser Vager aufschlugen und wo ein westlicher Zweig in das Hauptthal mündet, hatte sich ein lleiuer Pfnhl gebildet, der aber natürlich nur etwa zwei Monate im Jahre Wasser enthält. Unsere besondere Aufmerksamkeit aber erregten einige bemerteus- ------ 83 ------ werthe Skulpturen, welche sich an den steilen, glatten Sandsteinfolsen im östlichen Winkel des ThaleS eingegraben fiuden. Und zwar waren dieS nicht bloße Kritzeleien, sondern, obwohl keine vollendeten Skulpturen, waren sie doch mit fester nnd rnhiger Hand, welche wohlgeübt in solchen Arbeiten gewesen sein muß, in tiefen Umrissen cingegraben. Das hauptsächlichste Interesse nimmt die in der vorstehenden Zeich-nnng stizzirtc Grnppe in Anspruch. Zur Tinten sieht man eine große menschenähnliche Figur init dem Kopfe einer Art von Bullen, oder vielmehr einer Antilope, mit landen, nach vorn gewendeten Hörnern. Die sonderbare, fast ruderähnlichc Gestalt des rechten Annes rührt wohl nur von der Uugcschicklichlcit der Zeichnung her. In der linken Hand trägt die Gestalt einen Pfeil und cincu Bogen. Zwischen den Beinen hängt ein langer Schweif von dem magern Körper herab. Die Fignr selbst ist stark vorwärts geneigt, in einer lanfcndcn oder angreifenden Stellung. Dieser Fignr gegenüber ist eine andere kleinere, aber nicht weniger merkwürdige Gestalt gebildet. Der bis zn den Schnltern hina-uf vollständig menschliche Körper trägt einen Thiertopf, der an den ägyptischen Ibis erinnert. Der kleine spitze Kopf hat drei Ohren, oder zwei Ohren und einen anderen Auswuchs, und dahinter eine Art Kappe, welche gleichfalls auf ägyptische Kunst hinweist. In der rechten Hand trägt auch diese Fignr einen Bogen. Zwischen diesen beiden halbmenschlichen Gestalten, welche einander tämpfend gegenüberzustehen scheinen, ist ein Rind in kleineren Verhältnissen, sonst aber mit gleicher Sorgfalt eingemeißelt. a» ------ 84 ------ Nur die Hufe sind weggelassen und die Beine endigen in eine Spitze. Das Thier wendet sich gegen die kleinere Figur zur Rechten. Der Block, in welchen diese Stulptur eingcgrabcn ist, hat 1?twa 4 Fuß Höhe und 3 Fuß Breite. Bei dieser eigenthümlichen Grnppe werfen sich uns die beiden mit einander zusammenhängenden Fragen auf, von welchem Volte dieselbe herrühren und welches der Gegenstand der Darstellung sein möge. Es ist einleuchtend, daß ein Barbar, welcher die bildende Kunst weder kannte, noch sich je darin versucht hatte, nicht in» Stande war, diese, wenn auch wunderlich gestalteten, Figuren mit solcher Festigkeit und Gewandtheit in den Stein einzumeißeln. Eben so wenig können wir an römischen Ursprung denken, da die Skulptur durchaus nichts von römischem Styl uud Charakter zeigt. Auch möchte ich, obwohl einige Annäherung an ägyptische Knnst nicht geleugnet werden kann, doch die Arbeit nicht den Aegyptiern zuschreiben. Vielmehr werden wir dies Werk den ursprünglichen Einwohnern dieser Gegenden, den Garamantcn, beilegen müsseu, und vielleicht möchte sich in dem Styl der Darstellung karthagischer Einfluß zeigen. Der dargestellte Gegenstand ist offenbar ein mythologischer, nnd es scheint, daß es sich um die Ansprüche zweier Gottheiten auf ciu und dafselbe Opfer handelt. Nach einer von Prof. Movers mir mitgetheilten Erklärung, welche mir sehr wahrscheinlich ist, stellt die Figur zur Linken den garamantischen Apollo, die znr Rechten den Hermes dar. Apollo ist der mythische Vater des Garamas, des Stammherru der Garamanteu, bei denen die Rinder in besonders hohem Ansehen standen. Hermes ist anf ägyptischen Denkmälern und auf tyrischeu Münzen mit dem Ibistopf dargestellt und wird ausdrücklich als Nebenbuhler Apollo's iu Bezug auf die Mutter des Garamas erwähnt Auch darf vielleicht an den von den alten Dichtern vielbesungenen Rinderraub des Hermes uud an den Streit zwischen ihm und Apollo über den Besitz der Hcerden gedacht werden. Eine andere Sknlfttnr befindet sich an einem großen, 12 Fuß langen und ü Fnß hohen Block und ist geeignet, die eben entwickelten Ansichten zu bestätigen. Sie stellt eine dichte Gruppe Rinder in den verschiedensten Stellungen dar, aber alle nach der rechten Seite hin sich bewegend. Auf dieser Seite ist das Ende abgebrochen; wahrscheinlich war hier eine Andentnng des Teiches oder Brunnens, wo die Thiere getränkt werden sollten. Diese Skulptur zeigt noch größere Festigkeit und Gewaudtheit der Arbeit, als die voriyc; ciuigc der ------ »5------ Niuder sind in dcr That bewunderungswürdig ausgeführt; nur sind auch hier die Hufe durchaus vernachlässigt. Ziehen wir nuu in Betracht, daß diese Darstellung sich bei einem Wasscrplatz an der großen Strafte nach dem Innern des Erdtheils befindet, so erscheint es auf deu ersten Anblick auffallcud, daß das Kameel, dcr alltägliche und unentbehrliche Begleiter des uordafrika-nischeu Nomadeu, hier nicht zu sehen ist. Aber dieser Umstand ist nur eiu neuer und interessanter Beweis für die ohnehin nun wohlbekannte und unumstößlich bewiesene Thatsache, daß das Kameel in Nordafrita nicht ursprünglich einheimisch, sondern hier erst in späterer Zeit, im Zeitalter dcr mnnidischcn Könige, eingeführt wurde und so in diesen westlicheren Gegenden erst im vierten Jahrhundert nnserer Zeit-rechnuug iu allgemeinen Gebrauch kam; in den östlichen Gegenden wurde es etwas früher, nämlich schon zu deu Zeiten dcr Ptolcmäer, eingeführt uud war schon im dritten Jahrhundert vollständig eingebürgert. Diese Skulpturen von Tcli-ssarhe aber werden aus einer Zeit stammeu, iu welcher das Rindvieh noch ausschließlich austatt des Kameels als Lastthicr beuutzt wurde. Eine zweite ähnliche, vielleicht noch reichere Gruppe findet sich auf eiuem audcrcu Blocke, hat aber zu sehr gelitten, als daß die Einzelheiten noch unterschieden werdcu küuuten. Nnr die Figur eines Esels uud die eines Pferdes waren noch inmitten einer Gruppe von Rindern zu erkennen. Auf einem audcreu Steine war ein Rind dargestellt, das durch einen Kreis oder Ring springt. Ohne Zweifel hat dieses Bild eine allegorische Bcdcntnng, vielleicht soll es deu Eintritt des Opferrindes in deu heiligen runden Opferkrcis darstellen. Solche Kreise finden Wir über ganz Nord-Afrika verbreitet, und auch an dieser Trink-stätte war ein solcher an dem Südwcstabhange dcr Felswand sehr regelmäßig mit großen Felsblöckcn ausgelegt. Die Felswände, welche an der anderen Seite des Thales den Wasserpfnhl überhängen, sind mit zahllosen, aber schlecht und nachlässig geschriebenen Tcfiuagh-Infchriften bedeckt. Unter einem üppig aufgeschossenen Baum hingestreckt überließ ich mich meinen Gedanken über die Vergangenheit dk'ser Gegenden. Einst waren sie die mehr begünstigte Heimath ciner Negrrracc, bis diese von den Berbern aus ihrem Besitzthum verdrängt wurde; aber auch die Berbern waren iu ihren: ursprünglichen Zustande sehr verschieden von dem, was sie jetzt sind; selbst das Kamee!, dieses jetzt — —, von ihnen ganz unzertrennliche Thier, haben sie erst von den Arabern angenommen. — Gegen Abend wurde das Thal noch von mancher interessanten Scene belebt; dcnu es lam die Pilgcrlarawaue an, welche ans ihrer Rückkehr von Metta nach Marokko und Tauat begriffen war. ^ant erscholl der Nuf der Kameeltreibcr und das Schreien der Thiere, welche sich mit gleicher Hast nach dem Teiche drängten; und als die ganze Scene von den letzten Strahlen der eben hinter den Felsriffen verschwindenden Sonne beleuchtet wurde, wäre sie wohl der Darstellung eineS Künstlers würdig gewesen. Anch am folgenden Tage (7. Juli) machten wir nur eiuen kurzen Tagemarsch. Iluser Weg führte anfangs fortwährend aufwärts. Nach einer Strecke von etwa 4 Meilen stiegen wir durch eine tief ein-geschnittene Klnft nach einem anderen Thale, dem „erasar-n-Haggarne" hinab; dasselbe ist breit nnd regelmäßig, von —200 Fuß hohen Felswänden umgrenzt nnd reich mit Gras bewachsen. Wir schlangelten uns längs der Windungen dieses Wadi's hin und lagerten uns an einem Platze, wo dasselbe ein anderes Thal, Namens „aman ssemmeone", anfnimmt. Dieses Zweigthal hat feinen Namen von dem „kalten Wasser", welches sich zn Zeiten von der Hochfläche herab ergießt lind von dessen Flnthen das tief eingeschnittene Rinnsal unverkennbare Spuren trägt. Als die Sonnenhitze etwas nachgelassen, streifte ich im Thale nmher mid nuternahm es, die steilen Felswände zn ersteigen, welche der Mündung des Erasar aman ssemmcdne gegenüber sich etwa 500 Fusi erheben. Diese Felswände sind hier in regelmäßigen lagern geschichtet nnd in steil aufsteigende, flache Blöcke zerklüftet, Welche letztere den Riffen ein imposantes Aussehen gewähren. Ich fand hier die Figur eines Rindes in demfclbcn Style eingemeißelt, wie die Skulpturen im Wadi Teli ssarhe; aber ohne Zweifel find hier frnher viel mehr derartige Slnlptnrcn gewesen. -^ Oben auf dem Gipfel der Felswand ist ein anderer von Steinen regelmäßig ausgelegter ilreis oder Ring, der höchst wahrscheinlich einst den Nr liewuhnern dieser Gegenden als Opferstätte gedient hat. Am nächsten Morgen (.^. Inli) brachen wir früh zu einein in teressanteu Tagemarsche anf; denn wir kamen hentc dnrch den merkwürdigen, tief eingeschnittenen Paß von Rhalle. Die ersten drei Meilen hielten wir nns noch in den, großen Thale entlang. Nachdem dann die regelmäßige Bildung eines Wadi's ansgehört hatte, folgte ein ungeordnetes Gewirr von Einsenknngen nnd Ebenen. Dann ------ 87 ------ bcgauncn wir aufwärts zu steigen in einer breiten, weit offeueu Thal-fläche, die nach uud uach sich regelmäßig altsbildet uild Erafar Tissi geuauut wird. Kurz nach Mittag erreichten wir dcu Rand des Pasfes, der :nehr als 2000 Fuß über der Hteercsfläche liegt und eine vollkommene Wasserscheide zwischen dem Plateau von Mursut nnd der Ebeue von Taita bildet. Denn gegen Osten seutt sich von hier das Terrain in allmählichem Abfall bis zum Bruuneu Echaraba, gegen Westen aber fällt es steil nach der dürren, mit Kieseln nud Blöcken bedeckten Ebene von Taita ab, die sich bis zur Westgrcnzc Fesaus erstreckt; und hier bildet der Paß von Rhalle einen höchst interessanten, tief eingcrissencn Abzngötaual. Der erste Theil des Passes war mehr rauh als wild, uud die Sandsteinwäude mehr zerrissen und geborsten als jäh nnd großartig; ein halbstündiger Abstieg jedoch brachte uus in deu iutcressautereu Theil, Auf bcidcu Seiteu des eugen Durchganges erhoben sich die senkrechten, aus mächtigeu Sandstein- und Mergcllageu gebildeten Wände bis zn einer Höhe von 100 Fnft. Die Scitenwände rücken an manchen Stelleu fo uahe au einander, daß die Weite des Passes nicht mehr als sechs Fuß beträgt. Dabei siud Boden und Wände so glatt, als wenn sie das Wert menschlicher Hände wären. Nicht in gerader ^iuie, fondern in vielfachen Windungen senkt sich der Paß, uud nur ein Dämmerlicht kauu von oben in diesen engen und tiefen Durchgang hiueiudringen. Im Falle vorkommender Feindseligkeiten würbe dieser Paß den Tuareg eiu vorzügliches nud leicht zn vertheidigendes Bollwerk gegen Augriffe der Türken gewähren. Indeß bildet er nicht die Landesgreuze, sondern wird als ganz zn Fcfan gehörig betrachtet. C'ö kostete nicht geringe Mühe, das Boot wohlbehalten durch alle Krümmungen dieses eugen Niuusals hiudurchznschaffcn. Da, wo diefes sich zn erweitern nufiug, wareu einige merkwürdige enge Klüfte oder Spalten auf beiden Seiten zn sehen; die eine an der rechten Seite mit ihrer glatten, gerundeten Oberfläche hatte große Achnlichkeit mit dem berühmten Ohr des Dionysios in Syratus. Nachdem wir im tanzen vier Stuuden lang abwärts gestiegen waren, traten wir auf die offeue Ebeue hinaus. Sie ist über 600 Fuß tiefer gelegeu, als der höchste Punkt deS Passes. Von hier gewauueu wir eiueu großartigeu Blick auf die hohen, jähen Fels^ wände des Hochlandes, die in langgestreckten Vorgebirgen weit in die Ebeue hiuausragten. Diese selbst ward nnr von isolirten Bergen unterbrochen, nntcr welchen nameutlich eiuer bemerteuöwcrth war. ------ 88 ------ der sich auf terrassenartiger Basis erhob und sich mit drei znbehauenen Grotten gegen die Seite unseres Pfades öffnete. — Etwa um Sonnenuntergang lagerten wir in dem tief eingefnrchten Erasar-n-Tesse, welches mit etwas Krant und einigen Talhabäumcn bewachsen war. Wir betraten jetzt eine öde und einförmige Gegend. Während der nächsten zwei Tage (9. und 10. Inli) führte uns unfer Marsch über die Ebene von Taita, eine dürre, mit Kieseln nnd Blöcken von Sand- und Kalkstein bedeckte Landschaft. Die Gegend ist fo arm an Vegetation, daß, weil hier kein Fntter für die Kameele zu finden war, unfere Leute sich im Thal Haggarne mit einem kleinen Vorrath von Gras versehen hatten. Anch das Thierleben ist hier ganz unentwickelt; anßcr einigen Käfern und Eidechsen sahen wir kein lebendiges Wesen. Jenseits des Thales Nkasscwa stiegen wir in eine breite, kahle Einscnkung mit hartem, kalkigem Boden hinab. Hier verließen wir das türkische Gebiet; denn diese Einsenkung, unter dem 11." östlicher Länge von Greenwich gelegen, bildet die gegenwärtig angenommene Grenze zwischen Fesan und dem Lande der Hogar - Tuareg. Unterdessen näherten wir uns allmählich der Bergkette des Aka-kus; wir erblickten den eigenthümlich eingezackten stamm, in langer Ausdehnung von Norden nach Süden sich erstreckend, und davor einige niedrige, mit Sand überschüttete Vorhügcl. Als wir etwa noch drei Meilen von der Bergkette entfernt waren, schlugen wir unser Lager im Thal Telia ans, unweit einer Gruppe Talhabänmc nnd nahe bei einem Brunnen. An diesem Platze, der nach Overweg's Beobachtung 1435 Fuß über der Meercsflächc liegt, rasteten wir zwei Tage lang. Das Thal Telia, das sehr flach gebildet und hier nnd da von Sandhngeln unterbrochen ist, zieht sich in nordwestlicher Richtung parallel mit der Kette des Akakus und vereinigt sich später mit dem Thale Ilaghlarhen. Nur wenige Ethelbäume verleihen der Landschaft einen spärlichen Schmuck; an einzelnen günstiger gelegenen Stellen zeigen sich breite Streifen Krantwuchses. Während wir hier rasteten, ward spät am Abend unser trencher Diener, Mohammed von Gatron, von einem Thier gestochen; ob von einen: Skorpion oder einer Schlange, blieb in der Dunkelheit ungewiß. Wir thaten sogleich Ammoniak auf die Wunde und banden das Bein oberhalb derselben ab. Dennoch blieb er für die nächsten 24 Stunden sehr krcmt und war zu ------ 89 — jeder Anstrengung so unfähig, daß er während des nächsten Marsches anf dem Kameel festgebunden werden mnßte. Vom Thal Telia führt ein kürzerer, aber beschwerlicherer Weg über die Bergkette des Akakus nach Nhat, während eine bequemere, aber längere Straße die Berge nördlich umgeht. Anfangs war viel davon die Rede, daß wir drei Reisende mit Hatita den kürzeren Weg einschlagen sollten, welcher ohne Zweifel für geologische Beobachtungen ein interessanteres Feld geboten haben würde. Schließlich jedoch, als wir am 13. Juli aufbrachen, ward der längeren Straße der Vorzug gegeben. Nachdem wir hier, über licsigen und sandigen Boden ziehend, etwa fünf Meilen in nordwestlicher Richtung zurückgelegt hatten, erreichten wir das Thal Ilaghlarhen, und nach einer anderen Strecke von gleicher ^änge traten wir in die Bergkette ein, welche ans merkwürdig zerklüfteten und verwitterten Felsen besteht und viele enge Pässe bildet. Später kamen wir in eine tiefe Schlucht, deren düstere Felswände auf vulkanische Natur hinzudeuten schienen; bei näherer Betrachtung zeigte cs sich jedoch, daß diese Felsen ans Sandstein bestanden, der vom Einfluß der Atmosphäre geschwärzt war. Nachdem wir einen Paß oder eiuc Verengung mit einem Anstieg von etwa 100 Fuß über der Thalsohle durchschrittet», ward die Gegcud offeuer uud unregelmäßige Ebenen, von vorspringenden Felswänden unterbrochen, folgten einander. Unterdessen veränderten wir allmählich uuscrc Richtuug vou Nordwcst iu West und sodann in Süd. Endlich, als. wir um die Kaute der Berggrupve hcrumbogcu, traten wir in das breite Thal Tanessof ein uud hattcu hier einen eben so überraschenden als großartigen Anblick. Vor uns lag der isolirte ziuncnähuliche Kamm des Berges Zdincn und zur Linken die lange Akakus-Kctte, Von der untergehenden Sonne prachtvoll beleuchtet. Der höchste jähe Kamm mit seiueu Burgen und Thürmen erglänzte in hellem, glim-merndem Weiß; die sanftere, aber wild zerrissene uuterc Abdachuug zeigte ihre regelmäßigen Mergelbänkc in hohem Roth. Das Thal ist etwa fünf engl. Meilen breit und gegeu Westen von Sandhügeln begrenzt, von denen der Wind den weißen Sand über die ganze Oberfläche hingcpeitscht hatte. Auch wir mußteu uns zuletzt im Saudbodcu lagern, der nicht das geringste Oras hervorbrachte, oder wo die spärliche, gelegentlich aufkeimende Vegetation vom Sand verschüttet war. Am folgenden Tage s14. Juli) zogen wir iu südlicher Richtung in dein breiten nackten Thale Tancssof eutlang. Nur selten ward 90 die Einförmigkeit dcr Landschaft dnrch wenige Talhabä'nmc und Ethel-büschc oder durch spärlichen Graöwnchs unterbrochen. Bor unseren Augen lag fortwährend der phantastisch gestaltete Kamm des gehcim-nißvollen Berges Idinen, welchen die Eingcbornen gewöhnlich Kasr-Djennn (d. i. Palast der Geister) ncnucn. Ans dein breiten Thale steigt schroff die hufeisenförmig gebildete Bergwand empor, deren Höhe eiucul künstlich errichteten Gebäude von kolossalen Manern und Thürmen gleicht. Die Tuareg glauben ernstlich, das; der Berg der Aufenthaltsort voll Geistern sei, und halten eine Besteigung desselben für Frevel. Als Richardson alls seiner früheren Reise bei dem Vcrsnch einer solchen Besteigung fast das Leben verlor, waren sie fest überzeugt, das; er von neckischen Dämonen irregeleitet worden sei; uud dieser Aberglaube sollte jetzt eine nene Bestätigung erhalten. Trotz oder vielleicht mehr noch in Folge dcrWarnungen uusererFreunde aus Rhat, welche uns davon abhalten wollten, unser Veben bei einem frevelhaften Besuch dieser Wohuuug böser (Geister zu wagen, beschlossen Ooerweg und ich, den Berg genauer zu uutersuchen nnd zu besteigen. Das war uuu lein eigensinniges Vorhaben, sondern ich war fest überzeugt, daß hier eiu Platz alterthüm-licher Gottesverehruug sei nud daß ich merkwürdige Etulpturen oder Inschriften finden würde; Overweg wollte die geognostischc Struktur des Berges studircu. Als wir am Nachmittag in dcr Nähe des Brunnens Tahala unser Lager aufschlugen, war es zu fftät, deu Berg noch zn ------ 91 ------ ersteigen. Ich legte mich dahcr in den Schatten eines schönen Talha-baumes mid zeichnete die vorstehende Skizze der wuuderbar gebildeten Bergwand; dann begab ich mich zur Ruhe und träumte von den Entdeckungen des folgenden Tages. Mein ,,n Plnral und Temaschirht im Neutrnm. Diesen Gesanmttnamen würden sich alle weit zerstreuten Bruchstücke dieses grossen Stammes gern gefallen lassen. Der andere Name, „Tuareg", dagegen rührt von den Arabern her, welche sie wahrscheinlich deshalb so nannten, weil sie ihre frühere Religion aufgaben (..terctn dinihum", „sie verlcngncten ihren Glauben"). Diese Imoscharh, welche sich also gczwnugen nach Süden M'ück^ zogen, zerfallen in diele einzelne Stämme, von denen ich sprechen werde, wie ich sie im Verlauf meiner Reise berühre. Für jetzt handelt es sich nur nm die Bewohner der Gegend von Rhat, welche gewöhnlich Asgar, hänsig aber auch Hogar oder Hagara genannt werden. Das gegenseitige Verhältniß dieser beiden Namen war früher zweifelhaft, ist aber nnn durch die Veröffentlichung der Geschichtsbücher Ebu (5haldun's erklärt worden. Danach können wir annehmen, daß Hogar der allgemeine, umfassendere Stammname sei, der bald in weiterem, bald in engerem Sinne gebraucht wird, während Asgar eine besondere Abthcilnng dieser Hogar bezeichnet. Die Hogar (den Namen im engeren Sinne verstanden) sind die westlichen Nachbarn der Asgar. Sie wohnen an der Straße, welche von dem Brunnen Assiu nach Tanat führt. Der Mittelpunkt ihres Gaues ist das vou deu Arabrru „Djcbel Hagar" genannte Alpcn-land, dessen einheimischer Name „Atalor" zu sein scheint. Sie zerfallen in sechs große Zweige. Die Hogar selbst zählen kaum mehr als 5M Waffenfähige, während natürlich ihre Imrhad, d. h. Leib^ ------ 100 ------ eigene, und Sklaven eine ungleich zahlreichere Schaar ausmachen. Trotz ihrer geringen Anzahl aber sind sie wegen ihrer Kürpergröße und Stärke, und well sie gut bewaffnet und im Gebrauch der Feuer-Waffe nicht ganz nngeilbt sind, von den übrigen Stämmen sehr gefürchtet. Sie leben fast ausschließlich von Fleisch nnd Milch und haben anßer ihren Heerdcn nur wenig Lebensunterhalt, da sie leinen Tribut vou den itarawaucn erheben. Den Namen der Asgar können wir bis in's Alterthum verfolgen, wo er in den Formen >/i)<7ftt)^«»^i oder ^u«torim>i um das Jahr 409 nach Chr. vorkommt und einen wilden, schon damals zu Kamcel berittenen Räuberstamm in der Nähe vun Cyrcnaica bezeichnet. Schon von Edrissi (^1153) werden die Asgar als in denselben Gegenden seßhaft erwähnt, in welchen wir sie heutigen Tages finden. Das Gebiet, über welches die Asgar gegenwärtig herrschen, erstreckt sich vom Wadi Telia im Osten bis zum Wadi Sersua, etwa sechs Tagereisen westlich von Rhat, auf der Straße nach Tauat, und vom Brunnen Assin im Süden bis zum Brunnen Nidjbertin im Norden. Trotz dieser großen Ansdehnnug ihres Bandes können die Asgar nicht mehr als etwa 500 bewaffnete Männer in's Feld stellen; denn sie bilden nnr einen kleinen Theil der Bevölkerung, während die große Masse derselben aus den früheren, von den Asgar unter^ jochten Bewohnern besteht. Die Asgar selbst bilden eine Krieger-aristolratic, welche, ans fünf Familien oder „tiussi" bestehend, in dreißig Nnterabthciluugen oder „fcia's" zerfällt, jede mit einem nnab-hängigen Häuptling. Die Namen dieser fünf Familien sind: Uraghen, Imanang, Manghassatang, Ifoghas nnd Hadanarmig. Die Uraghen oder Auraghcu scheinen vor Alters ciue sehr mächtige Familie gebildet zu haben, jetzt aber siub sie weit zerstreut, und ein großer Theil von ihnen lebt unter den Anelimmidcu an dem nördlichen Ufer des Issa oder Niger. Gleichwohl bilden die Uraghcn auch jetzt noch mit etwa 150 Familienhäuptern die ansehnlichste Abtheilung nnter den Asgar; eine bedeutende Horde derselben ist in und bei Arikim angesessen, etwa 50 Meilen südlich von Rhat. — An Adel und hoher Würde scheinen in alter Zeit die Imanang noch höher gestanden zn haben, gegenwärtig aber sind sie zur äußersten Armuth und zn einer so geringen Zahl hcrabgesnnkcn, daß nicht mehr als zehn Familicnhäupter dieser Abtheilung angehören sollen. Im Voltöliedc Wird dieser kleine Stammrcst aber noch jetzt wegen der Schönheit seiner Frauen gepriesen. — Die dritte Abtheilung bilden — IM --- die Manghassatang, zu denen auch Hatita gehört; sie haben ihre leichten Leder- und Rohrbchausungen gewöhnlich im Thale Sersua. Die beiden übrigen Abtheilungen, die Ifoghas und die Hada-narang, haben sich vo>t dem Stamme abgesondert lind gewisscrmaaßen das nationale Band, das sie früher mit den Asgar vereinigte, zerrissen. Die IfoghaS sind über die ganze Wüste zerstreut, und nur ein kleiner Theil von ihnen ist im Gebiete der Asgar geblieben und wohnt im Thale Afara, etwa halbwegs zwischen Rhat und Tauat. — Die Hadauarnng, die südlich vom Gebiete der Asgar angesiedelt sind, sind im Grunde nichts Anderes als wandernde Freibeuter. Auch die Tinylkum, von denen ich schon früher genauer gesprochen habe, sind weitläufig mit den Asgar verbunden, werden aber gegenwärtig nicht als „edel" oder vollkommen frei betrachtet. Wie schon bemerkt, bilden die Asgar nur die herrschende Klasse; die große Masse der Bevölkerung dagegen besteht aus einer unterjochten uud ihrer politischen Sclbstständigtcit beraubten Menge. Diese untergeordneten Stämme werden in allen Ländern der Imoscharh mit dem Namen Imrhad bezeichnet. Die Singnlarform dieses Namens ist „amrhi" und bedeutet „leibeigen", ist also der gerade Gegensatz von „amoscharh", welches den „Freien", „Edlen" bezeichnet. Die Ilnrhad der Asgar unterscheiden sich in ihrer äußeren Erscheinung ansehnlich von der herrschenden Klasse, besonders die Frauen. Denn während die Imoscharh eine leidlich helle Farbe haben, sind sehr Viele der Imrhad fast schwarz; dessen ungeachtet aber haben die Männer einen schönen schlanken Wuchs und durchaus keine Negcrphysiognomie, sondern zeichnen sich im Allgemeinen durch ihre regelmäßigen scharfen Züge und dcu berbcrischeu Bordcrkopf aus. Bei den Frauen dagegen treten diese Merkmale auf den ersten Blick mehr zurück und sie scheinen sich, wenigstens in ihren Formen, mehr den Negern zu nähern. Die Imrhad der Asgar bilden zusammen eine zahlreiche Menge und sind im Stande, etwa 5000 bewaffnete Leute in's Feld zu stellen. Ihre hauptsächlichsten Wohnftlätze sind die kleine Stadt Barakat, wenige Meilen südlich von Rhat, welche Kur im Verlauf unseres Marsches noch berühren werden, und die Stadt Djanct oder Janet, in einer höchst begünstigte»,, fruchtbaren Thalebcnc etwa 30 Meilen sndsüdwestlich von Egcri gelegen. Diese Ortschaft ist der Aufmerksamkeit künftiger Reisenden sehr zu empfehlen, sowohl ihrer günstigen Lage als auch ihrer Bevölkerung wegen. Auch soll cS hier mächtige auf- ------ 102 ------ rechtstehendc Vlöcke cms alten Zeiten geben, wahrscheinlich den früher beschriebenen cromlechartigen Monnlnentrn ähnlich. Diese beiden bevorzugten Oertlichteiten der Wüste scheinen ganz den Imrhad als Vehnslenten oder Insassen überlassen zu sein, unter der Bedingung, dasi sie für die Pflanzungen nnd Gürten Sorge traben und die Früchte einsammeln, von denen sie einen Theil an ihre Herren abliefern müssen. Das herrschende Geschlecht der Imoscharh lebt theils von der Arbeit dieser unterdrücktet! blasse, theils von dem Tribute (Ghermna), den die Karawanen entrichten müssen. Den Imrhad ist eö nicht erlaubt, einen Eisenspeer zu führen, noch auch das Schwert — deun dieses letztere ist das Zeichen des freien Mannes —, auch müssen sie sich in ihrer Kleidung inuerhalb bescheidener Grenzen halten. Die Meisten derselben tonnen als feste Siedler oder als „kcl" angesehen werden, nnd anch die freien Asgar selbst bilden znm großen Theil eine Art Mittelglied zwischen den nomadischen nnd den fest angesiedelten Stämmen. Die Folge davon ist, daß Viele don ihnen nicht im Vederzclte oder dem „ehe", sondern in einer runden tunischen Hütte leben. Diese bildet den natürlichen Uebergang zu der charakteristischen Hütte Central-Asrita's und besteht aus Büschen uud trockenem Gras; sie heißt „tetabber". Fünftes Kapitel. von Ahnt lii6 Tintottusi. Mit freudigem Gefühl saß ich am Morgen des 25. Juli wiederum im Sattel und warf von dem hohen Nucken meines Meheri einen letzten Scheidcblick auf die liebliche Oase von Rhat. Etwas über zwei Meilen südlich von der Stadt erreichten wir die bedeutende Pflanzung von Iberke. Diese soll noch znr Stadt Rhat gehören, ist aber nur durch einen geringet« Zwischenraum von dem ersten tleiuen Haine Barakats getrennt, welchen wiederum ein offener Platz von dem größereu Hcuchtwäldcheu scheidet. Das Städtchen Baratat selbst, das am Fuße einer sandigen Auhö'he liegt, war durch den dichten Palmenhain uusereu Blicken entzogen, und nur dann und wann gewannen wir durch eine lichtere Stelle einen Blick auf diese städtische Ansiedelung. Es war die letzte vor unserem Eintritt in die große Wüste, die Central- von NordMfrit'a scheidet. Wir wareu auf einen stärken Tagcmarsch vorbereitet. Um so mehr waren wir überrascht, als hier plötzlich am östlichen Ende der Pflauzuug Halt gemacht wurde, um zu lageru. Der Grund lag darin, daß unsere Kamcelc im höchsten Grade einer gnten Fütterung bedürftig waren; denn statt sie während unseres Aufeuthaltes in Rhat auf die Weide zu führen, hatten sie ohne Zweifel unsere Freunde, die Tuareg, zur Arbeit benutzt. Das Versäumte follte nun hier nachgeholt werden, wo allerdings eine Fülle des nahrhaftesten Kameel« sutlers vorhanden war. Am Nachmittag beschloß ich, die Stadt Varakat zu besuchen, die etwa 1^ Meile von nnsercm ^ager entfernt lag. Dieselbe bildet ein ziemlich regelmäßiges Viereck nnd ist mit einer aus ^ehm sehr regelmäßig aufgeführten Mauer — »agador" — umgeben, die etwa 25 Fuß hoch und mit viereckigen Thürmen versehen ist. Die Häuser hatten sämmtlich zwei oder auch drei Stockwerte uud waren gut gc> ------ 104 ------ baut, der Lehm höchst sauber geglättet. Auch das Innere der Stadt zierten einige Palmbänmc. An der Südseite liegt innerhalb der Mancr die Moschee, ein Gebäude von ansehnlicher Größe im Verhältniß znr Kleinheit des Städtchens. Sie hat einen hoheu Miuareh nnd war erst vor Kurzem weiß angestrichen, so daß sie sehr sauber aussah. Im Ganzen macht daö Städtchen den Eindruck eines Kinderspielzengs; so klein und niedlich ist Alles. Es hat nnr etwa 150 Wohnungen und ist mit großer Regelmäßigkeit gebant. Während ich in den Straßen umherging, sah ich mehrere Franen, wohlgebant, von ziemlich vollen Formen und anständig getleidet, rnhig au den Wänden der Hänser sitzen, nm die Kuhle des Nachmittags zu genießen. Obwohl ich mit eiuem gewöhnlichen Sndan>Hcmd bekleidet und ziemlich sonnenverbrannt war, schien doch meine hellere Haut sie zu erschrecken, und einige zogen sich mit einem „la ilah" in daö Innere der Häuser zurück. Viele Eiuwohuer schieuen abweseud uud waren wahrscheinlich in ihre Dattelwäldchen gegangen, um Sorge für die Ernte zu tragen; denn die Frucht war in der Reife. Die Stadt hat leinen Handel, wie Nhat, uud der Reichthum der Einwohner hängt einzig von ihren Datteln und ihrer Saat ab. Um nach nnscrem ^agcr zurückzukehren, wählte ich einen etwas längeren, südlicheren Weg nnd hatte dadnrch Gelegenheit, einen bedeutenden Theil der Pflänzling zu sehen. Der Boden ist hier gewöhnlich mit Salz gesättigt, und die meisten Brnnncn enthalten salziges Wasser. Bei ihrer großen Tiefe werden zum Schöpfen des Wassers Esel und auch Sndannnder bemcht. Der Palmenhain von Barakat ist von beträchtlichem Umfange und mag wohl au 10,0W Bäume umfasfeu. Die Gärten waren gut gehalten; Kort« war nur weuig angebaut, aber viel Gemüse. Zahlreiche aus Palmzwcigen erbaute Hütten — die oben erwähnten „telabber" — bilden hier cine Art Borstadt. In ihnen wohnen die Imrhad, unter denen im Allgemeinen Zufriedenheit uud Behaglichkeit zu herrscheu schicu. Auffallend war die große Menge kleiner Müder. Die Franen waren alle schwarz, aber gut gebaut und jedenfalls von höherer Entwickelung, als jene Misch, lingsrace in Fesan. Die Männer trugen meist blane Hemden nnd den schwarzen Gesichtsshawl, der von den Tuareg „tessil-gcmist", von den Arabern aber „litham" genannt wird. Die Franeu Ware», nur mit der Turkedi oder dem Sudantnch bekleidet, das so nm den Körper gewuudeu wird, daß der obere Theil, mit Einschluß der Brust, ------105 ------ unbedeckt bleibt. Die Männer rauchten fast insgesammt, von den Frauen bemerkte ich dies nicht. Sftätcr machte ich anch noch einen kleinen Ausflug nach der östlichen Seite des Thals, das hier von dem Abhang der Alakus-Kette geschlossen wird. Aber nnscr Aufenthalt hier war keineswegs in aller Hinsicht erfreulich; denn sowohl an: Abend als anch am folgenden Morgen wnrden wir ill unserem ^ager von den Einwohnern von Barakat belästigt, welche mit der nnverschämtesten Zudringlichkeit selbst das Innere nnsercr Zelte untersuchten. Es war ein schöner, heiterer Morgen im ersten belebenden Stadium der Wanne, als wir am 26. Juli zur Weiterreise aufbrachen. Etwa anderthalb Meilen weit zog sich die Pflanzung noch hm und endete daun an dem Bett eines Gießbaches, welcher zur Zeit noch etwas Regcnwasscr bewahrte. Weiterhin passirten wir ein anderes kleines Rinnsal, welches deshalb nicht uninteressant ist, weil sein Name „Koramma" in der Haussa-Svrache „Regendach" bedeutet uud offenbar aus dieser Sprache cutlehnt ist. Spater lagerten wir in einem drei bis vier Meilen breiten Thale, das mit reichem Gras-wuchs bedeckt uud voller Ethelbäume war, in der Nähe des Brunnens Issaicn. Hier warteten wir auf Uteti. Er kam endlich gegen Abend an. Nun wnrde beschlossen, während der Nacht zu reisen, um die kleine Kafla der Kcl-owi einzuholen, von der wir Schutz und Gesellschaft auf unserem Wege nach Air erwarteten. Da sie bereits einen bedeutenden Vorsftrung vor uns hatten, war es zwei Uhr nach Mitternacht, als wir unsere neuen Freunde in einem Thale nahe bei dem Brunnen Karada gelagert fanden. Trotz aller Fehler, die wir bald an ihnen entdecken sollten, erwiesen sich doch diese Kel-owi, in denen Berber- uud Sudan-Blut eigenthümlich gemischt ist, als die geeignetsten Vermittler, um uns iu die unbekannten Gegenden des Südeus einzuführen. Die Hauptpersonen der kleinen Karawane, mit der wir jetzt in nähere Berührung treten sollten, waren Annur, Didi und Farrcdji. Annur war eiu Verwandter des gleichnamigen mächtigen Häuptlings der Kel-owi uud wurde zur Uutcrscheiduug Annur Karann — „der kleine Annur" — genannt. Er war ein liebenswürdiger Mann von einnehmendem Aenßercn und gefälligen Manieren, aber ohne Energie, so wie wir deren zu uuserem Schutze bedurften, und nichts weniger als kriegerisch. Didi und Farrcdji waren beide befreite Sklaven von gänzlich verschiedenem Aussehen und Charakter. Jener war von schmächtiger Gestalt, mit stark mar- ------ 1W — kirten Zngen, dir einen bedeutenden Grad von Schlauheit und Verschmitztheit erkennen ließen. Farredji dagegen war ein untersetzter Manu mit breiten, groben Gesichtszügen, in denen offene Böswilligkeit als der hervorstechendste Zug seines Charakters deutlich ausgeprägt war. Augenblicklich jedoch hatten wir nnr wenig Zeit, uns näher mit ihnen bekannt zu machen, da wir am nächsten Morden früh aufbrechen sollten und bis dahin noch der Nnhc bedurften. Außerdem ward unsere Reisegesellschaft noch vermehrt dnrch Abd el Kader, einen Tanatcr, welcher mit der von Melta Heimkehr renden Pilgcrlafla bis Rhat gekonunen kun- und sich dort den Kel-oloi angeschlossen hatte, nm nach Agades zu gehen. Er war ein gewandter uud munterer Gesell von heller Farbe nnd angenehmem Aenßern, aber cinängig, da er das eine seiner Augen in einem Streite eingebüßt hatte, Er war ungemein stolz ans sein langes Gewehr mit gutem englischen Schlosse. In seiner Ingeud hatte er den „Rais" (Major Laing) in Tauat gesehen und er hatte eine gewisse Vorstellung vom Treiben der Europäer, namentlich der Engländer. Unsere vereinigte Kafla bestaud mm wieder ans etwa 60 Ka-meelen. Bald, nachdem wir am 27. ,^nli aufgebrochen, erreichten wir das südliche Ende des Thales. Hier steht eine Burgruine, deren Urspruug den Tinyltmn Angeschrieben wird, welche früher ihren Wohnsitz in diesen liegenden gehabt und längere Zeit selbst über Nhat geherrscht haben sollen. Auch ein Brunnen in der Nähe hat den Namen Tinylkum. Wir fingen hier an, einen engen Paß zu ersteigen, welcher sich am AbHange eines jähen Borgebirges des Platean's hinschlängelt. Fast eine Stunde brauchten wir, nm auf die Höhe zu gelangen; dann zogen wir anf dem Plateau weiter, uud nach vier Meilen stiegen wir nochmals einen etwa IM Fuß hohen felsigen Abhang hinan. Vald daranf lagerten wir in dem mit Ssidderbä'nmeu und Kräntern bewachsenen Thale Erasar n^Aleru, an eiucm sehr anum-thigen Platze. Denn ein großes Wasserbecken, etwa 200 Fuß lang, 120 Fnß breit und von beträchtlicher Tiefe, hatte sich hier inmitten der Felshöhen gebildet. Anf einer in der Felsschlucht sich ausbreitenden Terrasse, etwa 200 Fuß höher, fand ich ein zweites kleineres Becken, das aber gleichfalls von großer Tiefe war. Bei großen Regengüssen bildet sich von dem einen Becken zum anderen, den Felsabhang hin-nnterstürzrnd, ein Wasserfall. Die ganze Scenerie gewährt einen überraschenden und erfrischenden Anblick; sie versetzt den Reisenden ------- 107------- gewissermaaßen cms den unermeßlichen Sandloüsten, die er hier zu finden erwartet, in die liebliche Region der Alftenscc'n. Am 28. Juli durchzogen wir eine Landschaft von sehr unregelmäßiger Bildung, welche reich mit Gras, vorzüglich „ssebot", bewachsen war. Sehr schöne Esel nnd Ziegen weideten hier; ihre Hüter waren in Lederschurze gekleidete Schwarze. Wir lagerten kurz nach Mittag am Fuße der ansehnlich ansteigenden steilen Felstliftpen, welche wir am folgenden Tage zu erklimmen hatten. Der Marsch des nächsten Tages (29. Juli) führte uns in die Hochlande der Asgar. Wir fingen unser beschwerliches Tagewerk früh am Morgen an. Der Pfad schlangelte sich zwischen abgelösten Felsblöcken hindurch an einem steilen, jähen Abhänge hin. Der Weg war für die Kamecle sehr schwierig, weil er rauh und voll losen Gesteins war. Mehrere Ladungen wurden abgeworfen und das Boot erhielt einige furchtbare Stöße. — Die Gebirgsmasse besteht aus röthlichem Sandstein, der dann und wann von grünlichen: Mergelschiefer unterbrochen wird. - Fast zwei Stunden brauchten wir, nm anf die Höhe zu gelangen. Von hier hatten wir dann einen Ueberblick über den Gebirgsrücken, der sich östlich nach Aritim hin erstreckt. Sein Uebergang soll noch schwieriger sein. Ich vermuthete damals, daß dieses Hochlaud der Asgar, iu welches wir jetzt eiuge-treten waren, identisch sein möge mit dem berühmten Djebel Tantana der arabischen Geographen, aber während manche von ihm angegebene Besonderheiten damit vortrefflich übereinstimmen, widerspricht doch Anderes einer folchen Ansicht entschieden, uud es würde jener Gebirgs-gau danach mehr nach Südwcsten verlegt werden müssen. Das Ganze bildet eine Wildniß von phantastischen, nnheimlich schwarzen Sand-stemfelsen, unterbrochen von tiefen Schluchten, in denen sich kleine permanente See'n gebildet haben. Unser Weg schlangelte sich auf diesem rauhen, borstenartig aufsteigenden Felskamm iu beständigen Zickzackwindungen entlang. Die Oberfläche des wunderbar zerrissenen und zerklüfteten Sandsteins nahn: überall dir Gestalt von Pfeilern an, so daß das wilde Bild einem Felsenwald nicht unpassend zu vergleichen war. Zu anderen Zeiten wieder führte unser Weg durch enge Klüfte zwischen terrassenförmig abgestnftcn Fclsmasfcn hindurch, wie eS die nachstehende Skizze (S. 108) vcrauschaulicheu mag. Dieses Bergland oder vielmehr dieser Hochrücken ist in jeder Hinsicht bemerkenswert!) nnd bildet einen charakteristischen Zug in diesem Theile Nord-Afrika's; denn es scheint mir kaum zweifelhaft, 108 daß dieses Felsgrat, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, von den höchsten Erhebungen im Lande der Tcbu Neschade über El War anf der Ailmastraße bis nach dcr Hochcrhebnng des Gcbirgslandcs der Hogar sich hinzieht ltnd somit zu der Bildung einiger wasserreicher und in ihrer Art sehr fruchtbarer Thäler, wie Djanet, Te-messanm und Kieler anderer, Anlaß giebt. Es hat eine durchschnittliche Höhe von 4000 bis 5000 Fuß über dem Meere und bildet die höchste Erhebung der Wüste zwischen Tripoli und Asben. Auch war dies dcr höchste Paß, den ich überhaupt auf meinen Reisen in Afrika durchzogen habe. Wir lagerten bald nach drei Uhr in einer kleinen Schlucht, in der hier und da etwas Gras wuchs. Nach einem stets in Windungen sich hmschlängelnden Marsch von drei Meilen begannen wir am nächsten Morgen (30. Juli), von diesem höchsten „col" oder Kamm des Hochlandes einen gewaltigen Abstieg in eine tiefere Region zu machen. Unser Wcg führte uns durch eine wilde, tief cingerissene Schlucht, die auf beiden Seiten von hohen Felstuppen überragt ward, uud allmählich, wie wir vorwärts rückten, nahm die wild zerklüftete Landschaft einen immer großartigeren Charatter an. Sie ist nicht allein großartig in ihren massenhaft ausgeprägten Formen, sondern auch höchst bemertenswerth durch den hier stattfindenden Uebcrgana. vom Sandstein zur Gra-nitformation. ------ 109 ------ Zwei volle Stunden brauchten wir, um den beschwerlichen Paß hinabzusteigen; dann gelangten wir auf die Sohle ciuer Schlucht von etwa 60 Fuß Breite, die gelegentlich den Bergwasfern als Abfluß dient. Hier nimmt das Thal eine Scitenschlucht auf, die von Norden kommt. Sie ist au der Mündung ziemlich breit, aber weiterhin engt sie sich zwischen vollkommen steilen Felswänden von mehr als 1000 Fuß Höhe, welche künstlichen Mauern gleichen, zu einer ganz schmalen Kluft eiu, die iu wildester Natur zwischen den Fels-massen herabstcigt, und in der sich gelegeutlich ciu rauschendes Berg-Wasser Bahu bricht. Am Fuße dieser Felsstromriuuc hat sich iu einer Höhle des Bodens ein kleines Becken mit schönem, frischen: Berg-Wasser gebildet. Die nachstehende Skizze wird dazu dieneu, diesen interessanten Felskessel zu veranschaulichen. — Dies ist das merk- würdige Thal Egcri; es ist idcutisch mit dem Thale Amais oder Mais, das schon vor manchen Iahreu dem Namen nach in Europa bekannt geworden. Bald nach der Vereinigung der beideu Schluchten erweitert sich das Thal zn 150 Fuß Breite. Gräser beginnen sich zu zeigen, Talha-und Ethelbä'ume schmücke» die Landschaft, nnd die wohlriechende Schia (^rtomisia, o^cn-ati^im»,) bietet den Kameclen eine willkommene Nahrung. Von grüßcrem Interesse noch war für uns das Vorkommen der ^sci6iM8 giganto«,, die hier schon eine Höhe von 20 Fuß ------ 110 —- erreichte. Dies deutet auf den Eintritt in eine neue Vegetationszone; denn obgleich wir einzelne Exemplare dieser Pflanze schon bei Mursuf gesehen hatten, so gehört sie doch eigentlich dem tropischen Afrila an und hat hier eine überaus große Verbreitung. Nachdem wir etwa drei Meilen vom Wasserplatz weiter gezogen, lagerten wir im Schatten eincs gewaltigen Ethelbanmes, dessen Zweige sich so weit ausbreiteten, daß unsere gauze Reisegesellschaft reichlichen Platz unter denselben faud. In der Furtsetzung dieses Thales, etwa 30—35i Meilen in westiwrdwestlicher Richtung entfernt, liegt die schon erwähute Ortschaft Dianet iu einer fruchtbaren Thaloase, die von mehreren Duellen lebendigen Wassers befruchtet wird. Ohne Zweifel liegt diese begünstigte ^ruchtstätte au dem südlichen stoil^u Abhauge desselben Gebirgslainlnes, deu wir heute Morgen passivt hatteu. Gern hätte ich dicseu anziehenden Platz besucht, alleiu während wir hier gelagert waren, tam nns die Nachricht zu, das; uns gerade van Djanet her eine große Gefahr bedrohe. Es ward uns nämlich durch eiuen Boten von Rhat gemeldet, daß der mächtige Häuptling Ssidi Djafel inet ^der Sohn des) Ssatertaf, welchem Viele der um Djanet wohnenden Imrhad als Leibeigene untergeben sind, die Absicht habe, nnsere Expedition zu überfallen nnd auszu^ plündern. Obgleich fich diefe Nachricht später als unbegründet erwies, verursachte sie doch cmfangs eiuc gänzliche Störung uuscrer Pläue. viachdeul wir einen Tag gerastrt, zogen Kur aui 1. Augnst weiter. Wir ließen den nach Djanet führenden Hauptarm des Thales zur Rechten. Die umgebenden Fclsllippcn wnrdeu allmählich flacher und niedriger. Hier konnten wir beobachten, wie der Granit, drr jetzt an die Stelle des Sandsteins tritt, anfänglich in niedrigen, zerrissenen Felsrisfcn erscheint, dann aber allmählich dcu ganzen Distrikt einnimmt. Der Sand, welcher bisher fast ausschließlich deu Bodeu gebildet, wird jetzt vou Kies uud Granitschutt verdrängt. Das ^and nahm so eiucn gauz vcrschicdeueu (iharatter an, nnd die Schichtcnbildung der Sand-steiuregion war ganz verschwunden. Mit dem Aeginu der ausschließlichen Grauitformatiou wird das Vand öder als je, uud es treten jetzt jene ungeheuren „Spicgelcbencn" des eigentlichen Inneren der Wüste auf, die noch weit uufruchtbarer uud eiutöuiger siud, als die hammadrn oder Hochebenen der Sandsteiinegion. Wir begegneten heute einer Stlaveutafla, die 4t> bis 50 meist lveibliche Stlaven iuit sich führte. Eiueiu alten Herkommen gemäß draäite Jeder unserer Kel-owi von seiuetn Vorrath ein Maaß — Ill — Datteln und schüttete es auf ein Tuch, das der Führer jener Karawane auf dem Buden ausgebreitet hatte. Kurz vor Mittag schon lagerten wir in dem breiten flachen Thale Edjcndjer, wo sich noch etwas fpärlicher Graslunchs findet uud sich so ein nothwendiger Halt-pulikt für die von Norden kommenden Karawanen bildet. Denn von hier erstreckt sich mehrere Tagereisen weit gegen Südwest der kahle, nackte Wüstenspiegel. Am nächsten Tage (2. Aug.) begannen wir unseren Marsch über die vor uns liegende große öde, wasscrlose Ebene, die nur durch einzelne Granitgipfel oder nnfrnchtbare Thalbildnngcn unterbrochen wird. Nach etwa nenn Meilen erschien zu unserer Rechten der interessante kegelförmige Berg Tista, der sich etwa 600 Fuß über die Ebene, erhebt nnd von anderen, kleineren kegeln umgeben ist. Bald daranf zeigte sich lints vom Wege eine steile Erhcbnngstttte Namens Marian. Der Boden war meist grober Kies, aber mit feinem Granitsand untermischt. Der Marian ist dem Eingebornen das Merkzeichen der nackten, mccrartigen Wüste, der „tenerc" oder „tancre". Der Anblick dieser weiten Fläche schien unsere wilden, an schweifendes ?eben gewöhnten Gefährten zu begeistern, nnd mit angespornter Rüstigkeit, begleitet von ihren Wüstengesängcn, zogen wir über die unbegrenzte Ebene dahin, bis wir endlich nach Sonnenuntergang anf dieser kahlen, kiesigen Fläche lagerten, an einer Stelle, wo nicht daö geringste Krant und kein Splitter Holz zu finden war. Am folgenden Morgen brachen wir in gesonderten Trnpps anf, weil Jeder so bald als möglich die Sandhügel zn erreichen wünschte, die wir in ciucr Entfernung von etwa fünf Meilen vor uns liegen sahen. Denn hier hofften wir ein wenig Futter für unsere ausgehungerten Äameclc zu finden, und in der That waren an den Gehängen der schneeweißen Sandhügcl einzelne Büschel „ssebut" zerstreut, welche selbst einer kleinen Anzahl von Schmetterlingen und Libellen Nahrung und somit die Möglichkeit gewährten, in dieser traurigen Einöde zn leben. Die Sandhügel lagerten sich an beiden Seiten des WegeS oder durchschnitten denselben. Der Granit liegt nur weuige Fuß unter der Oberfläche des sandigen Bodens, zuweilen durchbricht er auch denselben nnd zeigt sich in schöner blauer Färbung. Die der Wüste cigeuthümlichc Luftspiegelung zauberte heute vor unseren Blicken die prachtvollen Trugbilder von Scclaken und frischen Weide^ gründen hervor, wie denn überhaupt die vou der Sonnenglnth erhitzte Wüste voll täuschender Gebilde ist. Wir lagerten in geringer ------ 113 ------ Entfernung kmn Brunnen Falesseles oder Afalcssclcs, welchen wir am nächsten Morgen (4. August) erreichten. Es war dies nicht eben ein angenehmer Lagerplatz; denn es fand sich hier nicht der geringste Schatten und eben so wenig war hier Futter für die Kamcele. Sie mußten deshalb, nachdem sie getränkt waren, alsbald nach einer 7 — 8 Meilen entfernten Weidestätte getrieben werden. Gleichwohl ist dieser Punkt wegen des Brunnens, welcher leidliches Wasser in reichlicher Fülle enthält, für den iünawaucnhandel von großer Wichtigkeit und bildet deshalb eine nothwendige Station anf dieser Straße. Unser ^agcr war, zumal nachdem unsere treuen Ncisegefährteil fortgeführt waren, deren Gegen wart dem Reisenden in diesen Einöden überaus lieb und werth ist und ihm ein gewisses Gefühl der Sicherheit einstößt, sehr einsam nnd verlassen. Der Tag war bei vollkommener Windstille drückend heiß; um 12^ Uhr hatten wir im besten Schatten, den wir uns verschaffen tonnten, 44° C., und um 2 Uhr war es wahrscheinlich noch wärmer. — Wir rasteten hier auch uoch dcu folgcudeu Tag. Hier stieß Uteti, der uns in unserer gefährdeten Vage Wichtig war, wieder zu uus. Iu ein blaues Sudautuch gehüllt nnd auf seinem klciuen hübschen Meheri reitend, bildete er aus der Entfernung eine ganz stattliche, höchst eigenthümliche Erschciuuug. Am 6. August machten wir einen langeu Marsch von 12 Stunden. Unser Weg führte uns auch heute über eine kiesige kahle Ebene, die fast ganz ohne Vegetation war. Gleich nach unserem Aufbruch hatten wir einige nicht eben hohe Saudhügcl zu ersteigen; mitunter zogcu kleine Erhebungen von Quarzsandstcin quer durch dieses leicht-gewellte Sandmecr hiudurch. Ueberhaupt zeigte das gauze Gebiet eine auffallende Mischung von Sandstein- und Granitformation; es fand sich grünliches Quarzgeröllc ueben weißen und rothen anstehenden Sandsteinen. Wir nahmen endlich unseren Lagerplatz in einer Art von flachem Thal Namens Tarharcbcu, an der Nordseitc einer höchst imposanten, cyllopcuartig gegliederten Masse von seltsam gestalteten Saudsteiublöckeu, die würfelförmig in steil aufsteigenden Wäudcu auf einander gcthürmt sind und sich zu ciuer Höhe von etwa 150 Fuß über der Ebene erheben. Einige schöne Talhabäume schmückten unseren Lagerplatz, welcher mit seiner Umgebuug von wunderbar gestalteten Felsmassel, wenigstens eine angenehme Abwechselung iu dieser Wüsten-laudschaft bildete. Auch am 7. August hatten wir einen langen uud mühseligen ____ 11H ____ Tagemarsch. Der Boden ward null rauh lind steinig, doller Felsaufsprünge, vou deucu sich kleine ^egel und Kuppen erhoben. Dann folgten breite flache Thäler, mitunter mit einigen Kräutern überwachsen, gewöhnlich jedoch ganz nackt. Indeß, so kahl nnd verlassen anch dies ^and erscheint, finden sich hier doch große Heerden sogenannter wilder Ochsen — ^ntilop« dubaiis oder /VI^0i)N^1u8 dudn,!^ —-, welche frei limhcrstreifen nnd ihren Zufluchtsort verändern, je nachdem sie hier oder dort mehr oder weniger verfolgt werden. Unsere Leute versuchten sie zu jagen, aber ohne Erfolg. Zwar erscheinen diese Thiere sehr wenig behend, aber doch erklimmen sie die Felsen mit großer Leichtigkeit nnd in Folge der wild zerrissenen Oberfläche des Bodens verlieren sie sich bald aus dein Gesicht. Etwa lim fünf Uhr Nachmittags hatten wir znr linken unseres Weges bedeutendere Höhen, die wohl bis 1M0 Fuß austicgen. An diese imposante Vcrgmasse lehnte sich eine verwirrte Gruppe von Fclstlippen nnd senkrecht abstürzenden, Pfeilerartig isolirten Grauit-blöcken. Diese durchzogen wir, gemach ansteigend, bis wir den höchsten Punkt erreichten, von wo wir dann in ein flaches Thal niedcrstiegen, das mit einer hübschen Menge Krautwuchs und einigen Talhabäumeu bewachsen war. Hier, wo die ausgehungerten Kameclc einige frische Nahrung fanden, schlngen wir unser ^agcr auf nnd gönnten uns nnd den Thieren nach dem ermüdenden Marsche die erwünschte Ruhe. Am nächsten Tage (8. August) zogcu wir anfangs etwa 1 ^ Meilen weit allf einem gewnndcncn Wege dnrch pfeilerartige Granitmassen. Dann ward die Vandschaft offener und freier. Vor uns jedoch wurden bedeutende Bergmassen sichtbar, welche die Gebirgslandschaft Anahcf bilden; dieselbe soll einige günstige Weideplätze enthalten. Weiterhin zweigte sich westlich von unserem Wege ein Pfad ab, welcher nach Tadent führt, einer dnrch Wasser und Pflanzenwnchs begünstigten Stätte, so daß dort einige Asgar-Familien ihren bleibenden Wohnsitz aufgeschlagen haben. Auf unserem weiteren Wege war der Boden mit Bu-retteba bedeckt, einer Art saftigen, 2 bis 3 Fuß hoch wachsenden Grases, das die Kameclc sehr lieben, das nnö aber ans nnserer Straße bisher noch nicht vorgekommen war. Endlich bogen wir hinter dem Ansläufer eines in die Ebene vorspringenden Spornes in das breite Thal Ngakeli ein, das von zwei malerischen scharfgeformten Felszügen ciugeschlosscu ist. Das Thal zeichuete sich dnrch eine Fülle von Pflanzen-wnchs ans, wie wir sie seit nnserem Eintritt in die Wüste noch nicht gesehen hatten. Namentlich bcmcrtenswerth waren uus die ersten Vaith's Reisen. 1. 8 IN Exemplare des Nn,1aniw8 ^ssxi^'l^u». eines Banmcs, welchen die Araber „hadjilidj", die Haussa-Stämme „addna" urnum. Die feil-ähnlichen Wurzeln des Baumes, die vom Negeuluasfcr bloßgclegt waren, krochen in gewaltiger Vängc am Boden hin. Ans diesen Wurzeln werden vorzugsweise die Schäfte der leichteren Speere gemacht. Von der Bedeutung diefer Oertlichleit iibcrzeugte mich ein Spazier-gaug von etwa zwei Milen im Thale entlang. Nach uufercr langen Wanderung durch dic nackte, kahle Wüstenlandschaft empfand ich felbst ein außerordentliches Behagen an diefer relative» Fülle und Schönheit der Natur und konute vollkommen die Begeisterung würdigen, mit der die (5ingcboruen diese begünstigteren Unterbrechungen der weiten Wüste betrachten. Auch freuten sich nnserc Kel-owi nngeineiu, als ich ihnen crtlärte, wie sehr ich die schönen Addua's bewundert hätte. Uebcrhaupt waren sie, so lange sie nichts ;i» erbitten hatten, angenehme und liebenswürdige Gefährten. Sie bewirtheten mich heute mit ihrer wohlschmeckenden „fnra", d. h. rohem Brei von Negcrhirse, gewürzt mit Ziegenkäse nnd mit Wasser übergössen. Dies ist das beliebteste und in vielen Fälleu einzige Gericht der Bewohner von Asben. Am Abend kamen einige Jäger aus Tadcnt in uusrr Vager. Richardson taufte vou ihnen einen beträchtlichen Vorrath von getrocknetem Fleisch des Wadan oder Andad lOi'vx lilv/dllN, einer großen, stämmigen Antilope, die in den Bergdistrilten der Wüste sehr zahlreich ist und meist in «Gesellschaft mit dein wilden Achsen getroffen wird. Bei Tagesanbruch setzten wir uns am 9. August wieder in Bewegung und zogen sogleich dnrch einen engen Paß, an welchem sich .^ einige prachtvoll geformte Kuppen erhoben. Nnter diesen zeichnete sich der hicrnebcn stizzirte Berg nicht allein durch seine Höhe (er erhebt sich etwa 5000 Fuß über der Meereöflache und ist der höcliste Mpfcl zwischen Iales-seleö und Air), sondern auch durch seine scharf uud schön gezeichnete Form auo. An ihn schloß sich ein niedrigerer Felszug mit sehr bestimmtem, aufstrebendem Kamm. Kleine felsige Aufsprünge mit Gergkrystalleu zogen sich unseren« Pfade parallel. Nach einem weiteren Iiiarsch vou ?^ Meilen erstiegen wir eine beträchtliche Kette zerrissener ------115 ------ Anhöhen, von deren Kamm wir uns in das Thal Arokam hinabsenkten. Dies ist eine tiefe wilde Schlucht, die, dm, hohen, abschüssigen Felsen umgeben, eine der großartigsten Ansichten in der Wüste bildet. Schon früh am Tage lagerten wir in dein Thale, ungefähr eine halbe Stunde von dem gleichnamigen Brunnen entfernt. An demselben Abend kam eine bedeutende Karawane, die hauptsächlich aus Anisslimcn oder Merabetin ans Tiu-tarh-ode bestand und auf dem Wege nach Nhat begriffen war, bei dein Brunnen Arotam an. Wie wir am nächsten Morgen hörten, hatten sich diese Leute mit Lebhaftigkeit dagegen ausgesprochen, baß wir ihr Land besuchten, namentlich aber, daß wir uns ihrer heiligen Stadt uäherten. Die feindliche Gesinnung dieser Karawane veranlaßte uns, sogleich von hier aufzubrechen und einen wenig entfernten Haltpunkt aufzusuchen, währcud wir soust eincu Tag an dieser Stelle würdeu gerastet haben. Wir betraten sogleich ein Zweigwadi, das unserem Lagerplatz gegenüber in das Thal Arotam mündete. Iu mauuichfachen Windungen hielten wir uns nun durch mehrere Thäler eutlang, bis wir nach etwa drei Meilen anstiegen nnd einen höchst interessanten Paß oder Einsturz in der Erhebungskette passirtcn; zu bcideu Seiten des Weges stiegen terrassenförmige, steil geschichtete Wände mit regelmäßigem Hochtammc empor; besonders war die Wand auf der Ostseite bemerkenswerth. Der nachstehende Holzschnitt giebt eine Ansicht dieser interessanten, aus senkrechte» Gucisschichten bestehenden Bergkette. Die höchste Kuppe erhob sich bis zu etwa 1W0 Fuß; die allgemeine Erhebung mochte 6(X) Fuß über der Thalsohle betragen. Unmittelbar hinter diesem Passe lagerten wir schou bald nach acht Uhr Morgens. »' ------ 116 ------ Nachdem wir am 11. August etwa zwei Meilen auf einem unregelmäßigen Buden zurückgelegt hatten, dcr aus verwittertem Grämt bestaud uud vou Gucistämmeu durchzöge» war, erreichten wir eiue höhere Fläche uud gewannen >.'ou hier eiueu Blick über die hiuter dem rauhen Grauitterraiu sich ausbreiteude weite liesigc Ebeue. Weiterhin uäherten sich die zur Rechten und Linken ansteigenden Erhebuugeu einander immer inehr uud bildeten so eine Art breitcu Sattels oder Passes. Hiutcr dieser Verengung betraten wir eine lahle (5beue mit grobem Kiesbodeu; dann folgten zusammeuhäugendc Höheuznge auf beiden Seiten, zwischen denen sich mehr oder weniger regelmäßige Thäler bildeten. Das liemert'cuswertheste uuter diescu ist das Thal Assettcre, iu desseu oberem Theile sich der wohlbelaunte Brunueu Tadjett-crat beftudet. Wir ließen diesen, da wir noch mit Wasser versehen warcu, seitwärts liegcu uud lagerteu etwas weiterhin in ciuem Thale, das reichlich unt Kräuteru bcwachseu war. Gegen Sounenuuter gang bestieg ich die sehr bedentcudeu östlichen Felswände uud verschaffte mir von der höchste» Spitze, die sich wohl 1200 Fuß über den Thalgruud erhebt, ciuc ausgedehute Fernsicht. Die gange For Mlltwu besteht aus Grauit und ihm verwandten Steinarteu, Gliiumer, Quarz und Feldspath. Der Thalgruub trug uuvcrtmubarc Spureu eines Ncgeubaches, welcher gelegentlich dcu Äodeu erfrischt; dasselbe war der Fall bei mehreren Neiueu Schluchten, welche von den süd-östlichcu Felslnassen hcrabsteigen. Wir waren recht übel darau, weil zwei nnscrer Dicuer zur Arbeit fast ganz untauglich warcu; dcuu sie litten am Guinea-Wurm oder der „vena Uulimonuik", eiuer abscheulichen, in ganz Central-Afrika weit verbreiteten Krautheit. Eine Hcmptveninlassnng derselben fcheiut dariu zu licgcu, daß mau oft gezwuugeu ist, schmutziges stcheudes Pfiitzeuwasscr zu trinten, welches zuuwl iu der Hitze die bösesteu Säfte hcrvurbriugt. Au Frauen habe ich uic eiu Beispiel dieser Maulhcit wahrgenommen. Ich habe mich während meiner Neiscn iu Ceutral - Afrika stets vor dcrselbeu gefürchtet, aber glücklicherweise vcrlureu sich bei mir sowohl als auch bei Ovcrweg uud später bei Oi'. Vogel die Ursacheu zu ihr iu eiuem weniger schweren Nebel, nämlich in offenen Wuuden an dcu Aeiucn, die' lms fast alljährlich am Ende der Regenzeit befielen. Am 12. August schläugelte sich unsere Straße in, Thale cutlaug. Aus zwei Brunnen, die wir am Wege antrafen, nahmen wir ciuen geringen Vorrath Wasser eiu uud schcuchtcu dabei eiuigc Schwärme ____ 117 -___ wilder Hühner auf, die hier einen einsamen Zufluchtsort gefunden hatten. Die Granitformation am Fuße der östlichen Felswand war überaus schön und hatte ganz das Aussehen von Syenit. Die Vegetation in diesen abgeschlossenen Thäleru war abwechselnd und lebhaft. Ehe wir indeß das Ziel unseres heutigen Marsches, den Brunnen Issala ober Aissala, erreichten, änderte sich der Charakter der Landschaft gänzlich. Die Felswände waren zerrissen und Massen von Blöcken waren cytlopenartig aufeinander gethürmt, die Eiuscukung selbst aber war so mit Granitblöcken bestreut, daß kaum eine Passage frei blieb. Ueber diese wüst durcheinander geworfenen Massen abwärts steigend errcichteu wir den Brunnen und waren sehr erfreut, hier endlich die Karawane der Tinylkum wieder eiuznholen, von der wir uns vor mehr als einem Monat im Thal Elauen getrennt hatten-Während wir den Umweg über Nhat machten, hatten die Tiuylkum mit unserem Gepäck die gerade Straße über Arikim eingeschlagen. Jetzt warteten sie hier seit vier Tagen ans uns. Mit freudigem Gefühl begrüßten wir unsere alten Reisegefährten wieder; auch gereichte es uns zu großer Beruhigung, nnser Gepäck insgesammt in bester Ordnnng zu finden. Auch Mohammed Boro, der von Elauen bis hierher sich in Gesellschaft der Tinylkum gehalten hatte, war von jetzt an wieder unser Reisegefährte. Wir lagerten in geringer Entfernung von unseren Freunden in einer von den westlichen sselsklippen gebildeten Bucht. Unmittelbar über dem Brunuen erhebt sich eine verworrene Menge großer Granitblöckc, deren untere Lage mit Tefinagh-Inschriften bedeckt ist. Eine von diesen, welche ich deshalb lopirtc, war mit so außerordentlicher Sorgfalt geschrieben, daß man sie, wenn sie in der Nähe der Küste gefunden worden wäre, sicher allgemein für punisch ansprechen würde. Wir blieben, weil wir unser gesammtes Gepäck umzupacken und für den bevorstehenden Marsch die Schläuche frisch mit Wasser zu füllen hatten, an diesem Haltpunkt bis zum folgenden Nachmittag. Auch dann zogen wir nur ciuc kurze Strecke weiter und lagerten in demselben Thale an einer Stelle, wo reichliches Krallt den Boden bedeckte und also Vorrath für den Marsch über die vor uns liegende öde Wüste gesammelt werden tonnte. Bis hierher hatte uns Utcti, der Tuareg-Häuptling aus Nhat, begleitet. Obgleich nach dem zu Mursuk getroffenen Uebereinkommen die Asgar ^ Häuptlinge unö bis Air hatten geleiten sollen, so wollte ------ 118 ------ doch Uteti hier, gerade wo das eigentlich gefährliche Gebiet erst anfing, zurückkehren. Vorher jedoch hatte Herr Richardson mit ihm einen heftigen Streit, da er noch einen hohen Preis für seine bereits bezahlten Dienste verlangte. Nur mit Mühe gelang es, ihn mit 30 Dollars zu befriedigen. Auch bei mir hatte er mit großer Zudringlichkeit gebettelt, bis ich ihm endlich ein Stück weißen Musselins nnd einen rothen Shawl gab. Kanin war dieser Freund und Beschützer zufrieden gestellt, als schon ein Anderer mit gleichen Ansprüchen an unsere Erkenntlichkeit hervortrat. Gleich am nächsten Morgen, als wir eben aufgebrochen waren, sandte Mohammed Boru unter der Hand meinen gewandten Freund, den Tanater Abd el i^ader, an mich ab, um mir einet» Vor-trag über seine (Äoro's) unbegrenzte Macht und seinen Einfluß in dem Lande, welches wir bald betreten sollten, zu halten. Mir war es freilich laugst klar, wie wichtig es für nns gewesen wäre, uns die Freundschaft dieses Mannes zu gewinncu; allein bei der Beschränktheit unserer Mittel hatte Herr Richardson es sich zum Grundsatze gemacht, nur im Falle der dringendsten Nothwendigkeit etwas zu geben, ein Verfahren, durch welches freilich ein Geschenk, wenn es denn endlich gegeben ward, sehr an Werth verlor. Wir traten nunmehr in die eigentliche Centralregion der öden und nackten Wüste ein, welche sich von hier südlich bis an die Vorläufer der Gebirge von Air erstreckt. Der verwitterte Grauitbodcn war theilweise zu Schuttsaud zerstoben. Ueber diese traurige Wüstenei zogen wir in weit versprengtem Zuge dahin, nnd allmählich, fast unmerklich ansteigend, erreichten wir um 2^ Uhr Nachmittags die höchste Fläche der Wüstencbene. Aus dem weiteu Sandmeer stiegen hie und da isolirte FelskuMn gleich Inseln empor. Wunderbar war der Anblick der senkrecht sich erhebenden Wände mit ganz fänlcnartig isolirten Pfeilern. An den Basen nntcrschied Overweg konzentrische Schalen^ bildung. Die nachstehende Skizze mag dazu dienen, den genteinsamen Charakter dieser Erhebungen zu bezeichnen. Nach langem Marsche ------ 119 ------ von mehr als zwölf Stunden lagerten wir auf diesem harten, krautlosen Boden, in den wir mn mit Mühe die Heltpflöckc eintreiben tonnten. Auch am folgenden Tage (15. August) blieb der Charakter der Landschaft unverändert. Nach 3^ Meilen Weges ward der Boden mehr felsig und zerrissen, bald aber war das Ganze wieder eine sandige Ebene. Der Himlnel war dick mit Wolken überzogen, und am Nachmittag brach ein heftiger Wind los, welchen, um drei Uhr schwerer Regen mit vereinzeltem fernen Donner folgte. Die Atmosphäre war dabei außerordentlich drückend und einschläfernd. Diese« erste Zeichen des tropischen Klima's, in das wir nnu eingetreten waren, war uns auch in Bezug anf die Ocrtlichteit sehr interessant; denn um drei Uhr erreichten wir die Mararraba, die Hälfte des WegeS zwischen Nhat nnd Air. Die Stätte ist durch mächtige Granit-blocke bezeichnet; mit einer gewissen religiösen Scheu Pflegen die Ein-gebornen, wenn sie vorbeiziehen, dem Steinhaufen anch ihren Stein hinzuzufügen. Vor nns erhob sich ein sehr auffälliger Granitkamm, der Gifcngnetangh, der große Aehnlichkcit mit einer künstlichen Mauer hat, und dessen Abhang bis zum Gipfel ganz in Sandmassen eingehüllt war. Wir überschritten diesen Felsrücken in einer Einscnknng oder Sattelnng desselben, uud uachdem wir eine lnrze Strecke durch Sanddünen gezogen, betraten wir eine breite kiesige Ebene, auf der wir unser ^ager aufschlugen. Hier wnrdc uuscrc Aufmerksamkeit vou der uns umgebenden Nntur auf uns selbst gelenkt; denn an diesem Abend erfüllte mich Mohammed Vorc» durch sein Benehmen mit den ernstesten Besorgnissen. Wegen der Vernachlässignng, mit der er behandelt worden war, dürstete er schon lange nach Rache. Heute war er Feuer und Flamme; er versammelte alle freien ^ente im ^ager zu einer Berathung, weil er, wie er sagte, die Botschaft erhalten, daß eine große Anzahl Hogar nach Assiu kommen würde. Ich vermuthete, daß ihm dies schon lange bekannt war, und sein Benehmen war mir ein Anzeichen, daß sich ein Stnrm über unseren Hänptern zusammenziehe. Auch jetzt noch geschah nichts, diesen Mann zu beschwichtigen. Auch während uuseres laugen nnd angestrengten Marsches am 16. Angnst zogen wir über liesigen oder felsigen, mit Kieseln bestreuten Voden. Ueberall war die Granitformation vorherrschend. An einer Stelle, wo wir den schmalen sandigen Sporn einer bedeutenden Erhebung ftassirten, ward eine feine Art weißen Marmors sichtbar. Darauf folgte ein besonders rauhes und ödes Terrain Namens Ibella- ------ 120 ------ kangh, und hier überstiegen wir einen kleinen, mit Kies bedeckten Gneis-tamm, der unseren Weg quer durchsetzte. Auch heute war der Himmel während des ganzen Tages im Süden mit tlemeu Wolken bedeckt, nnd die Sonne war stechend. Am Nachmittag erhoben sich im Osten sogar dicke schwarze Gewitterwolken und entluden sich endlich in einem heftigen tropischen Orkan, der anfangs nnr den Sand aufwirbelte und mit ihm die Älft erfüllte, dann aber vou schweren Ncgengüsfen begleitet war. Unsere Karawane gerieth durch daö Unwetter in die größte Verwirrung, aber glücklicherweise dauerte der Sturm uicht lange. Als das Wetter sich wieder aufklärte, wiesen die Hanssa-Sklaven bereits ans die fern im Süden schwach sichtbaren Gebirge von Aöben hin. Nach einem vierzchnstüudigen Marsch lagerten wir endlich bald nach sechs Uhr, aber trotz unserer großen Ermüdung brachen wir schon um elf Uhr bei schwachem Mondschein zn einem nächtlichen Marsche wieder ans, um so bald als möglich dou Ärunurn Assin zu erreichen. Als Grund dieser angestrengten Eile gaben die Kcl-owi den augen^ blicklichcn gänzlichen Wassermangel an; viel mehr aber noch wurden sie wahrscheinlich getrieben dnrch die Furcht, das; die uns verfolgenden Hogar uns eiuholeu möchten, ehe wir das Thal Assin Passirt wären, welches für die Grenze zwischen den Gebieten der Asgar und der Kel-owi gilt. Wir marschirtcu die gauze ^acht hiudurch, nud nnr mit Mühe bekämpften wir die Forderung unserer ermüdeten Natur. Endlich um sieben Uhr Morgens laugten wir in dem flachen, spärlich mit Kräutern bewachsenen Thale Assin an nnd lagerten bei einer Gruppe vou vier Brunueu, die uoch den Asgar-Tuareg gehören, während andere ein wenig südlicher gelegene schon zum Gebiet der Kel^owi gerechnet werden. Assiu oder Asseu ist ein für den Karawanenhaudel aller Zeiten wichtiger Punkt, weil hier die Straßen vun Ghadames und Tanat sich vereinigen, und dies muß schon zur Zeit des berühmten Reisenden Ebn Batnta (im Jahre 1353) der Fall gewesen sein, der ans seiner Heimkehr aus dem ^ande der Schwarzen hier die nördliche, nachAegypten führende Straße verließ, nm seine Hcimath (Tandjah) über Buda zu erreichen. Abgesehen aber von den Brnunen ist die Stätte vcr> lassen und öde; nnr hie uud da unterbricht eine Gnippe von Granit-blöcken die breite sandige Ebene, welche an der Nordseitc von gemach ansteigendem Felsbodcn, an der Südseite vun einer höheren Erhebung begrenzt wird. Wir glaubten fälschlich, daß hier der gefährlichste ------ 121 ------ Theil unserer Ncisc zurückgelegt sei; aber bald sollten wir auf die empfindlichste Weise darüber aufgeklärt werden, daß die eingebildete Grenze zwischen den Territorien der Asgar nnd der Kcl-owi uus keinen Schlltz gegen Naubanfa'lle der nördlichen Stäütine gewähre. Das Tränten der ^ameele nnd das Füllen der Wasserschläuche nahln einen ganzen Tag in Anspruch. Am 18. August brachen wir wieder auf nnd nach zwei Stnnden Weges fingen wir an, erst gemach, dann steiler hinaufzusteigen; die Felsen bestanden hier aus thonigem Sandstcinschiefer von rother und grünlicher Farbe und waren sehr zerspalten und von Sand verschüttet. Wir hatten eben die hüherc Fläche erreicht nnd zugcn rnhig unsere Straße dahin, als unser Reisegefährte Mohammed c' Ssfaksi die ganze Karawane in Alarm setzte durch den drohenden Ruf, daß unser Feind da sei. Alles griff augenblicklich zu den Waffen, nnd die Verwirrung und der ^ä'rm waren so groß, daß es lange währte, ehe wir die Ursache der alar^ nurenden Nachricht erfahre», tonnten. Endlich hörten wir, daß cm zn nnfercr Kafla gehöriger Mann mit seinem Sklaven etwas länger bei dem Brunnen von Affin zurückgeblieben war. Da hatte er denn drei zu Kameel berittene Tuareg bemerkt, welche eilig hrrantmncn. Er selbst war ohne Verzug der Karawane gefolgt uud hatte feineu Sklaven zurückgelassen, um zu sehcu, ob noch andere Tuareg sich näherten. Dieser Sklave mm hatte ihn nach knrzcr Zeit eingeholt nnd berichtet, daß noch eine Alizahl Kamcelc in der Entfernung sichtbar geworden wären. Ein kampflustiger Geist schien sich in Folge dieser Nachrichten der ganzen Karawane zn bemächtigen; unter die> jenigen, welche mit Feuerwasfcu vcrfchcn waren, warb Pulver und Blei vertheilt. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir in diesem Augenblick angegriffen worden wären, Alle tapfer gesuchten haben würden. Bei ruhigerer Ueberlegnng gewannen wir jedoch die Ausicht, daß unsere Verfolger uns wahrscheinlich eher bei Nacht als bei Tage anfallen würden. Wir setzten daher unseren Marsch fort und begegneten in geringer Entfernung einer kleinen, ans dem Sudan kommenden Kafla, die aus einigen Tcbu^ oder Teda-Kaufleuten mit 10 Kameclen und etwa 33 Sklaven bestand. Sie zogen, wie wir später erfnhrcn, einem schrecklichen Schicksal entgegen. Denn die Hadanarnng, der früher erwähnte räuberische Stamm der Asgar, aufgebracht darüber, daß wir, ohuc Tribut zu zahlen, durch ihr ^and gczogeu wäreu, griffon fie an, ermordeten die Tebn nnd führten die Kameele und Sklaven fort. ------ 122 ------ Um Mittag fingen wir an, auf cm felsiges Terrain hinanzusteigen, und nach sehr allmählichem Anstieg gelangten wir auf die höhere Fläche, welche mit Kies bedeckt war, weiterhin aber rauhen schiefrigen Boden zeigte. Endlich erreichten wir die Thaleiuseutung Feuorangh. Dieselbe ist nicht ganz eine Meile breit, etwa zwei Meilen lang und durch ihren ungewöhnlich reichen Krantwuchs aufgezeichnet. Deshalb ist hier ein wichtiger Haltftnnkt für die von Norden kommeuden Karawanen, welche eben deu nacktesten Theil der Wüste durchschnitten haben. Auch wir beschlossen, ungeachtet der uus drohenden Gefahr, nicht nnr diesen, sondern auch deu folgcubeu Tag hier gelagert zu bleibeu, damit unsere ausgehungerten Kamcclc auf der reichen Weide neue Kräfte gewinnen möchten. Wir lagerten so dicht als möglich bei einander, um einen etwaigen Angriff mit vereinten Kräften zurückweisen zu können. Deu Tag über blieb Alles ruhig, mit einbrechender Dunkelheit aber erschienen drei wohlbewaffuete Mäuner hoch zu Kameel. Sie gehörten zum Stamm der Kel-fade, die ihreu Wohnsitz in der Gebirgslandschaft Fade-angh im Norden des Gebiets von Air haben, Es waren dieselben drei, die man am Morgen hatte dem Bruunen von Assiu zueilen sehen. Nun begann eine Reihe Scenen von einer eigenthümlichen tragikomischen Natur. Icdcrmauu erkannte die Eindringlinge als Freibeuter und war von ihren bösen Absichten überzeugt; gleichwohl mochte man sie nicht angreifen oder gewaltsam vertreiben, so lange sie selbst dcu Schein der Friedfertigkeit bewahrten. So gelang es ihnen, sich bei uns einzunisten; sie durften sich ganz in unserer Nähe niederlegen, nnd es ward uns sogar zngemnthct, sie, zu bewirthen. Dies ist die gewöhnliche Taktik der Freibeuter in der Wüste; sie beginnen nicht mit offenem Angriff, sondert« sucheu sich erst unter friedlichen Vorwändeu bei einer Karawane einzunisten, bis es ihnen gelungen ist, die geringe Einigkeit, welche in einer so bunt zusammengewürfelten Trnpftc zu herrschen Pflegt, zu untergraben nnd die Verhältnisse zu ihrem Bortheil auszubeuten. Deshalb sollten in der Wüste solche zweideutige Eindringlinge gleich von Anfang au in gehöriger Entfernung gehalten werden. Während unsere drei Gäste die Nacht ruhig bei uns blieben, waren sie Zeugen der allgemeinen Aufregung und Besorgniß und mögen wohl im Stillen über die zum Theil komischen Vertheidignngsanstalten gelacht haben. Die ganze Nacht hindurch ward Wache gehalten, nnd die vier Stücke unseres Bootes wurden au der Nordseite der Zelte so aufgestellt, daß wir ------ 123 ------ im Falle eines Angriffs hinter denselben eine gedeckte Stellung haben sollten. Am nächsten Morgen entfernten sich die drei Freibeuter, um zu ihrem Trupp zu stoßen, der sich während der Nacht in geringer Entfernung jenseits der das Thal westlich begrenzenden Fclöerhcbung gehalten hatte. Dort fanden unsere Leute im Verlauf des Tages frische Spuren von neun Kameelen, ein Umstand, der wieder zu neuer Besorguiß Veranlassung gab. Am Abend kamen wieder drei Gäste zn uns, aber nicht dieselben wie gestern, sondern andere Mitglieder der nns Erfolgenden Frcibentcrschaar, die zn den Hadanarang, dem erwähnten Stamme der Asgar, gehörten. Unser Nachtlager ward nicht gestört, doch gelang es nnseren Verfolgern, einen bedeutenden Vortheil zu erringen. Denn der religiöse Gegensatz ward jetzt mit in den Vordergrund gestellt. Früh am nächsten Morgen, bevor wir aufbrachen, wurden alle guten Gläubigen zu einem feierlichen Gebet zusammengerufen, und da wir drei Christen nus natürlich hiervon aus-schlosscu, so wurden wir schon dadurch von dem Nest der Karawane isolirt. Dann begannen wir unseren Marsch in enggeschlossencr Reihe. Zuerst ging es im Thalc entlang, dann auf ansteigendem Terrain. Zur Nechtcu, etwa iu der Entfernnng von einer Meile, hatten wir eine Erhebungskette, welche durch Einsenknngen oder Sättel in einige mehr oder minder hervorragende Theile getrennt wird. Als wir diesen eigenthümlichen Felszug im Rücken hatten, betraten wir ein flaches Thal von unregelmäßiger Bildnng, das voll juugcn Krautwuchses war, und folgten seinen Windnngcn. Plötzlich erblickten wir vor nns ans einer regelmäßig geschichteten Sandhöhe vier Leute; ein Trnftp Leichtbewaffneter, unter denen sich drei Bogenschützen befanden, wurde von uusercr Karawane abgesandt und marschirtc in regelmäßiger Schlachtordnung gerade auf die Anhöhe zu. Ich befand mich eben in der vordersten Reihe der Karawane, und um mich sicherer zu fühlen, stieg ich ab und führte mein Kameel am Zaume. Zu meinem großen Erstaunen sah ich nun, wie zwei der Unbekannten in Gemeinschaft mit den Kel-owi einen wilden Waffcntanz ansführten. Dann stürztet« zwei der Tanzenden auf mich zu, ergriffen den Zaum meines Kamecles und forderten Tribut von mir. Schon griff ich nach der Pistole, nm diesen unvcrmutheteu Angriff abzuwehren, als ich noch eben zur rechten Zeit über Grund llnd Bedeutung dieser Scene aufgeklärt wurde. Wir befaudcn uns hier au einer Stelle, die in der ueuereu ------ 124 ------ Geschichte des Landes der Kel-owi nicht geringe Wichtigkeit hat. Denn als dic Kcl-owi, ein bis dahin, wie es scheint, mwcrmischter, reiner Vcrbcrstamm, das Land Alt-Gober mit seiner Hauptstadt Tm-schaman in Besitz nahmen, ward hier zwischen den hellfarbigeren Eroberern nnd den ursprünglichen schwarzen Bewohnern ein Vertrag abgeschlossen, daß die letzteren nicht ausgerottet werden sollten und daß das Haupt der Kel-owi nur eine schwarze Frau hciratheu dürfe. Zur Erinnerung an diesen Vertrag besteht die Sitte, daß hier am Fuße des kleinen Felsens Makct-n-il'elan, die Sklaven — „it'elan" — der vorbeiziehenden Karawanen ausgelassen sein und von ihren Herren einen kleinen Tribut fordern dürfen. Der Schwarze, welcher mich anhielt, war derSserti-u^bai, das Haupt oder der Anführer der Sklaven. Diese armen, aber doch fröhlichen Geschöpfe führten, während wir unseren Marsch fortsetzten, noch einen anderen Tanz ans. Unter anderen Umständen würde dieser Gebrauch uus sehr interessirt haben; allein da drei der uns nachstellenden Naubzüglcr uns stets iu großer Nähe verfolgten, so waren wir fortwährend voll Besorgnis; vor ciuemUeberfall. Der Boden bestand hier umher nur aus kahlem ^ics; nochmals Ward der Weg unebener und von Granitfelfen untcrbrocheu; in einigen Löchern fanden nnscrc Leute hier etwas Negenwasser. Dann kamen Wir über eine ganz offene Landschaft, die weiterhin von einer halbkreisförmigen Erhebnng abgeschlossen wnrde. Während wir hier anfingen, aufwärts zn steigen, brach ein tropischer Sturm los, der sich fchon den ganzen Tag über durch das drückende und schwüle Wetter angekündigt hatte; doch war der Orkan an: Tage vor unserer Anknnft in Assiu bcl weitem heftiger gewesen. Wir lagerten eudlich auf einer offenen kiesigen Ebene, die von Felscrhcbungcn umgeben war. Unsere drei unwillkommenen Gäste, die fortwährend in unserer Nähe blieben, hatten vor den Tiuylkum offen erklärt, es sei ihre Absicht, uus drei ^hristeu zu tüdteu. Sie wollten sich ganz nahe bei uus und uuserem Gepäck lagern, und Herr Richardson mußte sie anch diesen Abend wieder bewirthen. Unterdessen liefen die Sklaven der ilel owi mit wilden Geberden und Geschrei im ganzen Lager umher, um von jedem freieu Manne ihren kleinen Tribut — „Maket-n-ilelan" ^- einzntreibcu. Jeder mußte etwas geben, einige Datteln, ein Stück Musselin, ein Messer, ein Hemd oder sonst eine Kleinigkeit. Jedoch bei nnserer aufgeregten und besorgten Stimmnng war es nns nicht möglich, nus an diesen Sprüngen und Spielen der Sklaven zu ergötzen. ------ 125 ------ Am folgenden Tage (21. August) brachen wir in aller Friihe bei Mondschein auf uud stiegen auf dem rauhen Boden allfwärts. Die Felserhcbuugen zu bcideu Seiten tratcu nicht selten nahe zusammen uud bildeten unregelmäßige Pässe. Nach 5^ Meilen erreichten wir die höchste Stelle uud tonnten vou hier aus die Vandschaft ganz iibcrblickeu. Sie war mit kleinen Granithügcln wie besäet und hatte eiu höchst ödes Auöseheu. Iu der Ferne zur ^iuteu erblickte inan eiue interessante Bcrggrupfte, vou welcher ich die uachsteheude Slizze cutwarf. Nachdeul wir mehrere »lauere Tyaler ourchstyuilN'U, erreichten wir kurz our zehu Uhr das bedeutende breite Thal Djiuuinau. Dasselbe nmßtc, wie uuverteuubarc Svureu zeigten, erst am gestrigeu Tage von dein wildeu Stroinc eines Negeugusses überfluthet geweseu seiu, während iu uuserer Mhe uur wenig Regen gefallen war. Das Thal war vun reichem ^rautwuchs belebt und wurde immer aumuthigcr, je weiter wir vorrückten. Bäume, namentlich Valaniteu — „Aboral" -^ wuchscu au einigcu Plätzeu in auffalleuder Uepftigleit. Zu deu Höhen zur ttiuteu full sich Magucteiscusteiu finden; leider touute ich diese interessante Nachricht nicht genauer ergründen. Weiterhin theilt sich das Thal in drei Arme, vun deueu der östliche deu fchbusteu und reichsten Pflanzeuwuchs hat; auch der westliche, Tiut genannt, ist reich mit Bäumeu uud Kräuteru geschmückt. Wir zogen in dem mittleren Arm fort uud lagerten ctwaö weiterhlu, wo er sich verengte, au, einem aumuthigen uud malerischen Platz. Am Fusie uuserer Zelte schlangelte sich daS tiefe Äctt eiueö Negeubaches hiu, desseu Naud vuu üppigeu Talha- und Aboratbäumeu umsäumt war. Hier hatte das von dcu hinteren Felsen hcrabtounneudc Wasser einen kleinen Pfuhl gebildet, und das frifche Grün des Vaubes, belebt vou deu jüngsten Regengüssen, bildete eiucu allgeuehnien Gegeusatz gegcu die duutclgelblichc Farbe der Grauitmasseu iln Hintergrunde. Auf den Blöckcu über dem tleiuen Teich fand ich einiges rohe Gelritzel mit Figureu von Ochsen, Eseln uud eiuem hohcu, schlauteu Thiere, das wahrscheinlich eine Giraffe darstellen follte. ------ 126 ___- Am nächsten Morgen (22. Angnst) brachen wir nicht sehr frühzeitig auf, da die Kel-owi nicht gleich ihre Kamecle finden tonnten. Wir durchschnitten daS felsige Rinnsal nnd traten in einen sehr unregelmäßigen, steil aufsteigenden Paß ein. Ueberall zeigte hier der Kiesboden die Spnren eines erst jüngst geflossenen Regenstromes, dessen Sanm mit kleinen lieblichen Mimosen nnd einem dnutelgrüuen Rasenteppich geschmückt war. Als wir den Fclsftaß hinter uns hatten, befanden wir uus auf einem hohen Terrain, Kon wo wir eine dcntliche Fernsicht über die vor uns liegende Landschaft gewannen. Wir konnten in der Ferne vier bedeutende Bergketten genau unterscheiden. Die Thäler, welche wir jetzt betraten, prangten in frischem uud üppigem Grün; hie nnd da zeigten sich Blumen, die wir zuvor noch nicht gesehen hatten; auch die Sennapfianze war in ziemlicher Menge vertreten. Rings umher wareu Berge nnd Knppen in den verschiedensten Formen sichtbar. Nachdem wir daranf, gelllach ansteigend, eine Reihe kleiner Ebenen und Thäler passirt hatten, betraten wir das große, anmuthige lHrasar - n - Gcbi, das sich durch prächtigen PflanzcuwuchS auszeichnete. Wir bemerkten hier znerst die Abisga ((^Warin 5oc!n,t«) oder, wie die Araber diesen wichtigen Ansch nennen, Ssiwat, auch Lirat oder vielmehr el Irak. Dieser Busch oder Baum ist mehr als irgend ein anderer charakteristisch in der Uebergangslaudschaft zwischen der Wüste uud deu fruchtbaren Gegenden Central - Afrika's, d. h. zwischen dem 20. uud 15. Grade uördl. Breite; nirgends aber sah ich ihn in solcher Größe nnd Menge, wie im Verlauf meiner Entdeckungsreise an dem nördlichen Ufer des I-ssa oder Niger, zwischen Timbnktn nnd Ga-rho. Die Eiugebornen essen seine korintheuähn-lichen Beeren, nnd auch uns gewährten dieselben zuweilen eine leichte, erfrischende Zugabe zu uuscrer einfachen Wiistcntost. Sie schmecken getrocknet besser; denn frisch haben sie einen scharfen Geschmack, der an Pfeffer erinnert. Die Wurzel diefcs Baumes liefert jcues ausgezeichnet verschönernde Neibholz für die Zähne, welches die Mohammedaner in Nachahmuug ihres Propheten so allgemein anwenden. Das Holz selbst ist sehr danerhaft uud zu vielfachen Zwecken zu benutzen, wo es ganz besonders anf Stärke antommt. Die frischen Blätter lieben die Kameelc als gelegentliches Fntter, wenn sie anderes daneben haben; sonst wird es ihnen bald zn bitter. So greift dieser Baum auf mannichfachc Weise ins Wbcn und den Haushalt der Eingcbornen ein. Wir verließen das Thal Gebi durch eine tlcme Seiteuüffnung ------ 127------ und traten bald daranf in das breite, aber nicht so reich bewachsene Thal Ta-rha-djit ein. Hier lagerten wir lurz nach Mittag auf einem freien Platze. Das Thal ist deshalb wichtig, weil es das erste in der Grenzlandschaft von Air oder Asben ist, wo eine feste Ansiedelung oder Dorfschaft sich befindet. Das kleine, aus Ledcrzelten bestehende Dorf wird von Leuten aus dem Stamme der Faoe-angh bewohnt, welche sich iu einer gewissen Unabhängigkeit von dem Gefammtstammc der Kel-owi halten, wahrend sie doch den Sultan von Agades anerkennen. Die Stimmung unserer Führer und Kameeltreiber war vom ersten Augenblick an, wo wir lagerten, unbehaglich. Wir wünschten uns den Schutz des Häuptlings von Fade-augh zu sichern, der uns als eine Person von großen: Ansehen dargestellt worden war. Allein als wir zn ihm schickten, erhielten wir den Bescheid, er selbst sei abwesend; ein Mann, der für seinen Bruder ausgegeben wurde, sollte seine Stelle vertreten. Als aber dieser, begleitet von einigen beuten aus dem Dorfe, erschien, ward es uns sogleich klar, daß er nicht das geringste Ansehen »genoß. Einer der Raubzügler, die sich noch immer in unserer Begleitung hielten, schlng ihn wiederholt mit dein Sveer auf die Schulter, in der bestimmten Absicht, uns zu zeigen, wie gering er ihn achte. Ueberhauftt aber erwies sich der ganze Charakter dieser Leute von Ta-rha-djit als ein entarteter uud erniedrigter, und ein höchst auffallender Unterschied that sich knnd zwischen diesen verächtlichen, entarteten Mischlingen uud unseren hoch uud kräftig gewachfenen, kriegerischen Verfolgern, deren männliches, freies Benehmen uns einen gewissen Grad von Achtung abnüthigte, wie sehr wir auch von ihren feindlichen Absichten überzeugt warcu. Auch das Verhältniß der Geschlechter zu einauder ist keineswegs so rein, wie man es ohne Rücksicht auf den Verkehr der Wüste iu solcher Gegend erwarten sollte; denn die Francn werden hier gcradezn feilgeboten. Aber schon die alten arabischen Schriftsteller bezeugen, daß so lose Sitten stets unter den Berberstämmen an der Grenze der Wüste geherrscht haben; anch fanden wir dieselbe Sittenlosigkeit bei dom Stamme der Tagama, und nicht allein Agades, sondern sogar das kleine Dorf Tin-tcllnst war nicht ohne feine Bnhlerinncn. Während Overweg nnd ich im Schatten eines Talhabanmes ruhten, sammelte sich um nns ein ganzer Kreis von Neugierigen, die wir durch einige kleine Geschenke befriedigten. Auch einige Frauen _^. 128 — liessen sich sehen, von denen sich einzelne besonders durch ein stark entwickeltes Hintertheil (in der Landessprache onomatopoetisch „tcbnllodcu" genannt) auszeichneten, wie denn schou Leu Afrieanus „1o p.^M cN clisti'o pi6m»8iinl) « g>'Ä88c:" als cincn Charakterzug der Tuareg-Fraucn augiebt. Von den Namen dieser Schönheiten von Ta rhadjit habe ich mir, als bezeichnend für den Sprachcharalter, die folgenden drei angemerkt: Telittifot, Tatinata nnd Temetilr. Bemerteuswerth waren die stattlichen nnd kräftigen Esel, welche die Leute hier besaßen. Sonst fanden wir statt der Fülle, welche man uns von diesem Vande vorgespiegelt hatte, im Grunde nur Elend, vergeblich bemühten wir uns hier, ein Schaaf ober eine Ziege zu erhandeln, und eben so wenig konuteu wir etwas von dem bernhtmen Air-Käse anftreiben, nach dem wir uus während der Reise durch die Wüste so oft gesehnt hatten. In den ersten Augenblicken unseres Aufeuthaltcs iu Ta-rha-djit konnten wir uus immerhiu leidlicher Rnhe und Behaglichkeit erfreuen. Da wurden wir zuerst dadurch beunruhigt, daß man für die Bcuutzung der Wafserpfütze in Djinniuau eine Gcldfordernng yegcn uns erhob; indeß, um die Eindringlinge in etwas zu befriedigen, verstanden wir uns dazu, diese Forderung zu bewilligen. Kaum jedoch war dies geschehen, als sich die Nachricht verbreitete, daß eine Bande vou 50 bis 65 Mchara (d. h. zu Kamee! berittene Krieger) im Anzngc sei, nm uns anzugreifen. Die ganze Karawaue gericth dadurch iu große Bestürzung und Bcrwirrnng. Jeder schrie nach Pulver und Blei, und unter die gauze Reisegesellschaft ward Schießmaterial vertheilt. Leider versahen die Tiuyltum, sei es aus Uuvcrstaud oder aus Treulosigkeit, auch die Einnistlinge, die nus noch immer begleiteten uud sich jetzt als uuserc Freunde gerirteu, mit Schicßbedarf. Diese theilteu natürlich der Bande, zn der sie gehörten, davon mit, uud so verlorcu wir das hauptsächlichste Mittel, auf dem uusere Ueberlegeicheit und Sicherheit bernhte. Neberhalipt »viiuschten die Tinyltum jeden AllSbruch offener Feindseligkeit zu vermeiden, um sich die Straße für die Zukunft offen zu erhalten, und opferten so nuser^utcresse großentheils dem ihrigen auf. Am Abend und während der vou gläuzcndem Mondlicht erhellten Nacht blieb uuser Vager in uuunterbrochener lebhaftester Aufregung. Die ganze Karawane war iu Schlachtordnuug aufgestellt; der linke Flügel ward von uns und einem Theil der Kcl-owi gebildet, die ihren eigenen Lagerplatz verlassen uud ihre Stellung vor uuscrem Zelte genommen hatteu; das Centrum bestaud aus den Tinylkum .-----129 ------' und Mohammed e' Ssfaksi, und der rechte Flügel, der sich an die Felswand anlehnte, aus dem Rest der Kcl-owi nebst Muhammed Boro. Der linke Flügel war durch die vier Theile des Bootes gedeckt. Um 10 Uhr Abends erschien wirklich ein Trupp Mchara und ward von einem heftigen Kleingcwchrfcuer begrüßt. Zwar flogen unsere Kugeln, ohne ihnen Schaden zu thuu, über ihre Köpfe weg, doch zogen sie sich wieder zurück. Aber Feuern und Schreien hielt die ganze Nacht an. Auch am folgenden Tage blieb unsere Lage dieselbe. Die Raub-zügler verursachten noch einmal einen erfolglosen Alarm; dann traten ihre Fährer mit dem Verlangen hervor, daß ihnen die drei Christen ausgeliefert würden; unter dieser Bedingung wollten sie versprechen, die Karawane nicht weiter zu beunruhige». Allein diese Forderung ward entschieden zurückgewiesen, und nun blieben wir vorläufig ungestört. Die Raubzügler mochten sich überzeugt haben, daß sie, um ihren Zweck zu erreichen, ihre ganze Macht, mit der sie bis dahin nur geprahlt hatten, wirtlich in's Feld stellen müßten. Während wir unter so beunruhigenden Umständen im Thal Ta-rha-djit gelagert waren, besuchte unö uuvcrmuthet Chueldi, der bedeutendste Kaufmann von Mursuk, der mit seiner Karawane auf dem Wege vom Sudan nach dein Norden begriffen war und eine kurze Strecke südlich von nns sein Lager aufgeschlagen hatte. Dieser gewandte und erfahrene Kaufmann bereiste die Sudanstraße seit vielen Jahren, uud der Sudan war ihm mehr zur Heimath geworden, als Fesan. Er konnte uns ohne Zweifel große Dienste leisten, sowohl durch seinen Einfluß auf die Leute, aus denen unsere Karawane bestand, alS auch durch seine Kenntniß des Bandes, dessen Grenze wir eben überschritten hatten. Indeß er war kein energischer nnd scharfblickender Manu und leugnete uns gegenüber das Vorhandensein irgend einer ernstlichen Gefahr. Andererseits aber ging er im Lager umher, crhob unsere Wichtigkeit als Sendboten einer überaus mächtigen Regierung und crmuthigte die Leute, uus im Falle einer Gefahr tapfer zu vertheidigen. Die Zustände im Sudan stellte er uns so günstig dar, wie wir es nur irgend wünschen konnten. Durch eine Schüssel ganz Vortrefflicher Assbenaucr Datteln, die er uns schickte, erweckte er bei uns wenigstens eine günstige Meinung über die Produtte des Landes, das wir so eben betreten hatten. Ueberhaupt war Chueldi ein Mann, der Jedem augenehm zu sein suchte. In Folge meiner dringenden Aufforderung schickte Herr Richardson Vaiih'2 Neifen. I. » ------ 130 ------ endlich jetzt befriedigende beschenke au Mohammed Boro. Wäre dies zwei Monate früher geschehen, so wären nns vielleicht unsägliche Gefahren und Verluste erspart worden. Indeß war es doch wichtig, daß wenigstens jetzt noch dieser leidenschaftliche nnd ehrgeizige Mann besänftigt und in nnser Interesse gezogen wurde. Am Morgen des 24. August brachen wir dun unserem Lagervlatz in Ta-rha-djit auf. Wir kamen bald an Chueldi's Lager vorbei, welches gleichfalls eben im Nufbruch begriffen war. Felsiges Terrain, das von höheren Bergmafscu oder isolirten Kuppen überragt wird, wechselte während unseres heutigen Marsches ab mit Einsenkungen, welche auf längere oder kürzere Strecken die regelmäßige Form von Thälern annehmen. Statt des frischen Grüns, das uns in den nördlichen Thälern von Fade-angh so sehr erfreut hatte, fanden wir heute das Gras bei weitem weniger frisch und üppig. (5s schien dies nicht allein die Folge eines spärlicheren Negenfallcs zu sciu, sondern eine größere Armuth des Bodens in diesen Thälern anzuzeigen. Schon früh am Nachmittag lagerten wir im Thale Imenan auf einem offenen Platze am südlichen Fnße einer kleinen felsigen Anhöhe. Große Talhabäumc schmückten das Thal, und das „bu-rekkeba" genannte Kraut war hier zu üppiger Höhe aufgeschossen. Unsere angenehme Lagerstätte war wohl geeignet, zn Ruhe und Behaglichkeit einzuladen. Allein gegen Abend erschienen wieder fünf unserer wohlbekannten beutelnstigen Verfolger; sie waren wohlberitten und hatten neben ihren Rcittameelen sechs andere nnbeladenc Kamcele bei sich. Leider wurden sie auch jetzt nicht in der gehörigen Entfernung gehalten, sondern stiegen nicht weit von Miseren Zelten ab nnd besprachen sich unter rohem Gelächter mit den Asgar aus unserer Karawane. Sie wurden sogar noch mit einem Abendessen bewirthet, nnd während sie dies verzehrten, meldete uns unser Diener Mohammed der Tunesier, daß wir allerdings in großer Gefahr seien; denn diefe Hogar seien von Nachnuchen aufgefordert, im Lande der Kel - owi Leute zu sammeln und nns aufzuheben, so daß auch nicht eine Spur von uus übrig bleibe. Obgleich diese Nachricht, so weit sie Nachnuchen betraf, allem Anscheine nach von unseren Verfolgern erlogen war, so war doch so viel klar, daß wir uus jetzt auf einen ernsthaften Angriff gefaßt machen mußten. In einem großen Kriegsrath, der nun gehalten wurde, ward beschlossen, daß, wenn nicht mehr als 20 bis 30 Lente lämen, uns anzugreifen, der Kampf mit diesen aufgrnmmnen werden sollte; für den ------131------ Fall aber, daß dic Zahl der Angreifer größer sein sollte, wollte man versuchen, mittelst eines Theiles nuserer Güter ein friedliches Abkommen zu Stande zu bringen. Zugleich wurden alle möglichen kriegerischen Vorkehrungen getroffen. Indeß war es anffallcnd, daß, während wir und die Tinyltum der Sicherheit halber alle unferc Kameele zu früher Stunde in die unmittelbare Nähe der Zelte brachten, die Kel-owi die ihrigen frei anf der Weide umherstreifen ließen. Sie mochten wohl denken, daß sie als die Eingebornen und Herreu des Landes von den Freibeutern nichts zu fürchten haben würden. Vor Mitternacht schlichen sich unsere unwillkommenen Gäste aus dem ^ager wieder fort, ein Umstand, der natürlich unseren Verdacht erregte. Als dann zu sehr früher Stunde am nächsten Morgen die Kel-owi ihre Kamecle wieder zusammentreiben wollten, zeigte sich'S zu unserer großen Bestürzung, daß die Thiere verschwunden waren. Die Freibeuter hatten sich während der Nacht ihrer bemächtigt. Kaum dämmerte der Tag, so erschienen die Gäste von letzter Nacht auf der Fclshö'he im Süden nnd ritten von dort auf ihren hohen, schlanken Thieren an unser Lager herab. Hier forderten sie geradezu unsere Eskorte auf, sie sollten die Christen mit ihrem ganzen Gepäck nnd ihren k'auieelen ausliefern. Die Unverschämtheit, mit der diese Forderung von einer so kleinen Anzahl gestellt wurde, bewies deutlich, daß noch eine stärkere Truppe in der Nähe sein müsse. Jedoch wir wiesen mit Festigkeit ihre Forderung zurück und erklärten, daß wir nöthigenfalls bis auf's Aeußerste kämpfen würden. Noch verhandelten wir mit ihnen, da erschien plötzlich eine Trnppe von etwa 40 Mann, anf schlanken Meheri reitend nnd wohlbewaffnet mit Speer, Schild und Schwert. Sie kamen in raschem Trab über die Hügel daher nnd forderten mit wildem Kriegsgeschrei uosere Karawane zum iltampfc heraus. Offenbar war ihre Absicht gewesen, durch den plötzlichen Schrecken uns einzuschüchtern. Jedoch, sobald die erste Ucbcrraschuug vorüber war, zog der größere Theil uusercr Kara, wane, mit Flinten, Pistolen und Schwertern bewaffnet, dem Feinde entgegen nnd erklärte sich bereit, die Hcransfordernng anzunehmen. Mohammed Äoru, das Schwert in der Fanst, führte uns energisch an nnd rief mir zu, ihm fest zur Seite zu stehen. Von den Tinyl-kun, hielten sich nur der treue Mussa und der junge liebenswürdige Sflilnan zn uns; von den Kcl-owi zeigte namentlich Farredji bei diefer Gelegenheit großen Muth. Unsere kühne Bewegung machte die Angreifer stutzig; außer den Fcuergcwchrcn schienen namentlich die ------ 132 ------ Bajonette an unseren Flinten ihnen Rcsftekt einzuflößen. Aber doch war unsere Lage ganz unhaltbar; denn wenn wir auch den Feind vor uns abhalten tonnten, so wäre doch das Gepäck in unserem Rücken sehr leicht seine Beute geworden. Unter diesen Uniständen ward wieder unterhandelt; während ein Theil der feindlichen Trnppc sich uns zu diesem Zwecke näherte, hielten die Uebrigm sich in der Ferne und riefen aus, daß sie noch Verstärkung holen wollten. Die feindlichen Unterhändler erklärten, daß sie nicht kämen, um gegen Leute ihres eigenen Glaubens zu kämpfen, sondern daß sie es nnr mit den Christen zu thun hätten. Indem sie so das religiöse Element in den Vordergrund stellten, gelang es ihnen bald, die Einigkeit in unserer Karawane und die Sympathie für uus Europäer zu schwächen nnd zu zerstören. Der Feind machte in der Folge verschiedene Vorschlage, die alle gleich unannehmbar waren. Zuerst verlangte man einfach, daß wir als Ungläubige ausgeliefert und gctödtct werden sollten; als dies entschieden zurückgewiesen ward, bestauden sie daranf, daß wir nicht weiter reisen, sondern auf dem Wege, auf dem wir gekommen, zurückkehren sollten. Auch dies ward abgelehnt. Dann traten sie mit der Forderung hervor, daß wir unseren Glauben ändern und uns znm Islam bekehren sollten, ein Vorschlag, den wir mit Abscheu als undenkbar verwarfen. Endlich verlangten fie einen beträchtlichen Theil nnseres Gepäcks als Lösegeld. Es blieb nichts übrig, als auf diesen letzten Vorschlag einzugehen, und es kam ein Vertrag zu Staude, wonach wir ihnen Waaren zum Betrag von etwa 350 Realen oder etwa 50 Pfund Sterling auslieferten, um die gestohlenen Kameele zurückzuerhalten uub ungehindert weiter ziehen zu können. Nichts desto weniger mußten wir anßer den Waaren noch neun Kamcelc opfern, und die Raubhorde ward überdies auch wohl beköstigt. Ungeachtet aller dieser Opfer waren uusere Befürchtungen keineswegs gänzlich beschwichtigt; offenbar war der Horizont noch nicht rein und leicht konnte ein anderer Sturm losbrechen. Wir mußten schließlich froh sein, als ein Anisslim oder Merabet, welcher sich dem Naubzug gegen uns angeschlossen hatte, jetzt in unserer Gesellschaft reiste und uns seinen Schutz für die Zukunft anbot. Dieser erwies sich aber in der Folge als über alle Maßen zweideutiger Natur. So bald als möglich verließen wir den ungastlichen Platz, aber schon nach kurzen: Marsche von etwa zwei Stunden lagerten wir in einer unregelmäßigen Thalbildnng, ohne jedoch die Zelte aufzuschlagen. 1ZI ____ Am nächsten Morgen (26. August) brachen wir in der Frühe auf. Der Marsch der ersten 3z Meilen führte uns durch eine von höheren Granitkegeln überragte Thalbildung. Dann stiegen wir ansehnlich aufwärts und gewannen nun eine freie Aussicht auf die große Bergmasse, welche im Südeu den Horizont begrenzte und welche von dem Kern der Volksmasfe mit dem allgemeinen Namen „Abssen" oder „Assben" bezeichnet zu werden Pflegt. Es läßt sich nicht entscheiden, ob dieser Name dem Gebirge ursprünglich zukommt, oder ob es ihn nur erhalten hat, weil es, zumal für den von Norden kommenden Reisenden, die auffallendste Erhebung des Landes Air oder Assben ist. Uuzweifelhaft aber ist nach der Ansicht der Eingebornen diese Bergmasse die nördliche Grenze des Sudan. Die hervorragendste Kuppe derselben ist der „Tcngit" oder ,'Timge" genannte Berg, und nach der Meinung des altcu, über sein Land wohlunterrichteten Häuptlings Annur ist dies die höchste Spitze im ganzen Lande Air. Auf mich hat später der zwischen Tin-tcllust und Agadcs gelegene Berg Dogem einen gewaltigeren Eiudruck gemacht, allein der alte Annur blieb fest bei feiner Ansicht, daß der Timge höher sei. Leider konnten wir wegen unserer unsicheren und gefährdeten Lage nicht daran denken, dieses überaus interessante Alpcnland genauer zu durchforsche». Iudcß waren wir von dieser malerischen Berginasse noch immer durch einen rauhen und öden Wüstenstrich getrennt. Während wir diesen durchschnitten, erblickten wir in der Ferne einen Strauß, den ersten, dem wir auf uuscrer ganzen Reise begegneten. Nach einem einförmigen Marsch lagerten wir in einer flachen, muldenartigen Thalbildung. Sie war einförmig, im Charakter der ganzen sich rings umher lagernden Wüstenlandschaft, uud bot keine irgend interessanten Züge dar. In der Nacht hatte ich die erste Wache; kurz nach 11 Uhr hörte ich eiu Geräusch, und als ich mich dahin wandte, sah ich zwei bewaffnete Tuareg ihre Mchara fatteln und im Dunkel der Nacht davon reiten. Zwar war mir dies verdächtig, doch wollte ich keinen nutzlosen Lärm machen und warnte deshalb nur Overweg, welcher mich ablöste. Sehr zeitig, lange vor Tagesanbruch, begannen wir am nächsten Morgen (27. Angust) nnseren Marsch bei schönem uud hellem Mondlicht. Einige Mehara verfolgten uns in der Ferne, und wir vermutheten daher, daß eiu neuer Angriff auf uns beabsichtigt werbe, ------ 134 ------ sobald sich eine Gelegenheit darbieten sollte. Leider war es uns wegen dieser Unsicherheit nicht möglich, die Winkel der Berghohen zu nehmen, die in einiger Entfernung von unserer Straße sichtbar waren. Während der ersten Meilen blieb die Straße rauh; aus dem dunkleren Gneis trat hin und wieder hellweißcr harter Marmor hervor. Zur Rechten hatten wir die Fclscrhebung Itsa, die sich durch ihren sägcfürmig ausgezackten Kamm auszeichnet. Bald darauf bemerkten wir dem kiesigen Boden eingedrückt eine Menge frischer Fußspuren von Menschen uud Kameclcn, und es war uns nicht mehr zweifelhaft, daß sich ein neuer Trupp beutegieriger Laudcsbcwuhner zum Angriff anf uns angesammelt habe. Unterdessen hatten wir uns der großeu Bergmasse von Assben genähert, die anf so interessante Weise die einförmige, nur schwächer gegliederte Wnstensläche uutcrbricht. Wir umgingen die niedrigeren Vorhügel uud betraten das Thal Tidik. Es machte einen überaus angenehmen Eindruck auf uus und hätte unter rnhigen Zuständen zum behaglichen Gcnnsse eingeladen. Zwar ist es keineswegs sehr breit, aber reich bewachsen mit höchst üppigen Talhabäumeu; Gewinde von Schmarotzerpflanzen uud Orchideen umschlingen die Bäume und verbinden sie anf's Unmuthigste mit einander, so daß nur dann und wann die dahinter hoch emporragenden Bergmasseu durch das Laub durchschimmeru. In einer Einbucht derselben, etwas weiter nach Osten, liegt das gleichnamige Dorf Tidik; gegenwärtig aber war dasselbe nicht bewohnt, da die „Kel-Tidit" (d. h. Leute von Tidik) nach den schöneren und weniger trockenen Thälern im Weste« umgesiedelt waren. Wie wir vorwärts rückten, verengte sich das Thal mehr und mehr und bildete zuletzt nur uoch einen schmalen Paß, welcher gewöhnlich für das eigentliche Thor des Sudans augcseheu wirb. Westlich zu unserer Rechten zeigte lins hier der Berg Kadamcllct seine volle Gestalt, eine breite Basis, auf der ein knrzes Doppelhorn emporsteigt. Die Paßbildung dauerte nicht lange, sondern machte bald einer unregelmäßigen, felsigen Thalglicderuug Platz, meist eng und anf beiden Seiten von nackten Felsmassen eingeschlossen. Die Straße ward so überans rauh uud uuwegsam, daß uuser Marsch nnr sehr langsam vorwärts giug. Zudem mnßten wir wegeu des unzwcideutigcu Anzeichen nach abermals gegen nus beabsichtigten Naubzuges auf uusercr Hut sein und in förmlicher Schlachtordnnng vorrücken. Nnr in der rauhen, engeu Einsmknng Taroi ward ein knrzcr Halt gemacht, indem wir uus ans einem tleinen Regenpfuhl mit Wasser versorgten. ------- 135 ------ Auch hier fiel uns die treffliche Rasse stämmiger und wohlgenährter Esel auf, die zur Tränke getrieben wurden. Hier endete der ödere Charakter der Landschaft, stellenweise Ward sie selbst malerisch. Die Vorhöhcn zogen sich allmählich zurück, und so unverdeckt zeigten sich die herrlich ausgezackten Verge zu unserer Linken in dcr ganzen Erhebungöflächc ihres Abhanges. Es war eine Gegend, die unser ganzes wissenschaftliches Interesse in Anspruch nahm; aber leider ward dazu wenig Muße gelassen und die materiellsten Sorgen der einfachen Lebenseristenz sollten hier anf die ernsteste Weise an uns herantreten. Wir waren nur etwa acht Meilen von Sselusiet entfernt und hosfteu zuversichtlich, diesen Ort, wo wir uns für ziemlich sicher halten konnten, noch an demselben Tage zu erreichen. Da ward plötzlich ohne genügenden Grund zu früher Stunde Halt gemacht und der Lagerplatz gewählt. Es war am Nand mies breiten Thales und das Dasein eines frischen Grasteftpichs konnte der Vermuthnng Raum lassen, das; die Thiere sich hier erholen sollten; aber darum handelte es sich keineswegs. Es war unverkennbar, daß ein geheimes ver-rätherisches Einvcrständniß unserer Verfolger mit mehreren Gliedern der Karawane stattfand. Der kleine Auuur schien eine Ausnahme davon zu machen. In aufrichtiger Weise verwandte er sich in unserem Interesse; er wünschte, daß wir ohne Schaden auch diese Probe bestehen möchten, allein er war zu schwach und zu wenig energisch, als daß er diesen feinen Wunsch hätte durchsetzen können. Die wahre Lage, in der wir nns befanden, trat bald zu Tage. Vor zwei Tagen waren wir von den räuberischen Grenzstämmen aus-gesogen Worden, jetzt sollten die Ansprüche dcr Merabetin oder Aniss-limcn, des fanatischen und halb unabhängigen Stammes, dessen Haupt-Wohnsitz Tin-tarh-odc ist, befriedigt werden. Diese Leute genießen großes Ansehen und entziehen sich gewissermaaßen der unumschränkten Autorität des alten Hänptlings Annur in Tin-tellust. Um die verzweifelte Lage richtig zu würdigen, in der wir, die unbcschützten Fremdlinge, die ersten verhaßte» Christen, die dies Land je betreten, uns befanden, muß man die allgemeinen Verhältnisse des Landes mit in Betracht ziehen. Der alte Häuptling Annur, dcr einzige Mann, welcher einige Macht besaß, den unruhigen Geist unter diesen wilden, gesetzlosen Stämmen im Zaum zu halten, lag in seinem Wohnsitze Tin-tellust traut darnieder; in Agadeö, dem Sitze des gemeinsamen Oberhauptes aller dieser Stämme, gab es zur Zeit gar keinen ____136 ------ Herrscher; mehrere Parteien standen sich noch in heftigem Streite um die Wahl dieses Machthabers gegenüber. Dazu kam nun, daß der große Rachezug der Kcl-owi gegen die Uelad - Ssliman, welche ihnen fast alle ihre Kameele abgeuommeu hatten und die Salzsee'n von Bilma, den Quell ihres ^ebcusuuterhaltes, in ihre Gewalt zu bekommen suchten, eben erst alle Leidenschaften des kampflustigen Volkes aufgeregt hatte. Siegreich von jenen: fernen Heereszuge nach Kauem heimgekehrt, war seine Gier nach Beute uud Raub auf deu höchsten Grad gesteigert. Wer hätte sich da der hülfloseu Fremoliugc annehmen sollen? Die ganze Verhandlung hatte einen tief-erusten Charakter. Man wollte uns drei durch die Religion von alleu uuseren Genossen Ausgesuudcrteu auch auf Eiucm Fleck zusammen haben und erlaubte uns nur Ein Zelt flir uns drei aufzuschlagen. Kaum war dies geschehen, als ein Trupp von etwa 50 Mann heranrückte. Sie ließen es für deu Augenblick bei Drohungen bewenden, ohne uns anzugreifcu. Nachdem es dunkel geworden, wuchs ihre Zahl zu etwa hundert an. Sie erklärten nun, daß sie nicht gekommen seieu, uus ein Leid anzuthuu; aber sie verlangten mit Eutschiedcuheit, daß wir den Islam annehmen sollten; denn tein Ungläubiger habe je ihr Land betreten, noch solle dies je geschehen; im Weigerungsfalle drohten sie nns augenblicklichen Tod. Unsere Diener und Kameeltreiber theilten uus diese Forderung in einfach unverschämter Weise als ein selbstverständliches Ultimatum mit; sie waren fest davon überzeugt, daß wir sterben müßten, wenn wir uns weigertcu, unsere Religion zu wechseln; sie rictheu uns deshalb, wenn auch nur auf wenige Tage und zum Schciu, uus zum Islam zu betenncu. Solches Ausmnen wiesen wir mit Elttschiedcuheit und Abscheu zurück. Da schien denu wirklich der Tod so sicher unser Loos zu sein, daß die beiden Vordermänner in nnserer Dienerschaft, Mohammed der Tunesier und el Mulm, uus um ein schriftliches Zeugniß angingen, daß sie au unserem Blute unschuldig seien. Mit dem erhebenden Bewußtsein, unserer Religion uud unseres Vaterlandes würdig zu handeln, erwarteten wir das Schicksal, das über uns verhängt war. Es war ein ernster und ergreifender Moment. Noch einmal gab es eiuc warme Auscinaudersetzuug über unseren uud ihren Glaubeu und ich entblößte gegen den alten fanatischen Führer uuserer Karawaue, der erklärte, daß wir als Christen den Tod verdienten, meinen Nacken, um, wenn er es wage, mir deu ersten Streich zu gebeu. Dann saßen wir drei Europäer iu tiefem Schweigen ------ 137 ------ in unserem Zelte. Jeder Augenblick konnte uns ein gewaltsames Ende bringen. Da stürzte Plötzlich der trene, freundlich gesinnte Ssliman in uuser Zelt und stotterte mit herzlicher Theilnahme die Worte hervor: „Ihr sollt nicht sterben!" Nach langer und lebhafter Verhandlung zwischen unseren Begleitern und Renten und den feindlichen fanatischen Merabetin, in der Fanatismus, materieller Eigennutz, Furcht und die verschiedensten Interessen mit einander kämpften, war endlich ein Vergleich zu Stande gelominen, zufolge dessen wir uns durch Waaren im Betrag von etwa 230 Thalern loskaufcu sollten; für diese Smnme sollten wir ungefährdet weiter ziehen diirfen. So hatte glücklicherweise das materielle Interesse die Oberhand über den religiösen Fanatismus gewonnen. Nicht ohne drückendes Gefühl hatten wir die Nacht zugebracht und wünschten am nächsten Morgen möglichst früh diese Unglücks-statte zu verlassen; allein es mußten erst die Waaren, welche wir für unsere Sicherheit herzugeben hatten, ausgewählt werden, und das war keine Kleinigkeit. Immer noch drohte die Gefahr, daß der Pöbel, der sich noch nicht verlaufen hatte, über den Rest unseres Gepäckes herfallen möchte. Es war daher ein glücklicher Einfall, daß Mohammed der Ssfakser einen Theil unseres Gepäcks für das seinigc ausgab; außerdem zerschlug er eine der zehn großen, mit Zwieback gefüllten eisernen Kisten, welche wir zu unserm Schaden mit uns führten. Der einfältige Hanfe glanbtc, daß dieselben voll Geld seien, und war nicht wenig enttäuscht, als statt des erwarteten Goldes und Silbers trocknes geschmackloses Brod zum Vorschein kam. Endlich brachen wir auf. In geringer Entfernung ließen wir nun zur Nuken das hohe Horn des Timge oder Tengik, das noch über die umgebende Bergmasse hervorragt. Leider tonnen wir weder die Höhe der Gesammtmasse, noch die diescö Düminationsgipfcls mit einiger Sicherheit angeben. Der Thalboden liegt hier 1700 Fuß über dem Meercsuivean und die Berghohen mögen sich im Allgemeinen 2500 bis 3000 Fuß höher erheben, so daß der Timgc wohl jedenfalls nicht viel unter 6000 Fuß bleibt. In so interessanter Landschaft erreichten wir nach kurzem Marsche daS prachtvolle Thal Sselnfiet. Es bildet hier gegen Westen eine große Einbiegung hinter einer vorspringenden Granitmasse; seine Bekleidung war reich an Baum und Busch, aber ohne Krautwuchs. Einen tropischen Charakter erhält das Thal durch dic Dumpalme (Ouoifora. oder Oor^iliu. Ilwdaica), deren nördliche Grenze von ------ 138 ------ dieser Seite eben das Thal Ssclnfict bildet, während sie im Nilthale selbst als vorherrschender Baum sich so weit nördlicher erstreckt, und so war sie mir schon von meinen früheren Reisen in Ober-Acgypteu und Nubicu her ein alter Bekannter, und unter den vielen ncueu, unbekannten Erscheinungen iu Natur uud Menschenleben begrüßte ich sie mit Freuden. Auch vereinzelte Dattelpalmen kommcu hier noch vor, aber sie treten in den Hintergrund ncbcu der mehr der wärmeren tropischen Zone angehangen Fächerpalme. Das Dorf Ssclufict besteht ans 60 bis 70 Hütten. Auch sie bildeten ein Element des Fortschrittes nach Süden. Sie sind nämlich alts trockenem Gras gebaut, aber verschieden von der Art, wie wir sie bisher gesehen hatten; denn während bis dahin die das Gerippe bildenden Büsche vom Bodcu aus zu eiuem Kreise zusammcugebogeu waren, waren hier Rumpf nnd Dach getrennt, und das letztere hatte nicht eine runde, sondern eine spitzige Form. So war denn Sselufief keineswegs ohne Interesse. Aber auch hier sollteu wir noch nicht viel Ruhe liud Sicherheit gemessen. Während der Nacht wnrden wir dnrch ein schakalähnlichcs Geheul beunruhigt, welches ein großer Haufe Volks rings um unser Lager ertönen ließ; durch wiederholtes Schießen übcrzeugteu wir diese Plagegeister von unserer Wachsamkeit und hatten so persönlich nichts zu erduldeu. Da aber in der Nähe kein Futter zu finden war, so hatteu unsere Kamccle auf eiuen eutfernten Platz zur Weide getrieben werden müssen. Wir waren deshalb mit Necht nicht ohne Besorguiß um dieseu zur Neise nothwendigsten Besitz, uud in der That zeigte sich's am nächsten Morgen, daß all' unsere Kameele weggetrieben waren, uud zwar, wie wir später erfuhrcu, von den Mcrabctiu selbst, die uns doch wiederholt versichert hatten, daß wir jetzt nichts mehr zu befürchten brauchten, da Wir unter ihrem Schutze ständen. Die Folge war, daß wir hier noch einen ganzen Tag liegen bleiben mußten, um unsere Thiere zurück zu erhalten. Wirklich ward uns ein Theil derselben zurückgegeben, aber 15 Kamcele fehlten uns noch immer, als wir endlich am 30. August unseren Marsch fortsetzten. Wir mußten deshalb das Boot nnd einige andere Sachen, die nur für uns selbst von Werth warcu und daher eine gewisse heilige Un-dcrlctzlichkcit hatteu, hier zurücklassen. Mit etwas besserer Aussicht in die Zukunft zogen wir jetzt vorwärts, uud nuserc frohe Stimmung ward noch durch den Charakter des Thales selbst gehoben. Wirklich gewährten einige kleine Kuust-felder mit frischer hochstehender Saat vou Negertoru dem aus der __ 1I9 __ Wüste kommenden Reisenden einen erfreulichen Anblick; denn sie bewiesen, daß jetzt eine fruchtbare, anbaufähige und angebaute Gegend beginne. Wir bemerkten hier auch eine Art Brunnenzieher von höchst einfacher Bauart — mit dem arabischen Namen „chattara" bezeichnet —, durch welchen diese Felder bewässert werden. Eine bloße Stange init einer längeren Querstange, an welcher ein ledernes Schöpfgefäß befestigt ist, bildet die ganze Vorkehrung. Indem wir uns gerade auf den hohen, spitzen Kegel zuhielten, welcher Tin-tarh-ode überragt, traten wir aus dem Hauptarm des Thales von Sselufiet, in welchem nnscr Pfad bisher entlang führte, hinaus auf cm felsiges Terrain. Eine breite Kluft in der Berg masse von Timge gewährte uns hier einen Blick in die Schluchten, welche von den verschiedenen Erhebungen des Gebirges gebildet werden. Dann stiegen wir wieder abwärts in eine rcichbewachscne Thalcbeue, wo außer der Abisga, (Oappai-i» soäatn,) auch die Tunfafia (^Liopia« ^ignntoa) wieder erschien. Auch bemerkten wir eine neue, früher noch nicht gesehene Pflanze, die ..Elloa" oder „Allnot", eine Eucifere mit großen saftreichcn Blättern und einer hübschen violcttfarbigen Blume. Die Kameelc fraßen sehr gierig davon und zogen diese Wanze jedem anderen Futter vor, aber ihr Vorkommen erwies sich im Verlaufe unserer Reise als beschränkt und nur ganz strichweise vertheilt. Nachdem Kur zwei Meilen in diesem Thale zurückgelegt hatten, lagerten wir an einem freien Platze, der rings von den grünen Büschen der Abisga umgeben war, etwas jenseits Tin-tarh-odc. Dies ist das Dorf der Merabetiu oder Anisslimen, das sich in langer Reihe an den niedrigen Vorhügcln der Bergkette hinzieht. Es besteht aus etwa hundert Wohnungen, meistens Hütten von Gras und den Blättern der Fächerpalme; nnr wenige sind aus Stein gebaut. Ungeachtet seiucr geringen Ausdehnung ist das Dorf von Wichtigkeit für dcu Verkehr zwischen Nord- uud Mittel-Afrika; denn nur unter dem Schutze jener gelehrten uud religiösen Männer wird derselbe mit einer Sicherheit betrieben, welche man bei dem wilden uud räuberischen Charakter dieser legenden nicht erwarten sollte. Der Zeitpunkt der Gründung dieser 'Niederlassung ist nicht mit Genauigkeit zu ermittelu; es scheint aber, daß dieselbe mit der Eroberung deS Landes durch die Kel-owi gleichzeitig ist, wenn anders diese Anisslimen dem Stamme der Kel-owi angehören. Darüber ist es mir nicht möglich gewesen, zu einer klaren Einsicht zu gelangen; jedenfalls geben ihre schöne schlanke Gestalt und die lichte reine Farbe ------ 140 ------ ihrer Haut del, besten Beweis dafür, daß dieser kleine Stamm sich nicht, wie dic Kel-owi im Allgemeinen, mit der Sudanrasse vermischt hat. Jedoch ihre Tracht erinnert bereits an die Sitte der Gegenden, welche sie jetzt bewohnen. Namentlich die Knaben, die sich in großer Menge in der Nähe unseres Lagers einfanden, trugen nichts als einen kleinen Lederschurz um die Hüften, und ihr Haar war in der Weise der Sndanknaben geschoren, so daß sich ein etwa einen Zoll hoher und breiter Kamm von der Stirn bis in den Nacken zog. Allerdings ist es keineswegs unmöglich, daß die zum Islam übergegangenen Afrikaner diese letztere Sitte von dem MasiMtammc (Imoscharh) angenommen haben; denn dieser letztere ist für die mohammedanische Umbildung dieser Stämme von der allerhöchsten Bedeutung. Die Anisslimcn nennen sich zwar selbst „gottergebene und fromme Männer^, doch haben sie deshalb den Dingen dieser Welt nicht durchaus cutsagt. Im Gegentheil wissen sie sich einen bedeutenden Einfluß anf die Angelegenheiten des Landes zu sichern und erhalten sich in einer gewissen Unabhängigkeit von dein mächtigen Hälchtliug von Tin-tcllust. Wir snchten, nachdem wir uus in unserer ncnen, allerdings nur vorübergehenden Wohnstätte etwas eingerichtet hatten, mit den Leuten in Kaufbcziehungen zn treten, nm uns wieder mit einem Vorrath von Lebensmittcln zn versehen. Hierbei überraschte nns der hohe Preis der ersten Lebensbedürfnisse; Butter und Käse waren gar nicht auf-zutreiben. Gegen alle Erwartung ertlärte man mir auf weiteres Nachforschen, daß Butter fast alljährlich in diese Gegenden eingeführt werde von den Ssakomarcn, einem weiter nördlich an der Straße nach Tauat wohnenden Stamm der Imoscharh, welcher große Hcerden Schaafe und selbst eine bedcntcndc Anzahl Rinder besitzt. Wir waren genöthigt, in unserem Lager bei Tin-tarh-ode zu bleiben, nm die Rückkehr nnscrer bei Ssclufiet weggetriebenen Kameele abzuwarten. Anßcrdcm hofften wir, daß der alte Häuptling Aunur in Tin-trllust, an den wir nns von Ssclufiet aus gewendet hatten, uns eine Schutzbegleitung entgegenschicken werde. Während wir so hier länger gelagert waren, als sonst der Fall gewesen wäre, wnrdcn wir Zeugen eines wunderbaren Naturereignisses, das uns aber materiell fast zu nahe berührte, als nm es blos vom wissenschaftlichen Standpunkte zu betrachten. Ringsmn in der Nachbarschaft fielen in der Zwischenzeit fo nngchenre Regengüsse, daß binnen 24 Stunden unser ruhiges, fast 2000 Schritt breites Thal in das ------ 141 ------ Bett eines reißenden Stromes verwandelt wurde, mächtig genug, um Schaafe, ja selbst Kameele widerstandslos fortzutragen und Bäume zu entwurzeln. Mit Noth waren wir so eben der Gefahr, die uns von dem Fanatismus und der Raubgier der Menschen drohte, glücklich entgangen; da war es in der That eine schwere Prüfuug, nun gegen ein Element kämpfen zu müssen, von dessen gewaltsamen Wirkungen in dieser Ucbcrgangszone von der nackten Wüste zum Fruchtlande, in einer Breite, wo man in den bekannteren Nilgegendcn an Regen überhaupt fast nicht denkt, wir keineswegs eine richtige Vorstellung gehabt hatten, auch uicht haben konnten. Es war etwa vier Uhr Nachmittags, als in unserem Lager der plötzliche Ruf vernommen wurde: „die Fluth kommt." Eine breite, mit weißem Schaum bedeckte Wassermasse wälzte sich von Süden her zwischen den Bäumen das Thal entlang. Binnen kurzer Zeit war das ganze Thal in ein Flußbett uud unser Lagerplatz in eine Insel verwandelt. Anfänglich, fast ausgedörrt von Dürre und Hitze, wie wir waren, betrachteten wir dies außerordentliche Schauspiel mit eiuer fast kindischen Freude, allein bald begann es einen drohenden Charakter anzunehmen, und ich mahnte bei Zeiten an Vorsichtsmaaßrcgeln. Am folgenden Tage zeigte derselbe Strom cm großartiges Bild der Zerstörung, wohl geeignet, uns in lebhaftester Weise die Sündfluth zu vergegenwärtigen. Während der Nacht uud am folgcuden Morgen ergoß sich der Regen ununterbrochen in Strömen. Das Wasser im Thale schwoll immer höher und drohte den Schwcllpunkt des Thalbodens, wo wir unseren Lagerplatz gewählt hatten, zu übcrfluthen. Unsere Leute machten nun zu spät einige kindische Versuche, uns durch einen Damm oder Deich zn schützen. Es ward endlich nothwendig, nnseren Lagerplatz zu verlassen und einen höher gelegenen, jetzt schon zur Insel abgesonderten Punkt aufzusuchen. Dorthin ward iu aller Eile und mit manchen kleinen Verlusten das Gepäck gebracht. Die Kameele waren schon vom Strom fortgerissen und konnten sich nur mit Noth an größeren Baummasscn haltcu, die daraus hervorragten. Doch das Wasser stieg immer höher und schäumte zuletzt über den Nand der Insel, ihn stets mehr und mehr unterwühlend; der Strom führte losgerissene Bäume mit sich fort; theils einzeln, theils in sioßartigen Verschlingungcn wnrden sie an uns vorübergetricben, während wir von nuserm kleinen Hort ans das wunderbare Schauspiel mitanschauten. Schritt für Schritt mußteu wir nach dem höheren Mittel- ------ 142 ------ Punkt dieser kleinen Zufluchtsstätte zurückweichen. Endlich blieb tanm noch Platz genug für unsere gauze Gesellschaft übrig, und wir tonnten schon berechnen, wie wenig Zoll das Wasser nur uoch zu steigen brauche, um nuscr ganzes Gepäck zu zerstören und unser Vcbcn selbst zu gefährden. Da erreichte zu glücklicher Stunde die Ucberschwcmmung ihre Höhe; wenigstens schwoll das Wasser nicht weiter an und die Flnth hielt sich für einige Zeit auf gleichem Standpunkt. Dann bemerkten wir ein allmähliches Sinken des Wassers, und mit dautbarrm Gefühl erkannten wir, daß wir auch aus dieser Gefahr errettet waren. Die Mittagsstunde war rbcn vorüber. Zu gleicher Zeit trat ein anderes höchst güustiges Ereigniß ein. Gerade als die Fluthen anfingen, sich zu verlaufen, erschien an dem Wcstlickcn Ufer ein Trupp wohlbewaffueter Mehara. Es war dies die von dem Häuptling Anuur uns zum Schutz entgegengeschickte GcleitSmannschaft. Wirtlich war es die höchste Zeit, daß sie eintraf; denn mittlerweile hatte sich durch unseren kläglichen und verzweifelten Zustand aufgemuntert am andern Ufer wieder eine große Menge räuberischen Gesiudels angesammelt und wollte noch einen letzten Versuch macheu, sich unseres Eigenthums zu bemächtigen, ehe wir unter dem Schutze jenes mächtigeu Häuptlings Sicherheit gefunden. Ihr Persuch war vereitelt und wir konnten jetzt wenigstens mit einem gewissen Gefühl von Sicherheit der nächsten Zukunft entgegensehen. Gleichwohl war unsere Vage noch weit davon entfernt, behaglich zu sein. Fast uuser ganzes Gepäck war völlig durchnäßt; unsere Zelte lagen im Schlamme auf dein Äoden des Strombettes, uud das bequeme und startgebaute, aber schwere Tripolitaner Zelt hatte so viel Wasser eiugesugen, daß ein Kamcel es kaum fortschleppen lonnte. Als wir endlich unseren Lagerplatz verließen, hatten 57vri> weg und ich das Unglück, daß unsere von der Ueberschwemmuug völlig entkräfteten Kamecle beim Passiren des Hauptstromes auSglitten, niederfielen und nns mitten im Schlamm absetzten. Durchnäßt nnd barfuß erreichten wir eudlich in der Dunkelheit unser neues Vager. Mau hatte es auf eiuem höheren Fclsterrain in einiger Entfernung vom Thalrande gewählt, und hier hätte gleich von Anfang an unsere Station sein müssen. Glücklicherweise llärte sich das Wetter am folgenden Tage wieder anf, und rin frischer Wind half unser Gepäck trocknen. Unser ^ager glich fast eiuer großen Bleiche, nnd ein Stück nach dem audcrn ward __^_ 143 ------ allmählich wieder brauchbar. Nachdem wir uns so geistig und körperlich ein wenig erholt hatten, gingen wir, um den Hauptpersonen unserer neuen Bedeckung einen Besuch abzustatten. Mit der rechten Hand den aufrecht stehenden Speer haltend, saßen sie im Kreise grnppirt. In der Mitte saß ihr Anführer Hamma, der kriegerische Schwiegersohn des Häuptlings Annur. Außerdem zeichnete sich noch ein gewisser Mohammed, ein Vetter des Häuptlings, welcher nachmals mein besonderer Freund ward, vor den Uelirigen aus. Alle hatten ein leidlich angenehmes Aeußere, aber ihre Erscheinung war sehr verschieden von der der Asgar oder der au der Grenze von Air lebenden Stämme. Ihre Gestalt war kleiner, ihre Hautfarbe schwärzer, und anstatt der regelmäßigen, scharf gezeichneten Hüge des Nordens hatte ihr Gesicht mehr einen runden, vollen und lebensfrohen Ausdruck. Auch ihre Kleidung war weniger streng; Einige dun ihnen trugen hellblaue Hemden statt der melancholischen dunkelblauen; ihr Kopfschmuck warb dnrch eine weiße Binde mit rothem Streifen erhöht. Wir dankten dem Anführer aufrichtig für den Dienst, den uns der Häuptling Anunr geleistet. Im Uebrigen verlief dieser Besuch etwas kalt und förmlich, wie das unter völlig Unbekannten nud der ganzen Auschauuug nach Geschiedenen kaum anders sein konnte. In solcher Genossenschaft setzten wir endlich gegen 10 Uhr unseren Marsch fort. Wir ließen das große Thal von Tin-tarh-ode zur Anken, durchschnitten einige Schluchten und hielten uns im Ganzen auf rauhem Terrain, bis wir den Anfang des schönen breiten Thales Fodet erreichten; hicr lagerten wir uns nahe den Felsklippen, welche die Ostseite desselben begrenzen. Am folgenden Tage (3. September) machten wir einen sehr interessanten Marsch durch eine höchst malerische Gegend. Namentlich zeichnete sich das Thal Fodct selbst aus; an seinem schönsten Punkte theilt es sich in zwei Arme, von denen der östliche in den steilen Westrand der Gebirgsgruppc von Timgc cinschncidet; von mehreren imposanten Bergspornen begrenzt, bietet dieses Zwcigthal cine sehr malerische Fernsicht. Die auf der nächsten Seite folgende Skizze, die ich auf meinem Kamecl reitend zeichnete, wird dazu dienen können, das Bild der Gegend zu veranschaulichen. Noch zeigten sich viele Sftnren der vorgestrigen Uebcrschwcmmung; dabei glänzte der ganze Grund der Thalsohle von kleinen mineralischen Bruchstücken. Wir sahen an verschiedenen Stellen die Ruinen von Häusern, die von den Fluchen zerstört wareu. Unsere Karawane 144 aber war wieder guten Muthes, und unsere Schntzwachc, die uus cincu Beweis ihrer Reitfcrtigkeit geben wollte, veranstaltete ein Wettrennen. (5ö fiel ziemlich wunderlich aus. Man deute sich ein Kamecl, ma^ es auch noch so schlank sein, in Galopp gesetzt; der Reiter stiegt auf dem kleinen Sattel, der nur ungenügend auf dem Höcker des Thieres befestigt ist, hiu uud her; seine viclartigen Waffen, Vorrathssäcke und plumpen ^ederornamente siud überall, heraussteckend oder nachschleppend, ihm hinderlich; dabei schlägt dcr nngeheure Schild auS steifem Antilopeuledcr das arme Thier fortwährend in die Seiten. Zwei oder drei der kühnen Reiter küßten den Staub nnd dem Spiel ward bald ein Ende gemacht. Das schnelle ikameel ist ausgezeichnet zum Trabeu, aber es paßt durchaus nicht zum Galopp, und seine Bewegungen sind fast eben so ungelenk, wie die der Giraffe. Da ein Kamee! im Galopp, wie ich mich überzeugt habe, selbst europäischen Naturforschern etwas Unerhörtes zu sein scheint, so will ich hier bemerken, daß auch die Stämme im südlichen Arabien ihre Kaiucelc zuweilen in Galopp setzcu; ja wir seheu das selbst auf den assyrischcu Skulpturen. Wir zogen in dcr gebirgigen Landschaft fort, anfangs aufsteigend, bis wir dcn Höhenkamm erreicht hatten. Dann führte uns der Weg Wieder abwärts, zuerst allmählich an kleineren Thalsentungen entlang, später aber ward die Straße sehr abschüssig, bis wir in eine tiefe Schlucht gelaugten. Die kleineren Thäler, welche wir passirten, ------ 145 ------ senken sich fast alle nach Westen zu. Bald nach drei Uhr lagerten Wir in einer Erweiterung des Thales Afis, in der Nähe der südlichen Felswand, in germgor Entfernung von einem Brunnen. Die Felswand hatte cinen eigenthümlich zerrissenen Charakter. Wir hatten bis jetzt unsere Schutzwachc noch nicht näher kennen lernen; bald aber, nachdem wir gelagert warm, hatten wir einen ärgerlichen Handel mit ihr. Die Leute wollten bezahlt sein und machten nngemessene Forderuugcu. Da sie durch das, was sie erhielten, nicht befriedigt waren, so fielen sie über einen meiner Ballen her und schleppte» die Hälfte seines Inhaltes fort. Indeß der Schaden war nicht groß; nur verursachte es einige Aufregung uud Uuruhc, als wir so von unserer eigenen Estorte beraubt wurden. Jedoch gab Hmnma, der Anführer der Bedecknng, sich die größte Mühe, das Geraubte zurückzuerstatten. Am nächsten Tage (4. Scp'tbr.) erreichten wir Tin-tellust, die Residenz des alten Häuptlings Auuur und die dritte große Station auf unserer Reise. Der anbrechende Tag brachte heftigen Regen mit sich, der sich schon am Tage zuvor durch dicke Wollenmasseu nnd Wetterleuchten angekündigt hatte. Sonst ist Negeu am frühen Morgen eine seltene Erscheinung in Central-Afrika, wenn es nicht, wie auch wahrscheinlich in diesem Falle, die Fortsetzung eines Regenfalls der vorhergehenden stacht ist. Wir warteten den schwersten Guß ab uud brachen dann um sieben Uhr anf. Wir waren nicht ohne Sorgen über den Empfang, den wir bei Annur fiudcn würden; lag doch jetzt in seiner Hand der ganze Erfolg uuscror Unternehmung. Die Augaben über seinen persönlichen Charakter lauteten günstig, aber er war jetzt alt und schwach geworden nnd lag zur Zeit gerade krank darnieder; für den Fall seines Todes tonnten wir uns die Gefahren nicht verhehlen, denen wir bei dem Mangel jeder Autorität in diesem unruhigen, gesetzlose« Lande ausgesetzt waren. Unter solchen Gedanken legten wir die letzte Strecke unseres Marsches nach Tin-tcllust zurück. Wir verlicßcu bald das Thal Afis und kamen über einen felsigen Aufsprung in ein anderes Thal, in welchen: das Dorf Ssarara oder A-ssarara liegt. Wir zogen zwischen deu beiden getrennten Gruppen desselben hin, und nachdem wir noch cinen niedrigen Felsgrund überschritten hatten, erreichten wir 9z Uhr das Thal von Tin-tellnst. Es ist ein breites sandiges Rinnsal ohne itrautwuchs, nur am Rande mit Buschwerk eingefaßt. Auf den niedrigen felsigen Borhöhcn an North'« Relstn. I. 10 146 ____ der östlichen Seite zeigte sich ein kleines Dorf, aber nur mit Mühe ließ es sich Kon den umgebenden Felsen nntcrschciden; — das war die lange ersehnte Residenz Annur's. Wir betraten das Dorf selbst nicht, sondern wählten ein wenig weiter südlich nnsercn Lagerplatz ans einem Sandhügel, welcher in einer Einbiegung der felsigen Vorhöhen sich erhebt. Der Fuß dieser Sandhöhe war mit schönen grünen Büschen der (^ppkri« sodata. unmuthig geschmückt; eine liebliche Einsentnng voll üppiger Talha-bäume trennte unseren Hügel Kon einem ranhen Granitkamm, dem Sporn des Tunan; im Süden schloß die imposante Berggruppe des Buudai die Aussicht ab. Nach Nurdosten hatten wir den Blick über das Thal nach dem Dorfe und der prächtigen Aergmasse dahinter. Im Ganzen genommen war es ein herrlicher Lagerplatz. Znmal waren Kur hier nicht jeden Augenblick dnrch die Nengicrde und Zudringlichkeit der Ortsbewohner belästigt. Andererseits aber führte die Angelegenheit des Platzes den Nebelstand mit sich, daß wir zn weit von unserem Beschützer entfernt waren, dessen Nähe unter so gesetzlosen Stämmen zuweilen sehr wünschcnswerth war. Doch betrug die Entfernung etwa nnr 12<)l) Schritt. Unser Lager war bald aufgeschlagen. Es bestand ans vier Zelten, Welche in einem Halbkreis grnppirt waren, dessen offene Seite fich nach Süden richtete. Gewiß wird nnscr Lagerplatz in dem Gedächtniß der Einwohner stets denkwürdig bleiben als der „Hügel der Christen". Am Tage nach nnserer Ankunft machten wir dem alten Häuptling einen Besuch. Er empfing uns in einer ungeschminkten nnd barbarisch-wohlwollenden Weise. Mit derber Einfachheit bemerkte er, daß wir zwar als Ehristen schuldbefleckt in sein Land gekommen, aber durch die vielen Gefahren nnd Mühseligkeiten rein gewaschen seien. Einmal nntcr seinen Schutz gestellt hätten wir nun nichts weiter als das Klima und die Diebe zn fürchten. Die Geschenke, die vor ihm ausgebreitet wurden, empfing cr gnädig, aber ohne ein Wort zu sagen; auch erwies cr nns nicht die geringste Spur von Gast. frcundlichkeit. Wir wnßten nicht, woran wir waren; bald sollte sich Alles erklären. Wenige Tage darauf sandte er uns die unzweideutige Botschaft, daß, wenn wir anf unsere eigene Gefahr nach dem Sndan zu gehen beabsichtigten, dies in Begleitung der Salzkarawane geschehen könne; er werde uns kein Hinderniß in den Weg legen; wünschten wir aber, daß cr selbst mit uns gehe und nns beschütze, so müßten wir ihm ____ ^47 ____ eine beträchtliche Summe auszahlen. Ueberhaupt war seine Handlungsweise von Anfang an zwar nicht freundlich, aber gerade und einfach. Er gab ohne Umschweife an, was er verlange; nachdem er dies erhalten hatte, hielt er sein Wort mit der größten Gewissenhaftigkeit. Wenn er uns nicht bewirthete, so belästigte er nns anch nicht durch Betteleien, noch erlaubte er seinen Leuten, dies zn thnn. Nachdem ich seine Handlungsweise lange Zeit beobachtet habe uud uuter feiuem Schutze sicher in ilatscna angekommen bin, muß ich anerkennen, daß er ein gerader, zuverlässiger Mann war. Dennoch hatten wir große Noth, die verlangte Summc zu zahlen, und Herr Richardson sah sich genöthigt, darauf hin eine bedeutende Schuld zu kontrahiren, die durch Nichterfüllung der dabei vorgeschriebene», Bedingungen gar bald die gewaltige Snnnnc von 1590 spanischen Thalern erreichte. Wir Ware« jetzt in der Regenzeit. Die fast täglichen Regengüsse verursachten uns zwar manche Unannehmlichkeit, zugleich aber waren sie uns der deutlichste Beweis, daß wir nun wirklich die neuen, lauge ersehnten Regionen des Innern betreten hatten, und so ertrugen wir das kleine damit verbundene Ungemach gern. Fast regelmäßig tam der Regen am Nachmittag zwischen zwei nnd drei Uhr, wenn die ^nft den höchsten Wärmegrad erreicht hatte. Der Sturm, der die Regenwolken herbeitrieb, wehte fast immer aus Westen oder Südwestcu, wahrend sonst der Ostwind dnrchans vorherrschend war. Der Regen war znweilen sehr heftig nud stets vou einem gewaltigen orkanartigen Sturme begleitet. Oft war es schwierig, gegen sein Ungestüm die Zelte zu schützen, und unser (Gepäck wurde wiederholt ganz durchnäßt. Der stärkste und anhaltendste Regen siel am 9. September, und durch die auf den umherliegenden Höhen gefallene Wassermaffe wurde ein mächtiger Strom uicht allein im Hauptthale, sondern auch in der kleinen Schlucht hinter unserem ^agcr gebildet. Jedoch trotz der Feuchtigkeit war die Luft gesund und stärkend, wie denn das Klima von Air schon von Vco Afrikanus wegen seiner „dnntü c.' win^i-lmx«. dell' aei-u" gerühmt wird. Auch waren uns die Regenstürme viel willkommener, als die trockenen Sandwinde, die uns oft überaus uubehaglich geworden waren. ^n wenigen Tagen war die gauze Natur von neuem frischem Leben erfüllt. Bon Tag zu Tag kountc man das Wachsthum der jungen Blätter uud Sprößlinge nud das Dichterlvcrden des schattigen ^aubdaches beobachten. Die mächtigen Kronen der großen üppigen Mimosen boten uus eiucu überraschenden Anblick; sie bildcteu hier 10« ------ 148 ------ nicht, wie meistens in der Wüste, ein lichtes Schirmdach, sondern bestanden aus dichten tonischen Laubmasfeu; ich maß einst um Mittag einen Schatten, der 70 Fuß Ausdehnung hatte. Anch die Thierwelt entwickelte ihre geselligen Eigenschaften in der ganzen Kraft nen erwachender Triebe. Die dichtkrouigcu Bäume schwirrten von dem fröhlichen Gezwitscher der Ammern nnd Finten und dem Gegirre der Turtele und der kleinen ägyptischen Taube, während der Wiedehopf in frühlichen Sprüngen auf dem Buden umherspiclte. Affen stiegen, so oft sie unbemerkt zu sein glaubten, von den Vorhöhen des Tunan in die kleine Emsenknng hinter unserem Lagerhügel herab, nin einen Trunk Wasser zu erlangen; Hyänen und Schakale ließen sich regelmäßig auf ihren nächtlichen Wanderungen rund um das Lager hören, nnd dann und waun erscholl der ferne Ruf eines Löwrn. Leider ward unser friedlicher Aufenthalt in der Nacht vom 16. zum 17. September durch einen räuberischen Ucberfall gestört. Die fortwährenden Regengüsse hatten unser gesammtes Gepäck durchnäßt, und wir waren für unsere Instrumente und Waffen besorgt. Over-weg und ich beschlossen deshalb am 16. September, alle unsere Feuerwaffen, die bis dahin immer geladen gewesen waren, zu reinigen. Nachdem dies geschehen, luden wir sie nicht uumittelbar wie der, um sie vorher gnt trocknen zu lassen. Am Nachmittag besuchten uns zwei wohlgcklcidete, zu Mehara berittene Männer. Gegen die Gewohnheit solcher Besucher baten sie um nichts, besahen aber die Zelte mit großer Anfmertsamkeit. Am Abend hörten wir Musik und Tanz vom Dorfe her, wo eine Hochzeit gefeiert wurde; unsere schwarzen Diener trieben bei glänzendem Mondlicht mit nngewöhnlicher Ausgelassenheit ihr Spiel, bis sie endlich zu später Stuude ermattet in tiefen Schlaf verfielen. Von einer trüben Ahnung getrieben, aber im Unklaren tappend ließ ich, bevor ich mich niederlegte, alle unsere Schaafe unmittelbar hinter unserem Zelte festbinden. Ich hatte einen unrnhigcn Schlaf; bald nach zwei Uhr hörte ich ein eigenthümliches Geräusch, wie wenn ein Trupp Lente mit festein Tritt nnscr Zelt umkreiste. Scholl wollte ich hiuauöstürzen, als die Musil vom Dorfe herübcrtöntc; ich überredete mich also, daß das Geräusch, welches ich gehört hatte, gleichfalls vou dort hergekommen sei, und versuchte wieder einzuschlafen. Da hörte ich plötzlich ein lanteres Geränsch, als wenn mehrere Männer den Hügel herausstürmten. Ich ergriff eilt Schwert ------ 149 ------ und sprang hinaus; unsere Schußwaffen warm leider noch nicht geladen. Während ich den Lagerplatz umging, tam Herr Richardson halbange-lleidet aus seinem Zelte und bat mich, Räubern nachzueilen, die mehrere seiner Sachen weggeschleppt hätten. In der That waren eiuige seiner Kisten aus dem Zelte herausgezogen, aber nicht geleert worden. Alle seine Diener waren bis auf Eiucn davongelaufen. Indeß war uichts vou Werth verloren; nnr die moralische Disciplin uuscrcr kleinen Schaar hatte sich schlecht bewährt. Jedoch wurden wir für die Zukunft vorsichtiger gegen eine ähnliche Ucbcrrumpelung, uud die nächste Folge derselben war, daß wir am folgenden Morgen uusercu Lagerplatz auf die andere Seite des Thales vcrlegteu uud unsere Zelte in der Ebene ganz nahe beim Dorfe aufschlugen. Wir überließen nns jetzt der Hoffnnng, daß wir den größten Theil der Schwierigkeiten überwunden hätten, und daß wir nns auf dem geraden Wege zur Erreichung der Zwecke unserer Expedition befänden. Zu gleicher Zeit aber waren unsere materiellen Verhältnisse nicht eben günstig; unsere Mittel waren so nnzulänglich, daß mit ihuen kaum das Nothwendigste bestritten werden tonnte; besonders während der ersten Zeit unseres Anfenthalts in Tin-tellust litten wir vollkommen Noth. Später erhielten wir von A-ssodi, einer Stadt südwestlich von Tin-tellust, eine Kamcclladuug „dhurra" (koi-^um). Aber die Zubereitung dieses Kornes erfordert große Sorgfalt, da die bittere Hülse durch vielfältiges Stampfeu und Würfeln sorgfältig vom Kern gelöst werden muß, und für eiuen europäischen Reisenden, der keine Sklavin hat, um sciue Kost zu bereiten, ist dies ein schwieriger Punkt. Wirklich war unsere einförmige tägliche Nahrung selbst für die Eingeborneu fast uugenießbar und wirkte entschiede» nachtheilig auf uusere (Gesundheit. Unterdessen benutzte ich den längeren Aufenthalt, um die Verhältnisse dieser bisher ganz unbekannten Landschaft zu erforschen; und ehe ich mit meinem Reiseberichte fortfahre, wird es zweckmäßig sein, den Leser mit der Natur des Landes und der Menschen, mit welchen wir hier in Berührung gekommen stud, einigermaaßen bekannt zu machen. Von Tidik im Norden an gerechnet erstreckt sich das eigentliche Land Air in einer Länge von zwei Graden und in einer durch-schuittlicheu Breite von 40 bis 60 nautischen Meilen, zwischen dem 19. und 17. Grade nördl. Breite und dem 8. und 9. Grade östl. Länge von Greenwich. Sein eigentlicher Kern wird von einer ------ 150 ------ Granitmasse gebildet, die, in verschiedenen höheren Berggruppen aufsteigend, zu beiden Seiten tiefe Furchen entwickelt, in denen das in den Berghohen während der tropischen Regen, besonders im September und Oktober, gesammelte Wasser seinen Abfluß findet. Dadurch wird l)ier ein großer Reichthum von Pflanzcuwuchs erzeugt. Die Fruchtbarkeit wird dadurch noch bedeuteud erhöht, daß Basalt in starkem Verhältniß mit dem Granit gemischt ist; wo Sandstein vorwaltet, ist die Natnr au, ärmsten. Die durchschnittliche Erhebung der Thäler können wir auf 1700 bis 1.W0 Fuß, die der bedeutenderen Bcrg-gruppen auf 4000 — 5000 Fuß angeben, und die höchsten Gipfel, besonders der Tengit oder Timge, werden wohl jedenfalls über 5500 Fuß emporsteigen. Die zahllosen größeren und kleineren Thäler bilden kein gemeinsames Flußbett. Im Ganzen senkt sich die Abdachung des Landes anf der westlichen Seite der höchsten Berggruppen nach Westen; aber selbst die der allgemeinen Abdachung des Bandes folgenden nnd nach Westen abziehenden Thäler erweitern nnd verlaufen sich allmählich, ohne sich zu vereinigen. Das Gefalle ist im Allgemeinen gering, und daher ziehen sehr nahe liegende Thäler häufig in ganz entgegengesetzten Richtungen, so daß das Ganze für den aufmerksamen Wanderer, der nicht Anfang nnd Ende jeder Thalrinne überschaut, wie ein wunderbar wildes Felslabyrinth erscheint. Viele der Thäler sind so reich, daß sie nicht allein die ausgedehnteste Kameelzucht, sondern selbst Rind-Viehzucht erlauben; Ziegen finden sich in großer Menge, aber leine Schaafc. Pferde werden im eigentlichen ^aude Air nur in sehr geringer Anzahl gehalten; sie werden auf die Weidegründe nach Dam erghil geschickt. Außer mannichsaltigen Species der >liw<»8l». erzeugeu diese Thäler dichte Waldungen der Fächerpalmc (Oueifer», ^k^liaien.) und eine Fülle der (^p>,in'i» «<>oinnwi'iligii) in allen Thälern hänfig, die große, stattliche ^.ntilopO I^u(!0i-)'x aber scheint sich kaum in die bewohnten Landschaften hineinzuwagen. Die noch größere, aber weniger schöne ^.ntilopo Oi^x geht wohl kaum so weit nördlich, um die Südgrcnze Assbens zu erreichen, während der buckartige Wadan (Oi-^x (i^uiia) nicht so weit südlich herabzngehcn scheint, nm die Nordgrenze des Bandes zu überschreiten. Das Geflügel ist zwar nicht in mannich-faltigen Species, aber doch zahlreich vorhanden. Der Strauß bewohnt die offenen Thäler, wie das von Tiu^teggana, in großen Schaaren; außerdem sind verschiedene Species von Tauben, der Wiedehopf und das Perlhuhu (Xnmida, Noi^^ri«) zu erwähnen. Der Name Air (von den Arabern Ahir geschrieben) findet sich zuerst bei Leo in seiner Beschreibung Afrika's, welche im Jahre 1526 geschrieben ward. Indeß scheint Air nicht der ursprüngliche Name des Landes zu sein, sondern ist wahrscheinlich erst von den berberischen oder Masigh - Eroberern eingeführt. Der frühere Name des Bandes muß Assben oder Abssen gewesen sein, nnd so wird es noch gegenwärtig von der schwarzen, wie auch van der gemischten Bevölkerung genannt. Denn Assben hieß früher das Laud der Gobcraua, des beträchtlichsten und edelsten Theiles der Haussa-Nation, der jedoch nicht zu der reinen Negerrasse gehört, sondern ursprünglich eine enge Verwandtschaft mit Nord - Afrika gehabt zu haben scheint. Die Hauptstadt dieses Königreiches Assben war, wenigstens in späterer Zeit, Tin-schaman, gegenwärtig ein Dorf, etwa 20 Meilen nördlich von Agadcs. Dort mnß einst eine gewisse Bildung und selbst ein nicht unbedeutender Grad von Gelehrsamkeit geherrscht haben; denn es werden mehrere gelehrte Männer unter den Ein-gcbornen von Tin-schamau genannt. Schon zu Leo's Zeiten war das Land im Besitz der Berber, aber es war offenbar nicht ein reiner Berberstaat, sondert« eine auf eine Negerbevölkerung gepfropfte Berberherrschaft. Die jetzigen Herrscher des Landes aber, die Kcl-owi, Werden von keinem Schriftsteller vor Horucmann's Zeit (1802) erwähnt; höchst wahrscheinlich haben sie dasselbe erst in Verhältniß- ------ 152 ------ mäßig neuer Zeit, nicht lange vor der Mitte deS vorigen Jahrhunderts, etwa um 174(1, erobert. Wo ihre früheren Nicdcrlassuugcu waren, ist bis jcht noch nicht mit Genauigkeit zu ermitteln; nur so viel scheint gewiß, daß sie llon Nordwesteu kamcu und daß ihre edlercu Geschlechter dem einst mächtigen und zahlreichen Stamm der Auraghen angehörten. Der Name Kel-owi bedeutet „die Angesessenen von Owi" ; denn durch das Wort „kel" werden die angesessenen Stämme im Gegensatze zu den nomadischen bezeichnet. Im Allgemeinen ist es auch der charakteristische Zug der Kel-owi und ihrer Blutsverwandten, daß sie in Dörfern leben, welche aus festen, unbeweglichen Hütten bestehen, und nicht wie andere Stämme in Zelten von Fellen oder in beweglichen Hütten ans Matten, wie die Tagama uud manche Imrhad der Auelimmiden. Bei der Eroberung des Vaudes haben die Kel-owi die zur Neger- oder genaner zur sub-libyschen Nasse gehörcude Bevölkerung, welche sie vorfanden, nicht ausgerottet, sondern sie vermischten sich mit ihr, namentlich durch Heirath mit dem weiblicheu Theile der frühereu Bewohner. Dagegen wird der männliche Theil der alten Bevölkerung von Assbeu der überwiegenden Mehrzahl uach ausgerottet seiu. Auf diese Weise habeu die Kel-owi ihren ursprünglichen Berbercharakter beeinträchtigt, und die strengen Sitten der Nachkommen Masigh's sind mit dem heiteren, spielenden Charakter des Afrikaners gemengt; ihre schöne, edle und hohe Gestalt haben sie zum großen Theile ganz eingebüßt und ihre helle Farbe mit der dunkleren des Ba-Hansche vertauscht; endlich ist ihnen dadurch die Haussa-Sprache ganz eben so geläufig gcwordeu, wie ihr ursprüngliches Auraghiyc, obgleich die Männer uuter einander sich gewöhnlich des Letzteren bedienen. In Folge dieser Vermischung werden die eigentlichen Kel-owi von den reinen Berberstämmen mit einer Art von Vcrachtuug betrachtet uud oft sogar als „itelan" (Sklaven) bezeichnet. Die Art uud Weise, wie die Kel-owi sich im Lande niedergelassen, scheint in der That dcrjeuigeu sehr ähnlich, in welcher die alten Griechen in Lycicn sich ansässig gemacht haben; denn die Frauen in Assbcn haben, wenigstens in Bezug auf die Siedeluug, ein gewisses Vorrecht vor den Männern, so daß, wenn ein Ba - Assbeutschi eiue Frau aus einem anderen Dorfe heirathct, dieselbe ihren Heimaths-ort nicht verläßt, um ihrem Manne zu folgen, sondern dieser zieht nach dein Dorfe der Frau. Allerdings kann man die letztere Er- ____ 1HH ____ scheinung auch aits anderen Gründen erklären, aber dasselbe Princip liegt der Bedingung zu Grunde, daß der Häuptling der Kel-owi keine Frau vom Stamme Masigh's Heimchen, sondern nur mit schwarzen Francn oder Sklavinnen Kinder erzeugen darf. Dic ursprüngliche männliche Bevölkerung, so weit sie nicht ausgerottet ward, sank zu dem Stande von Leibeigenen herab, mit der Bcdingnng jedoch, daß weder sie noch ihre Kinder jemals außer Landes verknust werden sollten. Außerdem entstand noch aus der Vermischung von Imoscharh-Frauen und schwarzen Männern eine eigene Bastardrasfe, die Bnsaue oder Aboghclite; diese haben in der Regel mehr Berberzüge, als die Kel-owi selbst, sind aber von dunklerer Farbe und kleinerer Gestalt; ihr Charakter ist sehr gesunken und sie haben fast gänzlich den edleren Zng verloren, der selbst an dem gesetzlosesten Räuber von reinem Targi-Blute zu erkennen ist. Diese Leute finden sich hauptsächlich in den Gegenden südlich und südöstlich vom eigentlichen Assben. Der Stamm der Kel-owi zerfällt in eine große Anzahl von Abtheilungen oder Familien — „tiussi" (Sing. „taussit") —, welche zusammen die große Stammgenossenschaft bilden. Die edelste Uuter-abthcilung ist gegenwärtig die der I-rholaug, denn ihr gehört der Amanokal oder Oberhäuptling an. Jedoch beruht der Adel dieser Familie nicht auf ihrem reineren Geblüt, sondern auf dem faktischen Uebergewicht und Ansehen, welches sich indeß erst aus der Zeit des Vorgängers des jetzigen Häuptlings Annur hcrzuschreiben scheint. Nach' Annur ist der Nächste an Autorität der präsumtive Nachfolger in der Regierung, Hadj Abdua, der Sohu von Annur's ältester Schwester; denn die Regierung vererbt hier nicht auf den Sohn des Häuptlings, sondern anf den Sohn seiner Schwester. Diese auffallende Sitte findet sich nicht allein in vielen Staaten Mittel-Afrila's, sondern auch in mehreren Theilen Indiens, und wir haben daher keinen Grund, sie für eine ursprünglich der Berberrasse eigenthümliche Sitte zu halten, zumal da sie von dem edlen Stamme der Auelim-miden als eine schmachvolle Einrichtung angeschen wird, welche nur Zeugniß von dem geringen Vertrauen gebe, das cm Mann zu der Treue seines Weibes habe; denn dies ist allerdings der zu Grunde liegende Gedanke, daß der Schwestersohn ohne Zweifel einen Theil des ursprünglichen Blutes haben müsse, während der Sohn des Häuptlings selbst, die Untreue der Frau vorausgesetzt, möglicherweise dem fürstlichen Blute ganz fremd sein könne. ------ 154 ------ Die Familie oder der Stamm der I-rholaug bewohnt mehr als zehn Dürfer, die alle östlich oder südöstlich von Tin-tcllust, der Residenz Annur's, liegen. Diese Familie hat mit zwei anderen einflußreichen und mächtigen Abtheilungen der Kel-owi ein Bündniß geschlossen, nämlich mit den Kel-asaneres und mit den Ikaötesan oder Ikeschkeschcu. Die Kel-asaueres sind die „Angesessenen von Asancrcs", und zwar ist das Dorf Asancres von großer Wichtigkeit wegen des Verhältnisses seiner Lage zu den Salzsce'n don Bilma, die den Hauptreichthmn nnd das Vebensprincift dieser Gemeinde ausmachen. Die Ikastesau, welche gleichfalls ursprünglich von den Auragheu ab-znstammcn scheinen, haben mit Bezug auf ihren Wohnort Tamar auch den Namen Kel-tamar. Indeß ist dies nur ein Theil der Itastesan, während eine andere Abtheilung derselben theilwcis über die südlichere Landschaft Damerghu zerstreut ist, theilweis sich an einem Orte Namens El-akuas oder, wie es gewöhnlich ausgesprochen wird, Alakkos, zwischen Damerghu nnd Munio, in (Gemeinschaft nüt einer Bastardrasse, den sogenannten Kel-aknas, niedergelassen hat. Diese letztere Abtheilung der Ilastcsan, die in ihren schönen männlichen Gestalten und ihrer feinen Gesichtsfarbe viel mehr unverkennbare Spuren reinen Berberblutes trägt, als der Stamm der I-rho-lang, führt ein sehr gesetzloses ^eben uud beunruhigt sämmtliche Landschaften an den Nordgrenzen von Haussa und Boruu mit ihren Naubziigen. Iu frühereu Zeiten scheint die Familie der Kel-feruan (örtlich von Tin-tarh-ode in dem schönen Thale von I-feruau ansässig) den Vorrauq vor den I-rholang gehabt zu haben. Als Zeichen, daß die Kcl-feruau von edlerem nnd reinerem Blute als die übrigen Stämme sind, besteht noch jetzt der Gebrauch, daß, weuu der Sultan von Agades auf längere Zeit die Stadt verläßt, der Häuptling der itel-ferna» sein Stellvertreter ist. Der in eine große Anzahl von Familien oder Abtheilungen zer^ fallende Stamm der Kel-owi bildet wiederum eine größere Genossenschaft oder Verbiuduug mit den Kcl^geress, den ^lessan oder vielmehr I-ti-ssan und einigen kleineren Stämmen. Das gemeinschaftliche Oberhaupt dieser größeren Verbindung ist der in Agades rcsidirende Amanotal oder Snltan. Die Kcl-geress und die I-ti-ssan wohnten früher friedfertig auf demselben Gebiete mit den Kcl-owi zusammen, uud zwar befanden sich ihre Wohnsitze in den fruchtbaren und zum Theil sehr schönen Gauen am Fuße des Gaghseu, Gebirges. Vor ____ 1HH etwa 20 bis 30 Jahren aber wurde«: die beiden Stämme von den Kel-owi ans ihren Wohnsitzen vertrieben und ließen sich im Westen und Südwesten von Agades nieder. Von der Zeit an stehen sie bald auf feindlichem, bald auf freundschaftlichem Fuße mit den Kel-owi. So ist drei Jahre nach meinem Aufenthalt in Air, im Jahre 1854, zwischen diesen Stämmen ein höchst unheilbringender, blutiger Krieg ausgcbrochen, der ihre bestell Kräfte verzehrt zu habeu scheint und in dem Mancher meiner Bekannten, namentlich Annur's Schwiegersohn Hamma, gefallen ist. Die Kel-geress nnd die I-ti-ssan zusammcu kommen den Kel-owi an Zahl nicht gleich, sind ihnen aber doch an Starte gewachsen. Denn sie sind weit kriegerischer nnd besitzen eine viel größere Anzahl von Pferden, so daß ihre Macht zum größten Theil aus wohlbcrit tener Kavalcrie besteht. Die Kel-owi hingegen können nur wenige Pferde aufbringen und sind entschieden Kameelleute. Der Vortheil aber, den ein Reiter zu Pferde über einen zu Kameel berittenen Streiter hat, ist in offener Schlacht und im Handgemenge sehr bedeutend. Die Kcl-owi können ohne Zweifel eine Macht dou 10,000 bewaffneten uud berittenen Männern zusammenbringen, wobei im Allgemeinen die Sklaven nicht eingeschlossen sind; aber die getheilten Interessen der verschiedenen Stammesabtheilnngen zersplittern zu sehr ihre Kraft, und nur selten haben sie sich zu gemeinsamen Kriegszügen vereinigt, wie bei dem Heereszuge gegen die Uelad Sslimau. Diese aber sogen auch das Herzblut der ganzen Nation aus, indem sie sich aller Ka-nicclc, an 50,000, bemächtigteu nnd die Salzlaken von Vilma in Besitz nahmen; denn in diesem Punkte liegt der Haufttreichthum und die Lebensbedingnng des Stammes. Wer nur ciuigc Zeit in diesem Lande verweilt, muß die Beobachtung machen, daß seine Bevölkerung nicht so zahlreich sein könnte, wenn ihr nicht der Salzhandel mit Bilma die Mittel verschaffte, vortheilhaft alle Bedürfnisse im Lande Haussa einzutauschen. Denn nicht allein alle Klcidungsstuffe, sonderu zum größten Theil selbst die Lcbensmittel werden eingeführt. Freilich könnten viele Thäler bei sorgfältigem Anban einen weit reicheren Ertrag geben, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Dieser Salzhandel, so weit er die Bewohner von Assben betrifft, scheint indeß nicht in sehr alte Zeiten hinaufzureichen. Vielmehr ist es wahr scheinlich, daß er die Straße über Assben erst seit einem Jahrhundert genommen hat, also nicht vor der Zeit, wo das Land von den Kcl- 156 owi in Besitz genommen wnvde; denn cs versteht sich von selbst, dasi, so laiM die Tebn odcv vi^mclir Tcda cine starte Nation waren, sie Fremden nicht erlaubt haben werden, den Vortheil eines von der Natur ihrrnl ^cmdc gcschcntten so bcdentendcn Ncichthuins zu genießen. Was Edrisi umn Alaunhaudel im Thale Kanar erzählt, bezieht sich unzweifelhaft auf den Salzhandcl. Sechstes Kapitel. Äukfsug nach Kgade«. Die Muße, die uns durch den nothwendigen längeren Aufcut' halt in Tin-tcllust gegönnt war, benutzte ich zu einein Anssiug nach Agadcs und stellte so zu gleicher Zeit das moralische Ansehen, das durch so viele Unfälle völlig erschüttert war, in unserer Schaar einiger-maaßen wieder her. Obwohl ich damals noch nicht die ganze Bedeutung dieser Stadt kannte, so war es doch schon lange mein still gehegter Plan gewesen, dieselbe zu besuchen. Denn was kann anziehender sein, als eine bedeutende Stadt, die einst an Größe Tunis gleichgestanden haben soll, mitten nuter gesetzloseu, barbarischen Horden gelegen, an der Grenze der Wüste und der fruchtbaren Distrikte des Innern von Afrika? An solchem Platze ist Agades vor vier Jahrhunderten gegründet worden nnd seitdem beschützt als eine Stätte friedlichen Handelsverkehrs zwischen Nationen der verschiedensten Charaktere. In der That ist es nur ein Zufall, daß diese Stadt bei den Europäern nicht eben so lebhaftes und romantisches Interesse erregt hat, wie ihre Schwcsterstadt Timbuttn. Während der Dauer seiucr Blüthe war Agades, lange Zeit der große Goldmarkt für Nord-Afrika, kaum dem Namcu uach iu Europa bekannt; Timbuktu dagegen, das dnrch dic Nähe eines großen Flusses bevorzugt ist, ward berühmt dnrch die Menge Goldes, das einst auf diesem Wege nach Marokko floß. Trotz der vieleu berufenen nud uubcrnfcncn Rathgeber, die mich von einem so gefahrvollen Unternehmen zurückschrecken wollten, ließ ich mich nicht einschüchtern. Durch Unterhandlungeu mit dein Häuptling Annur gelang es mir, die zahlreichen'Hindernisse, die sich meinem Vorhaben anfänglich entgegenstellten, zu beseitigen. Am 30. September machte ich dann meiucu Abschiedsbesuch beim Häuptling. Ich nahm ein allständiges Geschenk für ihn selbst, s» wie die für den ------ 158 ------ Sultan von Agadcs bestimmten Geschenke mit, damit er auch von diesen volle Kenntniß erhalten nnd seine Zustimmung zu denselben geben möge. Er war in beiden Beziehungen vollkommen zufrieden gestellt und versprach mir völlige Sicherheit; auch ließ er einen Brief an Add cl Mdcr oder 5tadiri, den neuen, inittlerweile erwählten Sultan vou Agades, schreiben, worin er mich demselben auf das Eindringlichste empfahl. Zu meiner größeren persönlichen Sicherheit sollte mich Hamma, Annur's Schwiegersohn, auf dieser Reise begleiten; doch mußte ich ihn für seine Mühe noch besonders bezahlen. Ausserdem nahm ich zwei Diener mit, nnsercn tunesischen Dicner Mohammed lind Herrn Richardson's gewandten schwarzen Busaue, Namens Amankei. Der letztere jedoch erwies sich anf dieser Reise als ganz unbrauchbar, da er gleich nach unserem Aufbruch wieder am Guinea-Wurm zu leiden anfing und die ganze Zeit hindurch so gut wie lahm war. Endlich ward uusere Abreise anf den 4. Oktober festgesetzt. Es war ein schöner Morgen; die gesnnde, erfrischende ^nft stärkte ktörpcr und Seele. Der alte Häuptling, welcher zuvor nie unser Lager besucht hatte, kam selbst aus dem Dorfe heraus, um mich diese auch für sein Verhältniß nicht unbedeutende Reise antreten zu sehen. Er hatte sich mit besonderer Sorgfalt gekleidet und trug einen reinen Weißen Shawl nm sein Hanpt, während sollst Reinlichkeit nicht gerade zu seinen Tugenden gehörte. Er erklärte mir nochmals mit einer bezeichnenden Handbewegnng, „daß meine Sicherheit auf seinem Hnnpte ruhe", und mit einer (Hastfreundlichkeit, die uns ganz in Erstaunen setzte, überließ er unserer Gesellschaft ciuen Bullochseu aus seiner kleinen Hecrde. Unsere kleine Truppe bestand aus sechs itameelen, fünf und dreißig Eseln nnd zwei Bullen. Ich sollte einen Bulleu besteigen, bis Hannua im Stande sein würde, eiu Kamecl für mich zu miethen. Der erste Bulle widersetzte sich hartnäckig jedem Bcrsuchc, ihm irgend etwas aufzuladcu, und kehrte im Hochgefühl der Freiheit eilends zu seiner Hcerde zurück. Der zweite warb endlich gezähmt, das Gepäck, wie es gerade möglich war, auf seinem Rücken festgebunden, und nun sollte ich ihn besteigen. Die Sache war nm so schwieriger, als weder ein Sattel noch sonst irgend eine Unterlage znm Sifteu vorhanden war, sondern nur uuregelmäßige Gepäckstücke, die ungenügend befestigt waren und von einer Seite zur andern schwankten. Indeß in der Hoffnung, daß ich das Thier in meine Gewalt be- 159 kommen würde, bestieg ich dasselbe, nahm voll meinen zurückbleibenden Reisegefährten Abschied und folgte meinen schwarzen Begleitern. Bald verließen wir daS breite Thal von Tin-tellnst nnd erstiegen ein felsiges Terrain, von wo wir eine interessante Altssicht auf die massenhafte Berggruppe des Eghellal hatten. Ich faßte allmählich Muth anf meinem unsicheren Sitze, nahm den Kompaß zur Hand und zeichnete die Richtung uuserer Straße auf. Plötzlich begann das Gepäck auf dem Rücken des Bulleu zu schwanken; um das Gleichgewicht wieder herznstellen, neigte ich mich etwas zu weit nach der andern Seite hinüber uud stürzte mit dein ganzen Gepäck von dem Thiere herab. Auf dem rauhen felsigen Boden hätte ich mich bedeutend verletzen können, glücklicherweise aber fiel ich auf die Mündung meiner Flinte, die ich auf dem Rücken trug, uud kam noch ziemlich gnt davon; selbst mein Kompaß blieb uuversehrt. Ich raffte mich schnell wieder auf, wollte aber doch lieber zu Fuß bleiben, als noch einmal den Bulleu bcsteigcu. So tamen wir bis in das Thal Oghcllua, wo mehrere Brunnen uns veranlaßten, eine Weile Halt zu machen. Von hier an setzte ich mich hinter Hamma auf den mageren Rücken seines Kameelcs, indem ich mich an dem Sattel festhielt. Diefer ohnehin schon unbequeme Sitz ward mir vollends dadnrch verleidet, daß mich von der einen Seite fortwährend die Flinte meines Freundes bedrohte, während anf der anderen sein ungeheurer Autilupenschild uuanfhörlich an mein Bein anschlug. Ich war daher froh, als wir das kleine Dorf Tiggcr - erc - ssa erreichten, welches am Rande eines breiten, reich mit Talhabäumen bewachsenen Thales liegt. Hier lagerten wir in einem anmuthigen, von anfstehenden Granitblöcken nmgürteten Felswiutcl. In diesem Dorfe miethete Hamma zwei Kamecle für mich znr Reise nach Aga-des und zurück. Am folgenden Tag (5. October) führte nns unser Marsch durch eine malerische Wildniß. Das felsige Terrain war hänfig dun schlangelnden Thälern durchschnitten und von Berggrnppen nnd iso-lirten Bergkegcln überragt. Der interessanteste Gegenstand anf dem ganzen Tagemarsch war der Berg Tschereka, der sein merkwürdiges Doppelhorn ^— 160 ------ nach und nach von den verschiedenen Seiten zeigte. Anfänglich erschien der Berg wie ein einziger Kegel, nur ein wenig an seinem Gipfel gespalten; dann aber sah man allmählich immer deutlicher, wie zwei fast von der Basis an getrennte Hörner mit breitem Untersatz nnd schmaler Kuppe zu beinahe gleicher Höhe emporstiegen. Wir ließen diesen Berg und die nahe bei demselben gelegene Stadt A-ssodi in geringer Entfernung zu unserer Rechten liegen. Leider l'onnte ich Hanuna nicht bewegen, mit mir einen Abstecher dorthin zu machen, und ich kanu deshalb nur die Nachrichten, dic mir vou Anderen über diesen einst nicht unbedeutenden Ort mitgetheilt wurden, hier wiederholen. A-ssodi war früher ein wichtiger uud vou Kaufleuten stark besuchter Platz, ist aber jetzt verfallen nnd hat nur noch weuige Ein-wohncr. Die Ruinen — angeblich 1000 Häuser, alle aus Stciu und Lehm gebaut — sind von beträchtlichem Umfaug, aber uur etwa 80 Häuser sollcu noch bewohnt sein. Nach der Zahl der Häuser aber muß der Ort früher wcuigstcns ^000 bis 10,000 Einwohner gehabt haben. Dies wird anch dadurch bestätigt, daß sieben „tamis-gida" oder Moscheen in der Stadt waren, deren größte mit Säulcu geschmückt war. Mit eiuer Mauer scheiut die Stadt nie umgebe» gewesen zu sciu. Sie verfiel wahrscheinlich, seit sie dcu Kcl-gcrcss von den Kel-owi abgenommen ward. Seitdem hat die Bevölkeruug sich zerstreut und wohnt in verschiedenen kleinen Hüttcugruppcu m der Nachbarschaft. Gleichwohl ist der Marlt vou A-ssodi noch jetzt nicht ohne Vedeutuug. Das Haus des durt wohucuden Häuptlings Astafidet soll auf eiuer kleinen Auhöhe im westlichen Theile dcr Stadt liegen und vou uugefähr 20 Hütten umgcbeu seiu. Die Stadt hat keineu Brunnen uud alles Wasser muß von außen geholt werden. Während dieser Ort den Gegenstand eines Gespräches mit meinem Gefährten bildete, eröffnete sich nach Osteu ciu interessanter Blick auf die Bergkette des Buudai, die sich mit ihren benachbarten Höhen und mit dem Berge Eghellal zu eiuer langgestreckten Gruppe verewigte. So erreichten wir das herrliche Thal Tschisolcu, wo wir während der heißesten Tagesstunden unter einem prachtvollen Talha^ bäume rasteten. Nachdem wir uus hier mit ciucm hiurcicheudeu Vorrath guteu Wassers versehen, setzten wir uusercu Weg über ein felsiges Terraiu fort, zwischen dcsscu Spalteu und Löchern überall eine Fülle vou Kräutern hcrvorschoß; zur Rechten ward es von den Kuppen und Kegeln einer schroffen Erhebung, zur Linken dagegen von der breiten, majestätischen Gestalt des Berges Eghellal überragt. 161 Gegen Abend erfreute uns der Anblick einer wohlgenährten Rinder-hecrde, die von dem reichen Weidegrnnde nach ihrer Nachtstallung bei dem Dorfe Eghellal am Fuße des gleichnamigen Verges zurückkehrte; es waren schöne kräftige Thiere von mittlerer Größe, alle mit einem Buckel und von glänzend dnukelbrauucr Farbe. Wir lagerten um 6 Uhr Abends in dem flachen Thale von^ghellal in einiger Entfernung vom Brunnen. Hier besuchte uns von seinem Wohnorte Tafidet ans Hadj Abdua, der Sohn von Annur's ältester Schwester Fatima und somit, wie gesagt, der muthmaaßliche Nach» folgcr des alten Häuptlings. Er war ein Mann von etwa 5)0 Jahren und hatte ein verständiges und angenehmes Wesen. Ich unterhielt mich lnit ihm über den Unterschied zwischen AegMen, das er auf seiner Wallfahrt bcsncht hatte, und seinem eigenen ^ande. Er verkannte die Vorzüge jenes halb civilisirlen Zustandes nicht, andererseits aber hatte er auch sehr wohl das Elend bemerkt, das mit einer großen Anhäufuug von Menscheu immer verbunden ist, und mit einem ge-wissen Stolze sagte er mir, das; wenige ^cute in Air so elend seien, wie eine zahlreiche Klasse der Bevölkerung von Kairo. Zeitig brachen wir am l». Oktober auf uud erreichten bald eine offenere Gegend. Znr Ncchten hatten wir den vereinzelt sich er hebenden, lang hingestreckten Äerg Agata, an dessen westlichen! Fuße ein Dorf gleichen Namens liegt. Hier schien die Fruchtbarkeit des Bodens bedeutend zuzuuehmen, die Gräser wurden reicher uud frischer und eine Fülle von Mimosen und <üai)i»lui8 schmückte die Landschaft. Etwas weiter nach Westen, am Fnße des Berges Adjnri, soll selbst ein zahlreicher Palmenhain blühen, der Datteln von großer Güte trägt. Wir traten nun in das sich schlangelnde breite Bett eines zeit-, weiligen Vcrgstromes und gewannen hier einen Blick auf die in^ tercssantc Gestalt des Berges Belassega. Die Ebene zog sich hier znsammen, und indem wir eine Vcrengnng der Erhebungen betraten, ftassir-ten wir einen kleinen Paß, von dessen Gipfel herab sich eine höchst malerische Ansicht vor uns aufthat. Zur Rechten stieg die imposante, schön geformte Bergmasse A-bila oder Bila auf, und zwischen ihrem Fuße Naith'« 3i«ls«n. i. ' I» ------ 162 ------ und den schroffen Höhen, deren Ailslänfer wir eben überschritten, öfsuete sich eine breite Thalebene, fast genan von Ost nach West streichend. Am östlichen Fuße des Verges schlangelte sich ein enges, aber reich mit Banmwnchs gesll,mncktes Thal hin, das mit seiner frischgriinen ^anbfnlle einen wunderbaren Gegensatz gegen die dnnteln ^elsmassen nnthcr bildete. Während der heißen Mittagsstunden rasteten wir eine tnrzc Strecke hinter dem ersten trockenen Wasserbett, wo jetzt das ersehnte Element wenige Filß nnter der Oberfläche zll erhallen war. Am Nachmittag machten wir noch einen tnrzen Marsch nnd wählten dann unser Nachtlager im Thale Tiggeda, das sich hart am östlichen Fuße des Verges Bila hinzieht. Dies war in dcr That das schönste Thal, das ich bis jetzt in diesem Vande gesehen hatte. Das breite sandige Bett des Regrnstrmnes war vom frischesten Grase mnsämnt, das sich dem schönsten Nasen in (5nropa vergleichen ließ, nnd das reichste, dichteste Blätterwert verschiedener Mimosen, der Taburak (Kala.mto3 ^c>^)tin.cn^, des Taghmart, der Abisga ((^i'-l,^) bildete nach oben rin dichtes ^anbdach, während ans der Erde die von den größeren Pflanzen gelassenen Zwischenränme von der Tunfafia (H.8cÜ6pian ^i^llntl's,) nnd anderen Biischen ausgefüllt wnrden. Hoch emvur über diese wogende Masse von Randwert erhoben sich die prachtvollen ____1HI____ Kuppen, welche auf dieser Seite über die massenhafte Äergreihe fiä, thürmen. Eben jetzt wurden sie vou den Strahlen der unterziehenden Sonne glänzend beleuchtet. Es war ein entzückender und erhebender Anblick. Indeß ist das Thal nicht immer so einsam, wie wir es diesmal fanden; als wir ans nnserer Rückreise hierher kamen, trafen Wir hier Horden der Kel-n-Ncggaru, die mit ihren Rinder- nnd Schaafheerdeu das Thal zn ihrem Aufenthaltsort genommen hatten. Früh in der Murgeukühlc brachen wir am 7. Oktober zn einem höchst interessanten Tagcmarsch anf. Anfänglich schlangelten wir uns im Thalc Tiggeda entlailg. Zahlreiche Flüge Tauben belebten dasselbe mit ihrer tändelnden ^nstbarkeit, nnd eine einsame schlanke Antilope rauschte durch das Dickicht. Wir überstiegen eine leichte Scheidewand felsigen Aodeus uud betraten sodann das noch malerischere Thal Erhasar^u-Assada. An der westlichen Seite wird es nnr von niedrigen Felscrhebungen begrenzt, gegen Osten aber ragen die mas-senhaften steilen Rebenhöhen des gewaltigen Dogem herüber. Hier bc^ deckte eine wahrhaft tropische Uebcrfülle all Pflanzenwnchs die Thal^ sohle. Die Dumpalme ^ueilsra. ^iiedaica) war hier ganz vorherrschend; sie war mir seit Sselufiet nicht vorgekommen, hier aber fand sie sich in verwildertem Zustaude. Außerdem gab es eine Menge Arten aus der Familie der Akazien, alle von höchst üppigem Wüchse, von Schlingpflanzen iu den schönsten Gewinden umschlungen nnd durchflochtcn. Die ganze Masse der Vegetation war zn einer dichten Decke verbunden, die kaum einen engen, niedrigen Durchgang für die Kamcelc gewährte. Der Reiter war jeden Augenblick ge nöthigt, sich niederzubeugen, um uicht vou sciuem Sitze gehoben zn werden, uud mein Diener Mohammed blicb.wirtlich einmal mit seinem dicht um dcu Klopf geschlungenen Tnrban in den Schlingpflanzen hängen, während sein Kamecl den Pfad Weiler verfolgte. Auch durch Mcuschen ward heute dic Landschaft belebt. Zuerst begegneten wir zwei drollig ausseheuden Musikern. Ihre Kleidung bcstaud aus eiuem kurzcu, knapp anliegenden blanen Hemd, das um den Leib gegürtet war; ihr Haupt bedeckte ein kleiner schwarzer Strohhnt. Jeder von ihnen trug eine große Trommel oder Tim-bali, mit welcher sie die Mste einer Hochzeit in, benachbarten Dorfe ergötzt hatten. Bald darauf begegnete uns eine große Sklaven-karawaue mit etwa 40 Kameelen und 60 Sklaven. Die unglnck-lichcn Schwarzen, von dem malerischen Charakter der Landschaft er^ heitert, sangen ein fröhliches Vied in der wilden Melodie ihrer Heimath, ------ 164 ------ wie dcnn ihr von Natur heiteres und lebhaftes Gemüth sie leicht alle Sorgen vergessen läßt. Im Zuge dieser Karawane gingen zwei von den U'ameeltreibern, mit denen wir von Mursnk gekommen waren. Wahrscheinlich hatten sie das Geld, das sie von der englischen Mission gewonnen, eben in dem Handelsartikel angelegt, welchen aufzuheben, das eifrigste Bestreben der englischen Ncgiernng ist. Als wir aus der dichten Thalwaldnng heraustraten, eröffnete sich uns der erste Blick auf den majestätischen ilegel des Dogem. Eine enge Schlncht in den steilen Felswänden zu unserer Linken führte nach dem Dorfe Assada. Wir singen nun an emporzusteigen, und als wir die Höhe des Passes erreichten, hatten wir den breiten, mächtigen Kegel des Dogem zur Tinten. Dieser imposante Berg machte einen gewaltigen Eindrnck auf mich und ich hielt ihn damals entschieden für den höchsten Gipfel im Lande Air; der alte Haupt-ling Annnr aber behanptete, wie ich schon oben erwähnt habe, mit Bestimmtheit, daß der Timge höher sei. Wahrscheinlich besteht der Dogcm ans Basalt, und es scheint auch die ganze Gruppe des Vaghsen demselben Gestein anzugehören. Wir tonnten tcinc von beiden Bergmasseu ganz in der Nähe untersuchen. Von diesem Passe stiegen wir in die steinige Ebene Erarar-n-Dendemn hinab. Sie ist so dicht mit kleinen Talhabäumen überwachsen, daß sich der Reisende jeden Augenblick vor den Dornen schützen muß. Längs des engen Pfades waren zahlreiche Fußtapfen von Löwen dentlich zu erkennen. Der Löwe ist schr häufig in diesem wilden Hochlande, und wenn cr nur mit einer gewissen poetischen Licenz „Wüstenkönig" genannt werden kann, so darf er dagegen mit vollem Recht als „König der Wiloniß" bezeichnet werden; vor-' zugsweise liebt cr solche Landschaften, die, wie Asbcn, dnrch hinreichenden Pflanzcnwnchs nnd Reichthnm an Wasser eine grosie Menge von Thieren ernähren, dabri aber dünnbevölkert sind nnd in ihren Bergschlnchten überall einen sicheren Znflnchtsort darbieten. Indeß scheint der Löwe hier nicht gerak? ein furchtbares nnd sehr gefährliches Thier zu sein. Nach den bestimmten Aussagen der Ein gebornen hat cr in dieser ganzen Grenzzone keine, d. h. eine nnr sehr kurze, Mähne uud ist also dem Löwen von Gnserat verwandt. Indessen war das Wetter schwül geworden nnd knrz vor Mittag brach ein Regensturm los,-der etwa eine halbe Stnnde anhielt; es war der letzte in dieser Regenzeit. Der weitere Marsch ward in Folge davon etwas beschwerlich; denn der Boden war bis zu an- ------ ,65 sehnlicher Tiefe mit Wasser bedeckt und die trockenen Rinnsale hatten sich plötzlich in rauschende Ströme umgewandelt. So betraten wir die düstere, wild zerrissene Thalebene von Ta-rhift; sie war ganz mit Basaltstücken von der Größe eines Kinderkopfes bedeckt und rings von finster aussehenden Felscrhebnngeu begrenzt. Alles zeigte die Spuren einer einstigen wilden Zerstörungsscene der Natur. In dieser ödeu und schauerliche» Wildmsi befindet sich eiu merkwürdiger Betplatz, der verehrte uud weltberühmte Matam e' Scheich ben Abd el Kerim. Hier unterläßt es kein vom Norden kommender moslimischer Reisender, sein Gebet zu verrichten; denn der Betftlatz wurde gestiftet von dem berühmten Mohammed bcn Abd el Kerim ben Marhili, welcher den Islam nach den Ländern des mittleren Sudan verpflanzte und so auch hier jenen mächtigen Kampf hervorrief, welcher, immer weiter und weiter nm sich greifend, dazu bestimmt scheint, die Völker bis über den Aequator hinaus zu ergreifen. El Marhili, der im Jahre lli^. nach Chr. oder im Jahre 940 der Hcdjra gestorben sein soll, lebte zu der Zeit, als das große Ssonrhai-Reich von der Höhe der Macht uud des Ruhmes, die es unter der energischen Herrschaft von Emmi Ali und Mohammed el Hadj Asskia erlangt hatte, herabzusmten anfing. Empört über eine Ungerechtigkeit des Asskia Issmail wandte sich Abb el Kcrim dem Lande zu, welches zuerst der Macht der Assaki oder Asflla's erfolgreichen Widerstand geleistet hatte und das neuen Glanz zu erlangen versprach, wenn es »nit dem Samen einer reineren Religion befruchtet würde. Von solchen Motiven getrieben zog der große Apostel des mittleren Ncger-landcs nach Katsrna; auf seinem Wege dorthin gründete er an dieser Stätte einen Betplatz, als Erinnerungszeichen an den Weg, auf welchem der Glaube an die Eine Gottheit, vom fernen Osten ans-gehend, in'S Land der Schwarzen eindrang. Gegenwärtig ist der heilige Umkreis des „Mssid" oder der „Mcssalla" nur durch Steine bezeichnet, welche, in regelmäßiger Weise ausgelegt, eiuen Platz von 60 bis 70 Fuß Rüge und 15 Fuß Breite umschließen; der Mamber oder die Gcbetnische ist mit einem kleinen Talhabaume geschmückt. Endlich stiegen wir von diesem rauhen, zerrissenen Felsboden in deu oberen Theil des berühmten Thales Audcras hinab. Hier lagerten wir am AbHange des Felsterrains, weil wir die Feuchtigkeit des Thalbodens schcutru. Bei unserer Rückkehr sah ich ill diesem fruchtbaren Thale eine barbarische Art von Ackerbau; drei Sklaven waren nämlich an eine Art von Pflng gespannt und wurden wie Pflugsticre ------ 166 ------ von ihrem Herrn zur Arbeit getrieben. Walirscheinlich ist dies der südlichste Platz iit ventral. Afrika, wo der Pflug gebraucht wird; denn im ganzel» Sudan ist die Hacke .»fcrtana«« — das einzige Werkzeug, das man zmn Bebanen des Bodens benntzt. Das Stltrniwettcr nnd mit ihm auch die Regenzeit lvar jetzt vorüber, nnd am nächsten Morgen vin; des Reiches Gando am sogenannten Niger) ist ein wohlbekannter Natrondistrikt; im westlichsten Sndan dagegen, znmal in Timbnktu, ist das Natron fast nnbekannt. Die Gegend ward wieder fruchtbarer, als wir das Thal Bndde betraten. Dieses schlangelt sich mit seinem nnnnterbrochenen schmalen Waldstreifen von Dumba'nmcn, Abisga's nnd Talha'S in großer Migc von SSW. nach NNO. dnrch das Felsterrain dahin. Wir dnrch. schnitten nm Mittag den trockenen sandigen Wasserlanf, der, einem Faden ähnlich, zwischen den reich bewachsenen Nfern sich hinzieht; dann lagerten wir an einer Stelle, wo die Mimosen einen wnndcr-bar üppigen Wnchs hatten nnd, von Schlingpflanzen eng dnrchflochten, ein fast nndnrchdringliches Dickicht bildeten. Hier im Thalc Bndde lernte ich zuerst den lästigen (Iharattcr der it'arengia oder des I'nmi-dl'tum äil-itil-Inlm tenueu. Durch ihre stechenden, tlettennhnlichen Samenkapseln vernrsacht diese Pflanze dem Reisenden in Ccntral-Afrila die größte nnd nnablässigste Beschwerde. Diese Kapseln heften sich Wie Kletten an Kleider nnd Finger, die kleinen Stacheln lösen !67 sich ab imd bleiben sitzen, und man muß deshalb stets cine kleine Zange bei sich führen, um die letzteren aus den Fiugern ^u ziehen; denu weun sie darin gelassen werden, haben sie leicht Eiterung zur Folge. Indeß hat die Pflanz auch ihren Mützen; sie ist nahrhnft für Pferde nlid Rindvieh; der Same der Nareugia, welcheu mau Usat nennt, ist für den Menschen ein ;war leichtes, aber nicht nn schinackhaftes Nahrungsmittel! auch bereitet man daraus dlnch Auf-gnß ein Gctiänk, N'elches in seiner tühlendeu Wirkung der Fnra oder dem Hirsenwasser ähnelt. Unmittelbar neben unserem Lagerplatz war eine Begräbnisstätte der Imrhad, die in geringer Eutfer,lu»g nach ^steu hin das kleine Dorf Tauar Nucidjud bewohnen. Andere verwandte Gruppen besitzen weiterhin noch einige andere Dörfer. Ueberhanpt wohnen in diesen fruchtbaren Thälern um Agades her viele Imrhad, welche in eine Menge von Abtheilungen zerfallen. Am 9. Oktober führte uus unser Weg anfänglich über rauhes Tcrraiu, bis wir wiederum ciue begünstigte Vcdenöader in der nackten Fclsmasse erreichten, nämlich das Thal Tefarrakad; hier ist die Vegetation dadurch, dasi die Wasserader sich in mehrere Arme getheilt hat, alls einem größeren Nanme ausgebreitet. Nach Osten hin find noch mehrere andere Thäler, die an Reichthum und Fülle des PflanzeuwuchseS dem Thal Tefarrakad keineswegs uachstehen. Nachdem wir von da drei Meilen zurückgelegt hattcu, stiegen wir in eine andere prachtvolle Einseutnng hinab, nämlich in das Thal Äorh>el. Dieses verdient ein ganz besonderes Interesse; dcnu nnf unserem Rückwege sah ich hier ein sehr großes uud merkwürdiges Exemplar einer I'ious-Art, die auf Haufsa „Banre" genannt wird. lHs War ein umfangreicher Baum mit großen fleischigen Älättern vom herrlichsten Grün. Acht Fuß über der Erbe maß derselbe nicht weniger als 26 Fuß im Umfang uud bis zur vollen weitspanncn^ den Krouc war er gewiß >!0 Fuß hoch. So weit ich mich erinnere, habe ich nie im Sudan einen größeren Äaurc gcfchcu, als diesen, der um so merkwürdiger ist, weil er in dieser Gegend ganz vereinzelt zu sein scheint; wenigstens zeigte sich auf nnserem Wege durch Asben kein anderes Exemplar dcS Baure. - Auch hörte ich hier zum ersten Male den schmetternden Ruf des Perlhuhns l^nmillil ptilut-I^i^ilk); doch habe ich eS nicht gesehen, da es nicht alls dem Dickicht hervorkam. In der ganzen Areite des Thales, die etwa eine halbe Meile beträgt, bildete der Pflanzcnwnchs ein unnuterbrochcucö Dickicht und ___168 ____ war wegen seines wilden Uebcrwuchses don höchst malenscher Wirkung. Weiterhin verlor sich das Niederholz nnd der Boden war mit einer Art wilder Melonen bedeckt. Außerdem zeugte eine Menge von Tunfafia l^s'is'l»^ Fissluito^) für die Fruchtbarkeit des Bodens. Auch fanden wir noch ein kleines Feld mit Ncgcrtorn bebant, während rund umher Spuren früherer Kultur deutlich zu erkennen waren. Früher müssen diese Thäler ein von dem gegenwärtigen sehr verschiedenes Bild dargeboten haben. Jetzt sind sie dem hcrnnterge kommenen Stamme der Imhrad unter der Bedingnng überlassen, daß sie dafiir einen gewissen Tribut an ihre Herren bezahlen. Seit dem aber die Macht des zu Agades residireudeu Oberhcrrn zu einem bloßen Schattcu hcrabgesunkcu ist und die Imrhad aufgehört haben, den von ihm eingesetzten Kaid oder Statthalter zu fürchten, zogen sie Räuberei und Freibeuterei dem Ackerbau vor und licßeu diese herrlicheu Thäler iu eiueu Zustaud äußerster Verwilderung verfallen. Wir lagerteu zu früher Stuude am Nachmittage, aber es fehlte an unserem Lagerplätze an Wasser. Wir brachen daher am nächsten Morgen (10. Oktober) schr früh auf und erreichteu uach ciuem Marsche von etwas mehr als drei Meilen, allmählich ansteigend, die Höhe des steinigen Plateau's, auf welchem die Stadt Agades gebaut ist. Doch ist der Charakter dieser Hochebene nicht durchaus traurige Einförmigkeit, sondern sie bildet hier und da flache Einsenkungcn, welche Gräser und Mimosen hervorbringen. Die Straße wurde nun mehr uud mehr belebt, und mit einem gewissen Nationalstolz zeigten mir meine Gefährten in der Ferne die hohe Me-ssalladje, den Rnhm von Agades. Doch sollten wir diese merkwürdige Stadt noch nicht gleich betreten. Zu meinen: höchsteil Erstaunen machten meine Gefährten um 7^ Uhr Morgens Anstalten, iu einrr der flachen Einsentmigen zu lagern. Ich erfuhr nnn, daß wir nach alter Sitte hier bis gegen Sonnenuntergang liegen bleiben würden, um die Stadt erst im Dunkeln zu betreten. Hier besuchten nns zwei ;n Pferd berittene Männer aus Agades, der Sohn des Kadhi und sein Begleiter. Sie hatten ein ritterliches Ansehen uud waren für mich um so interessanter, da ich iu diesem Lande noch keine Reiter zu Pferde gesehen hatte. Der Sohn des Kadhi, ein schoucr schlanker Mann, war in eine Tobe und Beinkleider von Seide nnd Banmwollc gekleidet; außer Schwert uud Dolch trug er uur riuen eisernen Speer, aber leinen Schild; seine Steigbügel waren von Kupfer und glichen an Gestalt ------169 ------ sehr den europäischen; von Kupfer war auch der Zierrat des Pferdegeschirrs. Ihre Sättel glicheu dem alt-arabischen Sattel, der wenig vom englischen verschieden ist. Während wir hier gelagert waren, kanftc ich von Hamma auf seinen Rath eine schwarze Sudantobe, um mich der einheimischen Tracht mehr anzubequemen. Ich zog sie über eine andere sehr weite Tobe oder Hemd von weißer Farbe und trug darüber einen weißen Beruns. Endlich gegen Sonnenuntergang hörten wir, daß die Kel-geress und I-ti-ssan, die in großer Anzahl nach Agades gekommen waren, sich in ihre Lager in einiger Entfernung von der Stadt zurück-gezogeu hätten. Wir brachen mm auf nnd bald erreichten wir die Stadt. Durch ein halb verlassenes und verfallenes Viertel kamen wir bis an Auuur's Haus, das uns während unseres hiesigen Aufenthaltes als Wohnort dienen sollte. Nachdem ich mich cinigcrmaaßen eingerichtet uud Matte und Teppich auf dem Boden ausgebreitet hatte, überließ ich mich dem Schlafe und träumte von der neuen eigenthümlichen Sphäre menschlichen Lebens, in welche ich nun eingetreten war. Ich blieb etwa drei Wochen, vom 10. bis 30. October, in Agades. Ehe ich jedoch die einzelnen Ereignisse meines täglichen Lebens an diesem Orte erzähle, wird es zweckmäßig fein, den Leser mit den allgemeinen historischen Verhältnissen der Stadt bekannt zu machen. Freilich gestatten die dürftigen Quellen, die uus bis jetzt zu Gebote stehen, nnr in allgemeinen Umrissen ein Bild von der Vergangenheit dieser bemerkenswertheu Stadt zu entwerfen. Nnr mit wenigen Worten will ich gleich von vornherein die dnrchans unkritische Annahme zurückweisen, »ach welcher vor Cooley's ausgezeichneten „Untersnchnngen über das Negerland der Araber" Agadcs mit Andaghost identificirt wnrdc. Man hatte dafür keinen anderen Grund als die vermeintliche Namcnsähnlichkeit. Allein Au-daghost finden wir bereits im 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung oder um 350 der Hedjra erwähnt, und seine Lage haben wir, wie sich bei der Uebersicht der Geschichte von Ssonrhai ergeben wird, im fernen Westell, in der Nähe voll Tedjigdja und Kasr el Barka, in der Landschaft Taganct, zn snchcn. Agades dagegen wird von Leo Africauus (in, Jahre 1526) als eine neue Stadt bezeichnet. Völlig im Einklang steht damit die Angabe Marmot's in seiner äl^cri^mon s><^' /Vlrica., daß AgabeS 160 Jahre vor der Zeit, wo er schrieb, gegründet ward, d. h. _— 170 — im Jahre 1460. Es ist nur zu bedauern, das; leiner der beiden Schriftsteller uns sagt, wer die Stadt erbaut hade. Nnu aber wisse» wir, das; Hadj Mohammed Asslia, der «nächtige Beherrscher des großen Ssolnhai Reiches, welcher die Stadt Agades int Jahre 15,15» unserer Zeitrechnung oder 921 der Hcdjra eroberte, die fünf Berber-stamme aus derselben vertrieb, welche seit längerer Zeit daselbst ansässig gewesen waren. Danach wird es mehr als wahrscheinlich, daß diese Berberstämmc es waren, welche die Stadt gründeten, und zwar als einen Hwischenort nnd als befestigte 'Niederlage für ihren Handel mit dem Negerlande. Dic (Gründling einer so großartigen Niederlassung an der Grenze der Wüste setzt allerdings varans, daß diese Stämme zu jener Zeit einen ungeheuren Einfluß in diesen Gegenden besaßen; nach den Angabe«, des Sultans Vello möchte eö fast scheinen, daß sie das ganze ^and Air eroberten, uud selbst ohne solche Andeutung müßte man voraussetzen, das; sie Herren des Vaudcs sein mußten, ehe sie zu einem solchen Unternehmen schreite»! konnten. Die fünf Stämme, auf welche wir somit die Gründung von Agades zurückführen müssen, waren nach Allein, was ich durch die sorgfältigste Nachforschung am '?rte selbst erfahreu tonnte, die Gu^ rara von Tauat, die Tafimata, die in Ghadames angesiedelten und in die beiden Uuterabtheilungen der Äcni Wasit und der Testo gc-theilten Berber, der einst zahlreiche und »nächtige Stamm der Mass-rata uud rudlich der Stamm der Audjila. Diese Vente stammen also ans fünf durch ungehenre Vänderstreckcu von einander getrennten Vand-schuften, nnd es ist allerdings auffalleud, daß sie sich zur Grüudung einer ansehnlichen Kolonie in so großer Entfernung von ihrer Heimath und au der Grenze der Wüste sollen vereinigt haben. Allein da die Namen fast aller dieser Stämme und ihrer Abtheilungen noch jetzt alt einzelnen Lokalitäten der Stadt haften, so tonnen wir die Nichtig teit der Annahme faum bezweifeln. Wie bereits bcmertt ist, wurden im Jahre 1515 die fünf Berber-stamme durch Hadj Mohammed Assl'ia ans Agades vertrieben. Veider fehlen uus alle Nachrichten über die Art uud Weise, wie der große Ssonvhai - Eroberer sich der Stadt bemächtigte. Nur das Eine wird noch jetzt traditiouell in Agaoes erzählt, daß eine beträchtliche Anzahl Berber mit 50!) Djachfa's die Stadt verließ. Die Djachfa aber ist der zum Transport der Frau bestimmte, auf dem Kameclrücken befestigte Käfig, wclcheu nur wohlhabendere Araber oder Berber zu besitzen Pflegen, so daß man schließen mnß, daß die Gesammtzahl ------171 der früheren Bewohner, welche dir Stadt vor drin siegreichen Arm drs Eroberers vrrlirßen, sehr ansrhnlili, war. Unter lvelchen Umstände» sic jcdoch auszogen, taun ich nicht sagen. Mochten sir hissen, sich durch das feindliche Herr dnrchznfchlagcn, oder mochten sir cinrm trügerischen Bersprrchen sichrreu Abzugs vertrauen, genug, der Tra^ dition zufolge sollen sie insgesammt niedergemetzelt worden sein. Nun ist es höchst wahrscheinlich, daß jener große Eroberer, nachdem er die alten Bewohner vertrieben, eine neue Niederlassung seines eigenen Stammes an diesem höchst wichtigen Platze gründete; daraus erklärt sich die merkwürdige Erscheinung, daß dir zn Agades herrschende Sprache (die Emgrdesi-Sprache) ein Dialekt der Ssunrhai-Sprache und identisch mit derjenigen von Timbuktu ist. Wer jedoch den Charakter der gegenwärtigen Stadtbcvölkrrnng mit Aufiuertsamteit beobachtet, kann krinen Augenblick zweifeln, daß ein brträchtlicher Theil der früheren Acrbcrbevölkenmg, wahrscheinlich die ärmere Klasse, znrückblieb und sich im Vanfe der Zeit mit den Ssonrhai-Kolonisten vermischte. Denn abgesehen von der Sprache, die mit Berberwurten start untermischt ist, ist unverkennbar in der Bevölkerung von Agadcs noch hentigen Tages sehr viel Berbcrblut euthaltcn, eine Thatsache, die noch auffälliger beim weiblichen Geschlechte als beim männlichen hervortritt. Der Typus der Ssonrhai - Natum ist allerdings sehr mannichfaltig, aber ihre hrrdortretendsten Zügr scheinen, bei etwas übrr mittlerer Größe und nicht sehr mustnlösem Körperbau, im Allgemeinen breit offene Nasenlöcher, hohe Stirn, mäßig dicke Lippen und eine hellschwarzc Hantfarbe ,;u sein. Diesen Tyftns finden wir allerdings sehr gewöhnlich in Agades uuter der schwarzen Bevölkerung, namentlich der männlichen, aber er ist meist mit einer hohen, fchlan-krren Statur vereint, wie ich sie fast nie an einein Manne von reinem Ssonrhai-Blntr bemerkte, und die Stirnbildung bei den Franeu zeigt zum großen Theil drn Äerbertypns, und ich schreibe diesen Umstand der Bermischnng mit drn Berbern zn. Auch vermißt man in Agades das eigenthümliche Glänzende der Hant, welches die Ssonrhai-Bevölkernng vieler Gegenden des mittleren sogenannten Niger auffallend charaktcrisirt. Es ist sehr zu bcklageu, daß ^co über die zu seiner Zeit in Agades geredete Sprache nichts angiebt. Eine solche Angabe würde vou der höchsten Wichtigkeit sein, weil er gerade zu der Zeit lebte, als sich die Stadt aus eiuer Brrberkolonie in eine Negcrstadt verwandelte. Anffallrnd ist, daß er den Kriegszug Mohammed Asskia's gcgeu Agadcs durchaus nicht erwähnt, während er doch den Ort ____ 172____ unzweideutig als eine Ncgcrstadt bezeichnet und von einem Tribut berichtet, den der König Hon Agadcs schon damals au den König von Timbuktu (oder richtiger vou Gao oder Gogo) bezahlte. Man möchte dauach und nach anderen Andeutungen annehmen, daß schon vor der Eroberung durch Mohammed Asfkia entweder iu der Stadt selbst oder doch iu der umliegenden Landschaft Ssourhai-Bcvölkerung vorhanden war. Aus den Angaben ^eo's scheint hervorzugehen, daß die Stadt damals iu sehr blühenden Vcrhältuissm war, voll fremder Kaufleute und im Besitz eiuer grußeu Auzahl Sklaven, uud daß der Köuig, obwohl er eineu Tribut von 150,000 Dukaten an Mohammed Asskia bezahlte, einen hohen Grad vou Unabhängigfeit wenigstens von dieser Seite genoß; deun obgleich selbst der Bcrbcrrasse an> gehörig, war er doch schon damals ein Spielball der Berberhäuftt-linge, befaß aber eiue cigeue Kriegsmacht. Aus den angegebenen historischen Verhältnissen, obwohl einige Unklarheit zurückbleibt, erklärt es sich jedenfalls ohue Schwierigkeit, daß die städtischen Bewohner einen Dialekt der Ssourhai-Sprache redeu; übrigens zeigt er eine starke Beimischung von Elementen der Verbersprache oder des Tema-schirht. Daneben wird auch die Gober-oder Haussa-Sprache, als die Verkehrs^ nud Geschäftssprache der ganzen Asbeuauischen Vandschast, in Agades gesprochen. Dagegen scheint das Arabische nur weuig Einfluß gehabt zu haben, außer daß es die einheimischen Zahlwörter von „vier" aufwärts verdrängt hat. Eine überraschende Bestätigung des Zusammenhanges vou Agades mit der Ssourhai-Natiou faud ich auch noch iu folgendem Umstand. Die Bewohner von Agadeö bezeichnen die Imo-scharh oder Tuareg ganz allgemein mit demjenigen Rainen, uuter welchem Mungo Park die Abtheilung des Stammes, welche bei Timbuktu und au deu Ufern des I-ssa oder des sogenannten Niger wohnt, also gerade in dem Gebiete der Ssonrhai-Sprache, kennen gelernt hatte. Sie ueuueu sie uämlich Ssurgu, die Ssurgu aber siud identisch mit dem mächtigen Stamm der Auelimmiden, von denen ich schon so viel iu Asben ge> hört hatte, ohne bisher ihre Wohnsitze geuan ergründen zu töuneu. Es ist uämlich eben der Name, den die Ssourhai ihucu geben. - Allem nicht nur die Bewohner von Agades selbst reden die Ssonrhai-Sprache, soudcrn auch audere Geuleindeu in der Nachbarschaft, namentlich die Bewohner von Tegidda und der Stamm der Ighdaleu. Die Ighdalen oder Eghedel sind ein sehr luerkwürdigcr und interessanter Stamm; sie habcu eine Mischung vou Berber- uud - 173 ------ Ssonrhai-Mut in sich und dcrdieneit schalt wegen ihrer äußeren Erscheinung besondere Aufmerksamkeit. Gleich am ersten Tage meiner .Anwesenheit in Agades, als ich den Erarar-n-ssakan oder Kmneel-markt besuchte, fielen nur die Ighdalen dnrch ihren eigenthümlichen Typus anf. Es waren hochgewachsene, breitschulterige ^cnte mit sehr ' breiten, groben Zügen; sie trugen langes Haar, das bis auf die Schultern und über das Gesicht herabhing, recht wie es den Abscheu der Tuareg erregt. Wenige Tage spater besuchte mich ein interessanter junger Mann aus demselben Stamme. Er hatte ein rundes, volles Gesicht, sehr regelmäßige und angenehme Züge, schöne, lebhafte schwarze Angen und eine Olivenfarbe, nnr wenig dnntler als die cincö italienischen Landmanns. Seil« Haar war schwarz, wallte aber nicht frei herab, wie ich dies bei seinen ^andsleuten bemerkt hatte, sondern war nur etwa vier Zoll lang, stand aufrecht und war rund um die Ohren abgeschnitten, was besonders dazu beitrug, den borstigen Ausdruck noch zn erhöhen. Der Bursche besaß Unternehmungsgeist nnb war mehrmals in Ssototo gewesen. Nach meiner Ueberzeugung.sind die Ighdalen ein letzter schwacher Nest des alten berühmten Stammes der Gcdala, obgleich der Name auf den ersten Blick etwas verschieden zn sein scheint. Der höchst eigenthümliche Charakter der Sscnhadja, zn denen die Gedala gehörten, veranlaßte die besten arabischen Schriftsteller, sie dem gewöhnlichen Stammbanm der Masigh zn entziehen nnd sie nnmittelbar mit dem Himyaritischcn Stamm in Verbindung zu setzen. Die Ighdalen haben ihre hanptsächlichen Wohnsitze in und um Iugal und Tegidda. Ingal ist eine tlcinc, vier Tagereisen von Agades auf der Straße nach Ssototo gelegene Stadt. Tcgidda ist drei Tagereisen von Ingal nnd etwa fünf Tagereisen westsüdwestlich von Agades entfernt. Dieser letztere Platz ist in der That von hohem Interesse, da er ohne Zweifel identisch ist mit dem Orte gleichen Namens, welchen Ebn Ehaldnn nnd Ebn Batnta als ein wohlhabendes, aus rothem Stein erbautes Städtchen darstellen, daö östlich von Gogo, an der von dieser Stadt nach Aegypten führenden Straße, liege und in inniger Verbindung nnd freundschaftlichem Verkehr mit den nördlichen Oasen Msab und Wargela stehe. Auch Tegidda, welches früher von einem Berberhäuptling mit dem Titel „Ssnltan" regiert wurde, war eine Zeitlang Gogu oder vielmehr dem Reiche Mellc Unterthan; letzteres begriff nämlich gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts auch Ssonrhai in sich. Der Umstand, ------ 174 ------ daß auch hier die Sourhai-Sprache noch gesprochen wird, darf daher wohl auf eine Kolunisirung bezogen werden, entweder ans jener älteren Zelt oder aus derjenigen Asslia's. Jedenfalls tauu es keinem Zweifel unterliegen, daß Mohannned Asskia, als er Agades in Besitz nahm, auch Tegidda innegehabt haben muß, da es auf der Straße von Gogo nach jenem Orte liegt. Znr Zeit Ebn Batuta's war Tegidda oder Tckadda wegen seiner Kllpfermincn berühmt, deren Ertrag bis nach Gobcr und Bornu ausgeführt wllrdc; gegenwärtig dagegen weiß man, sv weit meine Forschungen reichen, von der Existenz solcher Minen hier muher nichts mehr; doch war es mir auffallend, dass die Steigbügel, so wie ein grusier Theil des Pferdeschmucks aus Kupfer bestanden. Dagegen wird Salz von sehr guter Dualität und rother Farbe — „dja-u-gischeri" —, welches dasjenige von Bilma au Güte bei weitem übertrifft, in Tegidda sowohl wie in ^ugal gewonnen. Es ist augenscheinlich, das; die ursprüngliche Berberniederlassnng in Agades mit dem bestimmten Zweck angelegt wnrde, als ein großer kommerzieller Zwischenplatz für den Handel von Gogo, der glänzenden Hauptstadt des Ssunrhm^Neiches, mit Aegypten einerseits uud Tanat andererseits zu dienen. Gold war der Haupthaudelsartikel von Gogo, und dies edle Metall war auch der vorzüglichste (Gegenstand des früheren Handels von Agadcs. Denn Agades. hatte sein eigenes Gewicht für das l^old, den Mithkal, welcher uoch jetzt, wo die gauze Handelswichtigseit des Ortes gesnnken ist nnd nicht ein Gran (^old mehr anf den Marlt tonimt, als Einheit bei jeder Preisbestimmung dieut. Dieser Mithtal von Agades ist durchaus verschieden vou dein gleichncimigeu l^ewicht, das iu Timbnltu üblich ist; der Mithtal von Agades ist gleich ^, der von Timbuttu gleich 1,', sftauisch. Thaler. i>iir das Gros-Geschäft ist eiu größeres Gewicht iu Gebrauch, Namens ktarrue; der kleinere ktarrue enthält A3,', Mithlal und ist gleich 2/, ^Itottl, während der größere Karrue l0<» Äiithtal enthält und gleich 6z Nottl ist. Die Wichtigkeit des Handels von Agadcs und der Reichthum des Platzes läßt sich deutlich aus dem schou erwähnte«« Umstände erkennen, daß der König dieses Ortes im Stande war, seinem Lehnsherrn, dem Könige von Ssonrhai, einen Tribut von 150,000 Dukaten zn entrichten, denn diese Summe ist für die Verhältnisse des Bandes außerordentlich bedentend. Als Gogo im Jahre 1591 n. Chr. zu eiuer Provinzialstadt Marotto's hcrabsank und sein Gold dem mächtigen Herrscher dieses Kaiserreiches zuführte, verlor auch Agades ------ 175 ------ seinen Wohlstand und sein reges Veben. Un, das Jahr 1770 n.Chr. wurde Gugo von dcm Tuareg^ Stamm der Auelimmideu erobert; wahrscheinlich in Folge dieses Ereignisses verfiel anch Agadcs und ward ans seinen gegenwärtigen Stand rcducirt, da es dadurch seiner kommerziellen Hülfsquellcu beraubt wurde. Die gegenwärtige Stellung des Herrschers von Agadcs läßt sich nicht besser charaltcrisireu, als mit den Worten, mit welchen Veo sie schon für seine Zeit schildert: „^iiovMc 8L:l, ii ro o iwn^cmo ^Ulii^iw 8U0 parent« in luo^o äi ^ui, IIU U8ll,nu auiMÄ2LN,r nitüin«» 6 <^ißl c'UO z»in <'<»ntontli gli n.l'itlltüii siel «li^^ito i> llrtto io iu ^u.geress hatte in größter Sicherheit gelangen können. Zuletzt entließ er uns, nachdem wir das Tnch, welches die für ihn bestimmten Geschenke enthielt, vor ihm niedergelegt hatten. — Die Unterhaltung ward nicht nur mit mir, sondern auch mit meinen Gefährten in der Hansfa - Sprache geführt. Meine Geschenke wnrden günstig aufgenommen; denn noch an demselben Tage schickte mir der Snltan als Gegengeschenk einen großen fetten Hammel, der mir zugleich als gnter Beweis diente, daß hier ausgezeichnetes Fleisch zu haben ist. Auch saudte mir der Sultan ein schmackhaftes Gericht, „finka-sso", d. i. eine Art dicken Pfannkuchens, aus Weizenmehl ohne Eier gebacken, aber reichlich mit Bntter durchzogen. Auch sonst erwies mir Abd el Kadiri manche Aufmerksamkeit. So schickte er am 12. Oktober seine Musikanten, um mir und meinen Gefährten mit ihrer Kunst aufznwarten. Es waren ihrer vier oder füuf, uud sie entwickelten ihr Taleut auf den im Sudan jetzt üblichen, den Arabern nachgeäfften Instrumenten. Interessanter nnd nationaler waren die Leistungen eines einzelnen „maimolo", d. h. Gnitarrenspiclcrs, welcher sein Spiel auf dem dreisaitigen Molo mit einem gefühlvollen cxtcmvorirten einheimischen Gesänge begleitete. Während ich noch in Agades war, verließ der Sultan mit an-sehulichcr Streitmacht am 21. Oktober die Stadt, um einen „yaki" oder „egehen", d. h. Kriegs- oder Ranbzng, znr Bestrafung der Freibeuter zu unternehmen, Welche nils ausgeplündert hatten. Schon am Abend des 16. Oktober, nach der feierlichen Einsetzung des Sul- ------ 182 ------ tans, ward ein ernster und von allen Häuptlingen besuchter Divan abgehalten, um über diese Expedition zn berathen. Anfänglich schien es, daß der Zug gegen die Freibeuter der Auclimmiden unternommen Werden solle. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, daß der eben erwähnte Stamm einen Raubzug gegen Air beabsichtige, und die ganze Bevölkerung war darüber im höchsten Grade aufgeregt. Denn die Anelimmidm, oder die große Gruppe der südwestlichen Tuareg, sind cm beständiger Gegenstand der Furcht fiir die durch ihre Mischung mit der einheimischen schwarzen Bevölkerung entarteten Kel-owi. Selbst der alte Annur Pflegte mir eine schaudererregende Beschreibung von den wilden Sitten jenes Stammes zu machen; später habe ich oft mit den AlU'limmidm selbst, welche meine besten Freunde uud Beschützer wurden, herzlich über diese Schilderung gelacht. Am 19. Oktober fand eine neue Berathung der Häuptlinge statt, und hier ward beschlossen, daß der Heereszug zuerst gegen die Im-rhad, die Ikaskesan uud gegeu Fade-angh gerichtet werden solle. Am Abend aber ward in der Stadt ausgerufen, Niemand solle sich auf die Straße nach Damerghu begeben, und die Leute glaubten deshalb, die Unternehmung sei gegen Süden gerichtet. Vielleicht wollte man während des Snltans Abwesenheit die Leute vom Besuch der südlichen Straße abhalten, weil diese von den Aurlimmioen benn> ruhigt worden war. Auch ward der Befehl ansgernfen, Vorräthc von LcbenSmittcln einzulegen, damit kein Mangel eintrete, wrnn die Straße nach Damerghu geschlossen würde. Der Ausrufer war mit einer rohen Trommel versehen, welche nur aus rincm alten Fasse bestand, über welches ein Fell gezogen war. Ehe der Sultan die Stadt verließ, hatte ich am Morgm des 21. Oktober bei ihm eine Abschkdsandienz. Alles kündigte die Be reitschaft zum Anfbrnch an; er saß in seinem Hofraum, von vielen Leuten nnd einer Menge von Kameelen umgeben, während der lante Lärm einer Anzahl von Schulknaben, die den Knran auswendig lernten, von der entgegengesetzten Seite des Hofes hcrschallte und es mir unmöglich machte, zn verstehen, wovon die ^eutc sprachen. Wegen der Menge von Menschen und der offenen Oertlichleit konnte diese letzte Audienz beim Sultan nur sehr kalt und förmlich sein. Bon Hamma unterstützt, erklärte ich den, Fürsten, daß ich von ihm noch einen Brief an die Regierung, unter deren Auspiclen ich reise, erwarte; er möge darin seine Befriedigung und sein Wohlgefallen ------ 183 ------ darüber aussftrechen, daß er von einem Mitgliede der Mission mit einem Besuche beehrt worden sei, nnd daß cr jedem künftigen Reisenden, welcher in sein Land kommen sollte, seinen vollen Schutz an-gedeihen lassen werde. Der Sultan versprach, daß solch' ein Brief geschrieben werden solle; jedoch hatte er mich entweder nicht ganz verstanden, oder er wollte nicht direkt an eine christliche Regierung schreiben; denn ich erhielt keinen solchen Brief, wohl aber brachte mir Hannna später drei Schreiben, in welchen Abo el Kadiri meine Person, so wie mein Gepäck den Statthaltern von Kano, Katsena und Daura empfahl. Sie waren alle drei in ziemlich ungrammatischem Arabisch, mit fast demselben Wortlant, nur mit Veränderung der Namen und Titel der Angeredeten, folgendermaaßen abgefaßt: „Im Namen Gottes u. s. w. „Von dem Emir von Ahir, Abd el Kadiri, Sohn des Sultans Mohammed el Bakiri, an den Emir von Daura, Sohn des früheren Emir von Daura, Is-Hhat. Gnade Gottes sei mit den ältesten Begleitern des Propheten und Sein Segen mit den Ehalifen. Amen. Ununterbrochener Segen und höchste Wohlfahrt sei mit Euch ohne Ende. Ich sende diese Botschaft an Euch mit Äezng anf einen Fremden und meinen Gast mit Namen Abd el Kcrim*), der zu mir kam und zu dem Emir cl Mumenin fdem Sultan von Ssokoto^ zu gehen beabsichtigt, damit, wenn er zu Euch kommt, Ihr ihn beschützen und gut behandeln möget, so daß keine Freibeuter nnd Uebelthäter ihm selbst oder seinem Gepäck Nachtheil bringen mögen, bis er in Sicherheit den Emir el Mnmeuin erreichen möge. »Wir schrieben dies (au Euch) ausdrücklich wegen der Freibeuter, damit Ihr ihn gegen sie auf die geeignetste Art beschützen möget. Lebt wohl." Unter diesen Vricfeu stand des Sultans Siegel. Außerdem zeigte mir Hamma einen anderen Brief, den er selbst vom Sultan empfangen hatte. Es war dies ein an die sämmtlichen Häuptlinge von Air gerichtetes Schreien, in welchem er dieselben in den dringendsten uud beredtcsteu Ausdrücken aufforderte, fich mit ihm zu energischen Maaßregeln gegen die Freibeuter, namentlich gegen den Stamm der Kel-faday, zu vereinigen. Unterdessen war die ganze Bevölkerung der Stadt in Un- *) Den Namen „Abd el Keiim" hatte ich von Anfang an als Neisenamen angenommen. ------ 184 ------ ruhe, und Jeder, der waffenfähig war, bereitete sich zum Heereszuge vor. Um Sonnenuntergang verließ der ^yali" »der Kriegszug die Stadt; außer dem Füßvolk zählte er etwa 400 Reiter, theils zu Ka-meel, theils zu Pferde. Der Sultan selbst war diesmal zu Kameel. Sie lagerten nahe beim ^ager Astafidct's. Abd el Kadiri schlug ein graues Zelt, etwa so groß wie das ciues türtischcu Agha, mitten zwischen deu Lagerstätten der Kel-gcress, Kel-feruan und der Emge-desicr auf; Astafidet dagegen, welcher tein Zelt hatte, war von den Kel«owi umgeben. Selbst jetzt, nnter den Sorgen des Lagers, vergaß der Sultan mich nicht, sondern war so aufmerksam, mir einen Vorrath von Weizen, Butter nnd Gemüse zn senden. Im Ganzen halte ich Abd el Kadiri für einen sehr wohlwollenden, aber energielosen Mauu. Alle ^eute stimmten darin überem, er sei der Beste von der ganzen Familie, welcher der Snltan von Agades angehören muß. Er hatte schon früher die Sultanswürde bekleidet, war aber vor einigen Jahren von Hamed e' Rufäi verdrängt worden, der jetzt wieder vor ihm hatte weichen müssen; im Jahre 1853 jedoch, während meiner Anwesenheit iu Ssokoto, war mein edler Wirth und Beschützer wieder im Begriff, jenem Nebenbuhler Platz zu machen. Die Unternehmung gegen die Freibeuter war im Ganzen erfolgreich; die Fade-angh und andere Stämme der Imrhad verloren all' ihr Eigenthum. Dein Manne, welcher meinen Mcheri zurückhielt, nahm Abd el Kadiri neun Kameele ab, doch wurde mir weder mein eigenes Kameel zurückgegeben, noch ein anderes au dessen Stelle erstattet. Eben so ging es mit alleu andereu Sacheu, die wir eingebüßt hatteu. Dbgleich uns also der Erfolg des Heerzuges leinen materiellen Vortheil brachte, so hatte doch schon die Thatsache allein eine sehr gute Wirkung, daß die Schuldigen bestraft wurden, weil sie Christen beraubt hatten. Denn dadurch wurde der Grundsatz aus^ gesprochen, daß es nicht geringeres Unrecht sei, Christen zu berauben als Moslemin, uud somit wurden wenigstens in dieser Beziehung beide Glanbcnspartcicn auf gleichen Fuß gestellt. Die höchste Autorität nach dem Sultan hat der Vezier oder Minister, der mit seinem einheimischen Titel „ko-ken geregere", d. h. „Hofmeister" oder „Minister des Innern", genannt wird; die Araber dagegen nennen ihn ..Scheich el Arab", die Hausse Lentc ..sserki-n-tnraua", d. h. „Häuptling der Weißen". Unter dem letzteren Titel ist er gewöhnlich bekannt. Er war cs nämlich, der die Steuern von den aus dem Norden in die Stadt emgefiihrten Waaren zu erheben hatte, ein Amt, das in früheren Zeiten, als ein beträchtlicher Handel getrieben wnrde, natürlicherweise von großer Bedeutung war nnd ihn anch vorzugsweise mit den Arabern in Berührung bringen mußte. Jetzt besteht sein hauptsächlichstes Amt darin, jährlich die Karawane der Kel-geress, welche den westlichen Theil des mittleren Sudan mit dem Salze von Vilma versieht, von Agadeö nach Ssokow zu begleiten und sie sowohl auf der Straße zu beschützen, als auch gegen übertriebene Erftressuugen der Bewohner jener Residenz zu sichern. Für diese Bemühungen erhält er durchschnittlich einen „kantn", d. h. den achten Theil von jeder Kameel-ladung Salz. Dies bildet eine für dieses Land beträchtliche. Einnahme, im Allgemeinen wohl von 8- bis 10,000 spanischen Thalern. Die Karawane besteht nämlich immer aus einigen tausend Kamcelcn nnd gewiß nie aus weniger als M)0. Der „kantu" Salz bringt im Sudan 5- bis 7000 nnd !^)l)0 Muscheln oder „turdi" ein, was dem Werthe von zwei bis drei spanischen Thalern gleichkommt. Daher erklärt es sich, daß diese Beamten ein bcdcntcndcs Vermögen erwerben, und sowohl Mohammed Boro, der frühere, als anch Aschu, der gegen> wärtige Sserti»n - turaua, sind verhältnismäßig sehr reiche Veute. Aschu, der gegenwärtige Minister, war ein Mann von großer, kräftiger Gestalt; er war ganz in Weiß gekleidet, was wohl als Abzeichen seiner Autorität über die „Wcißeu", die Turaua, angesehen werden könnte. Er begegnete mir mit großer Freundlichkeit, ließ sich einst mit mir ans eine Unterhaltung über die Verschiedenheit nnseres und seines Landes ein nnd befahl einem seiner Begleiter, mich in einen kleinen Garten zu führen, welchen er bei seinen: städtischen Hause angelegt hat; ich sollte nämlich sehen, welche Pflanzen wir mit ihnen gemein hätten. Natürlicherweise war nichts unseren Pflanzen Aehnlichcs da, und mein Führer faßte eine sehr niedrige Ansicht von unserem Vanbe, als er hörte, daß wir weder Senna besäßen, noch Bamia, noch Indigo, noch Baumwolle, noch Ncgcrkorn, noch die Dumpatme, noch endlich den herrlichsten aller Bäume der Schöpfung, wie er meiute, die Talha. Als ich ihm dagegen versicherte, daß wir viel schönere Sachen als sie hätten, wollte er mir nicht recht Manben schenken. Der frühere Sserti-n-turaua, Mohammed Boro, war, wie der ^eser sich erinnern wird, nnscr Reisegefährte von Mnrsuk bis Tin. tarh-ode gewesen. Da ich erfuhr, daß er seit seiner Rückkunft am ------ 186 ------ Fieber erkrankt sei, machte ich ihm gleich am Tage l>ach meiner Ankunft einen Besuch. Er hat ein für die Verhältnisse von Agades sehr hübsches kleines Haus an dem Platze .,Erarar-n-ssatan", d. h. „Ebenr oder Platz der jungen Kamrrlr". Dasselbe besteht aus zwei Stückwerken und ist ein sehr gutes Beispiel eines besseren Hauses in der Stadt. Das Innere war zur Feirr drrAutunft drs Hausherrn reinlich geweißt-Mohaimued Boro fühlte sich durch uusercn Besuch hoch geehrt und empfing uus sehr frcuudschaftlich. Als wir fortgingen, begleitete rr uus eiue lauge Strecke über dir Straße. Obgleich er gegenwärtig tein Amt bekleidet, hat er doch sowohl in Agadcs, als auch iu Ssokoto großen Eiuflnß; in letzterer Stadt gilt rr für den reichsten Kaufherrn. Urbcrdics ist er ein interessanter Mann als Repräsentant dieses eigrutlnnulichrn Kulturzustandes. (5r hat sich nämlich nach der Weise der altcn Patriarchen mit einem sleinru Staat für sich umgeben, der nicht weniger als etwa 50 Söhne nmfaßt; dabei besaß er noch solche Thatkraft und Unternehmungslust, dasi rr im Jahre 1854 im Begriff stand, eiue neue Wallfahrt uach Metla auMreteu. Ooro begleitete dcu Sultan auf feinem Zuge gegen dic Freibeuter uud wollte sich dann der Karawane der Kel-grress auf dem Wege uach Ssokoto mit sriurr ganzru Familie anschließen. Dies war in der That eine glänzende Gelegenheit, jene merkwürdige Stadt sicher und auf drm gcradcsteu Wege zu crreichcu. Jedoch meine Mittrl reichten damals nicht dazu aus, uud gewiss war cS auch besser, dasi ich, bevor ich mich nach Westen wcudtte, dir das Tsadbeckeu umgebenden Landschaften durchforschte. Am 2l>. Oktober kam Mohammed Boro ,zu inir, uiu Abschied zu urhmen und sich über unsere gegenseitigen Beziehungen mit Osfenhrit ausznsprrchrn. Er gab zu, daß er sehr rrzürnt übrr nns gewesen sei; ich für meinen Theil louute ihm dies uicht verargen, drun er war rücksichtslos uud mit Mißachtung behandelt wordeu. Ich bin noch jetzt überzeugt, das; uns im Vande Air ein ganz anderer Empfang würde zu Theil geworden sein, wenn diesrm augescheuen Maun von Anfang au die uöthige achtuugsvolle Rücksicht gcscheult worden wave. Nach eiurr langen Uutcrrednng schieden wir als die besten Freunde. — Boro kauu als eins dcr hervorragendsten Beispiele eines Sudaners betrachtet werden; in der Blüthe seiuer Jahre muß er gewiss ein Manu in vollem Sinne dcs Wortes gewesen srin und verdiente wohl das ^'ob dcr Emgrdcsier, bei denen ein Volkslied mit ------187 ------ den Worten anfängt: „Agades hat keine Männer außer Boro und Dahammi." Die übrigen mit dem Sultan in Beziehung stehenden und mit öffentlicher Autorität bekleideten Personen sind der „to-keu t'cina" oder „bäba-u^sferki", d. h. der erste Eunuch, gegenwärtig Amagei oder Maggi, sodann die „fadaua-n-sserki" oder Adjutanten des Sultans, zu denen auch einige Söhne Mohammed Boro's gehörten, ferner der Kadhi oder Alkali und der Kriegshäuptlmg und Kriegs-minister Ssidi Nhalli. Deu Kadhi oder Richter lernte ich in feiner amtlichen Thätigkeit kennen, da meine Gefährten ciucn Rcchtsfall bei ihm anhängig zu machen hatten. Er wohnt nahe bei der großen Moschee oder Me-sfalladjc in einem von allen Seiten isolirtcn Hause. Wir fanden ihn mit dem Mufti in dem Vorgcmache sitzend, wo der Richtcrsftruch gesprochen wird. Meine Gefährten hatten eine Klage gegen einen Eingeborncu der Stadt, Namens Wa-n-sseres, einen Mann von unverkennbar reiner Berber-Abkunft. Sie bewiesen, das? er ein Kameel, welches den 5lcl-owi gestohlen worden war, verkauft hatte; er dagegen bewies, daß er es von einem Manne getauft, welcher geschworen hatte, es sei lein gestohlenes Thier. Nachdem beide Theile angehört waren, entschied der Richter für Wa-n-sscrcs. Die Verhandlung wurde ganz iu der Tcma-schirht-Sprachr oder vielmehr in dem Uraghiyc-Dialekt geführt. Gleich darauf kam ciur audere Partei. Während ihre Sache verhandelt wurde, setzten wir nus in dem Schütten einer Art Verauda nieder, die, mit Matten überdeckt und von laugen Stangen getragen, vor dem Hause errichtet war. Wir blieben jedoch nicht lange, da der Kadhi an meiner Gegenwart keiu großes Vergnügen zu finden schien. Anch bei einer anderen Gelegenheit bewies sich der Nichter sehr unfrenndlich gegen mich, indem er mir cutschieden die Erlaubniß verweigerte, den hohen Thurm der Mc-ssalladje zu ersteige». Er war seinem Glanben tren ergeben und betrachtete mich als einen ketzerischeu Eindringling; dabei war er jedoch überhaupt nicht eben ein wohlwollender Mann. Seine Mißgunst war jedenfalls für mich sehr unangenehm, da gerade er mir manche Auskunft hätte geben können; denn er war offenbar nicht ohne Kenntnisse, während ich sonst keinen Eingebornen der Stadt getroffen habe, der nur irgendwie in der arabischen ^iteratnr bewandert gewesen wäre. Ich will nun noch einige allgemeine Bemerkungen beifügen. 18» ------ Die Stadt Agades liegt ganz auf einer flachen Ebene, welche nur durch einige l'leine, ans Schutt und Gerumpel gebildete Hügel unterbrochen wird; aus der ^inie, die, von deu flachen Terrassen der Häuser gebildet wird, ragt außer etwa 50 Hänsern von zwei Stockwerken nnr der hohe Thurm der Mc ssalladje hervor. Von der Terrasse unseres Hauses, die ich fast täglich besuchte, hatte ich einen interessauten Uebcrblick über die vor mir ausgebreitete Stadt. Zur Zeit ihrer höchsten Blüthe, d. h. vor der Eroberung dnrch Mohammed ÄssNa im Jahre 1515, hatte die Stadt einen Umfang von etwa 3^ Meilen und mag wohl 50,000 Einwohner oder selbst mehr gezählt haben. Anch noch bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, etwa bis 1790, soll sie ein bedeutender, wohlhabender Ort gewesen sein. Damals aber, heißt es, habe sich der größte Theil der Bewohner nach den Nachbarstädten von Haufsa, namentlich nach Katsena, Trssana, Maradi und Kano, übergesiedelt. Die Epoche dieser bedauerlichen Auswaudernng und Verödung der Stadt taun nicht mit der großen Revolution in Znsammenhang gebracht werden, welche im mittleren Sudan durch das Auftreten des Djihadi oder des Reformators Othman da- n-Fodic hervorgerufen wurde; vielmehr geht sie dieser Begebenheit etwa um 15 Jahre voraus. Dagegen folgt sie in kurzem Zwischenraum auf die bereits erwähnte Eroberung Gogo's durch die Auelimmideu; die gänzliche Zerstörung dieser Stadt mußte auch Agades einen gewaltigen Stoß geben, indem dadurch der bedeutendste Handelsweg abgeschnitten wurde. Die jetzige Stadt ist nur noch das Gerippe dessen/ was sie früher war; die Zahl der noch bewohnten Häuser schätze ich auf 600 bis 700 und die Menge der Bevölteruug, die Sklaven natürlich eingerechnet, auf etwa 7000. Die bewaffnete Macht des Platzes beträgt etwa 600 Mann. Eine bedeutende, Anzahl der männliche» Bewohner aber ist fast immer in kaufmännischen Geschäften von Hause abwesend. Einen Anhalt, um die Stärlc der Bevüllcruug zu bcrechueu, gewährt auch die Auzahl der Knaben, die in fünf oder sechs Schulen etwas Lesen und Schreiben lernen. Solcher Knaben im Alter von 7 bis 10 Jahren warcu zur Zeit meiner Anwesenheit 250 bis 300, wobei zn beachten ist, daß nicht alle Knaben in die Schule geschickt werden, sondern nur diejenigen, deren Familien sich in leidlichen Umständen befinden. Auf dem nachstehenden Holzschnitt sind die hauptsächlichsten Stadtviertel, Märkte und Gebäude angegeben. 189 K D.Meile 1 Haus Ännur's, wo ich einquartiert war, 2 Die Me.ssalladii! oder Tamisgida brre, di« große Moschee mi! deni hohen Wachtthun». ü Die s,da oder der Palast des Amanoln!. < Die ka-ssua-n«dclelti oder tamanlotoi, der Wemüsemartt. , ursprünglich ssameelmartt, >etz< ^!eisch< und Viebmarkt. !> Katanga, ursprünglich der Hlluptcuinana, in das alte südlich« Viertel, jetzt Kramniaikt. ? Vrarar-n-ssatan, der jetzige Kameelmailt. 8 Mohammed Voro's Hau«, » Haus des Nichterss. Zn Viunnen Namens Scheduanta. Die Erhebung dcr Hochfläche, luif der Agadoö liegt, fann loohl nicht geringer als zu 25M Fuß angenommen werden. Der Sandstein scheint in cincr gewissen Tiefe start mit Salz geschwängert zn sein; dies beweisen nicht nnr die Tcichc, sundern anch dic Vrnnnen, und deshalb wird alles Trinlwasser vc>n den anßcrlialb der Manern gelegenen Brunnen geholt. Dcr siidlichc Theil der Stadt, dcr jetzt fast ganz verlassen ist, bildet das älteste Viertel, nnd Katanga scheint die nördliche Grenze der Altstadt gewesen zu sein. Dic Mauern, welche an der Süd-und Ostseite dcr Stadt gänzlich verfallen sind, haben an dcr Westseite noch eine gewisse Höhe bewahrt, aber an viclcn Stellen tonnte man auch hier leicht über sie wegtlcttern. Am meisten wird die Stadtmauer an der nordwestlichen Seite in einem leidlichen Znstande erhalten, weil sie hier die „fada" »der den Palast des Snltanö um-giebt; aber selbst hier ist sie schwach und gewährt nur unzulänglichen Schutz. In geringer Entfcrnnng außerhalb des westlichen Thores liegen die halb von Sand verschütteten Ruinen einer ausgedehnten ------ 190 ------ Vorstadt Namens Ben - Gottara. Uuweit von hier ist ein Platz Namens „Asarmadarangh" , d. h. f,Nabenstein", wo gelegentlich der Kopf eines rebellischen Häuptlings oder eim'ü Mörders von der Hand des Scharfrichters — „doka" — fällt; indeß, so viel ich erfahren habe, ist dies ein in Agades sehr seltener Fall. Im Innern der Stadt, an der nördlichen Grenze des verlassenen südlichen Viertels, befinden sich drei kleine Teiche stehenden Wassers. Die tiefen Löcher, in denen es sich angesammelt, sind wahrscheinlich dadnrch entstanden, daß man hier das Materialzn den Hauptgebäuden der Stadt in nnregelmäßigem Gestein herausgenommen hat. Die Gestalt der Teiche ist ein ziemlich regelmäßiges Oval. Die westlichste und größte dieser drei Grnben ist eben so wie das südwestliche Quartier der Stadt nach dein einst so mächtigen Äerberstamm der Masraka benannt. Der östliche Teich wird nach den hier wohnenden Dolmetschern Tcrdjeman genannt, nnd eben so heißt das ihn um gebende Quartier. Denn in der That sind hier alle drei Sprachen, die Tema-schirht- oder Targie-, die Gober- oder Haussa- nnd die Ssonrhai-Sprache, merkwürdig mit einander vermengt; rechnet man dazu anßer den weniger verbreiteten Idiomen der handeltreibenden Völker, die vormals diesen Markt besnchen mochten, noch das Arabische, so begreift man, daß der weniger gewandte ^anfmann in diesem Völkergemisch wohl eines Dolmetschers -— „terdjeman" - bedürfte, nnd wird also anch begreifen, daß hier im belebten Mittelpunkt der Stadt ein ganzes Viertel von solchen Dolmetschern bewohnt ward. Der Gesammteindrnck, den das heutige Agades macht, ist der einer verödeten Stadt; überall sieht man die Sftnrcn eines verschwundenen Glanzes. Selbst in dem wichtigsten Sladtthcilc, dem Mittclpnntte der ganzen Stadt, liegen die meisten Wohnhäuser in Ruinen, von den sonst zahlreichen Moscheen sind nur noch wenige übrig; auf den Zinnen der verfalleneu Mauern rings um die Marktplätze sitzen hungrige Geier, lanernd nnd bereit, sich auf jeden Abfall hinabzustürzen. Anfangs trug diese nngcwohnte (^rscheinnng dazu bei, den Eindruck der Verödung bei mir nnr noch zn erhöhen; später jedoch fand ich, daß diese Nanbvögcl die beständigen Gewohner aller Marktplätze sind, nicht nur hier, sondern auch in allen Städten des Innern. Das charakteristischste nnd merkwürdigste Gebäude in Agades ist die Me - ssalladje, das Bethaus mit dem hohen, weithin sichtbaren Thurm. So lange der Sultau auwesend und die Stadt mit vielen, zum Theil fanatischen Fremden angefüllt war, hielt ich es für be- 191 denklich, diesem Gebäude zu nahe zu treten; sobald aber der Sultan abgezogen und die Stadt ruhiger geworden war, drang ich fort-währeud in Hamma, mir die Besichtigung der Moschee und die Ersteigung des Thurmes möglich zu machell. Wenige Tage vor meiuer Abreise, am 27. Oktober, machte ich mich eudlich mit Hamma auf und konnte ungestört das merkwürdige Gebäude betrachtcu. Die Mc-ssalladje erhebt sich von der uiedrigeu Platesorme oder Terrasse, die das Dach der Moschee bildet, zu einer Höhe vou 90 bis 95 Fuß. An sciuer Basis mißt der Thurm etwa 20 Fuß iu's Gevierte, au der Spitze aber scheint er uicht mehr als acht Fuß im Quadrat zu mcsseu. Der viereckige Bau verjüngt sich also allmählich nach oben hin, aber etwas oberhalb der Mitte seiner ganzen Höhe hat er eine kleine Anschwellung oder Entasis, ganz wie das schöne Meisterwerk der Natur, die große Fächerpalme Central-Afrika's — Iinri»,«8u« ilniioilil'tti'm^ ^ Wesenheit des Snltans jede Zurückhaltung überflüssig mache. Zwei von ihnen waren ziemlich hübsch nnd gut gebaut, nicht zu dick, mit schwarzem, in Flechten herabhängendem Haar, lebhaften Augeu, heller Gesichtsfarbe, wie sie viele Fraueu in Agades haben, nnd angenehmen Zügen. Die stattlichste von ihnen war ganz in Weiß gekleidet. Sie gehen nnverschleiert, ziehen aber gelegentlich, mehr aus Coquetterie als aus Schamhaftigkeit, ein Obergewand über den Kopf; die Brust ist stets vollkommen bedeckt. Durch das leichtfertige Beuehmen dieser Frauen ließ ich mich doch in meiner Borsicht und Zurückhaltung nicht wankend machen. Könnte eiu europäischer Reisender in diesen Ländern eine Gefährtin mit sich nehmen, so würde er dadurch in größerer Achtung bei den Ein-geborncn stehen, welche durchaus nicht begreifen können, wie ein Mann ohuc weibliche Gesellschaft zu leben im Stande ist. Da dies aber nicht wohl möglich ist, fo thut der um del, Erfolg seines Unternehmens besorgte Reisende wohl, sich zurückhaltend gegen das andere Geschlecht zu benehmen, selbst wenn er sich dadurch mancherlei Spötteleien von Seiten der leichtsinnigeren Eingebornen aussetzen sollte. Ein andermal nahm mich Hamma mit zu einer Emgede-sischcn Dame, mit der er offenbar in vertrauten Verhältnissen lebte. Sie war recht hübsch, eher unter mittlerer Größe, hatte eine helle Gesichtsfarbe nnd regelmäßige, angenehme Züge. Sie trug eine Menge Silberschmnck und war gnt gekleidet in ein aus Baumwolle und Seide bestehendes volles Gewand. Sie war eigentlich verhcirathet, ------ 200 ------- aber ihr Gatte war schon seit langer Zeit in Katsena, und sie schien während seiner Abwesenheit nicht eben nach dem Vorbild der Penelope zu leben. Sic hatte mehrere Kinder, von denen keines älter als fünf Jahre zu sein schien; diese warcn alle nackt, trugen aber cbcn> falls Scknmck von Perlen und Silber. Zu den beliebtesten Speisen gehört die „fura" oder das Hirsen-Wasser. Bei dcm Genuß dieses Trankes lauern die Leute ruud um die Schüssel nieder, der große Trinklöffel — „ludde" — a.cht dauu im Kreise herum, Jeder nimmt sich aus der Schüssel eiueu Löffel voll und giebt dicscu dann seinein Nachbar. Der nachstehende Holzschnitt zeigt das Bild eines Triutlöffels sowohl wie eines gewöhnlichen Löffels, beide, obgleich recht hübsch verziert, von gewöhnlicher Arbeit. Die „fura" ist uicht ebcn schiuackhaft, aber angenehm kühlend, uud der in diesem Getränk aufgelöste Käse macht es nahrhaft. Die Araber behaupten, daß der fast ausschließliche Genuß dieses Getränks aus rohem, ohue Feuer zubereitetem Koru die Menge Ungeziefer erzeuge, durch das die Kel-owi sich auszeichnen. Nach einer Stelle Leo's erscheint Manna als ciu bedeutender Bestandtheil der täglichen Kost der Bewohner von Zlgades. Ich habe nicht bemerkt, daß Manna als Nahrungsmittel gebraucht oder in der Nachbarschaft der Stadt gesammelt wird, habe aber versäumt, an Ort und Stelle über diesen Pnnkt nachzufragen. Um das Bild der hiesigen Sitten zu vervollständigen, muß ich noch don einigen kleinen Spaziergängen berichten, die ich in Beglei- ------ 201 —- tung Hamma's und einiger anderer Kel-owi in die Umgegend der Stadt machte. Die Veranlassung zu diesen kleinen Exkursionen lag darin, daß es in den Häusern lion Agadcs an einer gewissen Be-qnemlichkeit fehlt, an welche wir im Norden von Europa gewöhnt find. Vielmehr besteht hier, wie in vielen Städten Italiens, die Sitte des „l^pprwtto", welche (Goethe so sehr in Erstauucn setzte, als er im Beginn seiner italienischen Reise nach Torbolc am Garda-see kam. Dies wird dnrch die Menge zerstörter Häuser erleichtert, die sich in jedem Theile der Stadt finden. Der freie nomadische Bewohner der Ailbniß aber liebt diese Gewohnheit nicht und zieht es daher vor, sich gelegentlich in die Wildnis; außerhalb der Stadt zu-rückzuziehen. Durch die Unsicherheit des Bandes aber und die fortwährenden Fehden ist er genöthigt, selbst solche Geschäfte in Gesellschaft zu verrichten. Wenu nnn die versammelte Truppe bei einem weit kenntlichen Äaume angctoimneu ist, werden die Speere mit der Spitze nach oben in den Boden gesteckt nud die Gesellschaft zerstreut sich hinter den Büschcu. Dann versammelt man sich wieder unter dem Baume uud tchrt in feierlicher Prozession nach der Stadt znrück. Diese kleinen Exkursionen hatten für mich den Nntzen, daß ich anf diese Weise die flachen Einsenkuugen kennen lernte, welche Agadcs umgeben nnd nicht ohne Wichtigkeit für die Stadt siud; denn sie gewähren den Stadtbewohnern sehr gutes Wasser uud den Lastthieren der Karawanen, welche den Markt besuchen, reichliches Futter. Hinsichtlich der Gcsundhcitsverhältnisfe scheint die Vage der Stadt sehr günstig, da auf dieser Hochebene die Winde von allen Seiten Zugang haben. Die Wasserpfuhle in der Stadt sind zu klciu, als daß sie auf die Atmosphäre Einfluß habeu könnten. Zwar herrschten während meiner Anwesenheit in der Stadt die Blattern, eine in Ccntral-Afrika sehr häufige und schwere Krankheit, gegru welche sich mehrere heidnische Stämme dnrch Einimpfung zu schlitzen wisscu, während die Moslemin sich von dieser Operation durch das religiöse Vorurtheil der Prädestination zurückhalten lassen. Damals starben in Agades täglich zwei bis drei ^ente an dieser Krankheit, allein dies war nnr vorübergehend, nnd man muß wohl bedenken, daß gerade das Ende der Regenzeit überall in den Trovcngegenden die ungesundeste Jahreszeit ist. Besonders scheint die Stadt ganz frei von Augenkrankheiten zu sein, die sonst so allgemein herrschend sind. Ich kann hinsichtlich des Privatlebens in Agadcs nicht weiter ------202------ in's Einzelne eingehen. Obgleich die Sittlichkeit nicht tadelfrei ist, so finden sich doch viele auffallende Züge eines beglichen Lebens genlissrs llnd glücklicheu Daseins. Fast feine Spur von Elend zeigte sich, wie man es in gesunleuen Städteu so oft findet. Besonders vortheilhaft ist der Eiuoruck iin Vergleich zu dein dnmpfen, stlaoen artigen und widerlichen Dasein in den meisten Städten Fesaus. Obgleich der Stadt ihre gesündesten Lebenswnrzelu abgeschnitten sind, so besitzt sie doch unzweifelhaft noch manchen frischen iteün nationalen LebenS. Endlich mußten wir an die Abreise denken. Hainma hatte mir versprochen, anf unserem Rückwege nach Tin tellust die östlichere Straße über das große Dorf Afa-ssas einzuschlagen. Allein wir hatten unS in Agades viel länger aufgehalten, als ursprünglich be-absichtigt war. Hamma hatte den Auftrag, Lcbeusmittel für die Salzkarawane der Kebowi einzukaufen; aber cr tonnte seine Geschäfte erst am 29. Ottubcr beendigen und fürchtete nun, er möchte zu spät nach Tin-tellust zurückkommen. Er beschloß deshalb, anf dem geraden Wege, den wir hierher ciugeschlageu hatten, wieder zurückzureisen. Am 30. Oktober verließen wir AgadeS und kamen am 5. November in Tin-tellnst an. Obgleich wir ganz unserer alten Straße folgten, so boten doch die Berge und Erhebuugen, die wir jetzt von der anderen Seite sahen, noch immer eine reiche Abwechselung der Scenerie. Anßcrdem wählten wir unsere Lagerplätze au ganz audereu Stclleu, uud ich hatte somit vielfache Gelegenheit, meine frühere Auf. nähme dieser Gegenden zu berichtigen nud zu vervollständigen. Auch erlebten wir einzelne kleine Reiseabenteuer. Als wir im Thal Buddc sorglos dahinzogen, rief uns plötzlich Hamma mit gellendem Ruf zu den Waffen. Ein Trupp von fünf Vöwen uäherte sich uns auf der östlichen Seite, wo das Vand glücklicherweise ganz offen uud nur von uiedrigcn Fclsaufsprüngcn durchzogen war. Wir griffen schnell zu den Waffen und giugen deu Löwen entgegen; aber sobald diese uus herankommen sahen, kehrten sie den Rücken nnd »prangen über das felsige Terrain ihren« Zufluchtsort in den Bergen wieder zu. Der Löwe von Air, der überhaupt nicht sehr grimmig zu sein scheint, hat keine oder nur eine sehr kurze Mähue; wenigstens behaupten dies die Eingcborucu mit Bestimmtheit. Ich selbst habe weder hter, noch später am Niger das Fell cincs Löwen zu Gesicht befimmen köuneu. Im Thale Tiggeda, das wir auf uuscrer Hinreise vollkommen ------ 203 ------ einsam gefunden hatten, das aber jetzt durch eine Karawane der Kel. owi und durch weidende Rinder-, nnd Ziegenheerden belebt war, wurden wir durch die Nachricht erschreckt, daß der alte Häuptling Annnr nicht allein mit meinen Gefährten, sondern mit der ganzen Karawane schon von Tin-tellust nach dem Sudan aufgebrochen sei. Allein Hamma schenkte dieser Nachricht keinen Glauben; er war sich seiner eigenen Bedeutung zu wohl bewußt und hielt es für unmöglich, daß sein Schwiegervater vor seiner Ankunft das Land verlassen haben könnte. Am Morgen des 5. November war es so kalt, daß wir deshalb erst spät aufbrachen. Nach einem I^stündigcn Marsch erreichten wir den Sandhügel Tin-tellust gegenüber, wo unser Lager so viele Tage gestanden hatte; allein die Residenz Annur's war in die tiefste Rnhe versenkt, der Häuptling selbst nnd die Höflinge, Schmiede nnd alle grüßen Männer nnd Frauen waren abgezogen. Hamma schlich sich hinein, um zu sehen, ob Niemand zurückgeblieben sei. Unterdessen kochten wir unseren Reis nnd richteten uns für das Nachtlager ein, aber an Rnhe und Rast war nicht zu denken. Als Hamma zurückkam, rief er uns zum sofortigen Aufbruch. Obgleich ein nächtlicher Marsch nach einer starken Tagereise schrecklich genug ist, so erfüllte mich doch der begeisterte Wunsch südwärts vorzudringen, und aus vollem Herzen stimmte ich in den Ausruf ein: ,,«o tatHutuobi 86 Ximo", „keine Rast vor Kauo!" Siebentes Kapitel. Um 10 Uhr Abends setzten wir unseren Marsch Kon Tin-tellust fort und zogen im brciteu Thalc dahin, bald aber begann ich dic Qual der übergroßen Ermüduug zu enlpfiudcu. Um nicht in meiner Schläfrigleit voin itameel zu fallen, mußte ich mich einen großen Theil der Nacht zn Fuße fortschleppen, was bei dem rcnchen und an vielen Stellen dicht mit hohem Gras überwachsenen Boden der Thal; sohle nicht eben angenehm war. l^twa nm 4 Uhr Morgens erreichten Wir die große, mit dem Thalc von Tin-tellust in engem Zusammenhang stehende Thalebene Tin-teggana. Nir stolperten über dichte Bu-retteba Mollen und andere itrauterarten, bis der Tag mit zieinlich kalter Vnft anbrach. Bor unseren von Schläfrigkeit nmnebclte» Blicken lag jetzt das ^ager der Karawane. Der alte Häuptling Annur war schon munter und empfing mich mit großem Wohlwollen, freundlicher selbst als meine beiden europäischen Kollegen, welche nicht ganz ohne Eifersucht über den (5rfolg meiner Neise nach Agadcs waren. Wir hofften jetzt ohne weiteren Mfcuthalt nach Süden aufbrechen zu können; allein um Mittag kam Aunur zu uns und erklärte, daß er felbst jetzt nicht im Stande sei, mit uns weiter zn ziehen, fondrru die Rückkehr der Salzkarawaue vou Bilma abwarten muffe; jedoch bräche fein oberster Sklave, Singhina, morgen nach dem Süden auf; wenn wir wollten, könnten wir mit diesem gehen. (5r erwartete offenbar, daß wir dies nicht wagen würden; als ich gleichwohl daranf bestand, erklärte er sowohl als Siughiua, es fei zu gefährlich. Unter diesen Umständen mußten wir nus, wenn auch uugern, zu längerem Warten begnemcn. Immerhin fchicktcn wir unfcr ganzes (Gepäck mit Siughina voraus und dnrftcn nun wenigstens hoffen, fpäter in größerer Nuhe reisen zu könucn, da wir nicht mehr dnrch die Sorge um nnsere Habe beunruhigt wurden; denn wie geringfügig auch diefe ------ 205 ------ allmählich geworden war, so erregte sie doch immer noch die Habgier der ^cnte, die keine Ahnung hatten, wie man in ihren Allgeu völlig werthlose Sachen nut solchen Koste« mit sich herumschleppen könne, nnd deshalb nicht anfhörtcn, verborgene Schätze zu vermuthen. Das Thal Tin-tcggana, wo wir uns also für längere Zeit auf-halten sollten, ist etwa drei Meilen breit. Gegen Osten wird es von einer niedrigen Kette begrenzt, über welche sich der kleine Kegel Adodc zu größerer Höhe erhebt. Gegen Westen wird es durch den Bnndai und einige kleinere Bergmassen abgeschlossen und gegen Süden durch ein ansteigendes Terrain, das von isolirten Kegeln überragt wird; nordwärts aber hat man einen offenen Blick über das breite flache Thal bis an die große Bcrgmasse, welche das Thal vonTin-tellust an der Nord feite abschließt. Diese Landschaft bildet den Kern der Besitzungen deö alten Häuptlings; seine Kameele weiden hier das ganze Jahr hindurch und er selbst kommt regelmäßig um diese Jahreszeit zur Saison hier her, uni die Vandlnft zu genirßeu, während die Natur in ihrer Jugend-traft Blüthen treibt und so lange das Wetter kühl ist. Da wir nuu hier auf längere Zeit ein Standlagcr bezicheu sollten, so war unser alter Freund darauf bedacht, ciuen recht angenehmen Platz auszuwähleu. Am 9. November siedelten wir daher nach dem Seitenthal Ofayet über; dies ist ein kleiner lieblicher Arm des ausgedehnten Thales Tin-teggana; er zieht sich von den westlichen Fclshöhen aus einem Passe herab, welcher durch den Bundai mit einem niedrigeren Berge im Süden gebildet wird. Die grüne, das zeitweilige Strombett umgebende Einsenknng war dicht mit Mimosen angefüllt, und hohes Bu-retleba-Gras uud die „Alluot" genannte blaue Cncifere bedeckten den Boden. Das Ganze bildete ein behagliches Dickicht. Erst allmählich wurde es lichter, indem täglich ungeheure Aeste, ja selbst ganze Bänmc niedergeschlagen wurden, um die Feuerstätten während der Nacht zu unterhalten; denn es war jetzt nicht nur kühl, sondern mitunter außerordentlich kalt, und au: Abend pflegten wir uns vor unseren Zelten rings um ein ungeheures Feuer auszustrecken. Auch die hohen Gräser verschwaudeu allmählich, da sie nicht nur von den Kameclen abgeweidet wurden, sondern anch zum Bau kleiucr konischer nnd viereckiger Hütten dienten, aus denen nach und nach an dieser wilden Stätte ein kleines Dorf entstand. Die Kuppe Adodc bildet, wie die nachfolgende Ansicht zeigt, den Hintergrund des Thales. Ich beschloß, die unfreiwillige Mußezcit, die sich bis zum 12. 206 Dezember ausdehnte, möglichst gut zu benutzen und einen ausführlichen Bericht über die Nachrichten, welche ich in Agades gesammelt hatte, auszuarbciteu. Ich hoffte dadurch das Interesse des wissenschaftlichen Publikums fiir unsere Nnternehlnuug zu belcbcu und die englische Regierung znr Gewährung ucuer Mittel, die unumgänglich nöthig waren, zu bewegen. Schon am 14. November hatte ich Gelegenheit, den ersten Abschnitt meines Berichtes dnrch den Ghadamser Kaufmann Abnbetr el Wachschi abzusenden. Dieser Mann war nach Tin-teggana gekommen, um sich über eine Räuberei zu bctlagen, die an einem Theil seiner Waaren in Tessana verübt worden war. Nach Beendigung meines Berichtes über Agades fing ich an, in umfassenderer Weise die in jener Stadt geredete Sprache zn studiren. Ich bedieutc mich dabei hauptsächlich der Hülfe eines gewisseu Summusuk, der des eigenthümlichen Idioms von Agades vullwmmen mächtig war und deshalb von Aunnr als Dolmetscher benntzt wurde. Zugleich aber war er ein abgefeimter Schurke und während uuserer Anwesenheit in Agadcs war Hamma mehrfach vun ihm bestohleu und be trugen worden. Mr meine Zwecke jedoch war er mir nützlich uud ich habe im Verfolg meiner Reisen lind Forschnngen lein Beispiel gefunden, wo er mich falsch berichtet hätte. Mit seiner Unterstützung brachte ich bis zum 8. Dezember ein ziemlich reichhaltiges Wörter-verzeichmß der Emgedesi-Sprache zu Stande. ------ 207 ------ Auf solche Weise ward die Zeit unseres Aufenthalts angenehm und nüvlich ausgefüllt. Nnr das Benehuieu unserer Diener verur sachte uns inanche Belästigung. Unser tunesischer Freigelassener Mohammed ward durch seine Frechheit vollkommen unerträglich, und ich würde ihn auf der Stelle zurückgeschickt haben, wenn sich eine passende Gelegenheit gefunden hätte. Anch unser Diener Ibrahim war zwar etwas verständiger, alier doch keineswegs zuverlässig; dies war um so mehr zn bedanern, da er früher große Reisen im Slldan gemacht hatte und uns also von unberechenbarem Nutzen hätte sein tonnen. Der branchbarste nnter meinen Dienern war Mohammed el Gatroni (Einwohner von Natron im südlichen Fesan), der trotz seiner Jugend schon weit umhergelommrn war; er war bereits Familienvater, hatte ein starkes Ehrgefühl und war durchaus redlich. Mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung im I. 1^51 , wo ich ihn mit des verstorbenen Richardson Papieren und Sachen nach Mnrsul sandte, ist er stets »nein Diener geblieben, bis ich im Sommer 1855, nach Fcsau zurückkehrte. Während unseres Aufenthaltes im Thalc Ofaijct, am 20. November, kam die Nachricht, ein Naubzng der E fade (Bewohner des Gau Fade-augh) habe plötzlich Tintarh-udc überfallen und zwei große Hccrden Kameele und alles bewegliche Eigenthum mit fort genommen, nachdem die Bewohner des Orts, welche nicht mit der Salzlarawauc oder nach dem Sudan gegangen seien, sich in die Berge geflüchtet. Die E-fadc hatten sich wahrscheinlich für die Verluste entschädigen wollen, welche sie durch den Heercszug des Sultans von Agadcs erlitten hatten, der ausgezogen war, um sie wegen ihrer Freibeuterei zu bestrafcu. Sie wußten wohl, daß auch jetzt die Strafe sie bald erreichen wurde, wenn sie blieben, wo sie waren; sie hatten deshalb ihr geringes Besitzthum, so wie den Ranb, den sie den Anisflimcn in Tin tarh-odc abgenommen, zusammengerafft und waren sammt ihren Familien aus ihrer Heimath Fade-angh fortgezogen. Sie hatten sich zu ihren Freunden, den Hadanara, dem früher erwähnten räuberischen Stamm der Asgar, begeben und tonnten von hier aus den Kel-owi großen Schaden zufügen und ihre Verbindung mit Rhat abschneiden. Die Gefahr, die bei einem so unruhigen Zustande dem Vandc drohte, war um so größer, als Aunur eben im Begriffe stand, nach dem Sudan abzureifen. Unter diesen bedrohlichen Umständen machte fich der alte Häuptling, begleitet von Hanuna und sieben anderen treuen Gefährten, sogleich am 21. November nach dem ------208 ------ Bergdorfe Tin-teyyat auf, um dort den greisen Mallem Asori — — „den Weisen Airs" — um Rath zn fragen. Schon aus eigenem Antriebe hatte dieser Alte der Berge, sobald er von diesen Umständen Nachricht erhalten, den (5-fade Vente nachgesandt, um sie zn überreden, die geraubten Kamcele wieder ansznliefcru nnd selbst wieder in ihren heimathlichen Gau zurückzukehren. Schon am Abend des 23. November kam Annur von seiner wichtigen Berathnng zurück nnd machte uns am folgenden Morgen einige Mittheilungen über den „Löwen von Tin-tcyyat" oder den Mallem Asori. Dieser, sagte er, habe den höchsten Grad aller Weisheit nnd Gelehrsamkeit erlangt, so daß er alle göttlichen nnd menschlichen Dinge umfasse, ohne je das Land Air verlassen zu haben; er sei nun fast blind, nnr mit (5inem Auge könne er ein wenig sehen; sein Vater sei anch ein großer Weiser gewesen. Früher, erzählte Annur weiter, habe sich das Land der weisen Rathschläge eines anderen großen Mallem Namens Hami, ans Tin-tarh-ode gebürtig, erfreut; zu seiner Zeit wären seine Mitbürger, die Anisslimen, den Pfad der Gerechtigkeit gewandelt, erst nach seinem Tode hätten sie das Gesetz mit Füßen getreten nnd alle Gottesfurcht von sich geworfen; das gehe so weit, daß fast alle Unruhen, in welche das Land gestürzt werde, ihrem Anstiften und ihren Intriguen znznschreiben seien. Mu erging sich Annnr in seinem Lieblingsthema nnd wnrde ganz beredt iu den Aeußerungen seines Aergers und Zornes gegen die heiligen Leute, die seine Autorität nicht anerkannten. Am 28. November kam Hamma von einer, wie es schien, nicht ganz erfolgreichen Sendung zu den E-fade zurück, und am 39. begab sich der alte Annnr wieder zn einer „geheimen Nathssitzung" mit Mallem Asori und dem Sultan Astafidet. Diese Zusammenkunft der drei Gewaltigen Airs fand in einer einsamen Schlncht halben Weges zwischen Tin-teggana nnd A-ssodi, statt. Am 1. Dezember kam Annur von da zurück, nnd schon am nächsten Morgen sahen wir den rüstigen Alten im Galopp dnrch das Lager reiten. Dies war die erste Gelegenheit, wc> wir unseren Freund zn Pferde sahen; obwohl 76 ^ahre alt, saß er doch sehr gnt und gerade im Sattel. Ausgesöhnt mit unserem, ihm im Anfang höchst anstößigen, Cha rakter stand der alte Mann jetzt mit nns anf dem freundschaftlichsten Fuße, und statt argwöhnisch darüber zn sein, daß „wir sein Land niederschrieben«, suchte er vielmehr jede irrthümliche Ansicht, die wir in Betreff desselben haben tonnten, zu berichtigen. Mit außerordent- ------209 ------ lichem Vergnügen betrachtete er meine Skizze der Straße von Tin-tellnst nach Agades. Er fand eine stolze Genugthuung darin, daß ein Fremder aus so weiter Ferne den eigenthümlichen Reiz der Berge nnd Schluchten seiner Heimath zn schätzen wisse. Auch an unserer Lebensart und nnsercm Betragen fand er jetzt Gefallen, und eines Tages ging er so weit, offen zu erklären, er fürchte, unsere Religion möchte besser sein, als seine eigene. Im Allgemeinen jedoch liebte er es mcht, über religiöse Gegenstände zn sprechen, obwohl er, so viel wir bemerken kouuteu, die von seinein Glanben vorgeschriebenen Gebete streng beobachtete. Overweg streifte während dieser Zeit vielfach in der Umgegend umher, und er würde, wenn es ihm bcschieden gewesen ware, dje Heimath wiederzusehen, bei seinem gewandten geologischen Blick viel zur richtigerm Kenntnis; dieser Gegenden beigetragen haben. Su fand er anf der östlichen Seite des Thales, unweit des Adode, kleiue Ba-salttuppeu, und mau sollte meinen, daß jene größere Kuppe selbst ans dem uämlichen Gestein bestände. Am 5. Dezember traf endlich der erste Truftft der Salztarawane von Bilma ein, uud damit eröffnete sich die Aussicht anf einen bat-digcu Aufbruch. DaS Verhältniß Assbeus zu den Salzlagern von Bilma ist so wichtig, daß wir sehr gewünscht, hätteu, diesen merk würdigen Punlt selbst zu besuchen. Ovcrwcg hatte, sobald wir von uuserem längeren hiesigen Aufenthalt überzeugt waren, es mit lobenö-werthem Eifer durchznsetzeu gesncht, daß ihm erlaubt werde, die Salzlcute dahin begleiten zu dürfen. Allein mit Rücksicht auf unser enges Verhältniß zu den Türken „lochte Annur ein solches Unternehmen wohl mit einigeln Argwohn betrachten, uud die Sache hatte deshalb unterbleiben müsseu. Wie der Monat nnn so langsam verstrich, wurden allmählich die Vorbereitungen znm Aufbrnch der gauzeu Gesellschaft getroffen. Vorerst aber, da der bisherige Gruunen anszutrockucn anfing, war es nothwendig, für Wasservorrath zu sorgen, nicht allem für das augenblickliche Bedürfniß der zahlreichen Salzkarawaue, sondern auch für den Gebranch derjenigen, welche während der Abwesenheit des Häuptlings im ^audc znrückblieben. Natürlich ist in Gegenden wie diese das Wasser stets eine der ersten Fragen des Vebeus. So verließ drilii am ?. Dezember der alte Häufttliug mit allen seinen beuten m feierlicher Prozession unser ^ager, um einen nencn Brunnen zu grabeu. Sie suchten mit Hülfe eines Speeres nach dem günstigstell Barch's Reise», I, 14 __^ 210____ Fleck und begannen dann unmittelbar ihre Arbeit am Eingang eines Seitenarmes, der auf der Ostseite iu das Hanptthal einmündet. Da sie einen genügenden Wasservorrath fanden, dämmten fic dann den Brunnen mit Aesten und Steinen ein, so daß er sich bis zur nächsten Regenzeit halten tonnte. Wenige Unternchmnugeu in diesen Bändern sind in der That anf längere Daner als die eitles Jahres berechnet. Jede Regenzeit beginnt eine neue Schöpfung, wie iu der Natur, se» auch im ^ebeu des Menschen. Am 12. Dezember traten wir endlich unsere Weiterreise an. Die Gegend war mir so heimisch geworden, daß ich, ehe ich sie verließ, noch einen letzten Blick auf das Thal von Tin-tcllnst zu werfen wünschte. Ich bestieg daher eine der Burhöhcu des Buudai und genoß von hier eine nmfassende Aussicht über das gauze Thal bis zu der imposanten Bergmasse, welche im Nordeu die ^audschaft su malerisch abschließt. Das Thal lag ruhig und still in der klaren, sanften Beleuchtung eines schönen Wintcrmorgens. item ^nftzug bewegte das ^anb der Bäume, tciu lebendes Wesen war zu sehen; nur aus der Ferue vernahm ich das Schreien der Kameele, die im Begriff waren, die Behansnugen und die Habe ihrer wandernden Besitzer in andere Gegenden zn tragen und diese Landschaft für eine Weile der Stille und Verlassenheit zu übergeben. Spät am Morgen setzten wir uns in Bewegnng, aber nur langsam und mit wiederholten! Aufenthalt. Endlich ward der Zug belebt durch die Ankunft des alten Häuptlings. Rüstig schritt er bor seinem Kameel eiuher, das er am Nascn^aum führte, und die verschiedenen Gruppen des langen, bnnt zusammengesetzten Zuges fiugeu nun an, sich stetiger fortzubewegen. Es war ein ganzer Vollsstamm in Be-weguug, die Männer zu Fuß oder zu Kameel, die Franeu auf Rindern oder Eseln, mit allem Hausbedarf, ja selbst das ganze Gerüst der leichten Wohnungen mit eingeschlossen, Matten uud Stangen, Töpfe und Mörser, Schüsseln uud Trinkschalen - Alles in bnntem Gewirrc zn Seiten der ^astthierc umherhäugend. Eine Rinderhccrde, so wie eine Heerde 'milchgcbender Ziegen uud eine Menge junger Kameele liefen ueben dein Zuge her; die letzteren brachen in ihrer spielenden, unsteten Weise oft störend durch die Reihen der aneinander gebundenen ^astkameele. Das Ganze war ein anregendes Bild von Leben uud Rüstigkeit. So wie nun iu diesem besonderen Znge mehr daS Häusliche des Wanderlebens zn Tage trat, so trug der Gesammtcharatter des ver- ____211 ____ einigten Am mehr das Gepräge des Handels- nnd Völkerlebens. Ich bediene mich absichtlich des Ausdruckes Airi. „Airi" oder „Air" ist der einheimische, ich möchte sagen, offizielle Name der Salzkara> wane. Festlich nnd imposant war besonders alle Morgen der Auf^ bruch der vereinigten Karawane. Alle Trommeln wurden gerührt und ein wilder enthusiastischer Ruf hallte vom ganzen Lager wider; dann rückte in kriegerischer Ordnung ein Zug nach dem andern heran, von seinem jedesmaligen Madogu, d. h. dem erfahreusteu und zu-verlässigsteu uuter den Dienern und Anhängern jedes Häuptlings, angeführt. So giug es dann in ruhigeu, laugen Zügen durch Thäler und über Hochflächen. Am Abend aber gab es Spiel uud Tanz („urgi" oder „cddil" und „adellul") iu der ganzeu Ausdchuung aller Abtheilungen des groben Lagers. Die Tronnnler wetteiferten mit einander, ihre Kunstfertigkeit zu zrigeu; einige trommelten wirtlich mit vielem Geschick und erregten allgemeinen Enthusiasmus unter den Tanzenden. Die vielen lebhaften und muutereu Scenen iu einer Weiten, vou wilden Felsmasscn nntcrbrocheneu Landschaft, von großen Feuern beleuchtet, gewahrtet! ein heiteres, eigenthümlich malerisches Bild eines regen Voltslebens, worüber der Reisende die schwachen Seiten, welche dieses Wnstenlcbcn sonst haben mag, leicht vergessen konnte. Auch ihm, dem Reisenden, fällt es auf, daß diese gauze große Bewegung eiucs wauderndeu Pollsstammes durch ciueu einzigen Haudelsgegenstand veranlaßt wird. An den nacktesten, nnfrnchtbarsten Stätten der Wüste, im Gebiet der Tcbu bei Bilma, hat die schöpferische Natur jene reichen Salzlager ausgebreitet, währeud sie weiten LandsclMen des fruchtbaren Innern dieses den Menschen zum noth-wcndigeu Bedürfniß gewordene Mineral gänzlich versagt hat. Aber weder die Tebu noch die Haussaua, weder die Producirenden noch die Eousumircndcu siud es, die dieseu großen Verkehr vermitteln; ein Dritter tritt hier iu's Mittel, und während er die Bedürfnisse der letzteren befriedigt, schafft er sich selbst seine Eristcnz. Es ist dies der Bewohner der zwischen Nord und Süd gelagerten uugast-licheu Zoneu. Aus weiter Ferne zieht er zu den Salzlagcrn, beladet seine Huudertc und Tausende von Thieren nnd zieht in monatelaugem Marsch den fruchtbareu Ländern zu, deren Bewohner ihm gern mit ihrem Korn uud deu Erzeugnissen ihrer Industrie seiu Salz abkaufen. So tief begründet iu deu Gesetzen der Natur liegt das Prinzip des Bültervertehrs, des Austausches gegenseitiger Bedürfnisse. 14- ------ 212 ------ Das Salz wird in Vilma in flüssigem Zustande gefunden und nun in Holzfuriuen gegossen, U'odurch es die Gestalt eines Säulenfußes oder Hutes erhält. Ein solcher Salzcylinder heißt „tantu", und zehn von diesei, machen eine starte .Mmeellast ans. Einem „tantu" entsprechen fiinf der kleineren buchen, welche „asserim" genannt werden, und auf jeden „asserim" gehen wiederum vier der kleinsten Kuchen, welche l,fotn" Heisien. (5in „kantn" enthält also 20 ,»fotu". Diese Salzbrode werden in Säcke verpackt, die aus den Blättern der Dumpalme gemacht werden und „tatrufa" heißen. Der Preis, der in Äiluia bezahlt wird, beträgt zwei Sekt'a Negerkorn für drei Kantn Salz. Außerdem giebt es noch ein feineres Salz, das wie loses Pulver fortgeschafft wird, und dieses ist für Europäer das einzige genießbare; denn das gewöhnliche Salz von Bilma ist sehr bitter und verdirbt nach dem Geschmack des Fremden alle Gerichte. Das feinere Salz ist dreimal su theuer als das gewöhnliche. Während des Marsches bemühte ich mich fortwährend, annähernd die Größe der Salztarawane zu schätzen, mn danach die Bedeutung Kieses großen nationalen Handelsverkehrs ermessen zu können. Dies hatte jedoch seine Schwierigkeiten, weil der gesamntte Airi aus vielen einzelneu Abtheilungen besteht, die den verschiedenen Häuptlingen oder Stannngenosseuschaften augehören. Nach der Versicherung eines der angesehensten Diener Annur's waren im Zuge mehr als 30 Abtheilungen vorhanden; ich tonnte sie jedoch nicht alle ermitteln. Im Ganzen werden kür uicht weit von der Wahrheit entfernt sein, wenn wir die Gesammtzahl der diesjährigen Salzkarawane der Kel-owi auf 3500 Kameellasten anfchlageu, wobei natürlich die jungen, ohne ^ast uebcuher laufenden Thiere uicht mitgerechnet sind. Der Gc^ sanmttwerth des geladeneu Salzes dürfte sich anf etwa 150 Millionen Kurdi (Muscheln) oder 60,000 spanische Thaler belanfeu. Bon dieser Gesammtmasse gingen etwa 1000 basten nach Sinder; auf Tessana uud die Märkte dieser gauzeu Landschaft bis Gober können wir etwa 200 Kameellasten rechneu; der Rest giug nach Äano, dem bedeutendsten Mittelpunkt deö Handels im eigentlichen Mittel-Sudan. So wird auf diesem Wege ein Vändergebiet von etwa 40 deutschen Meilen m's Gevierte mit seinem Salzbedarf versorgt. Der östliche Theil von Aornn, erhält sein Salz direkt von Äilma, und in das Gebiet des Niger kommt nnr sehr wenig von diesem Salz. Da giebt es andere Quellen nnd andere Handelöwege. Vei solcher Schätzung darf man jedoch uicht vergessen, daß das Land Assbeu seit längerer ------ 213 ------ Zeit in nnrnhigem Znstande gewesen war, nnd daß demnach die Karawane zu anderen ruhigeren Zeiten zahlreicher sein inag, obgleich natürlich anch Umstände eintreten, wo sie viel geringer ist oder gar ganz ausbleibt, wie ich das selbst in der Folge erlebte. Wie klein aber anch immer jene Werthsnmme der ganzen jährlichen Salzein-fnhr im Vergleich mit enropäischcn Verhältnissen erscheinen mag, so bedentend ist sie im Bölkerleben des inneren Afrika. Alinnr's Abtheilung mochte ursprünglich etwa 300 Kameele be tragen; von ihnen blieben aber theils viele Ladungen in Tessana, theils gingen sie nach —Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über Charakter nnd Bedeutung der Salzkarawane nehme ich den Gericht nnseres Marsches wieder ans. In den südöstlichen Landschaften Airs, dnrch welche wir unseren Weg nach Süden verfolgten, scheinen Wüstenei und Frnchtboden wunderbar mit einander zu kämpfen. Bald erfüllte nnS der Anblick der uns umgebenden Natur mit der Hoffnung, daß wir die fruchtbare Zone sclwn erreicht hätten; zn anderen Zeiten wieder hatte die Vaud-schaft einen überaus wüsten Charakter. Als wir am 12. Dezember aufbrachen, zogen wir zuerst über rauhen und felsigen Boden. Eine Strecke weit war die breite Thalebene, wie die von Ta-rhist auf der Straße nach Agades, mit großen losen Basaltstücken bestreut. Mehrere hohe, stark mart'irte Kegel charatterisircn diese eigenthümliche vulkanische Gegend. Znr Rechten ließen wir die Klippe Ebarrasa und lagerten kurz vor Mittag am nordöstlichen Fuße des ausgezeichneten zuckerhut-ähnlichcn Bcrgkcgels Teleschera. Bon der Höhe dieses Berges vei> sprach ich mir eine weite Anssicht über die östliche Seite der malerischen Acrgmasse des Eghellal nnd überhaupt über das ganze ttand. Ich machte mich daher sogleich anf, um den (Zipfel zn ersteigen, aber nnr mit großer Anstrengung touute ich mein Ziel erreichen. Nachdem ich die aus Sandstein bestehenden Vorhügel erstiegru, fand ich die Flanken des Kegels selbst höchst abschüssig nnd mit losen: Gestein bedeckt, das mir beständig unter den Füßen wegrollte. Der höchste Gipfel besteht aus Pcrpendikulärrn Trachytsänlen von etwa 2^, Fuß Durchmesser, die von größter Regelmäßigkeit sind, als wären sie von Menschenhänden gearbeitet, einige bis zu 100 Fuß hoch, andere in größerer oder geringerer Erhebnng abgebrochen. Ich klomm an diesen hinan und erreichte ganz erschöpft die Spitze des Kegels, die mindestens eine Höhe von 1500 Fuß über der Thalsohle hat. Aber die Aussicht war leider dnrch die nurcine, trübe Atmosphäre sehr beschränkt. ------ 214 ------ Das Herabsteigcu war fast noch beschwerlicher als das Hinaustlim-men, und anf's Aenßerste erschöpft kam ich in meinem Zelte wieder an. Schon damals war ich dnrch die Wirkung des Klima's und der schlechten Kost bedeutend geschwächt, und auf dieser ganzen Reise bin ich nie wieder im Stande gewesen, anch nur eine mittlere Berghöhe zu ersteigen. Am 13. Dezember setzten wir unseren Weg dnrch die Berggegend, im Ganzen ansteigend, fort. Kurz vor Sonnenaufgang hatten wir nur 5° C. Wärme, wie denn überhaupt die Temperatur in diesen Tagen sehr niedrig war. Unser Weg führte bald über steiniges Terrain, bald zogen wir im Grunde des Thales Tanegat entlang; letzteres ist etwa eine halbe Meile breit. Eine bedeutende Berggrupfte, die vor uns lag, ward von dem hohen, malerisch ausgczackteu Kegel des Mari überragt. Wir lagerten in dem Bett eines Rcgenstromes; aber zu dieser Zeit war hier leine Gefahr, wie bei Tiu-tarh-ode, zu befürchten. Unser Lagerplatz ward durch die Nähe einiger schöner „gmw" geschmückt, einer besondern Akazienart. Sonst war das i'eben in der Natur gering. Nur Raubvögel, durch die Aussicht auf Abfall angelockt, ließen sich in Menge sehen, namentlich der Aasgeier (Keo-pkron) und der schwarze Wüstenrabe (('orvus umlirimiß). — Am 14. Dezember brachen wir zeitig auf, lagerten aber schon nach einem kurzeu Marsch von etwa sechs Meilen auf uucbeuem Terrain, welches van vielen kleinen Graniterhebungen durchzogen Ward. Hier versammelte sich erst die ganze Salzkarawane vollständig, und am nächsten Morgen (15. Dezbr.) geschah der allgemeine Aufbruch mit grosier Rüstigkeit. Wir folgteu anfangs einer ganz westlichen Richtung, Während wir in den letzten Tagen südöstlich gezogen waren. Ucbcrhanpt hatte nnser Marsch in der nächsten Zeit eine vielfach gewundene Richtung und ward durch häufige Rasttage unter brochen. Dies ward dadurch veranlaßt, daß die Kameele sich von dem angreifenden Marsche über die nackte, wüste Hoch' fläche, Welche das Alftcnland Assben von derEiuscnwngvon Bilma trennt, erst wieder erholen mnßten. Hn unsever Vinkcu hatten wir jetzt den Berg Mari, der, ------ 215 ------ Von dieser Seite gesehen, die obenstchende charakteristische Gestalt hat. Wir schlangelten uns durch ein Labyrinth großer, isolirt aufspringender Blöcke. Allmählich ward der Thalgruud freier, und nachdem wir wiederholt das Bett eiucs zeitweiligen Regcnstroms gekreuzt hatten, lagerten wir an der Seite eines Wasserlaufes; er heißt Adoral. Hier sahen wir die ersten Exemplare der schwebenden Nester des Webcrvogels, überaus künstlich aus trockenem Grase geflochten und mit einem langen einzelnen Grashalm an einem Banmzwcig aufgehängt. Bei unserem Marsche an« 16. Dezember fanden wir dic Thal-ebene mit Prachtvolleu, sich weit ausbreitenden Addua- oder Taboral-bäumen (M1tili dehnt. Am 27. Dezember zogen wir noch in dem Thale Bargot dahin; allmählich erweiterte es sich mehr und mehr und verlor gänz^ lich den Charakter eines Thales. Wir lagerten-uns schon vor Mittag au dem sanft abfallenden nördlichen AbHange des felsigen Bodens, nahe bei einem Wasserplatz Namens A-rhalle. Als wir am nächsten Morgen aufgebrochen waren und den leichten Abhang erstiegen hatten, machten wir Plötzlich Halt. Die Trommeln wurden gerührt, bis alle einzelnen Züge hcranfgckommen waren; dann erst setzten wir nnseren Marsch wieder fort. Man merkte an diesem ganzen Verhalten, daß jetzt eine schwierige nnd gefahrvolle Reise bevorstehe. Anfangs bestand die Ebene fast ausschließlich aus Kiesboden, und nur vereinzelt sprang hier nnd da ein Fels auf. Uuserc Hoffnung, die endlosen nackten Flächen der Wüste hinter nns zu haben, war vereitelt; abermals dehnte sich ein breiter Wüstengnrtcl vor uns ans. Weiterhin erstiegen wir eine zwar nicht hohe, aber sehr bcmerkenöwerthc Erhebung Namens Abadardjcn. Dieser Kamm bildet die Nordgrenze einer hohen, sandigen, mit wenig Kräutern nnd kümmerlichen Talhabäumen bekleideten Ebene, welche sich durch einen großen Theil des Kontinents zn erstrecken scheint. Dieses Wüsten-Plateau, das eine durchschnittliche Höhe von etwa 2000 Fuß hat, ist die Uebergangsregion von der felsigen Wildniß der Wüste zn der fruchtbaren Zone des inneren Afrika; doch hat es im Allgemeinen einen weniger öden Charakter, als die nördlicheren Hammaden. Nirgends fehlt die Vegetation gänzlich, an manchen Stelleu überziehen Gräser (Bu-rctkeba) und audcre Futterkräutcr den Buden anf weite ____ 219 ____ Strecken, und in Zwischenränmen kommen auch Bäume, namentlich kleine Talhabäumc, kor. Auch die Thierwelt ist hier reicher als in der Centralregion der Wüste vertreten; namentlich ist hier die eigentliche Hei-mllth der Giraffe »nd der Antilope I^ucm-^x, der großen, langgehörn-ten Antilopenart, ans deren Fell die Tnareg ihre Sckilde verfertigen. Es war gerade Mittag, als wir den Kamm Abadardjen erreichten und einen überraschenden Blick über die vor uns liegende unermeßliche Ebene gewannen. Zwei Meilen weiter lagerten wir uns. Wir gelangten heute in den Besitz des ersten Straußcneies, was wegen der Jahreszeit bemertenswerth erscheint; denn in den entsprechenden Nilländern gelten Februar und März als die Monate, wo der Strauß brütet. Am 29. Dezember sahen wir zum ersten Male das Kon den Arabern „hhad" genannte Futterkraut, welches für das nahrhafteste aller Wüstcnkräuter für das Kameel betrachtet wird. Bisher hatten wir dasselbe ans unserem Wege noch nicht gefunden; im westlichen Theile der Wüste aber scheint es allgemeiner verbreitet zn sein. Auch lernten wir heute die Magaria kennen, einen mittelgroßen Baum mit kleinen ulivengriinen Blättern und mit hellbraunen Früchten, welche an Gestalt mittelgroßen Kirschen gleichen. Diese Früchte werden getrocknet, im Mörser zerstampft und in kleine Brodknchen geformt; allerdings sind sie nicht sehr nahrhaft. Auf der stellenweise ganz nackten, dann wieder bcholztcn uud mit Kraut bewachsenen Ebene, die wir heute durchzogen, bemerkten wir zahlreiche Spuren von Giraffen, Gazellen und Straußen; gegen Abend wnrden die Fnßtapfen der Antilope I^ouoni-^x häufiger. Am folgenden Tage (30. Dezember) führte nns der Weg länger als 7^ Stunden über einen wüsten Gürtel kahler Sandhügel. Wir wählten dann unseren Lagerplatz nnwcit des berühmten Brunnens Tcrgulaucn in einer Einsenkung, die sich von Ost nach West zieht und an der Südseite von Sandhügeln mit etwas Graswuchs abgeschlossen wird. Der Brnnncn, obwohl geränmig und im Innern mit Holz ausgebaut, enthielt zur Zeit für eine so große Menge Menschen und Thiere nur einen sehr mäßigen Vorrath schnnchigen Was^ fers. Die Stätte ist im höchsten Grade einsän: uud kahl und wird für überans gefährlich betrachtet wegen der häufigen Rhafia's der Auelimmidrn nnd Kel-gcrcss. Denn die Raubhorden können fast immer gewiß sein, an dieser Vcbensstätte, die eine nothwendige Station in der Wüste bildet, einzelne Reisende zu überraschen. ------ 320 —- (5s war cm laltcr, uubchaglicher Tag, mit dein das Jahr 1850 von »ms schied. Auch die Landschaft, durch dir der Zug giug, war üorraus riuförmig, eine große, unermeßliche Sandfläche, die nur an wenigen begünstigte!! Stellen mit Bäumen bewachsen war. Die bc-uierfenswerthcstc Erscheinung war heute das Vorl'ommeu der eigen> lhümlicheu Sudantlette oder der Karcngia (I'«nn8owin di«tic1lum), deren stachelig' Samenkapsel cine der größten Plagen des afrikanischen Reisenden ist. Nur mit Mühe fanden Nur eiueu Lagerplatz, der frei dawn war, und selbst hier führte der heftige Wind die llettenartigen Kapseln aus weiter Entfernung herbei. — Mit einem Gericht von zwei Stranßcneieru feierten wir den Silvesterabend, und nüchterneu Sinnes legten wir uns frühzeitig nieder. In einem kläglichen Zustand erhoben wir uns am Murgen des 1. Iannar 1^51 voll unserem Nachtlager. Zusammengekauert säst Jeder da und dachte nur daran, wie er sich vor der schneidenden Kälte und dem heftigen Nordostwind schützen möge. Zn gleicher Zeit waren Kleider uud Decken von zahllosen Kletten erfüllt, die wie Nadeln jeden weicheren Stoff fest znsammenhieltrn. Hatte nun der Eine von sich selbst und seinen Gewändern mit großer Mühe die stacheligen Kapseln abgelöst, so wurden diese sogleich vom heftigeu Winde einem Anderen zugetragen. So brachen wir in nnbehaglichster Stimmung endlich um l!^ Uhr auf, um unseren Marsch iibcr die wüste Ebene fortzusetzen. Es gewährte uns einige Erheiterung, als wir um Mittag wieder etwas Bnschholz antrafen und nach turzem Zwischenraunl auch Bu-retkeba sich wieder zeigte. Auch große Strauße liessen sich sehen; eine ganze Familie, das alte Paar, der Edlim nnd die Nibcda, mit den Huugcu, alle in einer Reihe hinter eiuander her laufend, eilte mit Windesschnelle in geringer Ferne vor uns vor-über. Wir lagerten um 3^ Nhr Nachmittags an einem Platze, der ziemlich frei von der lästigen Kareugia war, aber durchwühlt oou den unterirdischen Gängen des Fenek oder Niauniaua lMsgu,-Il>^8 Milicwk?) und den Höhlen des Erdschweins ((^^«wrnpu^ ^6t1iil>pi(M8), die durch ihre weiten Oeffnungcn, bis zu zwanzig Zoll, dem Reiter oft höchst nachtheilig werden. Das Thier selbst wird fast nie zur Tageszeit und überhaupt, auch von den Einge-bornen, nur sehr seltcu gcseheu, scheint aber über den ganzen Sudan verbreitet zu sein. In der ersten Hälfte des nächsten Tagemarsches blieb die Gegend noch kahl, am Nachmittag, aber bekundete cin größerer Reichthum an ------ 221 ------ Bäumen und Büschen, daß wir die begünstigtere südliche Zone dieser sandigen Hochfläche erreicht hatten. Ihre Durchschuittserhebnng schien etwa 1800 Fuß über dem Meere zu sein. Als wir uns lagerten, hatten wir in dcm stacheligen Unterholz Mühe, Platz für unserZelt zu gewinnen. Während des Marsches am 3. Januar mehrten sich die Zeichen, daß wir einer anderen Region entgegenrückten. Rene Thiere nnd nene Bölterstämme traten auf. Während wir so eben die Hcimath der Giraffe, des Straußes u. s. w. durchzogen hatten, sahen wir bald nach uuserem Anfbrnch die ersten Exemplare des afri^ kanischen gebuckelten Zebu's, jenes eigenthümlichen Sudcmriudes, das, bei weitem grösser als das indische Zebu und kräftig, als Vast- und Neitthier benntzt wird. Die Zone des eigentlichen Rindes hatten wir schon bei Nhat verlassen. Znerst begegneten wir einer Karawane von etwa 20 solchen mit Korn beladeuen Thieren, nnd später erfreute uns der Anblick eiucr ganzen Hecrdc, die Nähe menschlicher Wohnungen vertun dend. (5in Dorf, dem Nomadenstamme der Tagama angehörend, war denn auch nicht weit, und schon um 10 Uhr lagerten wir eine furze Strecke jenseits desselben in der Nähe eines 17 Klafter tiefen Brunnens, In assamet genannt. Derselbe Name ist auch ans die hier wohnende Abtheilung der Tagama übergegangen. Das Dorf bestand ans Hütten eigenthümlicher Art; die Seitenwände wurden von Mattcu gebildet, die auf einem Gerüst von Zweigen nnd Acsten rnh'ten, die Bcdachnng aber bestand ans Thier-häutcn. Obgleich diese Hütten niedrig waren und ein ärmliches An sehen hatten, gab die Menge der zwischen denselben sich tummelnden Mnder und Hausthicre der Niederlassung doch einen lebendig bewegten Charatter. Ihre Bewohner säumten nicht, sich bald in unserm Vager einzustellen, fielen aber dnrch Neugicrdc nnd Hang zum Betteln bald beschwerlich. Die Männer waren, als ächtes Nomadenvoll, beritten, jedoch anf tleiucn, unansehnlichen Pferden, was sich um so häßlicher ausnahm, da sie meistens hochgewachsene Vente waren. Ihre Hautfarbe war dabei heller, als die der Kel^owi. Anch die Frauen, die uns zu Gesicht tame», waren nicht häßlich, ihre Gesichtszüge regel mäßig, aber von der Ueberfülle des fast ausschließlich von Kuhmilch genährteil Fleisches übermäßig abgerundet und aufgedunsen. Bon schlantem (5'benmaaß, das die Franen su anziehend macht, war da teinc Spnr; ihr ganzer Charakter ging auf in übermäßiger Beleibtheit, die iu einem Gesäß von wahrhaft übertriebenen Dimensionen ihren Höhepuutt erreichte. Für diesen weiblichen Schönheilszng haben die ------ 222 ------ ' Tuareg einen eigenen Namen: l.tcbulloden«'; unsere Frauen heutzutage snchen, was die Natur ihnen verweigert, durch künstliche Aus-staffirung sich beizulegen. Die vornehmeren dieser Schönen waren in schwarze Tnrtcdi's nnd einen Ucbcrwurf gekleidet, die ärmeren einfacher in weißen Äaumwollenstoff. Von letzterer Beschaffenheit war anch meistens die Kleidung der Männer; mehrere derselben hatten das Haar in langen Zupfen herunterhängen, zum Zeichen, daß sie Anisslimcn oder Mcrabetin (heilige Männer) wären. Ein solcher Charakter schien mm auf den ersten Anblick zn den Sitten dieser ganzen Kolonie schlecht zn passen. Die Franen nämlich erwiesen sich als ohne Scheu willfährig, mit den Reifenden vorübergehende Ver bmdungen anzuknüpfen, ja die Männer selbst boten sich hierzu in zudringlichster Weise als Vermittler an. Solche für nns fast unerklär^ liche Erscheinung ergiebt fich aber als ein eigenthümlicher Eharakterzug des Wiistenlcbens, als ein Ueberbleibsel heidnischer Sitten, das der Islam nicht ausgetilgt hat, ja, welches das vom Islam genährte nnd gepflegte Haudclslcbcn ill diesen ungastlichen Zonen aufrecht erhält. Nun aber haben wir in Bezug anf die Tagama noch eine andere überaus merkwürdige Erscheinung. Ans vielen einzelnen Umständen nämlich ergiebt fich mir, daß dieser Stamm, dessen Name in ganz derselben Form nnd in nur etwas anderen Wohnsitzen schon beim Ptole^ Nläus erscheiut, zum Ehristcnthnm übergegangen war und dann in erniedrigter Stellnng unter' den zum Islam bekehrten verwandten Stämmen sitzen blieb. Die Landschaft heißt übrigens noch jetzt „Arrumct", „das Ehristenland". Diesen merkwürdigen Umstand hole ich hier nach, da ich ihn im ausführlicheren Reisebericht übersah. Uebrigens bilden die Tagama jetzt nur einen sehr kleinen Stamm und erkennen in gewissem (^radc die Oberhoheit des Sultans von Agades an. Während sie gegenwärtig nnr etwa 300 mit Speeren bewaffnete Krieger, meist Reiter, stellen können, bildeten sie früher einen viel zahlreicheren Stamm, bis Ibram, der Vater des gegenwärtigen Häuptlings, zur Zeit Sultan Bcllo'ö von Sfokoto mit Hülfe der Kel geress einen nnglücklichen Kriegszug gegen jene Fulbe-Nesidenz unter nahm. Noch jetzt dürfen sie diese Stadt nicht betreten nnd bringen deshalb ihr Salz nach Kauo. Während nämlich ihre Hauptbeschäftigung heutzutage neben der Rindviehzucht hanptsüchlich in der Jagd besteht, nehmen sie doch auch am Salzhandel Antheil, schließen sich aber zu dem Zweck den Salzkarawanen der Kel-geresS an, nicht denen der ------ 223------ Kel-owi. Bei dor Jagd zeichnen sich ihre kleinen, unansehnliche!, Pferde besonders aus nnd leicht erjagen sie Antilopen und Giraffen. So hatten wir denn hier eine, ganz nene, ungewohnte Bebens-sphäre vor Augen gehabt. Auch noch im Augenblicke des Aufbruchs — Sonnabend, den 4. Januar - sollten wir noch einmal daran erinnert werden. Da erschien nämlich „die Schönste der Schönen", eine Schönheit ersten Ranges in Anbetracht ihrer Dimensionen, jedenfalls aber eine Dame von hohem Ansehen; denn selbst der alte Häuptling war voll Nucksicht nnd Ehrerbietung für sie. Dieses üppige Exemplar von Weiblichkeit, nnter dessen Gewicht der Bulle, den sie ritt, aufs Heftigste schnaufte, war kränklich nnd wünschte den Beistand des „tabib" oder „ue-mcglan", ein Titel, welchen sich Herr Dvcrweg dnrch sein Doktoriren erworben hatte. Dieses war aber sehr eigenthümlicher Art; denn gewöhnlich behandelte er seine Kranken nicht nach ihren Krankheiten, sondern nach den Wochentagen. Da gab es einen Tag für Kalomcl, ciuen andern für Dover's Pulver, einen für Glaubersalz, einen für Magnesia, einen für Brechweinstein und so fort. Nur wo Zeit und Umstände es erlaubten, wurde näher auf den Znstand des Kraulen eingegangen; dies war aber auch dies' mal nicht möglich; denn unsere Begleiter waren bereits aufgestiegen, und so weiß ich nicht, was der kranken Königin der Schönheit zn Theil wnrde. )iach einem Marsch von einigen Meilen gelangten wir zn einem felsigen nnd steilen Abhang, der als regelmäßige Terrassenstufe wenigstens IM Fnsi tief in eine niedrigere Ebene hinabführte. Es war die südliche Begrenzung des steinigen nnd öden, erst in seinem zuletzt durchwanderten Theil für das Leben von Thier uud Pflanze günsti geren Platean's, dessen Nivean nnsere Karawane am 2^. Dezember beschritten hatte. Die den Abstieg bildende Felswand war nach Westen von nur geringer Ausdehnung, nach Südosten aber tonnten wir sie bis in weite Ferne verfolgen. An dieser charakteristischen Felsstufc änderte fich abermals die Natur des Landes; von einer unfruchtbaren Hochfläche herabkommend, betraten wir nnn eine Steppe, in der uns zahlreichere nnd nene Pflanzen formen begrüßten und die nnserer Umgebung von Schritt zu Schritt einen freundlicheren Eharatter verliehen, daran erinnernd, daß wir uns dem gesegneten Kurulande von Damcrghn näherten. Schon nach etwa 2 Meilen zogen wir an der ersten größeren Ansammlung stehenden Negenwassers im Tropenlanbe vorüber; der .------ 224-----. „tebki", wie solche Tüiupfel in der Haussa-Sprachc genannt werden, dehnte sich in einer langgestreckten Mulde zu ansehnlicher ^änge ans. Etwas weiterhin gelangten wir zu einem jetzt angetrockneten Bruu. neu, der gleich dem Tebti den Namen Farak trug. Noch freundlicher wnrdc die Gegend am andern Tage (5. Januar) gegen Mittag, als zu beiden Seiten niedere Hügelketten das ^and umsäumten und wir an eiuer andern zeitweiligen Niederlassung der Tagama vorbeizogen. Auch sie bestand aus jencu mit Häuteu bedeckten Hütten, die jedoch ein weniger ärmliches Aussehen hatten, als die zu Iu-assamet. Sie war von zahlreichen Rindvieh, und Schaafheerden belebt, und das war wicdcrnm etwas Neues für uns; denn Schaafe hatten wir bisher noch fast gar nicht bemerkt. Dieselben hatten jedoch Haare statt der Wolle und Fettschwänze - wollctragende Schaafe besitzen, wie es scheint, nur die Ssunrhai und die westlicheu Tuareg an den Ufern des Niger. Bald umgaben uns auch die Bewohner in ziemlicher Meuge zu Pferde und bildeten in ihrer derberen kriegerischen Art eine weit angenehmere Erscheinuug als ihre cutarteten Brüder vom Tag zuvor. Ihr Vager war an eine prachtvolle Gruppe höchst üppiger Bäume angelehnt, noch schöner aber war der Anblick eines kleinen See's, Gumrek genannt, der ringsum mit deu dichtesten Gruppen üppiger Akazien, von der hier Baggarua genannten Art, umsäumt war. In dem herrlichen Schatten der Bäume, an der Wasserfrische sich labend, stand in anmuthigeu Gruppen das Rindvieh. Am Morgen desselben Tages hatte ich eine ganz neue Art Pflanze bemerkt, die im mittleren Sudan ziemlich selten vorkommt, in der Folge aber am nördlichen Ufer des Niger von mir sehr häufig angetroffen wnrdc. Cs ist eine Euphorbia, wird 1^ bis 2 Fuß hoch und ist sehr giftig; in der Hanssa - Sprache heißt sie „tnmtummia"; die Araber in Timbuktu nennen sie »das Vöweugift". Andere neu anftreteude Pflanzen waren: eiu dichter Busch, „diln", deu ich schou ans dem Plateau, kurz ehe wir von demselben herabstiegen, bemerkt hatte; dann in der darauf folgenden Steppe ein anderer mittelgroßer Busch, „agnau", iu einer dicht aufstrebenden Masse von Zweigen sehr weißen Holzes bestehend. Feruer faudeu wir viele wilde Melonen, jedoch ohne Geschmack. Häufig war der „arsa", eine ^orbeerart, und weitcrhiu zeugten Schlingpflanzen von der zuuehmendeu Fruchtbarkeit des Badens; allerdings waren sie noch nicht von sehr üppigem Wachsthum. Als wir dann am Nachmittag des 5. Januar am Rande eines trockenen Wasserbettes lagcrteu, machten wir uoch die Bekannt- ------ 225 ------ schaft einer anderen neuen Pflanze, aber auch einer nenen Plage, nämlich des „aido", einer Graminee mit stacheliger Samenkapsel von schwarzer Farbe, größer und mit stärkeren Stacheln als die Karengia und namentlich gefährlich für tlen nackten Fuß. Iä, glaube, daß sie mit der in den Nilländern „tarba" genannten Plage der Reisenden übereinstimmt. Schon wenig mehr als eine Meile hinter unserem Lagerplätze nahm die Landschaft wieder einen ganz veränderten Charakter an. Wir stiegen in einem eigenthümlich gegliederten Hügelland answä'rts; die Gipfel der Hügel waren kahl und theils von schwarzem, theils von granlichem, unheimlichem Aussehen, während die Einscnluugen mit Unterholz bestanden waren. An den: höchsten Punkte angelangt, hatten wir dann einen interessanten Uebcrblick über das hügelige Land vor uns nnd stiegen nun in einer bald engern, bald weiteren Einsenkung hinab. Manche Zeichen, wie starkes, 10 Fuß hohes Nuhr an den offeneren Stellen, so wie der ungemcin aufgerissene nnd in tiefe Furchen zerklüftete Boden, ließen auf die zeitweilige sumpfige Beschaffenheit dieser Einsenkung schließen. Als wir aber aus derselben heraustraten, führte unser Weg durch aumnthigcs, parkähnliches Hügelland, bis wir am Nachmittag (6. Jan.) die ersten Kornfelder von Damerghu in der Nähe zweier Dörfer erblickten. — Dies war ohne Zweifel ein wichtiger Abschnitt in uuscrer Reise. Noch nie hatten wir eine Gegend durchzogen, die im Stande gewesen wäre, auch nur für den kleinsten Theil ihrer Bevülteruug hiureichende Brod-frucht zu tragen; hier aber hatten wir endlich jene fruchtbare Rcgiou des innern Afrika erreicht, die nicht allein ihre eigene Bevölkerung ernähren kann, sondern selbst jetzt, bei wenig Industrie, genug erzeugt, um noch andere, von der Natur weuiger begünstigte, Gegenden zu versorgen. — Ich fühlte mich durch diesen Anblick innig erfreut und dankte der Vorsehung, daß sie mein Unternehmen so weit mit Erfolg gekrönt hatte; denn hier war ein reichlicher lohnendes Feld für unsere Bemühungeu eröffnet, ein Gebiet, das in der künftigen Geschichte der Menschheit von hoher Wichtigkeit werdcu dürfte. ' Während ich mich glücklichen Träumereien von nenen Entdeckungen und einer frohen Heimkehr überließ, wurde ich plötzlich durch das Er-scheinen dreier Reiter aufgeschreckt, die hart an mich hcranritten uud mit den Worten: „I^i1tlti i1a,^1iHk"("tem göttliches Wesen außer dem Einen Gott!") grüßten. Es war Dan Ibra (oder Ibram) — „der Sohn Ibrahim's" mit zwei seiner Gefährten, der gefürchtete Häuptling Vailh'a vltlsen, l, u ^ 226 ------ der Tamisgida, den der Alte von Tin-tellnst selbst m früheren Zeiten nicht hatte unterwerfen tonnen, sundern genöthigt worden war, ihm einen kleinen Tribut oder Passagegeld für seine nach dem Sudan ziehenden Karawanen zu entrichten. Der kriegerische Häuptling war in seinem stattlichsten Schmnck, einer reichen Sudan-Tobe und einem blauen, mit Gold gestickten Beruus. Ich erwiederte seinen Gruß, indem ich schwor, daß ich den Einen Gott besser kenne als er selbst, worauf er freundlicher wurde und nach einigen Worten sich an Herrn Richardson wandte. Seine ganze Erscheinung überzeugte mich, wie nöthig uns der Schutz Aunur's und wie begründet unsere Furcht kor dem Grcuzlande von Damerghu gewesen war. Die Landschaft, in der wir ein paar Dörfer zur Seite liegen ließen, war wieder offen uud stach geworden, so daß au den niedrigsten Stellen während der Regenzeit augenscheinlich ein ausgedehntes Wasser hecken sich sammeln muß. In der Nähe des Dorfs, „ungua", Ssammit begann der Boden sich wieder etwas zu heben, und wir stiegen gemach au dem westlicheu Fuß eiuer Lehne hinan, auf deren Höhe das genannte Dorf lag. Wenige huudert Schritt jenseits des Weilers schlugeu wir mitten in eiuem Stopftelfeld nnser Lager auf. Wir wurden hier durch die ersten Zeichen einer lobeuswerthen Betrieb samkeit überrascht, denn Betriebsamkeit und Erwcrbfleiß im zwei heutigen Sinne hatten uus die Tagama zur Genüge gezeigt. Kaum waren wir nämlich von unsereu Thieren gestiegen, als ein paar rüstige Schwarze herbeieilten, um den Buden für unsere Zelte zu säubern; ja in wenigen Minuten fanden auch Leute beiderlei Geschlechts sich ein, um uus eine Menge verschiedener Dinge zum Verkauf anzubieten, namentlich Negerkorn, zwei Arten von Bohnen und jene „dodoa" genannten braunen Knchen, von denen im Verlauf der Reise mehr die Rede sein wird. Auch Hühner gab es hier in dem kornreichen Kande in Menge und eine ausgezeichucte Hühnerbrühe als Abendbrod ließ uus die Wohlthat der Civilisation wieder einmal in der bezüglichsten Weise fühlen. Am andern Morgen, den 7. Jan., fielen wie am vorhergehenden einige Regentropfen, die uus für unsere Salzladung besorgt »nachten. Dieser gelegentlichen kleinen Regeufallc im Innern Afrika's werde ich später bei der Beschreibung meines Anfeuthalts in Timbuktu gedenken. Besonders angenehm war auch eine Veränderung iu der Temperatur, fo daß wir seit mehreren Tagen nicht mehr von der empfindlichen Kälte am frühen Morgen zu leiden hatten. Mein ____ 227 ____ meteorologisches Verzcichniß stiebt für diesen Morgen 16° C. vor Sonuenaufgaug an, während wir noch am 2. Januar nur 7^° und am 3. nur 9" Wärme um diese Zeit gehabt hatten. — Bald nach unserem Aufbruch begrüßten uns einige Gemüsegärten mit ihrem frischen, lebendigen Grün; dann ging es über ein welliges fruchtbares, jedoch ziemlich baumloses Vand mit ausgedehnten Stoppelfeldern, unterbrochen von Weideplätzen, während die niedrige Kette der sogenannten Berge von Damerghu— »Duätsu-u-Damerghu"— gegen Osten parallel mit unserem Pfade sich erstreckte. Dörfer und einzelne Meiereien lagen in geringer Entfernung zu beiden Seiten uuseres Wegs. Aus dem größten der ersteren, Madia genannt, kamen die Bewohner, meist Sklaven und Heiden in ärmlicher Kleidung, zu uns heraus, uns ^ebensmittel zum Verkauf anzubieten. In der Nähe der vereinzelt gelegenen Gehöfte bcmcrkteu wir an einer Gruppe von Brunnen zum ersten Male eine große Menge Pferde mit dem Rindvieh zugleich an der Tränte. Eine nicht geringere Anzahl graste auf den Stoppeln. Der Trog an jener Tränke war für uns ebenfalls ein Gegcustaud vou besonderem Interesse; er bestand nämlich aus einer Schildkröteuschale von mehr als 2 Fuß Länge, und wir erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß die Landschildkröte (^lopmlk) keineswegs selten von solcher Grüße hier vorkomme. Schon das erste Dorf, an welchem wir heute vorübergezogen waren, gab mir Gelegenheit, jenen eigenthümlichen Äaustyl in der Nähe zu betrachten, der allerdings mit vielen nicht unwichtigen Abweichungen durch ganz Binnen-Afrika sich erstreckt. Die Hütten waren fast ganz aus dem Rohr der Ncgerhirsc gebaut und fast ohne allen anderen Halt als die kraftlosen Zweige der ^«Icpik« ßig^nw»,; sie erreichten daher die Festigkeit der Hütten in den Dörfern Assbens uicht, übertrafen diese aber bei weitem an Reinlichkeit, weil das Baumaterial in großer Menge vorhanden ist und leicht bei der Ernte erneuert werden kann. Der Hauptunterschieb zwischen den bienen-torbähnlichcn Hütten von Assbcn und den von Damerghu besteht aber darin, daß diese gegliedert, Wand nnd Dach bestimmt geschieden sind, während jene eine einzige zusammenhängende Wölbung bilden; das Dach der Hütten in Damerghu läuft in eine gebogene Spitze aus. Wenn man die ganze Bauart betrachtet, so kann man sich über bie große Aehnlichkeit nur wundern, welche diese Hütten mit denen der ursprüuglichen Bewohner von Latium haben, wie uns diese vou Mruv und anderen Autoren beschrieben werden und auch gelegentlich 1,5» ^__ 22g ____ auf Terra-Cotta-Geräthschafteu abgebildet sind. Auch hat der Name in der Borno- oder Kanori-Sprache, „tost", eine eigenthümliche Aehn-kcit nlit dem lateinischen „e^8a", wie zufällig dies auch immer sein mag. Noch auffallender aber ist es, das; ganz derselbe Name als „kude" oder in verwandter Form in der Tamil, nnd anderen asiatischen Sprachen die Hütte bezeichnet. Es finden sich auch sonst noch viele verwandte Anklänge im Kanon nnd in den ceutralasiatischen Sprachen. Recht charakteristisch für ein Ackerbau treibendes Land nnd des-halb von höchstem Interesse für mich waren die kleinen Kornschober zwischen den Hütten. Sie waren nicht einfach aus den Garben oder Bündeln des Getreides aufgeschichtet, sondern dieses lag in einer Art sehr großer, ans Rohr geflochtener Körbe, die auf einem etwa zwei Fuß hohen Gestell aus starten Aesten aufgestellt waren, um so den kostbaren Inhalt gegen Mäuse und Termiten zu schützen. Die „weiße Ameise" („gara", '1'crinc» lat^ii») richtet nicht nur großen Schaden unter den Kornvsrrathen an, sondern ist auch eine arge Plage in den Häusern, indem sie den ganzen Ban sammt dem weicheren Hausgeräth zerstört. Die Mans, „kussu", fäugt hier an, in mehreren Arten aufzutreten; besonders häufig ist die schon von Herodot als diesen Gegenden eigenthümlich erwähnte Springmans (Diput,), die dem Reisenden weit niedlicher erscheint, als dem um sein Korn besorgten Randbauer. — Die in der ganzen Landschaft von Damerghu gebaute Getreidcart ist die Negerhirse (I>onni»«tuin ty-pkuit^uin), aber, so viel mir bekannt, nnr die weiße Art. Mais bringt das Land nicht hervor; dagegen fanden wir ganze Stricke mit der ^8o1<^>m8 ^i^ntoa, bedeckt, jenem einförmigen, gigantischen Unkraut der Tropen, welches außer zum Sparrwert der Strohhütten zu Zäuuen und zur Feuerung benutzt wird; das Mark davon dient zu Zunder und das ansgehöhlte Rohr zu sehr einfachen Tabakspfeife!«. Vielleicht, daß der Milchsaft, den es in reichlicher Fülle enthält, künftig einmal ein höchst wichtiger Artikel wird, wie er denn bereits in Indien die Aufmcrlfamkeit auf sich gezogen hat. Jetzt dient er in einigen Gegenden des Sudans nur dazu, das dicke Hirseubier der Eiugebornen, >,gia", in Gährung zu versetzen und die Milch schneller gerinnen zu machen, ist aber außerdem eine große Plage des einheimischen und fremden Wanderers, indem er nicht nur dessen eigene Kleider verdirbt, sondern sogar die damit befleckten Haare der Pferde ausgehen. Rinder und Ziegen fressen aber die Blätter ohne Nachtheil. ------ 229 ------ Weiter ziehend sahen wir Dürfer, Stoppelfelder, mitderAsclepiadea bedecktes brachliegendes Weideland, einzeln zerstreute Meiereien, weidende Rinderhecrden und Rndel Pferde in steter Abwechselung, während die Landschaft leicht gehügelt und hier und da von einem ausgetrockneten Wasserbett durchschnitten war. Da Plötzlich gewährte uns ein großer Ort Namens Dam - magadji (eigentlich Dan Magadji, „der Sohn des ^ieutenants", nach welchem der Ort benannt ist) einen ganz nenen Anblick. In einem regelmäßigen Viereck sich ausbreitend und mit einer Lehmmaner umgeben, dehnte sich derselbe zu unserer Anten aus, während vor uns in der Richtung von Sinder ein hoher Kegel, Sausana genannt, sichtbar wurde. Endlich erreichten wir einen kleinen Weiler, ans welchem uns eine große Menschenmenge entgegeneilte: sie begrüßten uns freundlich und riefen uns zu, das sei nun Taghelel, das Eigenthum des alten Häuptlings. Die Dorfschaft bestand aus zwei Weilern, welche dnrch eine Gruppe von vier bis fünf Tamarindcnbäumcn, „tsamia", getrennt wurden, in denen wir die ersten, wenn auch dürftigen, Vertreter dieses prachtvollen Baumes erblickten, des größten Schmuckes des Negerlandes. Da wir hier einen Aufenthalt von einigen Tagen haben sollten, suchten wir uus möglichst behaglich einzurichten, was denn auch trotz der kleinen Feinde, der weißen Ameisen, mit einigem Kraftaufwand gelang. Der größte Theil des folgenden Tages wurde mit dem Empfang von Besuchen hingebracht. Der erste, mit welchem ich beehrt wurde, war von hohem Interesse, nur daß der Besucher etwas zu lange verweilte. Es war dies ein ritterlicher, freigeborner Ikaskesan, ein wohlgebauter Manu, nicht eben von hoher Gestalt, aber mit regelmäßigen, ausdrucksvollen Gesichtszügen und heller Hautfarbe, die sogleich seine edcle Geburt anzeigte. Dabei trug er einen schönen rotheu Bernus im Werth von ungefähr 70,000 Kurdi und war überhaupt außerordentlich nett und gnt gekleidet. Sowohl als ein schöner Repräsentant seines Stammes war er für mich eine interessante Persönlichkeit, als auch weil er den Feldzug gegen die Uelad Ssliman, einen an den Ufern des Tsad hauseuden Araberstamm, mitgemacht hatte. Seine Angaben bestätigten den früher schon empfangenen allgemeinen Bericht; auch lernte ich aus demselben erst den ganzen Umfang der Verwegenheit jener Räuber kennen, die von Kanem aus ihre Naubzüge bis auf eine halbe Tagereise von Tin-tellust ausgedehnt hatten. Ich wußte damals uoch nicht, wie bald ich mit dem Rest ------ 230 ------ jener von den frischen Steppen der Syrte bis in die Gluthebenen von Kanem verschlafenen Horde mein Glück versuchen sollte. Was uns selbst betrifft, so war mein Gast vou nnseren Reiseschicksalen vollständig nltterrichtet und überzeugt, daß wir aus jedem Stoff machen köuuten, was wir wollten, hauptsächlich aber schöne Bernnse. — Diesem interessante» Besuch folgte der einer Menge langweiliger Peute; ich war daher froh, daß Herr Overweg die allgemeine Auf. merksainleit endlich auf sich zog, als er vou eiuem Ausflug nach einem großen Teich am Fuße des benachbarten Hügels von Farara zurückkam. Ein paar fette Enten, die er uud unser Diener Ibrahim dort geschossen hatten, kamen uus am Abend um so mehr zu Statten, als der alte Häuptling sich sehr karg gegen uns benahm. Obgleich ein langer Zug von Mtännern und Frauen mit Speise uud Trank beladen an uns vorüber ging, verirrte sich doch keines der Gerichte zu uns; anf nnsere vielfachen Andeutungen war ein Lächeln der Träger nnd Trägerinnen die einzige Antwort. Während so Musik, Tanz und Lustbarkeit im Dorfe laut waren, fand ein einzelner Maimolo, Zittersftieler, seinen Weg zu uns, um die drei fremden, ein> samen nnd pflegelosen Wanderer zu trösten, indem er die Eigenschaften eines Jeden pries und sie zu nicht viel weniger als Staatsministern des allmächtigen Gottes erhob. Der Gau Damerghu erstreckt sich nngcfähr 6(1 Meilen (einen Grad) in die Länge und 40 Meilen in die Breite und bildet, im Ganzen genommen, eine gewellte Landschaft mit sehr fruchtbarem Boden, welcher wohl die dichteste Bevölkerung zu ernähren vermöchte. In früheren Zeiten war das Land auch sicherlich weit dichter bewohnt als gegenwärtig, da die blutigen Kriege zwischen deu Herrschern von Bornn einerseits und denen vun Agades uud den Tuareg andererseits diesen Grenzgau in hohem Grade entvölkert haben müssen. Was den Urspruug der Bevölkerung betrifft, so scheint der Name Damerghn, der von derselben Wurzel wie die Namen anderer um das eigentliche Bornu umherliegender Gaue gebildet ist (Dau-crghu, Gam-erghu u. s. w.), anzudeutcu, daß das Land, welchem er gegeben wurde, den Kanon oder einer verwandten Nasse zugehört hat. Dies ist in der That auch noch gegenwärtig der Fall, da die Vornu - Bevölkerung des Gaues weit zahlreicher ist, als die des Haussa - Volkes, desseu edelster Stamm ursprünglich das benachbarte Air oder vielmehr Asfben bewohnte, wie wir bereits oben iS. 151) gescheu haben. Während des dreitägigen Aufenthalts iu Taghelel machte ich ____ 231 ___- auch den Anfang zu einem Perzeichniß der vorzüglichsten Städte und Dörfer von Damerghu, das durch nachmalige Forschungen berichtigt und vermehrt werden tonnte. Ich nenne hier jedoch nur diejenigen uier Orte dieser Landschaft, die weniger ihrer Größe und Einwohnerzahl als ihrer politischen Bedeutung Berühmtheit und Wichtigkeit verdanken. Dies sind: zuerst Kula-n-Kerti, eine halbe Tagereise — „ueni", wie die Haussa Ventc sagen — östlich von Taghelel, von betrachtlicher Größe und der Wohnsitz des Häuptlings Mussa, der in gewisser Beziehung Herr des Bodens von Damerghu („sserti-n-Damerghu") genannt werden kann. Die gesummte Einwohnerschaft des Gaues, mit einziger Ausnahme der Leute der drei anderen in den übrigen drei Hauptorten residirenden Häuptlinge, hat ihm zu huldigen und ein Geschenk zu machen. — Olaloa, 3 bis 3H Meilen südwestlich von Taghelel, kleiner als der vorhergehende Ort und die Residenz Masauadji'ö, der cin Mitglied derselben Familie ist, welcher Annnr angehört, und ein frcnndlicher, wohlwollender Mann. Der Ort hat einen Marktplatz, der mit Wetterdächern — „runfoua" oder „runfa" — versehen ist uud wo jeden Sonntag Markt gehalten wird.— Farara, zwei Meilen südwestlich von Taghelel, auf dem Gipfel eines Hügels, an dessen Fliße der oben erwähnte große Teich liegt; es ist der Wohnsitz Malita's oder Imkiten's, eines der einflußreichsten Männer des Landes. — Endlich gehört hierher Taghelel selbst, die Residenz Annur's; obwohl von unbedeutender Größe, da die beiden getrennten Weiler zusammen kaum mehr als 120 Hütten enthalten, ist der Ort nichtsdestoweniger von großer Politischer Wichtigkeit in allen Verhältnissen dieses von Parteinngen zerrissenen, nur lose zusammenhängenden Ländchens. Er hat ebenfalls einen Marktplatz mit Wetterdächern oder Buden. Hier wurde am Freitag den 10. Januar ei» Markt abgehalten, aber er war höchst unbedeutend. Er füllte sich erst spät am Tage, und als ich ihn Nachmittags besuchte, bestanden die feilgebotenen Waaren in Baumwolle, einem Artikel, der hier ganz auf Einfnhr beruht, Tabak, Straußeneiern, Käse, Matten, Seilen, Netzen, irdenen Töpfen, Gura's (aus der kleinen Kalabasse, ^Ulmrditn, 1a^nn.ria und d ovikkra,, verfertigte Trinkgefäße), Bukuru's oder Akoschi's (hölzerne Schüsseln), Korio's (größere, geschlossene, aus einer feinen Art Nohr gefertigte Gefäße, die dazu dienen, Flüssigkeiten, namentlich Milch, hineinzuthun); auch sah ich ans feinem Gras geflochtene, ausgernndete Würfelteller, „fefe", die zugleich als Präsentirbretter und Deckel für Schüsseln dienen. Außer- ------ 232 ------ dem wurden noch eine ansehnliche Meugc Gemüse, auch Zwiebeln, und zwei Rinder feilgeboten. Dic Zahl der Käufer nwchtc sich auf hundert Personen belaufen. - Nachmittags tanzten zwei Magosaua, d. i. Heiden, in höchst phantastischem Anzüge vor uusereu Zelten den so> genannten ,.Teufelstau',". Fiir den Fortgaug uusercr Reise war Taghelel aus ulchreren Gründen ein wichtiger Punkt. Hier hatten wir Gegenden erreicht, durch die es anch einzelnen Reisendeu möglich wird, ihre Straße zu verfolgen; Overweg und ich mußten uus daher wegen des schlechten Zustandes uuserer Finau;en hier von Herrn Richardson trennen, damit ein Jeder eiu^elu versncheu lnöchte, was er allnu iu bescheidenster Weise, und ohne Aufscheu zu erregen, ausrichten töune, bis neuer Zuschuß aus der Hcimatb angekommen wäre. Achtes Kapitel. Tremmng der 3leiftnden. Tejsnua. 3iaisena. ^»kunst in Aano. Sonnabend der 11. Januar war der bedeutsame Tag, an welchem früherer Verabredung gemäß unsere vteisegescllschaft sich trennen sollte. Richardson wollte geraden Wegs über Sinder nach Kutaua, Ovcrweg nach Gober und Maradi und ich selbst mit der Salztarawane iiber Katscna nach Kano gehen. Zur Wiedervereinigung waren dann die ersten Tage Aprils in Kukaua bestimmt. Herr Richardson befand sich zur Zeit unserer Trennnng im Ganzen recht wohl, aber unverkennbare Symptome zeigten, daß der Uebergang von der schönen, startenden ^uft der Bcrglandschaft Air zu dem drückend warmen Klima der tiefgelegcncn Fruchtländer des Sudans ihn bereits stark angegriffen habe. Vielleicht war es eine unbestimmte Ahnung, allein ich hatte im Augenblick der Trennung nicht den Mnth, seiner Fürsorge ein Päckchen Briefe für Europa anzuvertrauen, welches ich eigens zn dem Zwecke gesiegelt hatte, daß er es mit seinen eigenen Depeschen gleich bei seiner Ankunft in Kulana absende; ich uahm es lieber selbst mit nach Kano, und es kam so jedenfalls viel eher nach Enropa/da ich nachher selbst seine Depeschen von Kukaua aus zu cutscnden hatte. Während die Route Ovrrweg's mit der meinigen noch für einige Tage zusammenfiel, sollte ich hellte anch Abschied von dem alten Häuptling nehmen, in dessen Händen unser Geschick so lange geruht hatte; wenigstens hieß es so, denn mit einem sehr natürlich scheinenden Zaudern gestand unser schlauer Freund, daß Umstände ihn zwängen, vor der Hand nach Siuder zu gehen, anstatt uns, Overweg und mich, seinem Wunsche gemäß weiter zu begleiten. Wie die Folge zeigte, war dies nnr ein fälschliches Vorgeben. Aunnr übergab mich indessen öffentlich der Fürsorge seines Brnders Eleidji, drm die Führung des Mi nach Kano übertragen war. Glücklicherweise war dies ------ 234 ------ ein Mann, dessen ganze Erscheinung mir volles Vertraue»! einflößte. Er war allem Anschein nach von der Selbstsucht seines Vrnders völlig frei nud ein zugleich religiöser nnd doch wohlwollender alter Herr. Wenn das Geleit dieses Edelherru für allgemeine Sicherheit die beste Hoffnung erregte, war ich auch noch so glücklich, für meine Privatangelegenheiten einen überaus nützlichen Mann in meine Dienste zu nehmen, wenigstens für die Reise bis Kano. Dies war Gadjere, der Hauptstlave Auuur's in Taghelel. Ihn selbst kannte ich damals noch nicht, aber sowohl der kräftige Lastochse, als die kleine Stute, die er besaß, waren mir beide sehr erwünscht; denn mein Kameel war nicht start gmug, all' mein Gepäck fortzuschaffen, und daneben bedürfte ich anch eines Reitthieres für mich selbst. Es ist mir eine angenehme Pflicht, das ausgezeichnete Benehmen Annur's bei dieser Gelegenheit zu erwähnen. Der alte Häuptling rief mich und Gadjere zu sich, beschenkte letzteren, ausdrücklich meinetwegen, öffentlich vor allen Leuten mit einem rothen Äernus uud trug ihm in den ernstesten Ausdrücken auf, mich sicher nach Kano zu geleiten. Ueber-Haupt trennte ich mich von nnscrem alten, ehrenwerthen Freund mit aufrichtigein Bedauern; er hatte uns ein höchst interessantes Beispiel eines gewandten Diplomaten und friedfertigen Herrschers mitten unter gesetzlosen Horden gezeigt und sich im Ganzen brad gegen uns benommen. Als ich ihm die Hand znm Abschied reickte, saß er wie ein Patriarch in der Mitte seiner Sklaven und freien Untergebenen und theilte Geschenke unter dieselben aus. Da gab es schwarze Gesichtsbinden und Frauengewänder, die bedeutendste Rolle aber spielten Annspcmgen von Thon, in allerlei Farben glänzend, die ans Aegypten eingeführt und von den Frauen hier zu Lande leidenschaftlich geliebt werden. Nach einem herzlichen Abschied von Herrn Richardson, der gerade im Begriff stand, sein kleines, sanftes Kamecl zu besteigen, verließ ich nach 7 Uhr Morgens nnscr Lager in Taghelel. Ich fühlte mich im höchsten Grade glücklich lind fah mit Zuversicht der Zukunft entgegen. Lag doch das Schwerste hinter mir und vor mir eine unendlich reiche Ansbeutr. Auch war ich froh, daß ich einmal wieder zu Pferde faß; denn beim Reiten eines Kameels ist man von den Launen dieser Thiere zu abhäugig, um nach Belieben sich umfehen zu können. Dazu kommt nun noch, daß dichte Waldungen, wie wir sie im Sndan finden sollten, das Reisen zu Kamccl im höchsten Grade lästig, ja ganz verzweifelt machcn. ------ 235 ------ Alles halte nun einen freieren, ungezwungeneren Anstrich. War doch nun die Gefahr uicht mehr so groß, daß man stets sich eng zusammenhalten und strenge Ordnung bewahren mußte. So setzten tvir uns denn in Bewegung und ließen die Stadt Olaloa im Westen unserer Straße auf einer niedrigen Hügelkette liegen. Eine fast ununterbrochene Tafelfläche breitete sich vor uns aus, bis wir in eine Niederung hinabstiegen. Hier beobachtete ich die ersten regelmäßigen Termitenhügel in dem bekannten hochstrebenden, dem gothischen nicht unähnlichen Baustyle; ihre Höhe betrug etwa 5 Fuß. Wie sehr das fruchtbare Damerghu mitunter auch au Dürre und Wassermangel leiden muß, bewies uus heute die TränWttc von Gilmiram. Denn dorthin mußte ich mich mit Gadjere auf einem Seitenwege abseits von der Straße begeben, um unsere Thiere zu trauten, ein Geschäft, welches nun täglich unsere besondere Aufmerksamkeit erforderte. Zwanzig Brunnen, die freilich nnr wenige Fuß tief waren, hatten kaum Wasser genug für unsere beiden Thiere. Wie viel Zeit und Mühe mochte es nun kosten, die gcsamntte Heerde voll Pferden und Rindern zu tränkeu, die gerade aus dem Dorfe herausgetrieben wurde! Wir eilten dann der Salzkarawane dnrch dichtes Unterholz nach, in welchem der Kalbo mit seinen großen, trockenen, olivenfarbenen Blättern uud deu langen, rothbraunen Schoten vorherrschte. Hier hatte ich Gelegenheit, die Rüstigkeit der assbcnauischen Laststiere zu bewuudern; sie tragen basten von mehr als 30l) Pfund mit Leichtigkeit, obgleich sie nur vou mittlerer Größe sind; sie haben meistens eine branne Farbe und kurze Hörner. Der eigentliche Sudanstier kaun sich an Tragfähigkeit nicht mit ihnen messen. So überholten wir bald wieder unsere Gefährten und zogen dann in Gesellschaft des Airi langsam dahin. Es ging eine Weile durch waldige Landschaft, in welcher der Goschi, ein Baum mit eßbarer Frucht, vorwaltet, bis wir in einer ebenfalls dicht bewaldeten Einscnkuug lagerten. Mein neuer Gefährte trug durch die in der That wissenschaftliche Sorgfalt, mit welcher er für das Abendfeuer sorgte — in der talteu Jahreszeit ein anch iu Central-Afrika nicht unwichtiger Artikel — viel zur Behaglichkeit des Lagers bei. Dazu berichtete er mir denn auch über die verschiedenen von Sinder nach Kano führenden Wege. Es giebt deren vier; der eine führt über Daura (der westlichste), der zweite über Kasaurc, der dritte über Garu - n - Gedumia und der dierte über Gnmmel. Gadjcre selbst kannte nnr den dritten volb ständig, dessen einzelne Stationen er mir angab. ____ 2Iß ____ Am anderen Morgen, Sonntag den 12. Iannnr, eilten wir der Karawane voraus. Es war ein Ijerrlicher Morgen und nnser Marsch höchst angenrhm. Hohes Gras, „gamba", bedeckte den Boden und eine Gruppe schöner Bänme, welche einen ansgett'ockneten Brnnnen umstanden, diente zahlreichen Perlhühnern und Turteltauben zu einem lebensvollen Aufenthalt. Hinter diesem Brunnen wurde die Landschaft offener mid nach mehreren Meilen passirtcn wir den hart an unserem Wege bclegencn Teich ^ndura; während der Regenzeit ist er von beträchtlicher Größe, jetzt aber war er schon etwas angetrocknet und sein Wasser hatte wegen des lehmigen Bodens eiuc ganz milchige Farbe. — Wir begegneten hier einem Trupp Reisender, deren ganzes Aussehen charakteristisch für den Landstrich war, welchen wir betreten hatten, leichtfertig in ihrem Benehmen und leicht in ihrer Kleidung, letztere bestand nur in kurzen Hemden, deren Farbe nach schwachen Anzeichen einst dunlelblan gewesen war, und in einem kleinen, wahrhaft diminntiven Strohhnt, den sie ans Ein Ohr gedrückt trugen i dem entsprechend war ihr Gepäck: eine kleine Vcdrrtasche mit gestoßener Hirse, einige Kürbiöfläschchen mit der beliebten Fura und ein paar Trinkbecher aus dciusclbeu zerbrechlichen Stoff. Einer dieser leichten Zugvögel, der sich durch einen uugcmcin schlanken Wuchs auszeichnete, hatte ein Pferd bei sich; es war aber kaum im Stande, ihn zn tragen, obwohl er selbst den« Thiere an Magerkeit nichts nachgab. Offenbar war es einr geistreiche, wahrscheinlich musikalische Gesellschaft. -Nicht lange nachher wnrdc das Ufer des Teichs dnrch die Anknnft eines Zugs Packochscn belebt. Alles dies, so wie ein zweiter kleiner Trupp von Reisenden, der nns am Nachmittag begegnete, ließ uns erkennen, daß wir eine Gegend betreten hatten, in welcher der Verkehr leicht und ununterbrochen ist. Das Land der eigentlichen Karawanen oder Kafleu, „airi", „karabka", war hinter uns; wir hatten den Bereich der mehr vereinzelten Reisenden, s.fataki", betreten. Denn wenn auch im Sudan die Unsicherheit der Straften zuweilen ein größeres Znsammenschaarcn der Reisenden erforderlich macht, so hört doch hier das eigelitlich Charakteristische der Karawanen, nämlich die feste, alljährlich wiederkehrende, Zeitbestimmung auf. Nur der Handel mit einzelnen, dnrch die Jahreszeit bedingten, Produkten, wie mit der Guro-Nuß, macht hiervon eine Ausnahme, so wie die alljährliche Araber - Kafla von Knkaua nach Kano, die mehr auf alter Sitte als auf natürlichen Bcdingnngen zu beruhen scheint. Allerdings giebt es auch im Sudau überaus unsichere Wegstrecken, besonders in ___^ 237------ den Grenzlandschaften, und da vereinigen sich natürlich größere Gesellschaften. Wir rasteten an dem Teich, bis der Airi herankam, nnd zogen dann langsam mit ihm weiter; das dichte Unterholz machte eine schnelle Bewegung der Kamcele nmnöglich. — Als wir eben im Begriff waren, an einer mitten im Walde gelegenen und Am ssu-ssu genannten Stelle unsere Zelte lNifzuschlageu, stürmte ein Trupp von 16 Reitern heran, alle nach Tuareg-Art als „Verhüllte" gelleidet. Ihr weniger mnskulöser Kürperbau nnd die größere Manuichfaltigkeit ihrer Kleidung ließ jedoch deutlich ihre Vermischung mit dem Haussa-Volk erkennen; es stellte sich anch bald heraus, daß sie alle jenem eigenthümlichen Mischlingsstamme der Busaue angehörten, die hier überall zerstreut sind nnd der Bevölkerung eine ansehnliche Bei-mischnng von Berbcrblut geben. Die Reiter waren auf einem Raubzuge gegen die Fcllani begriffen. ^— In geringer Entfernung östlich von unserem ^ager befand sich ein großer Teich, der den Namen Taghelel führte; es ist dies eine sehr allgemeine Ortsbeneuuung, welche ihren Ursprung wahrscheinlich von einem Baum hat, den ich später öfter erwähnen werde. Als wir am Morgen des 13. Iannar anfbrachcn, war der Himmel mit schwarzem Gewölk so dicht überzogen, daß die Sonne erst durchbrach, nachdem wir vier bis fünf Meilen znrückgelcgt hatten. Um diese Zeit kamen wir an einem Tamarindcnbaum ^ „tsamia" — vorüber, dem ersten ganz ausgewachsenen Exemplar dieses schönen, majestätischen Baumes, das mir vorgekommen war. Beim Anblick dieses Baumes mit seiner dichten, schön abgerundeten Laubmasfe, oft von 80 Fuß Durchmesser, die sich fast in gleichmäßiger Linie bis wenige Fuß über den Boden herabsentt, kann man in der That sagen, daß man die Kühle seines Schattens fühlt. Nichts ist wunderbarer in dieser heißen Zone, als der Gegensatz der Temperatur nntcr diesem köstlichen, von der Natnr ansgespannten Ruhezeit mit der heißen Gluth rings umher. Der heutige Tag war noch durch zwei andere neue Erscheinungen aus dem Reich der Pflanzen nnd ihrer Kultur ausgezeichnet; denn ich erblickte noch den ersten Tulpenbaum nnd die ersten Baumwollen-felder. Jener war eben in voller Blüthe und die Blume in der herrlichste« Farbenpracht, während nicht ein einziges Blatt den Baum schmückte. Die Baumwollenfeldcr eröffneten einen ganz neuen Blick m die Betriebsamkeit der Cingeborneu uud verliehen der Gegend ------238 ------ dadurch einen heiteren Schmuck, daß sie die Einförmigkeit der Kurn^ felder unterbrachen; lsierzn kommt, daß die Stauden fast jederzeit Blätter haben und daß einige stets im Zustand der Reife, andere in der Blüthe sind. beider waren nur die jungen Anpflanzungen mit Sorgfalt gepflegt. Am anderen Morgen, den 14. Iannar, erreichten wir bald ein Dorf Namens Vabei. Die Frauen fameu Heralis, um uns Erdmandeln, „godjia", und „dattua" zum Verlauf anzubieten; letzteres ist ein in verschiedeneu Gegenden verschieden zubereiteter trockener Teig oder Konfekt, hier aus gestoßener Negerhirse mit Datteln nnd einer enormen Zuthat von Pfeffer bestehend; anderwärts besteht er aus gestoßenem Reis uud Houig. Die nett eingezäunten Felder des ans leichten Hütten erbauten Dorfes lagen um einen 20 Faden tiefen Brünne«. Hier waren die Leute gerade mit Wasscrziehen beschäftigt, wie denn die Brunnen hier zu Lande überhaupt zu gewissen Tageszeiten den Mittelpunkt des Lebens bilden. Die Mühe, das Wasser für den täglichen Bedarf ans diesen Tiefen hervorzuziehen, ist oft so groß, daß diese Arbeit die größere Hälfte der Bewohner eineS Ortes den halben Tag beschäftigt. Es gilt dies zum Glück nur vou einer Jahreszeit, wo sie außer etwas Baumwollweberei keine andere Beschäftigung haben; denn zur Zeit der Feldarbeiteu findet man Wasser überall. Es war nahe beim Dorfe Tschirak, wo Overweg sich von mir trennte. Er hatte sich nämlich entschlossen, geraden Wegs nach Tessaua zu gehen, um sciue beabsichtigte Reise nach Gobcr und Maradi auszuführen. Es war dies ein rüstiger, kühner Anfang semes Unternehmens, da er Niemanden von Annnr's Leutcu bei sich hatte, die nöthigrnfalls zu seinem Schutz hätten auftreten tonnen. Dr. Overweg erfreute sich damals eines ungeschwä'chten Wohlseins nnd War voll Begeisterung, sich dem Studium der neueu Welt, welche sich vor uns anfthat, zu widmen. So schieden wir nnter gegenseitigen herzlichen Glückwünschen; wir ahnten nämlich nicht, daß die Umstände uns zwingen würden, noch eine Zusammenknnft in Tcssaua zn halten. Meinen Weg allein fortsetzend, schloß ich mich nuu um so enger au meinen mitthcilsamcn schwarzen Freund Gadjere an. Allerdings hatte ich auch Manches zu erdulden, wenn er mitunter in etwas roher, jedoch gutmüthiger Weise über den Fremden, der Alles wissen wollte, gegen seine Kameraden spottete; aber ich zog großen Nutzen aus feinen Bemerkungen. So machte er mich, während wir an den beiden Dörfern Bagangare und Taugonda oorüber kamen, auf mehrere neue ------ 239 ------- Arten Bäume aufmerksam. Es wareu der Bauschi, der Karammia und dieGouda; letztere ist die <^m'ioa I'^i^a. In dieser Vandschaft ist der Baum noch selten, weiter südlich im Ncgerlaud aber, bis zum Benue, kommt er häufiger, wenn auch stets etwas vereinzelt, vor und macht nie den Eindruck eines einheimischen Baumes. Die sehr wohl schmeckende melonenartige Frucht, weshalb ihn Einige auch den Melonenbanm nennen, lernte ich erst in Katsena kennen. Die Landschaft hatte einen höchst interessanten und heiteren Charakter; Dörfer und Kornfelder lösten einander ab uud waren auf kurze Strecken von dichtein Unterholz unterbrochen; der Boden leicht gewellt, bisweilen fast hügelig. Zahlreiche Heerdcn fchönen Rindviehs belebten die abgeernteten Felder und auch an anderer interessanter Staffage mangelte es nicht. So zog eine lange Reihe von Männern an uns vorüber, deren Jeder einen großen Korb auf dem Kopfe trug, welcher mit den Früchten der „Goreba" oder Dumpalme < ('ums^ii oder II^)Im6N6 '1'lio!)iücn.) gefüllt war — iu vielen Landschaften des Sudans ein höchst wichtiges Nahrungsmittel und eine angenehme Würze für viele Gerichte. Diese Palme trat nuu recht zahlreich auf und belebte besonders die Stoppelfelder östlich von: Dorfe Goscnakku, wo die Karawane ein Vager bezog, und zwar war dies nicht, wie gewöhnlich, eine einnächtliche Vagerstätte, sondern man richtete sich zu einem Aufenthalt von mehreren Tagen behaglich ein. Ich selbst begab mich bei unserer Ankunft mit Gadjerc in'S Dorf hinein, um mein Pferd zu tränken und zugleich den Ort in Augenschein zn nehmen. Er ist von beträchtlicher Grüße und besteht aus eiuem inneren, mit einem dichten Verhau starker Baumstämme umgebenen, Theil und mehreren rings umher liegenden offenen Vorstädten. Es war noch früh am Nachmittag, der Brunnen daher noch nicht besucht und ganz zu unserer Verfügung, während ich später das Wasser bezahlen mußte. — Während der heißen Mittagsstunden sind weder Dörfer noch Städte in diesen Gegenden sehr belebt, außer wo ein Markt gehalten wird. Bald regte es sich aber auch im Vager; eine große Anzahl Weiber begannen alle Arten von Delikatessen mit lautem, marktschreierischem Rufen feilzubietcu, und bis zum Abeud erschallte diese unharmonische Iahrmarttösymphonie, zu der die Worte „nonu" (saure Milch), „mai" (Butter), „dodoa" (die oben erwähnten vegetabilischen Kuchen), „kuka" (die jungen Blätter der ^daiisunia. cki^i-tatH, aus welchen eine Brühe gelocht wird, die man zum Fleisch und ------ 240 ------ dem „tlw" genießt) und „yaru da daria" den Refrain bildeten. Die letzteren Worte sind für die heitere Gemüthsart des Hanssa-Bolkes sehr bezeichnend und bedeuten wörtlich „der lachende Junge" oder „der Junge zum Vachen"; es ist dies der Name, welchen man hier der süßen (ärdnmndcl gibt, die, leicht in Asche geröstet, allerdings eine der einfachsten, aber besten Delikatessen des Landes ist. Die gewöhnliche Mhrnng der Cingeboruen des Sudans, „tuo", eiu warmer Teig oder Pudding ans Hirse („gero", I'^nili^wm t^>koü^um), ward nicht feilgeboten, da die Kel-owi vou Assben sich nichts daraus ulacheu, dagegen ihr Hirseuwasser, ..fura", d. h. einen einfachen Aufguß auf nur wenig im Mörser gestampfte rohe Hirse, vor Allem lieben. Allerdings würzen sie dieses Getränt mit vorzüglichem Ziegenkäse, der in ihrer kühleren Heimath freilich eine verdaulichere Speise bildet, als in den heißen Landschaften des Sudans. Am zweiten Tage unseres Aufenthaltes im Lager bei Gosenaklo vereinigten sich mehrere zurückgebliebene Abtheilungen des Airi wieder mit uns, so daß Alles Men und Regsamkeit war. Auch ich tonnte an diesem Abend mit meinem Loose zufrieden sein; denn ich war nach vieler Mühe so glücklich gewesen, ein paar Hühner aufzutrciben (der Sprnch der arabischen Haudelslcute für Damerghu: ,fcin Huhn für eine Nadel", hatte leider sowohl dort als hier seine Gültigkeit verloren), die mir eiu glänzendes Abcndbrod gewährten, währende ein Maimolo mit einer eintönigen, aber gefühlvollen Melodie anf feinem dreisaitigen Instrnment, begleitet von einem Gesang zu meinem Lobe, mich uutcrhielt. Ich hatte beschlossen, den hiesigen Aufenthalt dazu zu benutzen, einen Ausflug nach dem nur wenige Meilen entfernten Tessaua zn machen, nnd hierfür den 15. Januar bestimmt. Am frühesteu Morgen dieses Tags aber wurde ich durch die Ankunft Farredji's, eines Dieners des Kel-owi-Hänptliugs Lu-ssu, mit drei Bornu - Reitern überrascht. Sie brachten Briefe von Letzterem und vom Scherif-ei-Fa-ssi, dem Agenten des Veziers des Scheichs von Born», an Eleidji, den Häuptling unfercr Karawane, worin demselben aufgetragen wurde, Overweg und mich selbst gegen nnseren Willen nach Sinder zu senden. Als Burwand diente die falfche Angabe, es sei ein Brief vom Konsul iu Tripoli cingelanfen, der unS anbeföhle, in Bornu zu bleiben, bis weitere Maaßregeln in Bezug auf unsere jüugstcn Verluste getroffen wären. Daß dies eitel Lüge sei, wußte Eleidji sehr wohl, und erklärte deßhalb, er würde uus uicht zwiugeu etwas ____ 241 ____ Men unseren Willen zu thnn. Auch an Annnr hatten die Boten einen Brief. Ich eilte nun nu: so mehr, nach Tessaua zu gehen, weil ich dort Herrn Overweg zu finden hoffte, und brach so zeitig als möglich auf. Die ersten drei Meilen Wegs führten durch unangebautes ^and, das sich auch westlich von Gosenatto erstreckte, und durch eine Wild niß, in der „dummia" und „gera^ssa" dic vorherrschenden Bäume waren. Nach ferneren zwei Meilen erreichten wir die Vorstädte von Tossaua, und am äußereu Stadtgrabeu, welcher rings um deu Verhau des inneren Platzes läuft, hingeheud, snchtcn wir die Wohnung des reichen ciugcbornen Häuptlings Al Wali, unter dessen besonderen Schutz Herr Overweg sich begeben hatte. Die Wohnung des ersten Enropäers und Dcntschcn, der je Te-ssaua bcsncht hatte, war zwar eng, aber doch sehr behaglich. Sie bestand ans einem durch Matten abgeschlossenen Hofranm; am Eingang rechts erhob sich der Manzpuiltt der gauzeu Wohuuug, eine geräuinige, auo Baumstämmen und Matteu erbaute Schattcuhallc, jenem gerade gegenüber die eigentliche Hütte. Diese hielt etwa 10 Fuß im Durch messer; die Manern waren aus ^chm — „baugo" —, das Dach von dem gewöhnlichen Rohrwerl erbant. Der innere Raum war durch eine schräg hiudnrchlaufende Scheidewand in häuslicher Weise abgeschlossen. Herr Overweg war nicht wenig iiber die Nachricht, die ich brachte, erstauut. Wir schickten sogleich zu dem Ghadamser Kaufmann El Wachschi, mit welchem wir im ^a^er zu Ofayet befreundet worden waren, um dessen Meiuung zn hören. Er gab uns den bestimmten Rath, nicht nach Tinder zu geheu, und vertheidigte diesen auch später in einem heftigen Streit gegen Farrcdji fclbst uud dessen Freunde Manso und Al Wali. Möglich war es, daß der Scheich von Bornu und sein Vezier den Schritt gutgeheißen uud den Agenten des letzteren in Sindcr iustruirt hattel«, uns abzuhalten, nach Kano zu gehen, einem Orte, auf den sie längst feindliche Absichten hatten; denn sie konnten seit längerer Zeit von nnserem Borhaben, den großen Handelsplatz zn bcsucheu, gehört habeu. Indessen war es nicht nnwahrscheinlich, daß ^u-ssu, eifersüchtig auf Aunur'S Einfluß auf uns, etwas mit der Sache zn thnn hatte. Es war aber unbedingt nothwendig, daß wenigstens Ein Mitglied uuserer Reise^ gesellschllft nach Kano ging, weil Herr Ooerwcg und ich sowohl wie Herr Richardsou eine beträchtliche Schuld dort abzutragen hatten. Während wir noch beriethen, wurde gemeldet, daß uuscr alter Varth'« «llsen. I. la ------ 242 ------ Beschützer Annnr selbst angekommen sei. Ich entschloß mich, ihn sofort auf seinem tleincn, wenig mehr als eine Meile nordöstlich von der Stadt gelegenen Gute Natschira anfznsnchen. Ich erreichte bald die in einer offenen Landschaft gelegene Hüttengruppe, in welcher der Häuptliug weilte. Unter einem weit zur Erde heranreichenden to-nischcn Schattendach lag der Gefürchtetc in der Mitte seiner Diener. Er war in vollständigem Negligs», nnr mit Beinkleidern angethan, das Hemd, zu einer Art Kissen znfammengerollt, als Stütze nntcr dem lilüen Arin. Er schien nicht in der besten ^aune zn sein, nicht einmal ein Trunk Wasser, geschweige denn eine Schale kühlender Fnra ward mir geboten, obgleich es gerade die heißeste Tageszeit war. Mehr als sein kaltes, nngastfrenndlichcs Wesen setzte es mich in Er stanncn, ans seinem eigenen Mnnde zn hören, daß cr gar nicht in Sinder gewesen sei, wohin er nach nnserer Meinnng dein Herrn Richardson das Geleit gegeben hatte, sondern daß er direkt von Tag-helel komme. Den für ihn bestimmten Brief von dort hatte er noch nicht bekommen, wnßte also noch nichts von der uns betreffenden Sendung. Um der Übeln ^aunc des Häuptlings auszuweichen, trieb ich mich mit Gadjerc auf dem Gute nmher. Cs erwies sich von leid licher Ansdehnuug. Die Ortschaft bestand aus zerstreut liegenden Hütten, deren Bewohner sämmtlich Angehörige nnd größtcutheils Sklaven Annnr's waren nnd in ziemlich behaglichen, wohlhabenden Umständen zn leben schienen. Ich überzeugte mich hier abermals, daß die Tuareg und namentlich die Kel-owi die Sklaven mit seltenen Ausnahmen nicht allein menschlich, sondern sogar mit der größten Schonung und Freundlichkeit behandeln; auch schienen sie mehr, als es im eigentlichen Sndan der Fall ist, das Familienleben der Sklaven zu begünstigen. Als ich von meiner Strcifcrei nach dem Hcrrngehöft znrück-kehrte, fand ich Overweg daselbst. Annnr hatte mittlerweile das von Sinder gebrachte Schreiben erhalten, und obwohl weder er selbst noch irgend einer seiner ^entc lesen tonnte, war ihn: doch der Inhalt schon bekannt geworden; er mißbilligte ihn entschieden und bedeutete uns, zn handeln, wie wir selbst es für das Beste hielten. So kehrte ich denn mit meinem ^andsmmm nach der Stadt zurück, verweilte noch eine Zeit lang bei ihm nnd langte gegen Abend in unserem ^ager wieder an. Ich war so wohl vorbereitet auf ein gutes Abendessen, daß ich nicht nmhin konnte, den gewöhnlichen Gruß „ina labari", „Was für Neuigkeiten?", in „ina labari-n-tutonia" oder „was giebt's ------ 243 ------ Neues im Kochtopf?" zur großen l5rhciteruug unserer Nachbarn zu paraphrasircn. Nichts wird den einzelnen Neiseudeu iu diesen Ge-genden besser schützcu, als ein gemüthliches Eingehen auf die Sitten der Eingeborucn. Ich war mit meinem heutigen Ausflug sehr zufrieden. Tessaua war der erste größere Ort des eigentlichen Negerlandes, den ich gesehen, uud er hatte bei mir einen sehr heiteren Eindruck hinterlassen. Neberall waren mir die unverkennbarsten Beweise einer behaglichen, sorgenlosen Lebensweise der Eingebornen vor die Augen getreten; ihre Wohnungen waren geeignet, sich mit den häuslichen Bedürfnissen, so weit sie hier empfunden wurdeu, bequem auszudehnen; dabeiwaren Hofraum uud Hütte ganz dazu gemacht, die Vertraulichkeit des Lebens zu fördern. Die ganze Wohnung war überdies von weitspannenden Bänmen beschattet und von zahlreichen Kindern, Ziegen, Hühueru und Tauben in gemüthlicher Unordnung belebt. Zu dieser lebendigen Staffage kau, bei größcrem Wohlstand wohl noch ein Pferd oder Packochse hinzu. Mit dieser Behaglichkeit der Wohnungen ist der Charakter der Bcvölternng selbst in vollständiger Uebereinstimmung: ein heiteres Temperament, welches das Vcbcn freudig geuießt, eine sanfte Zu^ ncignng znm weiblichen Geschlecht uud ^ust zu Gesang und Tanz, Alles aber ohne widerlichen Exzeß. Jedermann findet hier sein größtes Glück iu eiuer hübschen Genossin, uud sobald es die Umstände erlauben, fügt er der älteren eine jüngere Lebensgefährtin hinzu oder giebt auch wohl der früheren einen Scheidebrief. Nur die Reichsten haben mehr als zwei Frauen zur Zeit, der grüßte Theil der Bevölkerung nur eine einzige. Trotzdem, daß viele Einwohner noch dem Hcideuthum angehören und berauschcude Getränke nicht so streng verpönt siud, genießen sie ihre aus Sorghum bereitete „gia" mit Maaß uud Trunkenheit kommt so gut wie uie vor. Die Kleidung der Eingeborncn ist höchst einfach. Ein weites Hemd, meist von dunkler ssarbc, und Beinkleider, die jedoch bei längeren Märschen ausgezogen werden uud als Schnappsack dienen, geuügeu für den Mann; dabei ist der Kopf gewöhnlich mit einer leichten, ziemlich weiten Kappe ans Äaumwollzcug bedeckt, die, nachlässig aufgesetzt, allerlei Gestalte« annimmt. Andere, besonders Han-delslente und Mallems, tragen die kleine, eng anschließende, grüne Tnchtappc, die ihrer beiden i?hrlappen wegen Löwenmaul, „bati-n^ saki", gmanut wird. Nur Wohlhabende löuueu sich ciue „senne" ------ 244------ zulegen, die in Gestalt nnd der Weise, sie zu tragen, ganz dem schuttischen Plaid entspricht nnd aus dickeren, verschieden gestreiften Stoffen besteht. Hübsche Sandalen, einige kleine rothe Federtaschen, meist an einer Schnur um den Hals hängend, ein Armmcsser nnd einige kleinere Instrumente sollenden den Anzug. Die Frauen sind leidlich hübsch nnd haben, so lange sie jung find, einnehmende, regelmäßige Züge; ihre Körperformen sind von mäßiger Fülle, nnd schwere häusliche Arbeit macht sie früh altern. Ein großes dunkelfarbiges Baumwollentuch, die „tnrtedi", bildet fast die einzige dnrchgängige Tracht der Frauen; es wird bei Unverhei-rathctcn unter, bei Matronen über der Brust befestigt. Auf das Haar verwenden sie wenig Sorgfalt nnd ihr Schmuck beschränkt sich ineist auf einige Reihen Glasperlen nm den HalS. ^- Die auch hier in ziemlicher Anzahl in der Stadt lebenden Busaue nnterschciden sich in ihrer Kleidung namentlich durch deu Gesichtsshawl nnd die Art, wie sie ihre Haare tragen, die entweder kranzförmig um die Krone des Kopfes oder in einem langen Büschel stehen bleiben. Die heidnischen Einwohner tragen meist nur eineu Ledcrschurz; nur jüngere Kinder sind gänzlich nackt. So ist denn also auch schon hier ein gewisser Grad von Civilisation eingedrungen. Die Stadt, deren Bevölkerung sicherlich 10,000 Seelen beträgt, bietet das Bild eines regen Bebens nnd ihr Markt vermittelt einen recht lebhaften Handelsverkehr. Ich sah auf demselben eine große Anzahl Rinder nnd einige Kameclc zum Verkauf ausgestellt; Mensmittel bildeten den Hauptartikel, werthvolle Gegenstände aber sal) ich gar nicht. Ich füge hier noch einige Augaben über die Einkünfte und die Gewalt des Fürsten von Tessaua hinzu, welche ich Gadjere verdanke. Jedes Familienhaupt seines Gebietes zahlt ihm 3000 Kurdi Kopfsteuer, „tnrdi-wtai"; außerdem giebt eö mehrere Grade von Geldstrafen, „kurdi-n-laefi". Zum Beispiel für einem Anderen zugetheilte Prügel, höchst wahrscheinlich ziemlich derbe, hat man 10,000 Kurdi zu bezahlen; ein außereheliches Kiud gezeugt zu haben, kostet 100,000 Kurdi. Die Höhe dieser Summe, für die Verhältnisse des Bandes äußerst beträchtlich, ist wohl sicherlich ein Beweis dafür, wie sehr selten so etwas hier vorkomm.t. Im Falle eines vorbedachten Mordes verfällt das ganze Vermögen des Mörders dem Fürsten. Dieser hat über tteben und Tod zn gebieten, nnd von seiner Entscheidung gilt auch keine Berufung an den Beherrscher von Maradi; dagegen ist bei Maaßregeln von Wichtigkeit seine Gewalt durch eine Art Mini- ------ 245 ------ sterium beschränkt. Jedes der ihm untergebenen Dörfer hat seinen Schulzen, welcher tleiue Sachen selbst entscheidet nnd für die Steuer seines Bezirks verantwortlich ist. — Alles in Allem genommen, könnte das kleine Gebiet von Tessaua ein sehr glückliches Kindchen sein, wenn die Bewohner nicht fortwährend Naubzügen ausgesetzt wären. Da wir Donnerstag den 16. Januar noch liegen blieben, nahm ich den Brief von des Veziers Hadj Beschir Agenten in Sinder noch einmal vor und setzte mich dann hin, ihm eine seiner Anmaßung entsprechende Antwort zn schreiben. Ich versicherte ihn darin, daß ich auf's Höchste begierig sei, sowohl dem Sohne Mohammed el Ka-ncmi's als seinem aufgeklärten Bezier meine Aufwartung zu machen; jedoch würde ich erst meine Geschäfte in Kano besorget« nnd sei fest entschlossen, meinen Plan ohne seine Zwischenkuuft auszuführen, da ich nicht die geringste Neigung habe, ihm selbst einen Besuch abzustatten. Dieser Brief wurde für mich in der Folge von großer Wichtigkeit, da Schcrif^cl-Fa ssi ihu sofort nach Kutaua sandte und er dort beim Scheich und seinein Vezier dazu diente, mich sogleich einzuführen. Augenblicklich aber war es nicht ohne Schwierigkeit, die Antwort mit den kriegerischen Boten, welche die Briefe gebracht hatten, abzusenden. Sie schwuren, nicht ohne uns zurückkehren zu dürfen, nnd nnr die energischsten Erklärungen Annur's, der in unser ^ager gekommen war, uns gegen Jedermann vertheidigen zu wollen, nnd eiu Geschenk von mir von zwei Mithkalcu für Jeden vermochten sie endlich, mürrisch abzuziehen. So verpflichtete uus der alte energische, geradsinuigc, aber geizige Häuptling abermals zn großem Dank. Am anderen Tage, den 17. Januar, begab ich mich nochmals nach Tcssaua nnd stattete dann in Overwcg's Gesellschaft unserem Freunde El Wachschi einen Besuch ab. Wir fanden ihn bei der langweiligen nnd zeitraubenden, mit allen Handelsgeschäften in diesen Bändern verbnndeuen Arbeit des Mnschelzählens. Denn in allen diesen Binnenlandschaften sind die als Geld kursirrnden Muscheln, <^i'Hoa mo-lwta, nicht, wic an der Westküste, in Schnüren von je 100 aufgereiht, sondern müfsen einzeln gezählt werden. Die allgemein gebräuchliche Weise hierbei ist, je fünf und fünf znsammen abzuzählen nnd so Haufen von 200 nnd 1000 zu bilden. Nachdem unfer Freund endlich mit Hülfe von fünf oder sechs Gehülfen das wahrhaft heroische Werk, 500,000 Muscheln in dieser Weise zu zählen, vollendet hatte, statteten wir dem krauten Fürsten Masanadji eiucn Besnch ab. Hierauf be- ____ 246 ____ suchten wir noch den hier ansässigen „Bnsn" oder Tnareg^Mischling Amankei, jenen im Tagebnch des Herrn Richardson, so wie in dem ineinigcn öfter erwähnten nützlichen Bnrschen, der in unseren Diensten gestanden hatte. Auch sein Hans war von der oben beschriebenen Art, nnr war das Innere des Hofraums den profanen Augen des Fremden gänzlich entzogen. Wir machten Jedem seiner Angehörigen ein kleines (beschenk und winden mit einem Trnnk Fnra bewirthet.-Nachmittags streiften wir eine lange Zeit ans dem Markte umher, der an diesem Tage nicht so start besucht war, als da ich ihn zum ersten Male sah. Hier erblickte und kostete ich znerst das ans der Frucht des Magariabanmes gebackenc, etwas fade. Brod „tuo-u-magaria". Eiu Gegellstand nicht geringen Erstaunens aber waren für mich ganze Schüsseln voll gerüsteter Heuschrecken, „fara", die besonders bei miß-rathcner Kornernte einen großen Theil der Nahruug der Eingcbornen ausmachen. Die hierzu beuntzte Art ist die größere von etwa zwei Zoll Väuge und liefert ein ganz schmackhaftes bericht. Die Mitte des Marktplatzes war von kleinen erhöhten Feuerstcllen, „maideffa", eingenommen, wo kleine Stückchen Fleisch, auf Stöcke gespießt, gc. schmort und für eine einzelne Muschel, „uri", verkauft wurden. Nicht geringen Spaß machte es uns, das rothe Tuch, welches aus meinem Ballen im Thale Afis gestohlen wordeu war, hier zum Verkauf aus-geboten zu sehen. Der interessanteste Platz in der Stadt aber war die Färberei, „marina"; denn ich glanbe, daß diejenige, die wir in Augenschein nahmen, die einzige im ganzen Orte war. Sie bestand iu einer etwa ,-j Fuß erhöhten Plattform auö Vchm, welche 14 Köcher oder Töpfe hatte, iu welchen eine Mischung von Indigo den Blättern der I'c?-plii-usin, toxicnria, bereitet wird; hierin bleiben die Gewänder Einen bis vierzehn Tage liegen, je nachdem sie eine mehr oder weniger gc-sättigte Färbuug erhalteu solleu. Es siud iu der That diese Färbereien, welche manchen Gegenden des Sudaus einen gewissen Anstrich vou Civilisation geben uud an welche sich sehr interessante Fragen knüpfen. Denn dieser jetzt so ausgebreitete, das ganze Volksleben durchdringende Industriezweig ist cutschicdeu erst seit dem sechzehnten Jahrhundert erwacht, erst uach der Zeit, als ^eo Africanus diese Gegenden beschrieb. Ncr hat denn diese Afrikaner gelehrt, ihren schönen, wenn anch nur ans schmalen Streifen bestehenden, Bamnwollengcwcben jene ausgezeichnete Färbuug zu geben, die, wenn sie Danerhaftigteit besäße, den schönsten europäischen Erzeugnissen der Art nichts nachgeben würde? ____ 247 ____ Am Mend in's ^'ager bei Gosenakko zurückgetchrt, vernahm ich zu meiner großen Freude, daß wir am anderu Morgen (den 19. Januar) unseren Marsch fortfetzen würden, und wirklich ward er auch mit uugewöhnlicher Rüstigkeit angetreten, da alle Thiere wühl aus^ geruht wavcn. Tamarinden bildeten den ganzen Weg entlang den schönsten Schmnck der Gegend., Sie ward bei dem ansehnlichen Dorfe Kalgo, etwa 5 Meilen von unserem Vagerplatze, hügelig, indessen nur auf eine kurze Strecke. Einige Meilen weiter änderte sich dann ftlötz> lich der Charakter der Vandschaft, indem wieder dichte Gruppen von Dnmpalmcn (II)'i»1m0n<^ cm^l'oi'n,) anftratcn und ihre vicldurch-wuudenen Fächcrkroucn malerisch in luftiger Höhe ausbreiteten. Mehr aber als diese schlanken, gabelförmigen Fächerpalmeu erfreute mich der Anblick der „Vure^ oder „Äaure-Bä'ume", die wir bald nach Mittag autrafeu. Sie erinnerten nn'ch nämlich lebhaft an ein Erem-plar, welches im Alpenlande der Wüste, im Thal Borh-el, durch seinen besonders nppigm Wuchs einen dauernden Eindruck auf mich gemacht halte uud auch iu dcr That seine Staunneögcnosscu hier im fruchtbareu !)icgerland beträchtlich an Höhe übertraf. Bald darauf erreichten wir die „faddama" oder das Waldthal von Gasaua, und indem wir die in dichter Holzung versteckte Stadt znr Rechten ließen, lagerten wir eine kleine Strecke weiterhin auf eiucm freien Platze, der sich bald mit Hütern uud Kleinhändlern füllte. Unter den'Besuchen, die mir unterdessen zu Theil wurden, war der eiues ciugeboruen Mallem aus der Stadt der angenehmste; anständig und bescheiden in sciuem Benehmen, war er ein interessantes Beispiel dieser kleinen afrikanischen Gelehrten oder vielmehr Schul, meister, dereu Wissen, außer einer uft anziehenden Kenntniß ihres kleinen Wcltkreises, sich gewöhnlich auf das arabische A-B-E uud einige kleine Sprüche aus dein Kuran beschränkt. Um Sonnenuntergang kam der „Sserli-u-turaua" oder Konsul der Weißen aus der Stadt, um Geidji seine Aufwartung zu macheu. Er war reich und höchst malerisch gekleidet, iu grün und weiß gc> streifter Tobe, weiten Beinkleidern von der beliebten gesprenkelten Farbe des Perlhuhus uud mit grüner Seidenstickerei geziert. Sein Schwert war an dickeu Schuüreu von rother Seide mit uugcheureu Quasten über die rechte Schulter geschluugeu. Darüber trug er einen feuerrothen Beruus, während rund um sciue rothe Mütze ein roth uud weißer Turban kreuzwcis auf sehr zierliche und sorgfältige Art gewunden war. Dabei ritt er ein recht stattliches, wohlgenährtes ------248 ------ Roß, dessen Kopf und Hals iu sehr phantastischer Weise mit rinem Uebersiuß von Quasten, Schellen und kleine», Talismane enthaltenden Ledcrtäschchen geziert waren. Unter dem Sattel sah man eine Schabracke liegen, welche ans kleinen dreieckigen Stückchen aller möglichen Farben bestand. Dieser gezierte afrikanische StGer empfing mich, als Eleidji mich ihm vorstellte, mit einem Schwall der wohlgefälligsten Kompli-mente, die er mit dem schönsten nnd süßesten Accent, dessen dir Hansfa-Sprachc fähig ist, vorbrachte. Er hatte gewünscht, ein Geschenk als Passagegeld für den Statthalter von mir zu erpresseil, Eleidji jedoch hatte sein Ansinnen zurückgewiesen; er nmßte sich begniigen, mich ihm vorgestellt zn sehen. Dafür bat sich mein ehrlicher ^reuud nnd Beschützer in sehr naiver Weise später eine Tasse Kaffee von nur ans. Kaffee ist für diese ?rnte ein Hochgennß, den sie nicht oft haben, nnd für Solche, die wie Eleidji die Pilgerfahrt gemacht haben, ist dies Getränk zugleich eine Reminiscenz ihres Berweileus in arabischer Kultur. Es war dies das einzige Mal, daß Eleidji sich etwas von mir erbat. Dcr arme alte Mann knin drei Jahre später (1.^5)4) in der Mitte eben der Wildniß zwischen hier nnd itatsena nm, als er, sich allein überlassen, den engen Waldpfad verloren hatte. Er hat bei mir ein höchst freundliches, dauerndes Andenken hinterlassen. Ich sehe noch immer seine hohe, etwas gebeugte Gestalt, wie er, auf seinem schlanken weißen Meheri reitend, sich unterwegs eifrig nach den Grunde sätzen uusrres Glaubens erkundigte. Wenn er seinem Bruder an Energie nnd Scharfsinn nicht gleichkam, so übertraf er ihn bei weitem an Liebenswürdigkeit nnd Bescheidenheit nnd war uhne Zweifel unter den Kel olvi der ehrenweUheste nnd religiöseste Mann. Am Abend unterhielt »mch Gadjere mit der Erzählung einer nenntägigen Belagerung und Vestürmnng, welche die kriegerischen Bewohner Gasana's vor zwei Jahren gegen eine ganze Armee Bello's ausgehalten hätten. Dieser unternehmende, aber im Ganzen wenig erfolgreiche Pullo-Herrscher zog damals heran, nm die unabhängigen Heiden zu unterdrücken, mußte sich aber mit Schanden zurückziehen; es Ware» namentlich die Pfeilschützeu von Gasmia, welche den Rückzug erzWangen. Wir bliebeu anch den 30. Januar bei Gasaua gelagert, und so hatte ich Gelegenheit, ^Nachrichten verschiedener Art über die eben betretene, Landschaft einzusammeln. Einer meiner Berichterstatter war ein Hansstlave Auuur's, Namens Maadi, aus Äornu gebürtig, dcr früher drei Jahre unter den Mdina, den Seeräubern des Tsad, ------ 249 —^ von den Umwohnern Budduma genannt, in der Sklaverei gelebt hatte. Obgleich er durch jene räuberischen Insulaner seine Freiheit verloren, war er doch ein großer Bewunderer und aufrichtiger Vertheidiger ihres Nationalcharalters; er stellte sie als ein braves, ritterliches Volk dar. Sie seien, wenn auch m,r znm lleinen Theil zum Islam übergetreten, doch ein frommes, gottesfürchtiges Geschlecht und weder Diebstahl noch Betrug falle in ihrem Verkehr unter einander vor. — Nach den Mittheilungen Gadjere's nnd Anderer tonnte ich eine Viste der um Gasaua liegenden Orte anfertigen. Während man mir achtzehn auf der Ostscite der Stadt gelegene Plätze nannte, wurde auf der Westseite, welche den Einfälleil der Fellaui mehr ausgesetzt ist, nnr Ein namhafter Ort bezeichnet, Tinduktu, dessen Name seine nahen Beziehungen zu dem Berberstammc klar anzudeuten scheint. Alle diese Orte sollen Naffa, dem >.baba" dem Großen oder Häuptling — von Gasaua uutergeben sein, der selbst wieder in einer gewissen Leheusabhängig; teit von: Beherrscher Maradi's steht. Im Laufe des Bormittags hatten wir eine sehr interessante Er-scheiuuug im Lager, welche dcu nilnmer ruheuden stampf in diesen Bändern wohl bezeichnete. Ein Trupp von ungefähr 4l» Reitern, meist wohlberitteu, vou dem Sscrti-u Gumda angeführt, zog durch die Reihen des Lagers. Sie waren vou eiuer Anzahl schlanker und wohlgebauter Bogenschützen gefolgt, die außer einem Lederschnrz unbekleidet waren. Es war eine rüstige Heerschaar, und wenn auch im Allgemeinen in ganz Eeutral-Afrika kriegerischer Muth uicht ebeu die glänzendste Eigeuschaft der Eingeburncu ist, so gehören doch diese Grenzbewohner sicherlich zu den muthigsten Streitern. Der Reiter trupp war auf dem Wege, sich dein räuberischen Einfalle des Fürsten vou Maradi in das Gebiet der Fellaui anzuschließen. Wie das ganze Veben in diesen Gegenden ein wuudcrsames Gewirr der widersprechend-strn Bestrebungen ist, ein Gemisch der äußersten Barbarei und einer gewissen Gesittung, so bot sich auch hier zur selbcu Zeit ein Schan^ spiel ganz anderer Art unseren Augen dar. Es war die Ankunft der Natrontarawane des Hadj Al Wali auf ihrem Wege vom Tsad nach Nupc oder, wie die Haussa sagen, Nyffi am unteren Vauf des Niger. Sie marschirtc in feierlichem Aufzug, uon zwei Trommeln begleitet, einher, ein gefälliges Bild des lebhaften und gemüthlichen Charakters des Haussa-Volkes. So in die verschiedenen Seiten des Bebens dieser Landschaft eingeführt, machte ich mich auf, das Iunere der Stadt zu besuchen. ------ 250 ------ Gasaua oder Gcsaun ist als der südlichste Ort dor Maradi-Gober-Bundesgenossenschaft den steten Angriffen der zu>n Islam überge. tretenen Fellani völlig bloßgcstellt. Diese ^age bedingt den ganzen Charakter der Stadt, Es sind daher auch die Vorstädte von einem starten Verback und eiuem tiefen traben niugeben. Die Stadt bildet ein fast regelmäßiges Viereck mit einem aus M)M gebauten Thor in der Mitte jeder Seite. Dieser Umstand giebt der ganzen Befesti. guna. einen regelmäßigeren Ehuralter. Jedes Thor ist etwa 12 Fuß tief und hat ein oberes befestigtes Stockwerk für etwa ein Dutzend Bogenschützen; eine solche Befestigung des Thores nennen die Hau-sfaua sehr bezeichnend den „Schöpf der Stadt" - „sanlwu-birni". — Im Ucbrigen hat die Stadt nngefähr denselben Umfang und das Innere denselben Character wie Tcsfana. Es wird alle Tage Mnrtt gehalten, doch ist derselbe weit unbedeutender als der des letzteren Ortes; denn Tessaua bietet mehr Sicherheit uud bildet ein kleines Entrepot für die vom Norden kommenden Kaufleute. Die Bedeutung Gasaua's dagegen beruht mehr in der Wichtigkeit, die es in Bezug auf dcu Kampf zwischen Heidcuthum uud Islam iu diesen Gegenden besitzt. Dieser Umstand ist nicht ohne Einfluß auf deu Eharakter seiner Bewohner geblieben. In der That lag ein gewisser Ernst auf der ganzen Stadt nnd von lustigem ^ebcu zeigte sich kaum eine Spur. Die Bewohner sind meist lernige, muskulöse Gcstalteu, uud der Einfluss der schlanken Gestalt des Amo-scharh zeigt sich hier schon weniger. Bon den Weibern bekam ich nicht genug zu Gesicht, um über sie eiu Urtheil zu fälleu; eben so wenig sah ich von der häuö> lichen Einrichtung im Allgemeinen, da ich leider zu Fnsi war uud über die Hofzäune nicht hinwegschauen tonnte. Die gesammte Einwohner, schaft beträgt gewiß nicht nuter 10,000 Seelen; die meisten Bewohner sind Heiden und tragen demgemäß außer einem Vederschurz gar teine Kleidung. Es ist daher wohl sehr natürlich, daß die Marina oder Färberei, welche Gascma besitzt, von höchst geringer Anödehuung ist. In's Vager zurückgekehrt, ward ich Zeuge eiues Tanzes oder, besser gesagt, eines einfachen gymnastischen Spieles, das, fast von der Gesammtheit der Kel owi ausgeführt, eigentlich uur durch die große Anzahl der Theiluehmer voll Interesse wurde. Diese hatteu sich iu laugeu Reihen zu Paaren aufgestellt, mid indem sie eine regelmäßige Bewegung mit Arm und Bein beobachteten, ließen sie einige ihrer Gefährten im Innern einer jeden Reihe uuter ihren Armen, die sie auf-uud niederzogen, dnrchpassiren. ____ 251 -___ Als wir am 21. Januar zeitig aufbrachen, empfanden wir die Kälte der frischen Morgenluft sehr fühlbar; meiu Thermometer zeigte bei Sonnenaufgang nur 7° E., während an den znnächst vorhergegangenen Tagen um dieselbe Zeit des Morgens die Temperatur stets llm mehrere Grade höher, ja mehr als doppelt so hoch gewesen war. Anf den ersten drei Meilen Wegs unterbrachen von Zeit zu Zeit bebaute Felder das Unterholz, doch verlieh dak „ngille" in der Kanori> und „tabba" in der Hanssa Sprache genannte Dumgestrnftp der Landschaft ihren Hanptcharatter; ansgekiachsene Dninpalinen wurden erst weiterhin vorherrschend. Zn gleicher Zeit ward die Vand^ schaft offener und uur in dcr Ferne zog sich von Osten eiue niedere Hügelkette hin. Hier traten nene Arten Bäume auf, wie z. B. die „lokia" mit prosten Blättern von dunkelgrüner Farbe nnd einer grünen, ungenießbaren Frucht von der tröste eines Apfels. In den Waldungen des Mnfsgu Vandes fand ich später diesen Banm durch» aus vorherrschend. Sehr vereinzelt dagegen trat in zwei oder drei wie verwahrlosten Exemplaren die sonst so majestätische Delebpalmc auf, der von den Haussana „gigiua" genannte I',"l:l^,i8 ^l>t1li<»z,um; ich werde von dieser schon einige Mal erwähnten Palme erst ausführlicher reden, wo sie gan; in deu Charalter der legend uud daß Vebru des Voltes eingreift, nämlich im Vaude der Muffgu. Hier ist sie ein ganz erogenes Gewächs. Die Weise nnseres Marsches war heute nnglcich ernster als die letzten Tage; dl>nn wir zogen eine der gefährlichsten Straßen diefer von Kampf und Krieg erschütterten Gegenden, da für dir Sicherheit dieses streitigen Grenzgebietes Niemand ;n bürget, hat. Um Mittag hatten wir zur ^inleu einen dichten, von vögeln, namentlich Turtele tanben, reich belebten Wald nud um ;Niei Uhr Nachmittags betraten Wir eine hügelige Landschaft. Sie War mit einem schönen Krä'nterteppich bekleidet und der große, „gamschi" genannte Banm mit seinen breiten, fleischigen, herrlich grünen Blättern war der bemertrnswerthrste Gegenstand der Pflanzenwelt. Hier machten mich meine Gefährte», auf die ersten Fnßtapfen von Elephanten aufmerlsam. Wir hatten bisher "och keine Spur derselben angetroffen; es scheint also hier die Nord-grenze der Heimath des Elephanten für diesen Theil Eentral Afrila's zu sein. Am Tsad dagegen, noch viel mehr aber am sogenannten öliger breitet er fich ungleich weiter nach Norden aus, nämlich bis imn 17° N. Br. hinauf. Diese gauze Gegend war einst der Sih eines regen, blühenden ____ 252 ____ Lebens, mit zahlreichen Städten nnd Dörfern, bis im Anfang dieses Jahrhunderts der Djehadi oder Glaubeuseifcrer unter den in Gober angesiedelten Fulbe aufstand nnd diese znr Zerstörung und zum unbarmherzigen, fanatischen Krieg gegen Andersgläubige drängte. Ein stummes und dennoch beredtes Zeugniß dieser verheerenden ltämpfe liefert die Stätte der einst bedeutenden Stadt Daulama, welche wir in den, dichteren Theil des Waldes etwa halb fünf Uhr Nachmittags erreichten. Hierher hatte sich Magadjin Haddedu, König von Ka-tsena, nach der Einnahme seiner Residenz durch die Fulbe zurückgezogen u»d uun von hier ans einen hartnäckigen, aber erfolglosen Kampf gegen jene blutdürstigen Feinde politischer und religiöser Unat> hängigkcit geführt. Eiuuial wurden allerdings die ssulbe wieder aus Katsena hinausgedrängt, allein sie lehrten bald mit frischer Heeresmacht zurück, derHaussa^Fürst wurde für immer aus semer Residenz vertrieben nnd Dautama, wohin der Rest von Macht und Reichthum aus Katsena sich geflüchtet hatte, ward mit Sturm gcnommru, geplündert und verbrannt. Eine einzelne grausig massenhafte Kuka — ^6g,n-80M3. äißitata —, mit ihrem ungeheuren blätterlosen Astwert die traurige, melancholische Erinnerung des 5?rteö verkörpernd und gleichsam weinend über die Beröduug der Stätte menschlichen Daseins, ragte über das stachelige Unterholz enchor, welches, wie dies gewöhnlich der Hall ist, die ganze „tufai" — Stadtstätte — dicht bedeckte. Ist doch dieser gigantische Baum seiner Masse, allerdings nicht seiner Höhe nach der Gebieter der Pflanzenwelt, mit seinen vielfachen Nlch. anwenduugen, der stete Bogleiter menschlicher Siedelung. Hier bezeichnete er insbesondere die jetzt öde Stelle des einst so belebten Marktplatzes. Wie aus Furcht vor den bösen Geistern dieser verlassenen und verwilderten Stätte — die Mohammedaner leiden meist unter diesem Aberglauben — brach der ganze, aus mehreren hundert Menschen bc^ stehende, Airi in wildes Geschrei aus, in Flüche und Verwiinschnngen gegen dir Fellani, die Urheber solchen Jammers, die Zerstörer so vielen Nationalglncks. Alle Trommeln wirbelten nnd hallten weit durch den öden Wald; Jeder drängte ängstlich vorwärts, so schnell als möglich diese wilde, melancholische Stätte hinter sich zu lassen. Wohl haben die Assbenana Ursache, die blutigen Siege der Fellani zu be^ tlagen; denn die Besiegten, die Goberaua, sind ihre Bluts- und Stammverwandten, wenn gleich von ihnen selbst früher aus Assben verdrängt, — die Sieger dagegen ein grundvcrschicdeuer Stamm, der, ------ 253 ------ wie dunkel und räthselhaft auch bis jetzt uoch sein Ursprung, seine Geschichte lind seiuc Sprache ist, doch der großen syrisch-libyschen Familie fremd zu sein scheint. — Für mich war das Ganze ein überaus interessantes Schauspiel, ein lebensvolles Intermezzo der sonst so einförmigen Reise. Noch jetzt war das Heidenthnm, das hier im dampfe unterlegen war, lebendig vertrete». So hatten wir kurz vor Sonnenuntergang zn nnserer Seite eine große, in schön geschwungener Linie bis zn etwa 4l) Fuß ans dem Boden aufspringende Granitmasse. Dies war eine heilige Oftfcrstätte aus unlängst verflossener Zeit; sie heißt Kurrematse. Es war schou völlig dunkel geworden, als wir nach einem langen Tagemarsch uuser Lager aufschlugen. Da der Boden sehr uneben und die Finsterniß groß war, geschah es in grußer Unordnung. Als wir uus endlich eiuigermaaßen eingerichtet und ein Feuer augezüudet hatten, unterhielt mich Gadjere in seiner einfach beredten, gemüthlichen Weise; er erzählte mir, wie Bellu außer Dankama auch die Städte Djantuki und Madaua in dieser Landschaft zerstört habe, die nun zu so schauerlicher Wildniß geworden. Daß jedoch noch immer einiges Leben hier ist, wenn anch nicht nahe der Hauptadcr des Verkehrs, geht aus der nicht unbedeutenden Anzahl von Orten hervor, die mir mein Begleiter nannte; sie sollen fast sämmtlich im Nordwesteu unserer Straße oder weiter südlich auf der Westseite derselben liegen. Mehrere mit dem Wort „Ssamia" gebildete Namen sind deshalb bemerkenswerth, weil mir dieses eins der wenigen Wörter zu seiu scheint, welche den Ursprung eines Theils der Gober-Nation von den Kopten andeuten; „thamia" heißt nämlich im Koptischen das Werk, der Bau. Nachts hörten wir das Gebrüll eines Löwen ganz in der Nahe unseres Lagers; die Feuer hielten ihu jedoch zurück. Im Ganzen scheint mir in dem von mir bereisten Theil Central-Afrika's, mit Aus> nähme Assbens, dieses Raubthicr selten zu sein. Am andern Tag, den 22. Januar, gelangten wir nach füufstiin' digem Marsch an die anerkannte nördliche Grenze des Gebiets der Fellaui, so daß das unsichere, streitige Grenzgebiet nun hinter uns lag. Ein Graben don bedeutender Größe schnitt nnsercn Weg quer ab und brachte die Karawane zu längerem Stillstand. Von hier zog sich ein schmaler Pfad durch eine dichte Masse dornigen Unterholzes, welches mit dem Graben eine Art Anßenwerk znm Schutze des augebauten Feldlaudes und des Weidegruudes von ^atsena gegen ------254 ------ einen plötzlichen Ueberfall bildete. Mit halbzerrissenen Gewändn'u traten wir endlich ans diesem Dickicht hervor; die Felder waren mit schönen Äänmcn geschmückt, zeigten aber wenig Anbau. Hier ließen wir wiedcrnm eine jener isolirt auftretenden (^ranitmassen zur Seite und zwei Dörfer, Tulla und Talnmatu, zu unserer Vinten, deren Einwohner zu nnserer Begrüßung heranstanien, nnd lagerten in einer Entfernung von zwei Meilen nordöstlich von Mtseua uder vielinchr den iveiten, leeren Ringmauern dieser Stadt. Es war ein wichtiger Abschnitt in meiner Reise. Hier hatte ich das Gebiet jenes merkwürdigen Stammes erreicht, der in nachweisbarem allmählichen Strome von Westen, den Ufern des Senegal, her sich iiber das ganze Innere von Central-Afrila verbreitet hat. Zuerst lebten die Fellani still nnd bescheiden als ..berrorodji" oder Waldhirten friedlich in den Waldungen nnd auf den Triften mit ihren Rindcrhcerdcn, wie sie es denn auch waren, welche zuerst das Rind, wenigstens die größere Art mit langgelrnmmtrm Horn, in diese Gc^ gendcn einführten. Dann immer starter und stärker werdend und schon im 16. Jahrhundert unserer Zeitrechnung selbst in Aornn als cm bcmertlicher Theil der Bevölternng anstretend, mischten sie sich schon seit dem Falle des Ssonrhai-Reiches in die politischen verhält nisse und gründeten dann im Anfang dieses Jahrhunderts, von dem reformatorischen ^mpnls des ^slam ergriffen, siegreich nene Reiche ans den Trümmern der alten, durch Biirgertriegc zerfallenen. — ssür den ganzen Erfolg meiner Entdccknngsrcise war es von der höchsten Bcdentnng, wie ich mich zu diesem herrschenden Stamme stellen sollte. Hier war die erste Provinz jener ausgedehnten Reiche, hier der erste unabhängige Statthalter: der Sultan, wic er nach Sndausitte sich nennt, von Katscna. Während wir mein Zelt anfschlngen — es war das einzige im ganzen Vager und darnm, wenn anch tlcin nnd uuscheinbar, doch auffallend genng - ^ tam derselbe mit einem zahlreichen befolge wohlberittener Begleiter augesprengt und zog nahe am Vager vorüber. Er warf einen Blick anf mein Zelt, nnd obwohl er gewiß fchon lange vorher von nnserer Expedition gehört hatte, ward er doch jetzt offiziell von Elcidji belehrt, es sei dasjenige eines der drei Christen, die von Norden getommen wären. Demgemäß sandte er mir bald darauf einen fetten Widder nnd zwei große Kalabassen oder Dmnma's — aus der Schale der ^ncilw.i, t,'i1s>1iat,n. - voll Honig, ein fürstliches Geschenk, das mich aber eher beunruhigte als erfreute; denn es legte -— 255------ mir die Verpflichtung eines ebenfalls fürstlichen (Gegengeschenkes anf, N'ährend ich zur Zeit nicht einen einzigen werthvullen Gegenstand besaß. Meine Befürchtnng wnrde denn mich schon am anderen Murgen dnrch Eleidji bestätigt, der mir mittheilte, der Sultan erwarte in der That ein bedeutendes beschenk und würde mich im entgegengesetzten Falle an der Fortsetzung der Reise hindern. Unter solchen Umständen dürfte ich nicht wagen, die Stadt zu besuchen, und ' blieb daher rnhig im Vager. Der Statthalter hielt am Mittag in der Nähe unseres ^ager^ Platzes eine Art Revue iiber eiuigc hundert wohlberitteue Reiter. Ihre Waffen bestanden in einem langen Schwert, dem Armdulch der Tuareg nnd einer langen, schweren Lanze als Hauptwaffe; sie waren jedoch nicht dnrchgängig mit allen diesen Waffen versehen, dagegen trngen vier bis fünf Reiter Fliuten. Die Meisten hatten Schilde, entweder derselben Art wie die der Tuareg, oder ans Bnffelfell und rnnd, von wenigstens fünf Fuß Durchmesser. Die Kleidung war malerisch, aber, weil zu kriegerischen Zwecken bestimmt, nicht so weit und vornehm, als man sie sonst wohl hier zu trageu Pflegt. Die beiden Hemden, die Jeder gewöhnlich trägt, waren nut ägyptischen rothweißcn Shawls um die Brust befestigt; auch der Beruus, den der Eine oder der Andere trng, war um die Brust geschluugen. Die meisten Reiter, das heißt alle Fnlbc, trngen einen schwarzen Gesichtsshawl, „rauaui", ciue Sitte, welche die Fellalwn-Haussa nicht aus dem abergläubischen Grnnd, ihren Mnnd zu verdecken, sondern weil sie glauben, das; es kriegerischer aussehe und gut stehe, von den Imo-scharh angenommen haben. Das Pferdegeschirr war Haussa-Erzeugniß, die Sättel von denen der Tuareg gänzlich verschieden, am auffallendsten aber die überaus engen Steigbügel mit mehr als in einem Halbkreis nach unten gcbogeuer Suhle. Die gauze Revue schieu eine Demonstration gegcu die Kel-owi zu sciu, die uatürlicheu Verbündeten der uuabhäugigcu Haussa-Stämme von Gober nnd Maradi, mit denen vereint sie leicht einmal den Ver^ such machen könnten, die aumaßlicheu Fellaui aus den eroberten Pro^ vinzcn wieder zu vertreiben. Es ist diese politische Stellung der Kcl-owi, die sie trotz aller ihrer Ränbercicn noch imincr auf leidlichem Fuß mit deu Herrscheru von Bornil erhält. Wie schon diese Reiter-schaar einen hohen Grad von Prnuk nnd die Nachäfferei eines Hofstaats zeigte, so noch mehr ein Trupp von acht beritteneu Musitanten, die hur fürstlicheu Garde gehörten. Sie machten am Nachmittag die ------ 25l! Runde im Vager »nid kamen auch vor »nein Zelt, um ein Probestück ihrer Fertigkeit abznlegeu. Die Instrumente bestanden in der Trommel — „ganga" -, sehr ähnlich uuseren Instrumenten der Art, aber Kon mehr als dreifacher Größe; dem langen Blasinstrnment — „Pam pammc" —; einem kürzeren, einer Art Flöte - „elgaita" - ; einer Art Doppeltympannm — ..talangu" - : einem andern Tympanum mit Einer Seite— „lufo"—; einer Art doppelter ägyptischer „dara-bute" oder „djodjo", und einem kleinen Hurn — „tafu". Die Vtu-süanten verstanden zwar mit diesen Instrumeutcn eiueu gehörigen Värm zu inachen, doch war derselbe weder harmonisch noch eigeuthüm lich, und ich war froh, meine Verbindlichkeit für diese musitalische Unterhaltung durch eine ansehnliche Menge Gewürznelke,, lösen zu können, da ich weder Tücher noch andere passende Geschenke besaß. Freitag der 24. Januar war der Tag, an welchen, nnö der Statthalter Andicnz geben wollte, nnd so machte ich mich denn nm Mittag mit Eleidji nnd einer großen Anzahl Assbenaua anf den Weg. Strenger Hofetiquette gemäß ließen wir uns in beträchtlicher Entfernung von der Stelle, wo der Fürst saß, unter einem Bauine nieder nnd warteten, bis wir in die Gegenwart Tr. Hoheit gerufen wurden. Endlich kam der Vrudcr des Statthalters, der das Amt des Ghala-dima bekleidete, dahergrwatschelt, ein Mann von außerordentlicher Km^ pnlenz, indem nichts alc« die scharfen, ansdrnMvolleu Gcsichwznge uud der kleiue ziegeuähnliche Bart ihn als Pllllu oder Ba-fellantschi ') bezeichneten. Er wünschte meine Angelegenheit ganz von dcrjeuigen Eleidji's zn trennen, nnd obgleich dieser erklärte, nur meinetwegen gekommen zn sein, wurde ich dennoch bald darauf dnrch einen Diener des Sserli eingeladen, allein vor ihm zu erscheinen. So sah ich mich denn gezwungen, mein eigenes Glück zn versuchen. Mohammed Äello Jerima saß nnter einen« großen, weitschattigeu Tamariudenbamu, eiu ziemlich hagerer Manu von mittleren Jahren, mit scharfen, einen leidenschaftlichen Charakter verrathenden Zügen, seine Mridnng in hohem Grad einfach. Er trng ein weites, weißeö, sehr feines Hemd uud eiucu schwarzen Nanani, der nur den Untertheil seines Gesichtes bedeckte, so daß dessen Züge wohl kenntlich waren; nm so glänzender war die Kleiduug sriuer Umgebung. Sie saß in Halbkreis zu seiuen beiden Seiten uud bildete so ein natürliches Spalier für Jeden, der dem Fürsten seine Aufwartung machte. ') Die einzig richtige Haussa»Form silr den Singular von Fellani. —^ 257 — Gefaßt trat ich in die Oeffnung dieses Halbkreises und sehte mich, deu Sultan auf Haussa begrüßend, nieder; dann erklärte ich ihm mit wenigen Worten, daß ich und meine Gefährten fast Alles, was wir an werthvollcn Gegenständen mitgebracht, an der Grenze von Assben eingebüßt hätten, daß der geringe mir gebliebene Besitz schon nach Kano vorausgegangen sei, nnd daß er daher entschnldigcn müsse, wenn ich gegenwärtig nicht im Stande sei, ihm ein seiner hohen Stellung angemessenes Geschenk zu machen. Es sei jedoch mein drin-gender Wunsch, ohne Aufenthalt nach Kano zu gehen, um meine Geschäfte dort zu ordneu, mid dann nach Bornn vorzudringen, wo ich für mich nnd meine Gefährten neue Mittel zu fiudeu hoffte. Für diesen Fall gab ich ihm die Zusichernng, daß von Bornn aus einer unserer Gesellschaft nach Ssototo gehen würde, um seinem Lehnsherrn, dem Emir cl Mnmenin, die Aufwartung zu machen. Der Fürst erwiederte meine Anrede mit viel scheinbarer Freundlichkeit. Er erklärte, daß ich nun unter seiner Imana, d. h. seinem Schutze, stände, nnd daß er keine andere Absicht habe, als Alles, was in seinen Kräften stehe, zu meinem Besten zu thun. Er erkundigte sich dann nach meinen Gefährten, obwohl er sehr wohl mit Allem bekannt war, was sie betraf, nnd schien dnrchans keinen Anstoß daran zu nehmen, daß Overweg nach Maradi gegangen war, dessen Volt und Fürst feine unversöhnlichsten Feinde sind. Während er aber gegen mich selbst so frenndschaftliche Absichten aussprach, änßerte er gegen die ihm zunächst Sitzenden, daß er ein Thür sein würde, wenn er mich aus seinen Händen ließe, da der Beherrscher von Bornu den Einen meiner Gefährten nnd der von Marabi den Audern festhielte. Nach diesem Beweis seiner Doppelzüngigkeit geschah es nicht eben mit leichtem Herzen, als ich mich aus seiner Gegenwart entfernte. — Mein Geschenk hatte übrigens ans zwei schönen rothen Mützen bestanden, einem Stück gedruckten Kattuns, dessen Muster freilich keineswegs dem Sudan-Geschmack entsprach, einem englischen Nasirmesser und einer Scheere, eiucm Pfnnd Nelken, eben so viel Weihranch, einem Stück wohlriechender Seife nnd einem Packet englischer Nadeln. Obgleich dies sicher eben kein glänzendes Geschenk war, war es doch, im Grunde genommen, genng; hatte mir doch auch Annnr gesagt, wenn ich mit der Salzkafla reiste, würde ein ganz kleines Geschenk hinreichen. Allein der Fürst schien anderer Meinung zu sein und seiner Habsucht und seinem Hochmuth genügte das Dargebotene nicht. .Früh am nächsten Morgen, als es noch dunkel war, kam einer North'« Reisen, I, . 17 ------258 ------ seiner Diener mit Eleidji an mnu Zelt und ersuchte mich, ich möchte aus freien Stücken hinter der Airi zurückbleiben. Ich tonnte mich, namentlich in Anbetracht meiner geringen Hülfsmittel, nicht hierzu entschließen und bereitete mich vor, die Karawane zu begleiten, da sie im Begriff war aufzubrechen. Elcidji aber wollte mir das nicht erlauben und blieb selbst mit mehreren der bedeutenderen Häuptlinge zurück, bis Hadi Bel-Rhet tam nnd offiziell auseinandersetzte, daß ich mich in die Stadt zu begeben habe, um dort die Entscheidung des Sserki abzuwarteu. — Da ich einsah, daß mir nichts übrig bliebe, als zu gehorchen, und ich auch noch meinen Empfehlnngsbrief vom Snltan von Agades vergebens vorgewiesen hatte, nahm ich von Elcidji Abschied, dankte ihm und seinen Begleitern für ihre Mühe und folgte Äel-Nhet nnd seinem Gefährten Mussa nach der Stadt. Mit diesem Hadj, Beleihet hatte mich schon am Tage vorher der in Ka-tsena augefesseuc Ghadamser Kaufmann El Wachschi bekannt gemacht, deu ich in Assben kennen gelernt hatte. Als einer meiner lästigsten Peiniger im Ncgcrlaudc ist Bcl-Rhet selbst jetzt noch ill meinen Reise erinuernngen ein mir nicht rbeu angcnehlner Gegenstand, wiewohl durch spätere Berührung mit ihm der erste höchst unerfreuliche Eindruck einigermaaßen verwischt worden ist. Er war ein aus Gurara in Tauat gebürtiger Mischling von Araber- nnd Berbcrblnt und hatte in seiner Hcimath einen brennenden Fanatismus eingesogen. Durch Gewandtheit hatte er sich dann während seines mehrjährigen Aufent Haltes in Katsena zu der thatsächlichen Stellung eines ,,sserti-n turaua" oder Kousuls der Weißen oder Araber aufgeschwnngcn. Stumm folgte ich meinem Begleiter mit meinen drei Renten, die die Köpfe alls Mißmnth uub Furcht häugcu ließe» ; mein schwer bcladeneS Bu-ssefi.Kameel und mein ^aststicr machten den Beschluß des melancholischen Zuges. Aber als wir die gewaltigen, wohlerhal tenen Manern der Stadt erreichten, brach ich »nein Schwelgen uud gab meiner Bewunderung über die Größe dieses Bauwerkes ohne Rückhalt Ausdruck. Bel-Nhct lächelte und fand sich geschmeichelt. Es war auch keiue leere Schmeichelei, denn die Manern von Äatseua sind wirtlich etwas Großartiges für dieses Land; maßen sie doch an dem Thore, durch welches wir unseren Ein;ug hielten, der „kofa-n^ Ssamri", am Fnße desselben, nicht weniger als 30 Fuß Dicke bei einer etwa gleichen Höhe, und dabei haben sie einen Umfang von über drei deutschen Meilen. Allerdings ist es kein solider Bau, son-dern besteht ganz aus Thon, aber so lange er in gutem Stand ____ 259 ____ erhalten wird, macht er sich doch ganz stattlich. Anders aber ist es allerdings mit dem Inneren der Stadt. Kamn scheint sie diesen Namen länger zu verdienen. Bei dem Eintritt ficht man nämlich nichts als zerstreute leichte Hütten und Stoppelfelder, die, von einer Menge reichbelaubter Bäume verschiedener Art beschattet, einen recht freundlichen, aber nur nicht städtische», Anblick gewähren. Der Umfang ist so ungeheuer, daß er wohl schwerlich selbst in der Periode des höchsten Glanzes von Katsena ganz mit Wohnungen ausgefüllt war. Wir hatten mehr als 1.^ Meilen zurückzulegen, ehe wir die „sinsfere" erreichten, eine kleine Wohnung, welche der Statthalter als Andienzplatz benutzt, wahrscheinlich wegen eiues herrlichen wilden Feigenbaumes, der, iu nächster Nähe stehcud, mit scineu weitsftannen> den Aesten ein dichtschattiges, prächtiges Vaubdach von wohl 100 Fuß im Durchmesser bildet, ein hinreichendes Schirmdach für ein zahlreiches Hofgesinde. — Hier mußte ich eine lange Zeit warten, bis der Statthalter von seinem Landsitz hereinkam und mich rufen ließ. Er dankte mir, daß ich bei ihm bleiben wolle, und versprach mir, daß ich gut behandelt werden follte, da ich nun seiu Gast sei. Sofort solle ein Haus zu meiner Verfügung gestellt werden. Ich verabschiedete mich für diesmal vou meinem neuen Schutz-Herr» und folgte Bel-Nhct nach meinem Quartier. Wir hatten bis dahin noch einen weiten Marsch zu macheu, erst an einzelnen zer-ftreutcu Gcbäudeu, daun au dem umfangreichen Palast deS Sultans vorüber dnrch die zusammeuhängenden Wohnungen der eigentlichen Stadt. Hier wurde mir ein kleines Haus gegenüber der Wohnung Bel-Nhet's angewiesen. (5s hatte eiuen trüben, unfreundlichen Cha-ratter und mochte, nach semen dunkeln Gängen zu schließen, früher zur Behausung eines Harim gedient haben, Kamn hatten wir dies Quartier bezogen, als mir der Sscrti einen Widder und zwei Ochsenladungen Brodfrucht zuschickte, die eine in „gero" (I'ennisetüin t^-pkoiäsum), die andere in „daua" (I^u1eu8 8«rßkum) bestehend. Aber anstatt durch diese anscheinend gastfreundliche Gabe erfreut zu werden, wurden wir insgesammt dnrch dieselbe im höchsten Grade erschreckt und sahen mit verzweiflnngsvollen Gesichtern bald uns selbst, bald die ccntncrschwercn Vorrathöschläuche an; denn ich nnd meine drei tteute hätten an diesen: Kurnvorrath wohl für ein Jahr genug gehabt, und nur zu gerecht schien die Befürchtung, daß unser Aufenthalt hier sich sehr in die Vänge ziehen »nachte, nnd daß der Statthalter wirtlich die Absicht ausführen wolle, mich direkt nach Ssokoto i?» ------ 260 ------ zu schicken, wie er gedroht halte. Für letzteren Fall saften mir meme Leute, selbst der getreue Mohanutted Gatroni, in bestimmten AuS-drücken den Dienst auf. Der Letztere hatte Diel von Clapperton's Schicksal gehört, der nach der Erzählling der Araber vergiftet sein sollte, uud hegte eine unbeschreibliche Furcht vor Ssototo. Indessen ließ mir Bel-Nhet nicht viel Zeit zu,n Nachdenken, sondern stellte sich sehr bald ein, mich abermals znm Statthalter zu führen. Anßer mir, Bel-Rhet und dessen beständigem Begleiter Mussa war noch der schon früher erwähnte Kaufmann Hadj Wali zugegen, den ich von Tcssaua her kannte. Hatte dieser mich dort überreden wollen, nach Sinder zu gehen, so stellte er nnn den Statthalter von Katseua als den größten Potentaten im Sudan und als den Maun dar, dessen Freundschaft mir über Alles werth sein müsse. Danu begann der Sscrti selbst, seine Nolle zu spielen, wie er deuu entschiedenes Talent zum Schauspieler zu haben schien. (5s handelte sich namentlich um die Dcutnug des unglücklichen Briefes des Sul tans von Agades, aus dem allerdings, wie ich von Anfang an gefürchtet, geschlossen werdeu tonnte, daß mich dieser direkt an den Statthalter von Katseua geschickt habe, nm mich sicher nach Ssototo zu senden. Alle meine Einreden, meine triftigsten (Gründe fruchteten nichts; Mohammed Bcllo hatte für jeden eine Antwort und schämte sich sogar nicht, direkt gegen mich zu wiederholen, was er am Tage zuvor in der ersten Audienz gegen seine Umgebung geäußert hatte; natürlich wollte er mich nnr znrückhalten ^ nm mein Wohlthäter zu werden („sse, al chcre"). Ich sah, daß Widerrede nutzlos sein und daß ich besser thun würde, das (5nde der Komödie geduldig abzu warten; ich verabschiedete mich demnach und lehrte in meine Woh< nung znrück. Am andern Morgen wnrde ich dnvch l5l Wachschi's Besuch er freut, ^iachdeill ich mit ihm über meine ^agc gesprochen, ging ich mit ihm aus, mich ein wenig in der Stadt umzusehen. Kaum waren wir einige Schritte gegangen, als uns Bel-Rhet sah und mir heftige Vorwürfe darüber «nachte, daß ich ohne jeine l^rlanbniß ausgegangen sei. Nach einer warmen Cntgegnnng von meiner Seite wendete er sich in seinen« Aerger an meinen Begleiter und tadelte ihn, das; er mit diesem „tafer" wider den Willen des Sultans ausgegangen sei und denselben in seiner Widerspenstigkeit bestärke. Ich konnte mich nicht enthalten, ihm zu sagen, daß es seiner Unverschämtheit vorbehalten geweseil wäre, mich zuerst mit dem von ihm gebrauchten Namen zu ____ 2ßl ____ beleidign. Er entschuldigte sich nnn damit, die eigentliche Bedeutung des Worts „kafer" nicht zu kenneu, und knüpfte ein Gespräch über die Beziehungen der Engländer zu den verschiedenen mohammedanischen Staaten an. Auch hier sah ich mich genöthigt, seinen anmaßenden Urtheilen mit Entschiedenheit entgegenzutreteu, und überließ zuletzt den ergrimmten Moslem seinen eigenen Betrachtungen. So iu Nnhc gelassen, begab ich mich mit El Wachschi zu der Wohnuug eines Mannes ans Ghndames, bei dem wir mehrere arabische und einheimische Kaufleute trafen. Einer derselben, ebenfalls aus OhadameS, führte denselben Namen, welchen ich mir anf diesen Reifen zu nngezwnngenerein Hingänge mit den Eingebornen beigelegt hatte — Abd el 5terim. Dieser mein Namensgeuosse hatte Abdullah (Clapperton) auf dessen zweiter Reise, von Kano nach Ssokoto be-gleitet uud war mit allen Verhältnissen desselben wohl bekannt. Auch er gehörte zu denen, welche glaubten oder zu glauben vorgaben, daß Elapperton von Vellc» vergiftet worden wäre, eine absurde Anklage, auf die ich im weitcrcu Verlauf meinet Erzählung zurückkommen werde. Man suchte mich auf alle Weise davon abzuhalten, je au eiueu Besuch in Ssokoto zu denken. Die Absicht dabei war Nar, denn diese Araber fürchten nichts mehr, als eine Eröffnung des Knara oder Niger für regelmäßigen Handelsverkehr. Abd el Kerim hörte mit Erstaunen und lebhaftem Interesse, daß Nischar (Richard Lander) nach Elapperton's Tod nicht nur die Küste in Sicherheit er> reicht habe, sondern mich später noch zwZimal wieder nach jenen gendeu zurückgekehrt sei, ehe er als Opfer seiner ltntrrnehmuugeu gefallen. Nach der Rückkehr iu meine, Wohmmg traf bald darauf Bel-" Rhet ein und bat nochmals nm Ver;eihnng, mich „tafer" genannt zu haben. Ich war natürlich über diese Reue hocherfreut uud suchte ihn auch meiuerseitS von meiner versöhnlichen Gesinnung zu über» zeugeu. Zu diesem Zweck cutlieh ich von El Wachschi einen Hut Zucker und brachte ihn zn Bel Rhet als ciu kleines Zeichen meiner Erkenntlichkeit für die Bemühungen, welche er sich meinetwegen mache. Zu gleicher Zeit aber zeigte ich ihm die beiden andern Briefe des Sultaus vou Agades, den einen für den Statthalter von Daura, den andern fiir denjemgen von Kano, als einen entschiedene.!, Beweis, dasi der Schreiber keineswegs beabsichtigt habe, mich dem Statthalter von Katseua als ^iue Art „abe-n tschi" -^ „eiueu kleineu Aubiß" ^ zuzuschicken. Bel-Rhet war erkenntlich für die ihm erwiesene Aufmerksamkeit, gab vor, erst jetzt meine Angelegenheit zu versteheu, uud ------ 262 ------ versprach mir seinen Beistand, wenn ich mich verbindlich machen wollte, von Vornn nach Katsena zurückzukehren, sobald wir genügende Hülfsmittel von der Küste ans erhalten haben würden. Ich ging nnter Bedingungen daranf ein; denn ich bezweifelte in der That damals sehr, daß wenigstens ich selbst im Stande sein würde, später noch einmal diese Gegenden zu besuchen. (5s war also ein um so großartigerer Triumph, daß ich nach zwei Jahren wirtlich im Stande war, nach Katsena zurückzukehren, und zwar mit reichlichen Geschenken. Da begegnete ich vor dem Thore der Stadt demselben Manne, welcher vom Statt> Halter hinausgeschickt war, nm den angemeldeten Fremden zu begrüßen; als er mich erkannte, nnd ich ihm sagtei „Hier bin ich! Obgleich meine beiden Gefährten gestorben sind, bin ich doch gekommen, mein Vor zwei Jahren gegebenes Wort zu losen", fiel er mir vor Freude zitternd um den Hals und rief einmal über das andere.- »Abd el Kerim! Abd el Kernn!" Damals verzieh ich diesem Mauur seine frü here Plackerei, weil ich sah, daß er im Grunde tein böswilliger Mensch sei. Gegenwärtig aber, von allen Mitteln entblößt, kämpfte ich mit meinem Schicksal, um meine großen Pläne nicht aufgeben zu müssen. — Solche Zustände muß man in Betracht ziehen, wenn man mit Gerechtigkeit beurtheilen will, was ich geleistet habe. Später begleitete ich berger Kleinwaare ansgcboten, als in jenem Orte, sonst aber herrschte Wenig Regsamkeit und nichts Besonderes war zu scheu. Nur zu deutlich offenbarte sich der Verfall dieses einst glänzenden und geschäftigen Em> ftoriums von Mittel-Afrika. Das Anziehendste für mich selbst waren Citronen von ansehnlicher Größe zu ungcmein billigem Preise nnd die prachtvolle, eben zur Reife gelangende Frucht der Gonda (l'^icg, ?apa^n). Diese letztere war im Verhältniß zu den hier sonst billigen Lebensrnitteln theuer; eine schöne, untadelhafte Frucht von sieben bis acht Zoll Länge und drei bis vier Zoll Dicke kostete 25 bis 30 Kurdi, eine Summe, von der ein Armer hier vier bis füuf Tage sein ^eben fristen kann. — Den Abcud brachte ich zu Hause mit meinen Veuteu zu, unter denen mir Gadjcre durch sein treuherziges, gerades Benehmen viele Freude machte. _ 263------ Auch am nächsten Tage ^bcu 27. Januar) schritt meine Ange^ legenhcit mit dem Sultan Bellu nicht um das Geringste vorwärts. Er verlangte nicht weniger als 100,000 Kurdi don mir, freilich nur 40 Speciesthalcr, dennoch aber für mich eine unerschwingliche Summe. Auch inuß man bedenken, daß von meinen Waaren schon bei ihrem Durchzug durch die Stadt ciu entsftrechcuder Zoll erhoben worden war. Bcllo erniedrigte sich sogar, seine Forderuug durch seine unangesprochene Gastfreundschaft zn begründen, und zählte auf, daß er mir zwei Widder, zwei Gefäße voll Honig nnd zwei Vasten Korn, zusammen im Werth von 11- bis 12,000 Kurdi, gegeben habe, ein Benehmen, sicherlich mehr eines Krämers als eines Sultans würdig. Erst am folgenden Tage gelang es mir, diese verdrießlichen Bcrhand lungen zum Abschluß zu bringen. Früh an, Morgen nämlich schickte ich zu El Wachschi nud ließ ihm sagen, daß ich mich zu jedem möglichen Opfer entschlossen hätte, und in Folge dessen Übermächte er mir einen Bernus für 52,000 Kurdi. Während ich noch ungewiß war, ob ich diese neue, für mich damals bedeutende Schnld eingehen sollte, lam Bel-Rhet. Er war ohne Zweifel in Furcht, daß, wenn ich dem Statthalter ein großes Geschellt machte, er selbst nichts bekommen würde, uud schlug daher vor, lieber mehrerlcl Sachen, aber von geringerem Werthe zn wählen. Darnach verschaffte mir El Wachschi einen ge^ ringen sammtenen Kaftan, einen Teppich, eine enge Weste, „ssedrie", und einen Shawl; alles dieses betrug zusammen nicht mehr als M,000 Kurdi. Ich fügte außer etwas Weihrauch uoch einen Bleistift und zwei starke Dosen Glaubersalz bei. Während Vel Rhet sich aufmachte, vollständigen Frieden zwischen mir und dem Statthalter zn schließen, besuchte ich mit El Wachschi und Gadjere den Markt, hierauf init letzterem einen Agenten Ma-sauadji's, des Fürsten von Tessaua. Es war dies ein Opfer, welches ich meinem treuen Begleiter brachte, der es sich vorgenommen zu haben schien, mir die Bedeutsamkeit seiner ^andsleute in Katsena zu zeigen. Er führte mich also einen Weg, auf welchem wir au dem Hause des Sultans von Agadrs vorbeikamen. Wenn anch jetzt, unk vielleicht nie, ein aktiver Snltan dieses eigenthümlichen kleinen Reichs hier residirt, so giebt es doch zu jeder Zeit meist mehrere Ersultane, die dann außerhalb ihrer frühereu Residenz ein Unterkommen suchen. Auch mciu Freund Abd el Kadiri, der damals regierende Sultan vou Agades, hielt sich in, Jahre 1854 uach seiner Absetzung hier auf. So kamen wir denn auf uuscrcr Wanderuug zur „tofa-n-Guga", ------ 264 ------ dem nordwestlichen Thore der Stadt, welches einst ganz den Assbe-naua zugehörte. Auf der Ebene vor diesem Thore nämlich lagerte der Airi, so lange Katsena das große Emporium dieses Theils von Tekrur war, d. h. bis zur Einnahme der Stadt durch die Fulbe. Die Mauer ist hier uuch sehr stark mid von außen wohl 35 bis 40 Fuß hoch; auf der Biuncnseitc dagegen haben Schutt und Erde sich dermaßen angehäuft, daß man bequem über die Mauer wegsehen kann. Kaum hatte ich mein dumpfes und dunkles Quartier wieder betreten, als Bel-Nhet tam, nm mir anzeigen, daß der Sserki durchaus nichts von meinem Eigenthum begehre; aber um das Geschenk zu ehren, wolle er sich herablassen, den Kaftau und den Teppich zu behalten, die Ssedrie nud den Shawl sende er mir zurück. Es ver-steht sich von selbst, daß diese als ein Geschenk in die Hände seines Zwischenhändlers, meines edlen Freundes ans Tauat, wanderten. Mohammed Vello aber wünschte dringend, etwas mehr Arznei von mir zu erhalten, nnd versprach, mir dagegen ein Pferd zu schenken. Dieser Wunsch wurde erfüllt und mir der folgende Morgen bestimmt, den Statthalter persönlich mit dem Gebrauch der Arzneien bekannt zu machen. Bello empfing mich am anderen Tage in seinem Privatzimmer und hielt mich volle zwei Stunden auf. Außer der Belehrung über die ihm geschickten Arzneien, „magunguna" (Sing. „magani") wünschte er noch zwei Dinge sehr verschiedener Natur, auch „magnnguna" im Sinne dieser Lentc nnd von allen Prinzen Tekrnr's sehr gesucht. Das eine war ein „magani-n-algua", ein Mittel zur Erhöhung männlicher Kraft und Stärke, um seine so schon ganz leidlich zahlreiche Familie wo möglich noch um ein Dutzend Kinder zu vermehren-, das andere ein „magani-n-yaki", eine Arznei des Kriegs, nm feinen Feinden Schrecken einzujagen. Unter dem letzteren verstand er Ra^ leten, mit deren ungeheuren Wirkung die Bewohner des Sudans durch die frühere Expedition bekannt geworden waren. Es kostete mir viel Mühe, ihn zu überzeugen, daß es mir nicht an gutem Willen fehle, ihm zu genügen, trotzdem daß ich seine bescheidenen Wünsche nicht befriedigen könnte. Endlich erklärte er mir mit schauspielerischer Declamation, daß er mir ein Gescheut mit einem „abi-nchaua", einem Ding zum Besteigen, machen wolle, ein Ausdruck, mit welchem er schon anzudeuten schien, daß es eben kein vorzügliches Pferd fein Werde, weil ich seinem Herzenswunsch nicht nachgekommen war. Das ------ 265 ------ Thier aber, sagte er, Wurde vollständig gesattelt und geschirrt sein; auch wolle er mir einen Elephanteuzahn nach >lano schicken. Das Erstere nahm ich mit Freuden an, das Letztere lehnte ich entschieden ab. Er erinnerte mich noch an mein Versprechen, wiederzukommen, und wir lreuntcu uns als die besten Freunde. In meiner Wohnung empfing ich dankbar die Glückwünsche, welche mir von allen Teilen über den erfreulichen Ausgang meiner Angelegenheit dargebracht wurden. Obwohl das Pferd, anf welches wir am nächsten Morgen lange warten mußten, ein sehr unansehnliches Thier nnd der Sattel zerbrochen war, alles andere Geschirr aber fehlte, so war ich doch sehr zufrieden damit und glaubte, genug Ursache zu haben, mich glücklich zu preisen. Ehe ich aber diesen interessanten, einst so wichtigen Mittelpunkt des LcbcnS in diesen Gegenden verlasse, will ich noch einige Beiner kungen über seine Vergangenheit und die gegenwärtigen Zustände hier einschalten. Katsena ist eins der Hauptgliedcr der HansscvNation wenn mau deu Ausdruck „Natiou" für so unausgebildrtc Völterverhältuisse, wie diejenigen MittebAfrita's sind, anwenden darf. Bei den dürf-tigen Nachrichten jedoch, welche wir besitzen, sind wir nicht im Stande, grnan zn bestimmen, wann die letztere sich als eine abgeschlossene Gruppe gebildet habe. Jedoch scheint es klar, daß der charakteristische und bedingende Bestandtheil derselben, das eigentliche >>anssa Elcmenl, nicht alt-einheimisch war, sondern erst in verhältnißiuäßig später Zeit in das Land einwanderte. Von einem der Staaten der Haussa-Unwn, und zwar vom allerbedentendsten und edelsten - ich meine Gober wissen wir bestimmt, daß er in alten Zeiten, lange vor der Zeit Ebu Valuta's, des großen maghrebinischcn Reisenden um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, einen writ nördlicheren Landstrich inne hatte. Eben so hat ma.i mich versichert, daß anch der Name "Haussa" selbst aus Norden stamme, und der Charakter der Sprache, das unzweifelhafteste Doknment alten Völferlebens, zeigt deutlich, daß das ursprimglichc Haussa-Volk aus jener Gegend kam. Als sein ältester Sitz im Sudan wird allgemein die Stadt Biram bezeichnet. Dieselbe liegt zwischen 5tano und Ehadedja, nahe bei letzteren!, und wird jetzt gewöhnlich Garn-n ghabbcs genannl. Baun, der Enkel dieser personifieirten Stadt — so erzählt die my thische Genealogie des Haussa - Volkes — »md Sohn itarbagari's (Personifikation der Eroberung Virams) war der Pater der ebenfalls ____ Zßg ____ personificirten sechs anderen Haussa-Staaten. Die Bedeutung des Namens Banu ist nicht völlig sicher, aber wahrscheinlich ist es, daß er die ehemalige Sklaverei der Nation andeutet, da ein ähnliches Wort, „bana", auf Haussa »Sklave" hrisit. Wichtig aber für den historischen Standpnntt nnd das oben Gesagte bestätigend ist die Angabe, daß die Mutter der Kinder Bann's dem Stamme der Deggara angehörte, einem jetzt sehr kleinen, heruntergekommenen Berberstamm, der im Norden von Munio seschaft ist. Daura, Gober, Kano, Rano (die beiden letzteren werden als Zwillinge aufgeführt), Katsena und Segfeg (ebenfalls ein Zwillingspaar) Nnd jene Kinder nnd bilden mit Biram die wohlbekannten ursprünglichen sieben Hanssa Staaten, die „Haussa bokeu", die „sieben Hanssa". Dagegen werden die sieben anderen Provinzen oder Bänder, in welchen die Haussa Sprache im Verlaufe der Zeit in größerer oder beschränkterer Ansdehnung neben der ursprünglichen Sprache der Eiugeborueu die Landessprache wurde, scherzweise „bansa bokeu«' — «die unehelichen Sieben" — genannt. ES sind dies die Landschaften Sanfara, Kebbi, Nupc oder 3tyffi, Guari, Mauri, V)oruba oder Mariba nnd das ^and, welches die Hau^ ssaua Kororofa nennen, das aber bei den Eingcbornen Mitschi .heißt.. Auch aus der (beschichte Katscna's war es mir nur möglich, dürftige Bruchstücke an das Tageslicht zu ziehen; denn die Bücher, welche eine umfassende Geschichte dieses Bandes enthielten, wurden von den fanatischen Fulbr oder Fellani nach der (5robernng der Hauptstadt absichtlich zerstört, nm so weit als möglich das Andenken der Geschichte der Eingebornen zu vernichten. Es hat sich jedoch ein Verzeichnis; der Könige des pandes nickst nur im Andenken des Volks — wenigstens der gebildeteren Einwohner Katsena's— erhalten, son-dern ist sogar bnrch Schrift bewahrt und kann bis in den Anfang des fnnfzchnten Jahrhunderts znrnck festgestellt werden. Für die Richtigteit dieses Verzeichnisses bürgen Thatsachen, die auf anderen zuverlässigen Anetten bernhen, so daß kein Grund vorhanden ist, weshalb wir demselben nicht volles Vertrancn schenken sollten. Als Gründer von Katsena, d. h. nicht der Stadt, sondern der staatlichen Einheit von Katsena, wird der Häuptling Komaio angesehen. Die politische Existenz der Provinz Katsena würde hiernach bis in dcn Anfang des siebenten Jahrhunderts der Hrdjra zurück-zuführe» som. Die von Komaio gegründete Dynastie umfaßte die Regierungen von vier Königen. Der letzte derselben wurde von Korä-u grtödtet, welcher von Zendutu, einer früher bedeutenden und ------ 267 ------ dem Namen nach schon dem Neisenden Dnpuis in Aschanti bekannt gewordenen Ortschaft, kam und eine nene Dynastie gründete. Wie lange diese regierte, bin ich nicht im Stande zn sagen. - Im Jahre 919 d. H. oder 151Z n. Chr. fand jener große Erobernngszug des gewaltigen Ssonrhai-Königs Hadj Mohammed Aslia statt: durch ihn wurden alle diese Provinzen in die größte Verwirrung gebracht. Nach veo's Darstellung erkannte Katsena damals die Oberherrschaft Kano's an. Jedenfalls war es nnr kurze Zeit dem Könige von Ssonrhai Unterthan nnd huldigte nachmals höchst wahrscheinlich dem energischen und erfolgreichen König von Kebbi, welcher den großen Astia nach Westen zurückwarf und nach Osten hin einen wechselvollen Kampf mit dem mächtigen Boruu-Künige Dnnama begann, veiber sind von diesem höchst interessanten Kriege nur schwache Andeutungen auf uns gekommen; doch ist es wahrscheinlich, daß Katsena bald darauf unter die Oberherrlichkeit Bornu's gerieth. In der Mitte des 10. Jahrhunderts d. H., also um die Mitte unseres 16. Jahrhunderts, war Ibrahim Madji König von Katsena, der dnrch den berühmten fanatischen tauater Missionär Muhammed ben Abo el Kerim zum Islam belehrt wurde. Etwa 50 Jahre nach dem Antritt der Negierung dieses ersten Moslem-Königs scheint eine neue Dynastie, die der sogenannten Habe, begonnen zu haben. Es hat sich die bestimmte Angabe erhalten, dieselbe habe 169 Jahre über Katsena regiert, und da sie 1222 n. d. H. von den Fulbe vertrieben wnrde, musi sie um das Jahr 105i3 d. H. (1643) zur Herrschaft gelangt sein. - Ehe ich indeß von dem Kampfe zwischen den Fulbe und den Habe sftreche, will ich noch Einiges über die Stadt Katsona selbst sagen. Wenn wir ^eo's Beschreibung klauben schenken, so müssen wir schließen, daß zu Ende des 15. Jahrhunderts die Provinz Katsena eines großeu Mittelpunktes noch entbehrte; denn er sagt, daß das Land bewohnt war in ,,^i«^<»Ii cn^nli intti k ^ui»n, lii ckppimy". Man darf jedoch annehmen, daß dieser gewandte, Maure, als er in spätern Jahren in Nom seinen Bericht über diese Bänder abfaßte, Kano mit Wttscua verwechselt hat. Wie früh schon hauptstädtisch lon-centrirte Siedelungcn in diesen Gegenden waren, sehen wir aus Ebn Batuta, der schon im 14. Jahrhundert von einer Stadt — „me-dina" — (Yober spricht. Die Stadt Katscna, deren Platz friiher einige getrennte Dörfer einnahmen, hat den Namen der Provinz wahrscheinlich erst dann erhalten, als sie sich durch ihre Größe einen ------Zssft ------ Vorherrschenden Rang unter den übrigen Ortschaften gesichert hatte. Diese Vergrößerung Katsena's ward besonders gefördert dlirch die Eroberung von ^ogo (zu (5nde d. 10. Jahrh.) dlirch den (General Mulm Hained's, des Herrschers von Marokko; denn nachdem diese Stadt Von einer grossen, gewerbflcisiigen Hauptstadt zn einer Provinzialstadt herabge snnlen war, muß sich ein großer Theil des hier loinentrirten Handels nach Äatsena gezogen hallen. So wuchs die Stadt endlich zu der enormen l^rösie an, welche sie in ihrer Umfangsmauer bis anf den hentigen Tag bewahrt hat, deren Ausdehnung volle drei deutsche Meilen beträgt. Wenn dieser ungeheure Ranni auch nur zur Hälfte und nicht einmal dicht bevölkert gewesen ist, indem viele Quartiere wahrscheinlich dnrch freie Plätze von bedeutender Ausdehnung von einander getrennt waren, muß die Stadt dennoch einmal eine Einwohnerzahl von gewiß IM,000 Seelen gehabt haben. Gegenwärtig, wo das bewohnte Viertel sich nur anf den nordwestlichen Theil des ganzen Stadtraums beschränkt, nnd wo selbst dies großcntheils verödet nnd nur sehr dünn bewohnt ist, hat sie wohl kaum 7<>M Einwohner. — Zur Zeit ihrer Blüthe war sie der Sitz eines der reichsten und angesehensten Fürsten im Sudan, wenn derselbe auch nie zu einer bedeutenden Macht gelangte nnd bei seiner Thronbesteigung sogar eine Art Tribut in Form eines Geschenkes an den Herrscher von Vornu entrichten mußte. 5tcttselm war in der That allem Anschein nach während des 17. und 18. Jahrhunderts n. (5hr. die bedeutendste lind blühendste Stadt zwischen der Hauptstadt Bornu's im Osten und Timbnktn im Westen, sowohl in kommerzieller als in politischer Vcziehuug, nnd hier scheint die dnrch den Verkehr mit den Arabern hervorgernfene Civilisation der Mgerstaaten ihren Höhepunkt erreicht zu haben; denn wie die Haussa - Sprache hier den größten Reichthum an Formen und die schönste Art der Aussprache sich erwarb, so zeichneten sich auch die Bewohner Katsena's vor denen der übrigen Haussa Städte durck, feineres Benehmen uud rege Betriebsamkeit vortheilhaft aus. — Diese Zustände aber änderten sich vollkommen im Jahre 1222 d. H. oder 1ttl>7 unserer Zeitrechnung. Damals stürmten die Fulbe — Fellani, wie sie bei den Hanssa-Völlcrn, oder Fellata, wie sie von den Aornu-^enten genannt werden - dnrch das Predigen des Reformators oder Djehadi's Othma» dan Fodie aufgeregt nnd in die religiös politische Verbindnua, dcr Djemmaa vereinigt, in wildem Fanatismus heran und bemächtigten sich der Stadt. Der stamps um Natsena war langwierig 269 __— und blutig. Mallem Rhomaro hatte in der That sieben Jahre lang ununterbrochen Krieg gegen die Stadt geführt, ehe er im Stande War, sie durch Hunger zur Uebergabc zu zwingen. Nochmals ver trieben ihn die Habe aus der Stadt, aber als er mit verstärkter Macht zurückkehrte, tonnten sie ihm nicht widerstehen. Fünf Fürsten von Katsena waren in diesem Kampf um die politische uud religiöse Freiheit schon gefallen, aber erst nach der gänzlichen Zerstörung Dankama's und dem Tode Magadjin Habdcdu's tonnte Mallem Nhomaro seiner Eroberung sich versichern. Seit ihrer Einnahme gericth die Stadt in raschen Verfall, und alle bedeutenderen ausländischen Kaufleute siedelten nach Kau» über, das nnn erft ansing, fich zum Emporinm des Handels in diesen« Theil des Sndans emporzuschwingen, während Katsena nur als Sitz eines Statthalters und als Mittelpunkt des Handels mit Nyffi einige Wichtigkeit behielt. Dies ist sehr bedauerlich, da die Vage von Katscna sowohl durch ihr Verhältniß zu den verschiedenen Haupt straßen, als anch wegen des ungleich gesunderen Mima's gegen Kano beträchtliche Vortheile bietet. Wie indeß die Zustände gegenwärtig sind und so lange nicht der Kampf zwischen Heidenthnm nnd Islam entschieden ist, wird die Stadt mehr und mehr verfallen. Mohammed Bello, der gegenwärtige Statthalter, hatte selbst schon die Absicht, die ungeheuren Ringmauern ganz anfznheben und in ihrer Nachbar schaft einen neuen, kleineren, aber leichter zu vertheidigenden Regierungssitz zu gründen; sein Obcrhcrr, der Emir el Mnmeuin, hat jedoch die Ausführung dieses Planes nicht erlaubt, uud so werden denn die ausgedehnten Mauern mit vieler Muhe vor gänzlichem Verfalle bewahrt. — Ich werde bei der Beschreibung meiner zweiten Durchreise im Jahre 1853 Gelegenheit haben, noch Einiges über das alltägliche Vebcn in dieser Stadt zn sagen; auf das Reich der Fulbe und den Charakter dieser höchst merkwürdigen, räthselhaften Nation, von dein ich während meines ersten Verkehrs mit ihnen einen sehr schlechten Begriff erhielt, werde ich an anderen'Orten anSführlicher zurückkommen. Der ganze Umfang der Provinz Katsena ist in neuerer Zeit sehr beschränkt wordcu, nm dem Statthalter nicht allzu viel Verlockung zu geben, sich unabhängig zu machen. Außerdem haben seit der Eroberung durch die Fnlbe viele Bezirke derselben durch die fortge^ setzteu Einfälle der noch unabhängigen Hanssaua uugemein gelitten, su daß die Bevölkerung der ganzen Provinz gegenwärtig wohl kaum ----- 270 ----- die Zahl von M)M) Köpfen übersteigen dürfte. Unter den zahlreichen Ortschafton, von deren hauptsächlichsten ich ein Verzeichnis in meinem ausführlichen Tagebuch mitgetheilt habe, haben sicherlich nicht weniger als fünfzig an 4000 Einwohner. — An Grundsteuer, „turdi-n-kassa", bringt dic Provinz nnr etwa 2<» bis :;<> V^illionen auf; dieselbe beträgt 2500 it'nrdi, also gerade ciucu SMiesthaler, für jedes Familienhaupt. Außerdeui wird von jedem Sklaven eine Steuer von 500 Uurdi erhuben. — Die Kriegsmacht der Provinz besteht nur aus etwa 2000 Mann zu Pferd und 5000 zu Fuß; letztere meistens Bogenschützen. Alles in Allem genommen, ist die Provinz Katsena trotz ihres Verfalles eine der schönsten im ganzen Sudan, und da sie gerade auf der Wasserscheide zwischen dein Niger nnd dem Bassin des Tsad liegt, auf einer durchschuittlichen Erhebung von 12- bis 1500 Fuß, mit einer leicht gehügeltcn und in einigen Gegenden sogar sanft gebirgigen Oberfläche, so bietet sie den Wassern einen leichten Abfluß nach verschiedenen Seiten hin, in zahllosen, kleinen Rinnen; die ^uft ist hier daher gesünder, als in den meisten andern Theilen des tr<^ ftischen Afrika, wo nur ein geringer oder gar tein Abflnsi ist. Eben der höheren ^age wegen gedeiht Baumwolle nicht gut, aber sonst find die Produkte mannichfaltig und reicher Art. So sind nntzbare Oänme hier häufiger als auderswo unter gleicher Breite. Die Banane, »ayaba", und die >,gunda" l^'lN'icn, I'npn.)^) werden au manchen bevorzugten Stellen gefunden, während die „doroa" (1'ni'Ilin.), die Tamarinde und die „kadcna" (vü.88ig. l'arlcii) die gewöhnlichsten Bäume in der ganzen Provinz sind nnd oft in dichten Grnpftcn bei^ saunuen stehen oder tlcinc Holzungen bilden. - Die westlicheren Bezirke werde ich bei der Erzählung meiner Reise nach Ssoloto im Jahre 1853 zu beschreiben haben; gegenwärtig führe ich den ^eser in den südöstlichen Theil der Provinz auf meinem Marsch nach Kano. Der 30. Zanuar, der Tag der endlichen Abreise von 5tatsena, war für mich ein sehr glücklicher Tag. Als ich mit meinem llcinen Reisetroß das südöstliche Thor, die Kofa-n-Kaura, erreichte, war es nnr zu Muthe, als euteilte ich einem Gefängnis?, nnd wieder im Vollgeinls; meiner Freiheit athmete ich tief auf, als ich dic freie Vandschaft außerhalb der Mauern betrat. Ich würde in der That einen sehr ungünstigen Eindruck uon Katsena mitgenommen haben, Ware es mir nicht vergönnt gewesen, noch einmal uutcr günstigereu 271 Verhältuisseu die Stadt zu besucheu und mich mit der herrschenden Klasse der Fulbe auf einen freundschaftlicheren Fuß zu stellen. Auf der Südseite der Stadt war die ganze Gcgeud uuangebaut und wild mit Unterholz bewachsen. Selbst der Verkehr auf der Straße war nicht sehr friedlicher Art; denn wir begegneteu nnr be^ waffneten Reitern uud Fußgängern, welche auf die Nachricht von dem Heercszug, welchen das feindliche Volk von Maradi ausrüste, nach Katsena eilten. Nach etwa drei Meilen passirten wir einen Brmmen, an welchen: die Franen eines benachbarten Dorfes die Vegctabilien des Landes zum Verkauf ausboten. Außer den schon öfter genannten Nahrungsmitteln waren hier auch Brodwurzelu, „goasa", und süße Kartoffeln, „dantali" (Oouvlilvnlil« Itilww«) zu haben. Trotz dieser friedlicheren Gruppe hörte das Vaud nicht auf, mit seinen wenigen, start verpallisadirten Dörfern, den geringen Spuren von ^audbau und seineu dichten Walduugcu, welche eiu Dorf vom andern trennten, den Eindruck eiues fehr Ullruhigen nnd uusichercu Zustandes zu macheu; auch trafen wir zum zweiten Mal mitteu in einem wilden Dickicht a»lf einen langen kriegerischen Zug von einigen hundert Reitern. Weiterhiu fingen Dumpalmen an aufzutreten, wie denn diese Palme als vereinzelte Zierde der gewöhnlicheren Betäubung über den ganzen breiten Gürtel zwischen dem 18° und 10° nördl. Br. sich auszudehnen scheint. Neben dieser schlanken Fä'cherpalme, welche die Tropengegenben mit der nördlicheren Zone in Verbindung setzt, waren die den ersteren eigenthümlichen Bäume, wie die überaus frisch be laubte „dumma", die „kaua" und die ungeheure „tuta", vorherrschend. Die lolossalen, an sich schon gewaltigen Bäumen cntsprccheudcn Aeste waren gänzlich ohne Blätter nnd machten daher einen um so großartigerm Ciudrnck der Masseiihafligteit und Ungeschlachtheit. Es ist eben diese Masseuhaftigtcit des gesammten Astwcrtcs, welche diesen Banm zum Ungeheuer der Pflanzenwelt macht nud ihm wohl den Vorrang vor irgend einem Baume Europa's einränmt; denn au bloßer Entwickelung des Stammes kommt die größte ^Vclan8sst!n^8?), ein großer Vogel mit prachtvollem hellblauen Gefieder, der meine Aufmerksamkeit erregte. Hier und da ließ sich eine Heerde mit Behaglichkeit über den reichen Weidegnmd sich ausbreitender Rin^ der sehen; alle waren von weißer Farbe und die Bnllen hatten den großen Wulst oder Höcker („toso" auf Haussa), der in Ueberfülle des Fettes auf einer Seite herabhing. Darin waren sie dem indischen Zebu gleich, an Größe aber übertrafen sie ihn bei weitem nnd Hörner und blauen unterschieden sie gänzlich von ihm. — Doch auch in dieser entzückenden Landschaft fehlte es nicht an einem Sinnbild der Zer störung; denn überall ließ sich die giftige Pflanze „tnmnia" sehen. Diese parlähnliche Scenerie, in welcher ich unter vielen, zum Theil schon öfter genannten, zum Theil mir unbelcnmtcn Baumarten auch den Butterbaum, „kadena" (Iw«8ik du^i^^a,). zum ersten Male in der Entfaltung seines prachtvollen Grüns erblickt hatte, wurde durch Baumwollen nnd itara - ssia ^ Felder unterbrochen. Bei Kamri, einem kleinen, mit einer niedrigen Vchmmauer umgebenen Ort, erfreute uns der Anblick eines höheren Grades von Fleiß im Anbau des Bandes. Eine kleine Einsenkuug war in Beete eingetheilt, welche durch Ziehbrunnen mit langen Schwengeln, „lamlmna", auf Arabisch „chattatir", bewässert und auf denen Weizen und Zwiebeln gezogen wurden, die beiden Eindringlinge arabischer Civilisation. Später sahen wir noch mehr derartige Anlagen. Uebrigens geschah die Bearbeitung des Bodens auch hier nur mit der Gelma nnd Fertana, der kleinen Hacke. Vereinzelt aufspringende Granitfelsen dienten zum Zeichen, aus welchem Stoff die Unterlage des Fruchtbodens bestehe, und kurz nach Mittag hatten wir eine isolirte, von Ost nach West hinziehende Hügelkette zur Rcchteu. Wir passirten das Dorf Temma mit einem kleinen Marktplatz, nnd nachdem wir dann die Felder des Dorfes Gogo hinter uns gelassen hatten, betraten wir eine Wcidclandschaft, auf welcher zahlreiche Zicgcnhcerdcn, weit nmhcr zerstreut, weideten. War mir am Morgen die gleichmäßige weiße Farbe der Rinder aufgefallen, so erregte ein entsprechender Umstand hier wiedernm meine Aufmerksamkeit, denn sämmtliche Ziegen waren kaffeebraun. — Um 33 Uhr lagerten wir bei dem Dorfe Bogu, und zwar unmittelbar an Vaith's Äelsen. I. 1» ------ 274------ der Einfriedigung dessen, um uns vor Dieben sicher zn stellel«, von denen das ganze Vand voll ist. Am 1. Februar erreichten wir nach einem Marsch von etwas mehr als einer halben deutschen Meile die bedeutende Stadt Ku-ssada. Wahrend wir an der Westseite des Ortes die Stadtmauer entlang zogen, fielen mir mehrere majestätische, in die Wollen strebende Ercmplare des „Rinn" (KomlMx oder llrissan gehört, deren Busaue hier für ihre Herreu die mnliegeudeu Felder bebauen. Es ist dies ein Beispiel mehr zu dem früher erwähuteu, wie die Tuareg überall zu finden sind, und zwar auch als ansässige Grundbesitzer, nicht blos gelegentlich als Kanfleute. Hinter der Stadt war das ^aud weniger gut angebaut. Es war hier meist mit wilden Gondabüfcheu, „gouda-n-dadji", einer H.NONU, bewachsen. Diese Gonda liefert eine sehr schmackhafte Frucht von der Größe einer Pfirsiche und der gelben Farbe eiuer Aprikose; sie gewährt dem Reisenden bei eiuem langen Tagemarsch die schönste Erqnicknng und erscheint dem Cingeborncn so bcdentend, daß er die über Aegypten aus eiugeführte I'-lM^ wegen einiger sehr entfernter Aehnlicht'eit der Frucht die Gonda von Aegypten, „gonda-n-Masr", genannt hat. Der Busch ist in den meisten Gegenden sehr gewöhnlich, kommt aber in den flachen Thoucbcucn des eigentlichen Bornu nicht vor; die Frucht reift während dcr Regenzeit und ist mehrere Monate hindurch zn fiudcu. Hinter dem kleinen Marktflecken Buddumc begcgucteu wir den ersten Zügen von Kameelen des Airi, mit dem wir gekommen wareu. Sie wareu nuu ihrer kostbaren Salzladung enthoben und lehrten von Kano zurück, um gute und sichere Weidestätten aufzusuchen, während ihre Herren in der Hauptstadt verweilten. Unser Beschützer Eleibji, der Führer des Airi, war noch nicht in der Stadt angekommen; auch er hat ein großes Gut mit vielen Sklaven bei Ka. ------ 277 ------ saure, wohin er von Katsena aus gegangen war, um seine Angelegenheiten ,;u ordnen. Die Gegend nahm nnn wieder einen Hellern ElMatter an; wir passirten mehrere Dörfer nnd nnscr Pfad war sehr belebt. Beinahe alle Lcnte, die uns begegneten, grüßten anf's Frenndlichste; nainentlich gefiel mir der Grnß: „barla, ssanli ssann, hni! hm!" etwa so viel als: „Segen über (5uch! gemach, gemach, ei! ei? Nur wenige stolze Fellani gingen ohne Grnß an nns vorüber. -^ Die Dorfschaften sind hier sehr anmnthig in einzelne Gehöfte nnd Hütten zerstrent, wie es immer bei Ackerball treibenden Dörfern sein sollte, wenn es die Sicherheit znläßt. Die Namen dieser Ortschaften sind demgemäß anch alle in der Plnralform ansgedrückt, wie Tarauraua, Bagdaua, Djimbedaua. In der Nahe des letzteren Orts, an welchem von den Franen des Bezirks anch ein kleiner Markt gehalten wnrde, befand sich eine Marina (Färberei) von beträchtlicher Ausdehnung; sie hatte zwanzig Farbentöpfe. Knrz nach Mittag betraten wir den hauptsächlich von Fellani bewohnten reichen Distrikt Dauana. Hier war ein ausgedehnter, mit gut gebauten, leichten Buden besetzter Markt, der von einer großen Anzahl Menschen besucht war. Einige Marktweiber, die sich uns anschlössen, machten uus Hoffnung, daß wir die „birni" heute noch vor Sonnenuntergang erreichen würden; es war dies um so witn-schenswerther, als das äußere Thor bald nach dieser Zeit geschlossen wird. Indem wir beschlennigten Schrittes weiter zogen, erreichten wir Ackerland, welches mit Sesam, „nome" (^kilg^in« 86«k»munl), bestellt war, damals für mich ein ganz uener Anblick, der aber im weiteren Vcrlanf meiner Reise gänzlich zur Gewohnheit werden sollte; denn Sesam ist eins der Hanptnahrnngsmittel für die Bewohner der südlicheren Zone der afrikanischen Tropen und schon in Baghirmi von der ausgebrcitetstcn Anwendung. Anch eine Buschart, mit welcher eiuige Felder eiugczäunt waren, hatte ich noch nicht gesehen. In Munio, wo ich sie später bei meiner Reise dnrch dieses Land für denselben Zweck gar oft angewendet fand, nennt man sie „ma-gara"; mein Begleiter nannte sie hier „fidde serenkka". Es ist eine Varietät der großen I^i^wrdili, l'-n-ln-iczn^i» nnd anch am mittleren Niger sehr häufig. Diefer Bufch wächst 10 bis 12 Fuß hoch, hat schlauke, grüue, blätterlose Zweige und breitet sich nach oben zu sehr weit aus. Der milchige Taft gilt für emigrrmaaßen giftig, wird aber auch zum Aetzeu vou eitcrudcn Wnuden beuutzt. ------ 278 ------ Bald darauf erreichten wir die erste vereinzelte Dattelpalme. Dieser Baum ist ein höchst charakteristisches Zcicheu vou Kauo, wohin er ohne Zweifel in Folge des großeu Verkehrs von Arabern künstlich verpflanzt wnrde. Da jetzt die Landschaft offen ward, ge-wannru wir nun auch eincu vollen Blick auf zwei andere Wahrzeichen der Stadt, uämlich die beidcu innerhalb der Ringmauer liegenden Hügel, deu „Dala" und den „Kogo-u-dutsi". Beide stiegen von der geraden ^iuie anf, welche die Stadt, in ihre ungeheuren Maurru eingehüllt, ans der Ferne darstellt. Eben dieser Ferublick jedoch stimmte unsere Hoffnung, die Stadt noch vor Sounennntcrgang zu erreichen, bedeutend herab. Dessenungeachtet schritten wir rüstig weiter und erreichten denn auch das ersehnte Ziel noch vor Thorschluß. Vor der Stadt fanden wir einen Theil des Airi gelagert; der Platz hatte indessen nichts Einladendes nnd ich keine ^ust, mich hier noch einmal dem Schutz der Assoeuaua auzuvertrauen. Wir schritten daher muthig auf den tiefen Thorweg zu, vor welchem sich ein ge^ waltiger Nimi erhob, während ein dichter Wald von allerhand Aänmen und Büschen den Stadtgraben ausfüllte. Die Mauer war hier nur etwa 15 Fuß dick, das Thor selbst start mit Eisen beschlagen. Nahe au demselben innerhalb der Stadt wohnte der Wächter; diesem gaben wir an, wo Kur abzusteigen beabsichtigten, uud eilten dann ohuc Auf. sehen weiter, als wären wir Eingeborue des Bandes. Alles War-offenes, theils angebantes, theils als Weideland benutztes Feld, hie und da mit einzelnen Ädansouieu geschmückt. Obgleich das Haus meines Agenten Bauu fast au dem äußersten Nand des nördlichsten bewohnten Stadtviertels lag, brauchten wir doch volle 49 Minuten, ehe wir es erreichten. Eö war mittlerweile dunkel geworden und wir halteu eiuige Mühe, vou der uns angewiesenen Wohnung Besitz zu nehmen. So war denn endlich nach fast einem Jahre voller Mühen »nd Entbehrungen Kano erreicht, dessen Name mir schon so lange in den Ohren geklungen, das einer der Hauptzielpunkte uuseres Unternehmens gewesen war. Ich hätte nun glücklich nnd zufrieden sein sollen. Ob ich es wirklich war, wird die Beschreibung meines, Aufcuthaltes in dieser Stadt lehren. Ncnlites Kapitel. Kano war für uns als cm Mittelpunkt des Handels und Kno-tenpnntt vieler Straßen, als die reichste Quelle einer Fülle von Nachrichten und als der beste Ausgaugspuukt zur Erreichung entfernterer Gegenden nicht nur eine wichtige Station für den wissenschaftlichen Erfolg unserer Sendung, sondern es war dies anch iu materieller Hinsicht. Der Leser mag es mir daher erlauben, daß ich hier einen kurzen Blick auf meine änßere Lage werfe; denn um gerecht gegen die Lei-stuugen eines Reisenden zn sein, muß man die materiellen Verhältnisse wohl erwägen, nnter welchen dieselben ausgeführt wnrdeu. Wenn ein Solcher trotz aller Gefahren und Nöthen das Glück gehabt hat, mit dem Leben davon zu kommen, ist mau daheim nur gar zu geueigt, all' die ungeheuren Schwierigkeiten zn vergessen, mit deueu er uu-aufhiirlich im Kampfe gelegen hat, und macht Anforderungen an ihn, die dadnrch absurd werden, daß ihre Ausführuug uuter deu gcgebeueu Verhältnissen durchaus uumöglich war. Alles, was mir nach den schweren Erprcssnugcu, welchen wir anf der Straße nach Air allsgesetzt gewesen, verblieben war, beschränkte sich anf die kleine Quautität der so ganz werthloscn Waaren, die ich nach Kano vorausgcsaudt hatte. Ihr Gesammtwerth mochte sich bei gutem, vurtheilhaftem Absatz anf 500,000 Knrdi oder 200 Speciesthaler be> laufen. Ich für meinen Theil dagegen hatte gleich bei meiner An^ tnuft in Kano eine Schuld von nicht weniger als 112,300 Kurdi abzutragen, nämlich 55000 an Fracht für den Transport meiner Waaren von Tin-teggana nach Kano, 8300 als meinen Antheil an den Geschenken, „ssalams", die anf dem Wege den verschiedenen kleinen Fürsten zn geben waren, 1.^,000 an Gadjere als Miethe für seine beiden Thiere und endlich 31,000 an einen Maun Namens Hadj el —^ 280 — Dauaki auf Rechnung El Wachschi's, für die von ihm in Katsena entliehenen Sachen. Außerdem wußte ich wohl, daß ich dem Statthalter, „sserki", von Kano ein bedeutendes Geschenk zu machen hätte, und hegte auch den dringenden Wunsch, meinen Diener Mohammed, den Tunesier, abzulohnen und zu entlassen; denn ich hatte ihn als ganz untauglich für diese Länder befunden, und sein ungezogenes, anmaßendes Benehmen gegen mich war mir unerträglich geworden. Nachdem dies Alles abgemacht gewesen wäre, sollte doch auch etwas Neues unternommen werden. — Schon seit meiner Abreise von Europa hatte ich stets mein Augenmerk auf den sogenannten Tschadda gerichtet, jenen gewaltigen östlichen Nebenfluß des Kuara oder Niger. Die Herren Vaird, Allen nnd Oldfield hatten bekanntlich diesen Fluß im Jahre 1833 einige 20 deutsche Meilen aufwärts von seiner Mündung in den Kuara befahren, und Ersterer hatte die von William Allen zwar bestrittcnc Meinung aufgestellt, daß der besagte Fluß durchaus ohne Zusammenhang mit dem Tsad sei, vielmehr sein Quellgebiet in einer ganz verschiedenen Gegend habe. Ich stimmte mit den verdienten und gelehrten Bcschrcibern Afrika's, den Herren Cooley und Mc. Queen — die Frage betraf einen Gegenstand, der zur Zeit, als Nitter sein Afrika abfaßte, natürlich noch ganz im Argen lag — dieser Meinung bei nnd wünschte daher sehr, von Kano aus in der Richtung nach Adamaua vordringen zu können; denn ich war überzeugt, daß dort die Frage über den ^anf dieses Flusses enl schieden werden könnte. Diese Reise konnte aber natürlich nicht ohne leidlich große Geldmittel vollbracht werden und das Unternehmen hing so gänzlich davon ab, ob ich meine Waaren gut würde verkaufen können. Man wird daher leicht einsehen, wie niederschlagend die allerdings nicht ganz unerwartete Nachricht sein mußte, die ich gleich am Abend meiner Ankunft erhielt. Die Preise solcher Waaren, wie ich sie hergesandt hatte, besonders Zucker und rohe, abscheulich schlechte Seide — wir Waren leider in Mnrsuk mit schlechten Waaren zu theuren Preisen versehen worden -^ wären sehr gedrückt, hieß es. Die zweite uner freuliche Ueberzeugung, die ich sehr bald erlangte, war die, daß Bauu, des englischen Konsuls in Mnrsuk, Herrn Gagliuffi's, Agent, den auch ich auf dessen Empfehlung zu unserem Geschäftsführer bestellt hatte, ein armer Mann war uud, wenn auch gerade nicht unredlich, doch keineswegs vollkommenes Vertrauen verdiente. Er war der Sohn eines aus dem Reisebericht Kapitän Elapperton's im Ganzen als ehrlich ------ 281 -— und uneigennützig bekannten Mannes, was ihn Herrn Gagliufft cm-ftfohlcn haben mochte. Jung und ehrgeizig aber, wie er war, hatte cr keinen anderen Zweck, als seinen Herzenswünschen nachzugehen und bei dem Statthalter sich in Gunst zu setzen, auch auf Kosten derer, die sich ihm anvertrauten. Dazu hatte er eiuc große Anzahl jüngerer Brüder zu ernähren, die ihm überall als ein hungriger Troß anhingen. Obwohl er zwei Kamrelladungen mir gehörender Waaren in den Händen hatte, ließ er mich doch ohne eine einzige Muschel, und ich mußte froh sein, von Mohammed e' Ssfaksi, unserem Begleiter von Mnrsnt her, 2000 Muschclu (weniger als ein österreichischer Thaler) znr Bestreitung der nöthigsten Ausgaben meines Haushaltes leiheu zu können. Die Zahl dieser Unannehmlichkeiten sollte sich noch vergrößern. Mein Wirth erklärte mir bei einem seiner Besuche, daß es unnm> gänglich nöthig sei, nicht allein dem Tserki, sondern auch dem Ghala-dima, dem ersten Minister, ein ansehnliches, dem für deu Erstern beiuahc gleiches Geschenk zu machen. Dieser war nämlich der Bruder des Statthalters und genoß wenigstens gleiches Ansehen und denselben Einfluß, wenn nicht größeren. So hatte ich denn die Aussicht, blos um geduldet zu werdeu, die wenigen mir gebliebenen werthvollen Sachen hingebe»« zn müssen! Zu alledem kam noch ein ganz besonders unerfreulicher Umstand hinzu. Um nicht die Ansprüche der Regierungsbeamten zu steigern, hatte ich absichtlich die Stadt, ohne das geringste Aussehen zu erregen, betreten. Da erhielt der Statthalter am zweiten Tage nach meiner Anknnft die bestimmte Botschaft von Herrn Richardson, dasi er, so bald er neue Mittel an sich gezogen, nicht verfehlen wiirde, Kanu zu besuchen und dem Statthalter seine Aufwartung zu machen. Diese Nachricht brachte letzteren sehr gegen mich auf. Er ließ mir seinen Unwillen zn erkennen geben, daß ich seine Stadt betreten, ohne ihn, wie mein Kollege für einen künftigen Bcsnch bereits gethan, vorher zn benachrichtigen, und erhöhte zu gleicher Zeit sciue Erwartungen in Bezug auf das ihm zukommende Geschenk. Da mich Herr Richard > son durch eine schriftliche Vollmacht speziell dazu berechtigt hatte, dem Statthalter von Kano im Namen der Expedition einige Geschenke zu überreichen, aber nuu dennoch diesen Brief schrieb, ohne mich auch nur in demselben zu erwähnen, so kann ich dies Verfahren nur als eine kleinliche Intrigue gegeu mich bezeichnen. Es sind dirs die gewöhnlichen Uebel, welche größere Unternehmungen, wie das unsere, ____ 2,^2 ____ begleiten, indcin deren Mitglieder, statt sich gegenseitig zu ergänzen und zll unterstützen, einander in ihren Uuternehmuugeu hemmen, um sich selbst wo möglich alles Verdienst beizumesscu. In einer dunklen, höchst unbequemen uud unerfreulichen Wohnung eina,nartiert, die ich nicht verlassen sollte, ehe ich dem Herrscher selbst meine Aufwartung gemacht, und eben diese Begrüßung absichtlich hinausgeschobcu, um mich für vermeintliche Vernachlässigung der schuldigen Ehrerbietung zu bestrafen, ohne Mittel täglich von einer Anzahl Gläubiger geplagt und meiner Armuth wegen von einem unverschämten Diener verspottet — so müssen sich die Leser meine Lage in dem weltberühmten Stapelplatz des Handels und Verkehrs von Mittel-Afrika vorstellen. Ich war in der That ein wenig entmuthigt und Sorge nnd Knmmer, theils anch Mangel an Bewegung, führten in wenigen Tagen einen heftigen Fieberanfall herbei, der mich auf mein hartes Lager, nnr aus einem über Bretter gebreiteten Teppich bestehend, niederwarf und in kurzer Zeit fast aller Kraft beraubte. Endlich am 18. Februar — ich war am 2. dieses Monats angekommen — erhielt ich eine Einladung zur Audienz. Glücklicherweise hatte ich Geisteskraft genug, mich so weit aufzuraffen, daß ich im Stande war, derselben Folge zu leisten; denn die Entfernungen der Quartiere sind in Kano zwar geringer als in London, dennoch aber sehr bedeutend und mit denen der grüßten europäischen Hauptstädte wohl zu vergleichen, und die Ceremonien bei der Audienz eines afrikanischen Fürsten geben denen an einem europäischen Hofe an Lästigkeit gewiß nichts nach. Ich Neidete mich so warn: als möglich in meinen recht hübsche!« tuuesischen Anzng, warf darüber noch einen weißen Bernus und bestieg meinen ärmlichen schwarzen Gaul. In diesen: Aufzug folgte ich meinen drei Fürsprechern, die in stattlicher Weise vor mir herritten, von den Boten des Sserti geführt. Es waren Baun, Eleidji, der drei Tage uach mir angekommen war und mich mit alter Freundschaft behandelte, nnd Sfidi Ali. Zu diesem Letzteren standen wir in einem eigenthümlichen Verhältniß. Er war der Sohn Mohammed's, des früheren Sultans von Fesm, uud letzten Herrschers aus der Dynastie der Uelad Mohammed, der vou dem Vater des offiziellen Dolmetschers uuserer Mission, stamens Jussuf, der sich bei Herrn Richardson befand, ermordet worden war. Trotzdem aber, daß also der Mörder seiues Vaters in nnsereu Diensten stand, benahm sich derselbe seit meiner Antunft in Kauo sehr theilnchmeud uud freundlich ------ 283 ------ gegen mich. Er war für einen Araber ein schr ehrenwerter Mann, lion großem Ansehen bei den Eingcbornen, nnd bei nieiner Rückkehr nach Klano im Jahre 1<^54 begab ich mich sogleich in seinen Schntz und machte ihn zu meinem Agenten. Es war ein sehr schöner Morgen. Anf unserem Wege wechselten Wohnungen aller Art, vom ^ehmhaus bis zum leichten Schattendach, grüne Plätze mit weidenden Rindern, Pferden, Kamcelen, Eseln und Ziegen, große tiefe (Gruben, mit Wasser gefüllt und mit Wasserpflanzen überdeckt, in großer Manuichfaltigkeit mit einander ab; dazwischen Pflanzenwuchs der verschiedensten und schönsten Art, namens lich die prachtvolle symmetrische Gonda — oder eigentlich Gonda-n^ Masr — und die schlanke Dattelpalme; endlich die Menschen selbst in dem buntesten Gemisch der Kleidung, vom fast nackten Sklaven bis zum farbenreich nnd prächtig gekleideten Araber: alles dies bildete eins der belebtesten und anregendsten Schansviele. Der Marktplatz zeigte jedoch bei unserem Hinweg noch keines. Wegs sein volles Veben, sondern begann sich erst zu füllen. Schnarrn von Aasgeiern, „angulu", trieben sich uoch umher, um die Abfälle des vorigen Tags anfzulesen. Unfern des Marktplatzes überschritten wir den schmalen Streifen Vand, welcher den großen sumpfigen Teich Kauo's, die Djatara, iu zwei Theile theilt, nnd betraten das Quartier der herrschenden Rasse, der Fulbe oder Fellani. Im Gegensatz zu den nördlichen Quartieren der Stadt, welche durch die abgeschlossenen, mit flachen Dächern versrheueu Thouwohnungen der immer mehr eindringenden Araber viel von ihrer Eigenthümlichkeit verloren haben, gewährt der südliche Sladtthcil riu Vild afrikanischen Vebens in der reichsten Fülle; es ist hier namentlich die überall in den Gehöften der Dattelpalme sich anschließende Gonda mit ihrer schöucn, iu Form von Straußenfedern nach den Seiten herabfallenden jtrone, die dem Ganzen ein übrrails malerisches Gewand verleiht. Zuerst begaben wir uns zu dem Hause des Gado oder Finanz, ministers. Es war ein interessantes Beispiel dafür, daß die Fulbe ihren ursprünglichen Charakter als Viehzüchter nie verleugnen, zu welchem Grad von Macht uud Bildung sie sich anch erheben mögen. So sah denn auch der Hofraum dieses Palastes mehr wie eine Meierei aus, war auch eben so schmutzig. Se. Excellenz untersnchtc die Geschenke, die ich dem Fürsten geben wollte, nnd als Zeichen seiner Zufriedenheit eignete er sich eine hübsche, große, reich vergoldete Knnnne zu, die ich mit vieler Mühe glücklich durch die Wüste gebracht hatte. ------ 284 ------ ' ' Dann ließ er sein Pferd satteln und begleitete uns zu der Fada oder, um mit den Fulbe zu reden, dem Vamurdc, dem Paläste des Sserli oder Lamido. Der Palast ist ein Labyrinth von Hofräumeu, von einander getrennt durch geräumige, mit zwei einander gegenüberliegende» Thüren versehene Lehmhütten, die als Wartezimmer dienen und durch enge gcwnndenc (^änge miteinander verbunden siud. Hunderte träger,-an^ maßender Höflinge triebeu sich hier umher, in weite, unkriegerische Gewänder gekleidet. Doch sah man anch »uauches ausdrucksvolle Gesicht uud einige wenige lernige (Gestalten. Die herrschenden Fnlbc zeichnen sich iu ihrer Kleidung gern dnrch einen schwarzen Gesick)ts^ shawl vor den Hausfaua ans. Wir wurdeu zuerst uach der Audieuzhallc des Ghaladima geführt, der fast taglich aus seinem eignen Palast nach der Fada kommt. Er ist intelligenter und etwas energischer als sein lässiger Bruder, der seine schöne Provinz, „den Garten des Sudans", ungestraft von räuberischeu Nachbarn Plündern uud die fleißigen Bewohner in die Sklaverei schleppen laßt. Die noch lebende, aus Danra gebürtige Mutter der beidcu Brüder, Schckara mit Namen, ist eine der berühmtesten Frauen Haussa's, ausgezeichnet dnrch die Trefflichkeit ihres Charakters nnd eine ausgebildete edle Weiblichkeit. Die Darstellung ihres Lebens nnd ihrer hänslichen Wirksamkeit würde viel dazu beitragen, die geringe Achtuug um ein Bedeutendes zu erhöhen, in welcher diese Stämme bei den Europäern stehen. Tie Hal noch mehrere Kinder außer dein Sserki und dem Ohaladima. Diese waren beide starlgebautc, schöne Männer, Ersterer nnr etwas zu feist uud unbeholfen. Das l^emach oder die Halle des Zserki war sehr schön, ja für dieses Land entschieden großartig zu nennen. An der Decke, deren Tragbalken von der Thonbcklciduug bedeckt waren, sah mau zwei große iirauzbogeu, sauber geglättet uud reich verziert, die dieselbe zu Nagen schienen. In der hintern Wand waren zwei geräumige nnd reich verzierte Nischen; in einer derselben ruhte der Fürst auf einem Gado, über welchen ein Teppich gebreitet war, iu halb sitzeudcr, halb liegeuder Stellung. Die Gemächer wcnvn jedoch sc> dunkel, dcch ich eben hiueintrctend einige Zeit bednrfte, um etwas erkennen zu können. In beiden Audienzen, beim (^haladima sowohl als beim Sscrti, war der alte Eleidji der Sprecher. Der alte brave Herr spielte im Ganzen seine Rolle recht gut uud auch Ssidi Ali entwickelte seine ------ 285 ------ Beredsamkeit nicht ohne Geschick. Der Ghaladima machte einige intelligente Bemerkungen, während der Sserki sich nur dahin äußerte, daß ich allem Anschein nach trotz der erduldeten Erpressnngen noch ganz annehmbare Geschenke für ihn habe. Den hervorragendsten Theil derselben bildete eine schwarze „kaba", eine Art mit Seiden-stickerci nnd Goldlitzeu verzierter Bcrnus, 60,000 Kurdi im Werth; außerdem erhielt er eine rothe Mütze, einen weißen Shawl mit rother Borde, ein großes Stück Musseliu, zwei Fläschchen Rosenöl, ein Pfnnd Gewürznelken, eben so diel Weihranch, ein Rasirmesser, Scheereu, ein englisches Tascheinnesser nnd einen großen Spiegel von Ncusilber. Der Ghaladima erhielt ganz dieselben Geschenke mit Ausnahme der Kaba, aber dafür gab ich ihm ein großes Stück gestreifter ^yoner Seide, 50,000 Kurdi im Werth. Der Aufenthalt in dein Palast hatte mehrere Stunden in Anspruch genommen, so daß unsere Rückkehr in die Zeit der grüßten Tageshitze fiel. Dennoch fühlte ich mich weit besser als zuvor und tonnte am Abend eiu ganzes Huhu verspeisen mit einem Glase oder vielmehr einer Tasse Eyprier. Auch für die Folge war eiue derartige gewaltsame Anstrengung meiner Kräfte und geistige Anregung ge^ Wohnlich das beste Mittel, mich über meine körperliche Schwäche zu erheben. Eine kleine Portion guten Weines ist für den Europäer die beste Medicin in dem zweiten Stadium der Wicdergencsung nach Fieber, Dysenterie oder anderen tropischen Krankheiten. Ich hatte nuu die Erlaubuiß, mich nach Gefalleu iu der Stadt umzuthun. So bestieg ich deun am anderen Tag meinen Gaul lind durchritt, geleitet von einem ortskundigen Führer, mehrere Stunden lang die Stadt nach allen Richtungen. Der Reisende zu Fuß kann sich keinen rechten Begriff von einer afrikanischen Stadt verschaffen, zu Pferde dagegen gewinnt er einen Blick in alle Hofräume und wird Augenzeuge der verschiedenen Geschäfte und Scenen des alltäglichen Lebens. So tonnte ich denn auch heute von meinem Sattel aus all' die verschiedeneu Bilder des öffentlichen und Privatlebens übcrfchanen, äußerlich von denen europäischer Städte durchaus verschieden nnd doch wieder in den vielfachen Triei> federn so ähnlich. Hier reiche Bnden mit feilschenden Käufern uud Verkäufern, dort halb nackte, halb verhungerte Sklaven unter einem hürdenähnlichen Schattcndach zum Verkaufe ausgeboten. Budeu mit den fchmackhaftesten Lebensbedürfnissen aller Art, auf die der darbende Arme begierig blickt; ein reicher Herr, iu Seide und glänzende Ge- ------ 286 ------ wander gekleidet, auf einem edlen, reich gezännüen Rosse, gefolgt von einem Troß übermüthiger Sklaven, und wiederum ein armer Blinder, mühsam seinen Weg fühlend. Hier ein nett mit neuen Matten und Rohr eingefaßter Hofraum nm eine reinliche, gemüthliche Hütte mit wohlgeglättetcn Vchmmanern, eiue sorgsam geflochtene Rohrthüre all das rnndc Thor gelehnt, ein sauberer Schuppen für die tägliche Hans arbeit, beschattet von cincr sich weit ausbreitenden Allcluba, einer schölten Gonda oder einer hohen Dattelpaline. Die Hausfrau im reinlichen schwarzen Banmwollcntlcid, mit einem Knoten um die Brnst befestigt, und mit zierlich geflochtenem Haar, geschäftig, die Mahlzeit für den abwesenden Mann zu bereiten oder Baumwolle zu spinnen, die Sklavinnen antreibend, mit dem Stampfen des Korns für die Fnra zu eilen, und umgeben von nackten spielenden Kindern und dem wohlgeordneten Hansrath der irdenen Töpfe nnd hölzernen Schalen nnd Schüsseln. Dort die heimathlose Buhlerin in bnntcin Kleiderschmuck, zahlreiche Perlenschnüre am Halse, das Haar phan tastisch geputzt und mit einem Diadem umwunden, ihr vielfarbiges Gewand lose unter der Brnst befestigt und lang im Sande nachschleppend. Und wiederum ein kranker Allsgestoßener, mit Beulen oder der Elephantiasis behaftet. In der regen Marina waren die Männer beschäftigt, die Indigo färbe zu mischen, wohlgesättigte Hemden znm Trocknen aufzuhängen und die schon getrockneten in regelmäßig harmonischem Takt mit höl zernen Hämmern zu schlagen, nm ihnen den feinsten Glanz zn verleihen. Ein Grobschmied schmiedete mit rohem Werkzeug Dolche von bcwnndernswerther Schärfe, Speere mit furchtbaren Widerhaken oder die nützlicheren Werkzeuge des Ackerbaues. Ueberall geschäftige Männer und Frauen und daneben träge Umhertrcibcr, in der Sonne sich streckend. '— Dort kehrt ein zahlreicher Zug einheimischer Handelsreisender aus dem fcrncu ^andc Gondja heim, beladen mit der all^ geinein begehrten Guronuß, dem Kaffee des Sndaus. Hier bricht eine Karawane, mit Natron befrachtet, nach Nnpe oder NM ans, oder ein Trnpp Tuareg zieht zur Stadt hinaus, um Salz nach den Nachbarstädten zu bringeu. Araber bringen ihre schwer beladcncn Ka^ mrele nach dem Quartier der Ghadamsier, oder Sklaven schleppen einen seinem kläglichen Veben erlegenen ^cidensgcuossen hinaus, ihn in den Alles verschlingenden Sumpf Djakara zu werfen. Hier ein Trnpp mehr prahlend als kriegerisch aussehender Reiter, nach dem Palast des Statthalters sprengend, ihm die Nachricht von einem Einfall des -— 287 ------ Sserki Ibram von Sinder zu bringen; dort — cine weite Knochen-statte von Aas und Unratl, aller Art. A,rz überall das menschliche Vcben in allen seinen verschiedenen Formen, Freude und Trauer, Gedeihen nnd Verderben im buntesten Gemisch. Alle Nationen, Gestalten nnd Farben waren vertreten: der olivcnbraune Araber, der röthere Targi, der duukle Boruauer; der leicht nnd schlank gebante Fcllani mit kleinen, scharfen Zügen; dort die breiten Gesichter der derberen Wangaraua (Mandingo's) oder eine große, starkknochige Frau von NM, hier die wohlgebaute, freundlich lächelnde Bahauscheriu. Entzückt von meinem Ausflug kehrte ich in meine düstere Wohnung zurück — ein peinlicher 5tontrast mit dein eben entrückten lebensvollen Bilde. — Am uächsten Tage machte ich einen zweiten langen Nitt dnrch die Stadt, und da ich bereits leidlich mit der Topographie des Platzes bekannt geworden war, erfreute ich mich um so mehr des prachtvollen Anblicks, der sich mir vom Gipfel dcS etwa 120 Fuß hohen Fclshügcls Dala aus darbot. Eine besonders wichtige Angelegenheit mnßte es während meines hiesigen Aufenthaltes für mich sein, Nachrichten über die weiter zu besuchenden Bänder einzuziehen, wozn nur einige Bekanntschaften nütz^ lich wurdeu. Besonders erhielt ich durch einen jungen Bahansche den ersten leidlich richtigen Begriff von der Straße nach Zola. Freilich war derselbe darüber nicht klar, ob der große Fluß, den er auf dem Wege ftassirt hatte, westwärts oder ostwärts flösse, was für mich natürlich das Bedeutendste war; er selbst nahm letzteres an. Die Mittheilung hatte jedoch anch in ihrer unvollkommenen Fassung großes Interesse für mich. Durch einen anderen Mann von dein Stamme der Dara cl tachtanie erhielt ich die ersten allgemeine», Nachrichten über die Straße von Timbnttn nach Ssototo, welche ein neues Feld für meine Forschnngen und Abenteuer werden sollte. Vor allen Diugen aber nahm mich die Ordnuug meiner Geldangelegenheiten ill Ansprnch. Meine große Armuth bereitete mir fortwähreud peinliche Stunden, und nachdem ich verkauft, was ich hatte, uachdem ich endlich alle meine Schulden abgetragen nud auch meinen Diener Mohammed be-friedigt hatte, würde nur dennoch kaum die Möglichkeit gcbliebeu seiu, die Vorbereitungen zu meiner Reise nach Voruu zu treffen, hätte ich nicht eine unerwartete Unterstützung vom Sserli erhalten. Dieser hatte sich bisher äußerst karg gegen mich bewiesen uud mir noch nicht den geringsten Beweis von Gastfreuudschaft zukommen lassen. Ich ------ 288 ------ war demnach auf das Angenehmste überrascht, als am Morgen des 2. März der alte Eleidji erschien und mich in seiner gemüthlichen Weise benachrichtigte, der Vandesherr sende mir hier ein Geschenk von 60,000 Kurdi. Ich glanbe nicht, daß es blos eitle Prahlerei meines alten Freundes war, wenn er diesen Erfolg hauptsächlich seinen ernstlichen Vorstellungen zuschrieb. Verächtlich fertigte er auch meinen edlen Wirth ab, der sogleich den Braten gerochen hatte und mit dem Trosi seiner hungrigen Brüder sich einstellte, lim etwas von der fürstlichen Gabe zn erhäschen. Freilich wärcu mir ein paar Kameelc oder ein gutes Reisepferd lieber gewesen, allein meine ^agc war zu armselig, als das; ich hätte stolz seiu dürfen. So nahm ich denn das Geldgeschenk dankbar an, zumal es sicherlich den dritten Theil des Werthes dessen, was ich gegeben hatte, nicht überstieg (00,000 Knrdi sind 24 Spec-icsthaler). Dem Hofbcamten, der es brachte, gab ich 6000 Kurdi, eben so viel dem wackeren Eleidji, 8000 vertheilte ich zwischen Bauu und Ssidi Ali und behielt 40,000 für meinen eigenen Bedarf. Diese Snmme setzte mich nnn wenigstens in den Stand, an die Vorbereitungen zu meiner Abreise gehen zu können; ich konnte mir ein Paar Kamccle kaufen nnd für die nöthige Provision an Weizen sorgen, der in den wasserreichen (5 in senkn» gen um Kano iu großer Menge gebaut wird. Die Hauptsache jedoch zu mciucr Ausrüstuug fehlte mir, nämlich gute Diener. Es war bei meinen geringelt Mitteln um so schwieriger, passende Diener zu fiudcn, da zur Zeit feine grössere Reisegesellschaft nach Boruu ging nnd Jedermann die Fährlichkeiten der Strasse fürchtete. Zwar befand sich außer zwei anderen unbedentenden Burschen Mohammed der Gatroner noch in meinen Diensten, ein durchaus zuverlässiger Mensch, aber er war auch der Einzige, auf den ich volles Vertrauen setzen konnte. Dennoch sah ich mit der grössten Ungeduld dem Augenblick meiner Abreise entgegen. Am 1. März war ich so glücklich, Berichte und Briefe nach Europa sendcu ,sn können; ich bcnntzte hierzu deu Abgaug eines Eilbuten nach Ghadames, welchen die Kaufleute aus dieser Stadt nach ihrer Heimath abfertigten. Nachdem ich auf diese Weife eine gewisse Beruhiguug über meine Bcziehuugeu zu Europa gewonnen hatte, wünschte ich um so dringeuder, mciue Weiterreise antreten zn küuueu; aber vergebens wartete ich auf einen Bescheid vom Landesherrn, ohne dessen Erlaubuiss es thöricht gewesen wäre, mich zu entfernen. In ____ 2tt9 ____ solch' unruhiger, vorwärts strebender Stiunuung sah ich die Natron-tarawanc, 2- bis 300 Esel start, Nlit neidischen Blicken nach Nyffi abziehen. Gerade Nyffl hatte von Anfang au mein lebhaftestes Interesse in Anspruch genommen; ein gewerbthätiges ^and von ansehnlicher eigener Aildnng, ist es durch seine ^age aui unteren, von allen Hindernissen der Schifffahrt freien ^auf des Kuara dem europäische!' Verkehr am leichtesten zugänglich, leider aber gegenwärtig noch ganz dem verderblichen Einfluß brasilischer Sklavenhändler preisgegeben. Au deu Besuch so entfernter Gegenden war jedoch jetzt nicht zu denken; anch wies mich meiue Rücksprache mit Herrn Richardson zu-uächst auf Burnn. Endlich kounte der 9. März als Tag der Abreise bestimmt werden. Da erkrankte ich am 8. so ernstlich, daß ich abermals einen Aufschub befürchten mußte, und als am Morgcu des 9. der mir zum Gcleitsmanu bestimmte Reiter mit der Frage erschien, ob ich zum Aufbruch bereit sei, fand ich nur mit Aufwand meiner ganzen That-traft Stärke genug, ihm zn erkläre»,, daß ich nur auf ihn warte. Ehe ich meine ^cser nun weiter führe, dürfte es nicht ohne Interesse sein, eiuigc allgemeiue Bemcrtuugcn über die Geschichte uud gegenwärtige Wichtigkeit Kano's hier einzuschalten. Schon oben, als von der Geschichte Katsena's die Rede war, haben wir gesehen, daß ^co sich auch in Bezug anf Kauo Ungenauig-teiten zu Schulden kommen läßt. Ans gleichzeitigen anderen Quelleu aber geht hervor, daß selbst noch in der zweiten Hälfte des IN. Jahrhunderts nur die Felsveste Dala, die dem Anstürmen des Bornu-Königs Edris Alaoma Widerstand zu leisten fähig war, an dieser Stätte stand, aber noch keine Stadt Kano. Trotzdem, daß das damalige feste Dorf Dala — das jetzige Hauptquartier der Araber in Kano, in welchem auch ich während meines zweimaligen Anfenthalts daselbst wohnte — von jenem energischen Könige nicht eingenommen werden tonnte, gelang es dcmselbeu doch, die Macht der Kanaua, d. h. der Bewohner der Landschaft Kano, so weit zu brechen, daß sie bald darauf au Bornu tributpflichtig wurdeu. Dieses Verhältniß mußte freilich mit starker Haud aufrecht erhalten werd^ü, besonders auch gegen den König von Kororofa (einer Landschaft am linken oder südlichen Ufer des Benue), der gleich den ersten Bornn - Gouverneur aus Kano vertrieb und feinen eigenen Stellvertreter einsetzte; doch scheint eine derartige unterwürfige Beziehung bis zur Eroberung des Vandes durch die Fulbe bestaudeu zu habeu. Naiih'K Rllftn. I. , 1» ..... IIs) ____ Erst die Fulbc waren es, welche die Herrschaft des Islam zur vollen, wirtlichen Geltung unter dm Kauaua brachten. Denn trotz-dem, daß wir als Zeitpunkt, wo die letzteren den Islam im Allgemeinen annahmen, mit gutem Rechte den Anfang des 17. Jahrhunderts bezeichnen dürfen, ist es doch unverkennbar, daß der größere Theil der Bevölkerung ganz Haussa's, hauptsächlich die des flachen Bandes, dem Heioeuthmn treu blicb, bis der fanatische Eifer jener Eroberer sie zwang, sich öffentlich zum Islam zu bekennen. Dessen^ ungeachtet aber erhält sich im Grunde noch zur Zeit sehr diel heidnische Verehrung in der Provinz Kano sowohl als in der Provinz Katsena. Auch für die Stadt i»lano insbesondere war die Eroberung des Haussa-Landcs durch die Fulbe von der höchsten Bedeutnng. Wie bereits früher erwähnt, siedelten nach den: Falle Katsena's alle bedeutenden Kaufleute von da nach Kano über und letzteres nahm die Stelle einer großen Handelsniederlage für die mittleren Gegenden des Negerlandes nördlich vom Aeguator ein. Ich habe guten Grund anzunehmen, das; vor dieser Zeit, also vor dem Jahre 1807, kaum irgend ein angesehener arabischer Kaufmann je Kano betreten hat. Alles, was man über die kommerzielle Bedeutung dieser Stadt vor der genannten Zeit gesagt hat, beruht ans einer wahrhaft unbegreiflichen Verwechselung mit dein im frühen Mittelalter berühmten Ghanata. Das hentige Kano ist von einer Ringmauer umschlossen, deren Umfang nicht viel weniger als vier deutsche Meilen beträgt. Dieselbe ist in der That für dieses ^and ein höchst großartiges Bauwerk und wird noch jetzt im besten Zustand erhalten. Der ungeheure Raum, den die Mauer einschließt, wnrde ganz nnbezweifclt nie von den bewohnten Quartieren der Stadt ausgefüllt, diese wurden vielmehr früher an der Südseite von einer älteren, bei weitem nicht so ausgedehnten Mauer begrenzt, deren Spuren noch unverkennbar sind. Das bewohnte Viertel nimmt nur den südöstlichen Theil des Raums iunerhalb der Ringmauern ein, zwischen dem Felsenhügel Dala nnd der südlichen Manor; nur hier läuft die Mauer hart au den Wohnungen hin, ist dagegen an allen anderen Stellen durch ausgedehntes Feldland davon geschieden. Im Norden und Westeil der Stadt mag diesc Entfernung etwa eine Stnnde betragen, im Osten dagegen weniger. Der Grund, die Befestignngswerke so weit hinauszurücken, war wohl kein anderer, als ein rein strategischer; man wollte Raum gewinnen, zur Zeit einer Aelageruug die Bewohner des flachen Vandes ------ 291 - aufnehmen und innerhalb dor Mauern einen genügenden Borrath von Korn für die gesammtc Bevölkerung bauen zn können. Ohne hier auf eine Aufzählung der einzelnen Quartiere eingehen zu Wolleu, die in meinem ausführlichen Tagebuch nachzusehen sind, bemerke ich nur noch, was schon oben angedeutet wurde, daß die Ztadt durch den von Osten nach Westen sich erstreckenden sum-psigeu Teich Djakara in zwei Theile ssetheilt wird, eitlen nördlichen kleineren und einen südlichen größeren. Jener wird von der besiegten Rasse, den Habe oder Kohelan, und außerdem von den sich in stets steigender Zahl ansiedelnden Arabern bewohnt, dieser von der Herr» schenden Nasse der Fnlbe. Wenn jtano das London des mittlereil Tudans genauut wird, so taun man diese scheidende Djakara wohl mit der Themse verbleichen, obgleich sie nur ein stehendes Gewässer ist; denn wie die Themse die große Gosse Londons bildet, so ist die Djatara die Gosse Kauo's, die Quais beider aber sind sich darin sehr ähnlich, daß sie nicht eben besonders unmuthig und wohlduftend sind. Ueberhaupt ist die Stadt in hohem Grade schmutzig und wird für Europäer stets einer der uugcsuudrsten Orte bleiben. Im Allgemeinen sind Thougcbäude und Hütten iu der ganzen Ztadt unter einander gemmgt, im südlichen Quartier aber sind die letzteren die vorherrschenden Wohnungen. Die ^ehmhänser, so weit ich ihr Inneres kennen lernte, d. h. in dem Quartier Dala, wo arabischer Einstuft vorherrschte, sind zwar meisteus mit einer Art zweitem Ztuck versehen, aber höchst unbequem gebaut; der größtmögliche!! Abgeschlossenheit des hänslichen Vebeus ist jede Rücksicht auf ttuft und M)t zum Opfer gebracht. Nur wenige Häuser inachen hiervon eine Ausnahme. Die Hofräumc sind stets sehr klein, und Ka,w bleibt hinsichtlich der Zweckmäßigkeit seines Baustyles weit hinter Agades und Timbuktu zurück. Was die Anzahl der Einwohner betrifft, so vermag ich dieselbe nur annähernd anzugeben, glaube aber sicherlich nicht über die Wahrheit hinauszugehen, wenn ich die stehende Bevölkerung auf 30,000 veranschlage. Wie in jedem großen Handelsplatz, so ist auch hier die Bevölkerung sehr gemischt; die hauptsächlichsten Elemente sind die Kanon oder ?ente von Aornu, die Haussaua, Fulbe und Nhffaua oder Tapna; Wangaraua giebt es hier mir sehr wenige, da^ gegen Araber in ansehnlicher Anzahl, die durch Handel und Handarbeit znr Wichtigkeit des Platzes nicht unbedeutend beitragen. Der Zudrang von Fremden und die Zahl der nur zeitweilig Ansässigen ____ Zl)2 ____ ist sehr groß, so daß zur Zeit der grössten Regsamkeit, in den Monaten Januar bis April, die stetige und wechselnde Bevölternng zusammengenommen sich gewiß bis auf 60,000 Menschen belanfen kann. — Was das Verhältniß der erobernden zu der besiegten Nasse betrifft, so glaube ich, daß die Zahl der iu der Stadt wohnenden Fulbe oder Fellam, jedes Alter und Geschlecht inbegriffen, 4000 nicht überschreitet. Während so die Zahl der Herrschenden eine geringe ist, ist dagegen diejenige der wirtlichen Unfreien, der Haussklavcn, eine sehr bedeutende; doch glaube ich nicht, daß sie derjenigen der Freien gleichkommt, noch weniger sie übersteigt. Ich habe schon gesagt, daß Kano die bedeutendste Stadt für den Handel im mittleren Ncgerlandc nördlich vom Aequator ist, aber sie ist es auch für die Mannfaktur. Daß Handel und Manufattnr hier Hand in Hand gehen und daß fast jede Familie ihren Antheil daran hat, darin besteht eben der große Vortheil Kano's. Sein Handel verbreitet fich im Norden bis nach Mnrsuk und Rhat, ja selbst bis Tripolis, erreicht im Westen nicht nur Timbuktu, sondern sogar die Küsten des Atlantischen Oceans; gegen Osten erstreckt er sich über ganz Bornu, ja bis nach Baghirmi, obgleich er iu diesen beiden Bändern mit der eigenen Manufaktur der Eingcborncn in Berührung kommt. Wenn die weite Ausdehnung des Handelsgebiets einer Stadt (5cntral-Afrila's schon im Allgemeine»' unser Staunen erregen muß,' so hat insbesondere der Handel Kano's nach Westen hin, nach Timbuktu, ein bedeutendes kulturgeschichtliches Interesse, nm so mehr, als dies eine vor meiner Reise völlig unbekannte Thatsache war. Alle in letztgenannter Stadt getragene Kleidung besserer Dnalität kommt aus Kano oder Ssanssandi; in welchem Begehr aber die Baumwollen-Waaren Kano's daselbst stehen, ergiebt sich aus dem uugchcuren Umweg, den die Waare macht, um den Gefahren der direkten Straße zwifchcn beiden Orten, welche ich verfolgte, zu entgehen. Diese Hau? delsstraße führt nämlich auf dem ungeheuren nördlichen Umweg über Rhat, ja selbst über M>adames, nach Tauat, und dann erst geht sie wieder südlich nach Arauan und Timbnttn. Iu hohen; Grad merkwürdig aber ist dieser Handel, weil er aus einem erst in neuerer Zeit der Kultur erschlossenen Theil Mittel - Afrika's nach Gegenden führt, in denen weit früher reiche und mächtige Staaten blühten; ich meine die Landschaften am oberen ^auf des Niger, beider sind wir nicht im Stande, seinen Entwickelungsgang im Einzelnen zn ver-folgen; es scheint aber uuzweifell,aft, daß die große Industrie in K'ano ------398 ------ nicht don hohem Alter sein kann, und kaum tann man sich denken, daß sic schon vor dem Falle Katsena's bestand, da erst nach dieser Zeit Kano znm Mittelpnntt des Handels wurde. Genng, in gegenwärtiger Zeit müssen die Bewohner des einstigen Reiches Ssonrhai, das, obgleich selbst erst mit seiner Handclsblüthc nnd Macht ans den Trümmern des Reiches Mette emporwachsend, doch dem Reiche von Katscua so lange vorausging, von dem erst jüngst erblühten Kano aus sich mit ihren Bedürfnissen versehen. — Welch' ein unendlicher Fortschritt uud welche gänzliche Umwälzung aller Verhältnisse stellt sich in diesem einen Umstand dar, wenn wir ihn mit den von ^eo beschriebenen Zuständen vergleichen! Damals, im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die banana nnd Mtsenaua halbnackte Barbaren, der Markt von Ga-rho oder Gogu, der großen, blühenden Ssonrhai-Haufttstadt, dagegen voll Gold und regem Handel- jetzt Kauo eine gewaltige Stadt voll Vebeu und Gewerbfleiß, die einen großcu Theil des ganzen Kontinents uud selbst die Bewohner der Ruinen eben jener Häufte stadt des Ssonrhai-Reiches mit ihren Manufakturen versorgt! Und doch denkt sich der größte Theil des gebildeten Europa's jene Länder im Herzen Afrika's in starre, nnbcwcglichc Barbarei versunken. Gehen wir nnn zu einer kurzen Betrachtung der Handels- und Gewerbthätigkeit Kanu's in ihren einzelnen Zweigen über, so finden wir, daß dieselbe hauptsächlich in der Erzeugung und dem Vertrieb einheimischer Fabrikate uud besonders von Bmnuwollenzengen besteht, die in der Stadt selbst oder den zunächst gelegenen kleineren Ortschaften der Provinz aus einheimischer Banmwolle gewebt und mit selbstgczogenem Indigo gefärbt werden. Diese Banmwollenzeuge werden hanptsächlich zu drei wuchtigen Artikeln verwendet: znr Tobe, „riga" (Plural „rigona"), zn dem etwa zwei Ellen breiten nnd füuf Ellen langen, die gewöhnliche Franentracht bildenden Tuch, „tnr-kcdi", und zu dem schwarzen Gesichtsshawl der Männer, „rauani". Dazu kommt noch, jedoch als weniger wichtig für den auswärtigen Handel, die „sennc", das von den Wohlhabenderen beider Geschlechter um die Schultern geschlagene Tnch. An uud für sich bildet jedoch dieses Umschlagtuch einen bedeutenden Artikel nnd wird in der größten Mannichfaltigkeit angefertigt, sowohl in Bezug auf die Färbung, als auch auf das Mnster des Gewebes, ferner ob aus Baumwolle, Baumwolle und Seide oder aus letzterer allein bestehend. Der Werth der gesummten Baumwullenmannfaktur mag 300 Millionen Kurdi betragen. 294 Außer den in Kauo selbst gewcbteu und gefärbten Zeugen wird auch ein beträchtlicher Handel mit den in Nyffi verfertigten schwarzen Toben oder Hemden getrieben, welche man in Kano aus einem mir unbekannten Grunde nicht von derselben Schönheit herstellen kann. Dagegen verstehen wieder die Veute von HM nicht, die schön gc-färbten Turkedi's und Nauaui's der Kanaucr nachzuahmen. Außer den schwarzen giebt es noch verschieden gefärbte mld gemusterte Arten dieser Hemden; eine derselben, welcher kleine blan und weiße Vierecke ein gesprenkeltes Ansehen geben, ist bei den Tuareg sehr beliebt; es ist das schon mchr^ fach genannte „Perl^ huhuhemd" derselben. Diese Kleidung sieht sehr gut ans; das zeigt schon das im beistehendenHolzschnitt dargestellte Brnststück, obgleich hier das ge^ l sprenkelte Muster nicht " erkennbar ist. Ich wählte die Perlhuhn^ tobe daher ^u meinem Auzugc, sobald ich Mittel genug besaß, mir diesen afrikanischen Schmuck zu verschaffen; denn ein gutes Hemd dieser Art kostet 18-bis 20,000 Kurdi. Ein anderer Hauptartitel einheimischer Industrie sind Sandalen, die in Kano mit großer Nettigkeit gearbeitet werden. Trotz ihrer Äilligkeit — ein Paar der besten kosten nur 200 Kurdi — mögen doch jährlich für 20 Millionen gearbeitet werden. Ich glaube auch erwähnen zu müssen, daß die von den arabischen Schuhmachern in Kano ge^ fertigten Schuhe in großer Menge nach Nordafrika ausgeführt werden. Arabische Lederarbeiter verfertigen hier ferner noch die bekannten „djebair" (Singular „djebira"), die mit ihren vielen Tafchcn und ihrer reichen Stickerei ein eben so nützliches wie hübsches Geräth für den Reifenden abgeben. — Nicht unbedeutend ist 295 auch bic Zubereitung der Thierfelle selbst; sehr schön gegerbte Haltte, „kulabu", und rothe, mit dem aus dem Halm des llolou« gewonnenen < Saft gefärbte Schaaffelle werden, etwa im Werth von 5 Millionen >tnrdi, sogar bis nach Tripolis ausgeführt. Es giebt noch manche andere Zweige der Manufaktur in Kano, z. B. die Einrahmung der tleiuen, vou Tripoli eingeführten Spiegel-chcn, von denen man mir dort fälschlich sagte, daß sie im Innern als Geld eirknlirtcn, die Anfertigung tleiner Schachteln nnd Büchsen aus Leder nnd dem Kerne der Dnmfrucln u. s. w.; doch sind dieselben alle uon geringer Bedeutung für den Handel im Großen. Das^ selbe ist der Fall mit einem sonst nicht un> wichtigen Industriezweig, der Bearbeitung des Eisens, welches iu großer Menge zu Speeren, Lanzen, Dolchen, Ackergcräthschaften, Steigbügeln nnd Zaumt'etten verarbeitet wird. Das Eisen von Kauo ist jedoch keineswegs von solcher Güte, wie das anderer Orte Mittel-Afrita's. Auch Kupfer und Silber bilden Gegenstände gewerblicher Thätigkeit; letzteres wird von den Grobschmieden in nicht ungeschickter Weise zn Ringen, Arm- nnd Bein^ sftangen verarbeitet; über die Eiufuhr dieser Metalle werde ich noch weiterhin eine Bemerknng einschalten. Natürliche Prodntte anderer Art, auf die der Großhandel sich erstreckt, sind das Negcrkorn und die Guru- oder Kolanuß. Das Korn wird namentlich zum Austausch gegen das von den Tuareg eingeführte Salz verweudct, und die Guro- oder Kolanuß, die Frucht der ßtei-eulia aoiuninata, bildet einen der wichtigsten Artikel auf dem Markte von Kano. Der jährliche Durchschnittswerth der Einfuhr mag etwa 100 Mill. Kurdi betragen; mit der Hälfte derselben wird ein bedeutender Transithandel getrieben, die andere Hälfte aber in der Provinz selbst konsnmirt, da der Genusi dieser Frucht den Ein-gebornen eben so znm Bedürfniß geworden ist, wie uns der Gebrauch von Kaffee nnd Thee. Leider müssen wir, nnd zwar nnter den wichtigsten Zweigen des einheimischen Handels, anch den Sklavenhandel aufführcu. In« Ganzen ------ 296 ------ genommen, glaube ich jedoch nicht, daß die Zahl der von Kano ausgeführten Sklaven 5000 überschreitet; die meisten werden nach Bornu, andere nach Nhat und Fesan gebracht. Außerdem aber wird eine bedeutende Menge in einheimische Sklaverei verkauft, und der Ertrag des Handels dürste sich im Ganzen auf 150 bis 200 Millionen Knrdi jährlich belaufen. Wenn Kano bei dem Handel mit der Gurouuß zum Theil nur die Spedition derselben vermittelt, so ist diese Art des Handels von ganz besonderer Wichtigkeit auch in Bezug ans die beträchtlichen ^nan^ titäten Natron, welche von Bornu nach Nyffi gebracht werden. Man kann die jährlich durchpassireudc Menge dieses Artikels gewiß ohne die geriugstc Ucbcrtreilmug auf 20,000 basten (von Packochscu, Saum-Pferden, Eseln) veranschlagen, von denen allein an Dnrchgangözoll 10 Mill. Kurdi entrichtet werden. Außerdem geht das Natron durch verschiedene Hände und läßt überall ansehnlichen Gewinn zurück. Nur ein geringer Theil bleibt ganz in Kano. Ein anderer Sfteditious^ artikcl, jedoch von untergeordneter Bedeutung, ist Elfenbein, von dem nur höchstens 100 Kameellastcu vou hier weiter befördert werden. Die Einfuhr nach Kanu geschieht zum Theil aus anderen Theilen Afrika's, zum Theil aus Europa. Der wichtigste Gegenstand der ersteren Art ist das Salz des Airi. Die Salzlafla, mit welcher ich tam, bestand aus 3000 Kameelladungcn, von denen etwa ein Drittel für den Verbrauch der Provinz Kano selbst erforderlich sein mochte. Darnach würdeu jährlich ^andescrzeugnisse im Werth von 50 bis M Millionen in Austausch gegen diesen Einfuhrartikel gegeben werden müssen; fast Alles wird in Korn nnd Baumwollengcweben geliefert. — Arabische Kleidungsstücke, wie Beruuse, Kaftanc, Westen, Beinkleider, werden zu bedeutendem Werthe, etwa für 50 Millionen, eingeführt. Die gesuchtesten Manufakturen dieser Art kommen aus Tuuis, ziemlich viel auch aus Kairo, und zwar vom letzteren Markt ausschließlich die bei den Tuareg und Negern so beliebten weißen Kopfbinden mit rother Borde. — Weihrauch — vor allem das beliebte Vuban (uiidluium) und Djaui ^, Gewürze nnd Rosenöl, letzteres fast nur zu Geschenken an große Herren unter der Hand verkauft, bilden einen nicht unbedeutenden Einfuhrposten, der fich auf 30 bis 40 Millionen belaufen mag. — Ein interessanter Artikrl aber, der weit getrennte Gegenden Afrika's mit einander verbindet, ist das Kupfer. 'Von Tripoli wird ziemlich viel altes Kupfrr eingeführt, aber den hauptsächlichsten Borrath dieses nützlichen Metalls bringen ------ 297 —^ die zu Nimro in Wadai wohnenden Djellaba, die es von der berühmten, im Süden von Dar-For gelegenen Kllftfermine (El Hofra) holen. Sic kaufen allda den Kantar Kupfer fiir einen jnngcn, sechs Spannen hohen Sklaven, „sscdaschi", der dem Werth eines Kantars Elfenbein gleichkommt, und verlaufen ihn in Kukana znm Wcrtlf von zwei Kantars Elfenbein. In Kau» ist der Preis noch etwas höher und die Gesammtemfnhr mag hier 10 Millionen Kurdi betragen. — In Bc;ng auf die edlen Metalle ist zu b'ctncrtcn, daß ein geringer Borrath uon Silber gelegentlich durch reisende Kaufleute eingeführt wird. Gold bringen die durchziehenden Pilger von Timbuktu dann und wann in kleinen Quantitäten, woher es lonuut, das; der Kurs dieses Metalls fast immer gleich ist nnd der Mithtal durchgängig zu 4000 Kurdi gerechnet wird. 100 Mithkal Gold können wohl zu jeder Zeit in Kano ohne Mühe gekauft werden, aber nicht mehr. — Selbst das gewöhnliche Nmlaufsgeld, die Knrdi (<^!,-ilc,'u m^ncta), bildet auf dem Markte von Kano einen wichtigen Einfuhr- und Handelsartikel '). Sie kommen von der Ostknstc des Kontinents nach Ba-dagri und werden von hier durch den Handel in's Innere verführt. Neuerdings sind sie von Hausfa nach Bornu ausgeführt worden, wo sie erst zu meiner Zeit als Nmlaufsmittcl in Geltung gekommen sind. Um das Bild des Handels von Kano zu vervollständigen, bleibt uns nun nur noch übrig, einen Blick auf die Einfuhr aus Europa zu werfen. Die hauptsächlichsten Waaren, welche von da auf den Markt von Kano kommen, sind: gebleichter, ungebleichter und gedruckter Kattun von Manchester, französische Seide, rothes Tuch aus Sachsen nnd aus Vivorno (aus letzterer Stadt auch eine ungeheure Menge ganz roher Seide und grobe rothe Mützen), Glasperlen von Venedig, sehr grobes Papier, Spiegel, Nadeln und Kurzwaarcn von Nürnberg, Schwertklingen von Solingen, Nasir-Messer aus Steiermart nnd Zucker aus Marseille. — Was den Werth dieser Artikel betrifft, so schätze ich die eingeführten Manchesterwaaren auf 40 Millionen, die rohe, in Tripoli gefärbte Seide jährlich zn 3- bis 400 Kameellaoungcn im Werth von 70 Millionen; ') 2500 dieser Muscheln kommen einem spanischen oder österreichischen Thaler gleich, denn beide Münzen haben gewöhnlich gleichen Werth. Die österreichischen Marill-Thcrcsien-Thlllcr werben jiir den afrilanischeu Markt stets neu mit dcr Iahrszahl 178« geprägt uud sind ihres schönen, blanken Ansehens wegen besonders bei den Frauen beliebt. ------ 298 ------ der größte Theil hiervon bleibt im ^ande uud wird zur Ausschmückung der heimischen Fabrikate, Toben, Sandalen, Schuhe, verwendet. Das Meiste, was von französischer Seide, die aus der Mode gekommen zu sein scheint, eingeführt wird, wird wieder nach Joruba und Gondja ausgeführt. Der Betrag des ganzen davon anf den Marlt von Kano gebrachten Vorraths wird 20 Äiillionen nicht übersteigen. Die Einfnhr des groben rothen Tnchs mag fich auf 15 Millionen, die der Pcrleu aller Art alls 50 Millionen belaufen; von letzteren bleiben wohl für 20 Millionen im i'ande. Die Einfuhr des Zuckers zu 100 Mmeelladnngen mag 12 Millionen betragen. Grobes Papier, an der 5tMe seines Zeichens (drei Monde) wegen ,,trr lnne" genannt, wird im Betrag von nnr etwa 5 Millionen importirt und iu großen Quantitäten billig verlauft; daraus dürfen wir aber nicht auf eiue große literarische Regsamkeit im Innern schließen, dcuu es dieut hauptsächlich zum Einschlagen einheimischer Waaren. Nadelu, deren Packele das für die Einfnhr in inoslemische Landschaften sehr uuftassende Bild des verabscheuten Schweins als Stempel führen, kamen früher nur aus Nürnberg; jetzt kommen sie auch aus Vivurno und bilden mit andern Mrzwaaren einen zwar nicht unwichtigen, aber der Bil> ligkeit wegen keine große Summe rcpräsentirenden Artikel. (5ine be. deutende Nulle dagegen spielen auf dem Markt von ktauo die Schwert^ tliugen ans Solingen. Nicht nur ein großer Theil der Kel-uwi — Viele derselben kaufen sich allerdings diese Waffe in Agades — uud der benachbarteil Tuareg StänlNle, sondern auch Haussaua, Fulbe, Ny. ffaua und Mnori oder Bornaner versorgen sich damit auf hiesigem Markte. Jährlich dürften wohl 50,0M Stück eingeführt werden, und dies gäbe, die Klinge zn 1000 kturdi gerechnet, den für diese Gegenden höchst bcdeuteudcn Werth von 50 Millionen. Der Umsatz dieser großen Summe kommt wohl ganz den Kanaua zu Gute, deuu was für den eigenen Bedarf davon abgeht, wird reichlich dadurch ersetzt, daß die Handwerker in Kanu den ganzen Vorrath mit Griffen und Scheiden versehen. Fast alle Klingen, die ich sah, selbst bei den westlichen Tnareg bis nach Timbnktn hin, waren aus Solingen, wie denn auch diese Waffe von den verschiedensten Stämmen fast mit einem uud demselben Namen — „tatoba" ^ bezeichnet wird. — Feuerwaffen werde«, so viel ich bemerkte, nnr in sehr geringer Menge anf den Martt von Kano gebracht, obgleich die Amerikaner begonnen haben, gewöhnliche Gewehre zu außerordentlich billigen Preisen über Nyffi einznführeu. Die in Steiermart verfertigten gewöhnlichen Rasirmcsscr ------ 299 ------ endlich mit schwarzen hölzernen Griffen sind trotz ihrer schlechten Qualität bei den Eingcborncn des Negcrlandeö sehr beliebt. Sie wissen diesen klingen eine außerordentliche Schärfe zu geben und den erbärmlichen, höchst zerbrechlichen Griff durch einen Beschlag von Kupfer dauerhaft zn machen. Der Werth dieses Artikels wird wohl nicht mehr als zwei bis drei Millionen ,Mrdi betragen. Die hier genannten europäischen Waaren werden jetzt noch vorzugsweise auf der Straße von Norden her eingeführt, während der Kuara oder ^iiger Hon seiner Mündung aufwärts die natürliche Hochstraße des Handels nach den Ländern Mittel - Afrika's bildet. Diese Strasse eröffnet zu haben, mit großem Aufwand an Menschenleben und Geld, ist eine der ruhmvollsten Errungenschaften englischer Ent-deckung. beider aber ist die Ausbeutung derselben zu legitimen Handel nicht mit gleicher Energie betrieben worden, die Benutzung jener Wasserstraße vielmehr in die Hände der süd- und nordameri^ lanischen Sklavenhändler gefallen. Es ist dies nicht nur in Rückficht der Humanität zn bedauern, sondern schadet auch dem Ansehen der Engländer ungemeiu in den Angen der Araber Inner - Afrika's. Denn zu deren uugehcurcm und gerechtem Aergcr haben die Ameri^ taner Waaren gegen Anstausch von Sklaven in großer Menge auf deu Martt von Nyffi gebracht und angefangen, Mittel-Sudau damit zu überschwemmen, znm großen Schaden für den Handel der Araber. Mit den neuesten, freilich nicht ganz glücklichen Expeditionen nach dem Kuara ist ein Schritt zur Umgestaltung dieser Verhältnisse geschehen. Diese Bemerkungen über den in Kano betriebenen Handel werden genügen, um eine Vorstellung don den, ganzen Verkehrsleben daselbst zu geben. Obgleich die angeführten Zahlen nur auf ungefährer Schätzung beruhen, so läßt sich doch ans denselben erkennen, wie vortheilhaft der Verkehr für die Bewohner sein muß. Welche Quelle für dcu Natwnalrcichthum muß z. Ä. die Baumwollenmannfaltur allein sein mit ihrem jährlichen Gewinn von 30!) Millionen Kurdi, weuu man bedenkt, daß eine eingeborne Familie bei bescheidenen Ansprüchen jährlich mit 60,000 Kurdi ganz bequem leben tanu! UeberdieS ist die Provinz Kano eines der fruchtbarsten Vändcr der Welt, hat Kuru in Ueberflnf; und nebenbei die prachtvollsten Weidegründc. Bedenken wir ferner, daß die Gewcrbthätigleit nicht in ungeheuren, die Stellung des Arbeiters erniedrigenden Fabriten betrieben wird, sondern daß jede Familie für sich, ohne ihr häusliches Leben aufzuopfern, daran Theil nimmt, so dürfen wir wohl schließen, daß Kauo eines der ------ goo ------ glücklichsten Länder der Welt sein müsse. Und so ist es auch in der That, so weit dir Lässigkeit des Fürsten im Stande ist, die Einwohner gegen die Gelüste der räuberischen, eben durch den Reichthum des Bandes immer wach gehaltenen Nachbarn zu schützen. In Bezug auf del« Marktverlehr mit Vebcnsmitteln bemerke ich nur noch, daß der Markt Kano's iu dieser Hinsicht zwar besser ver> sorgt ist, als irgend ein anderer im Sudan, trotzdem aber Gc^ trcide und besonders Fleisch theurer sind, als in Knlana. Außer dem früher erwähuteu großen Marktplatz giebt es noch viele auderc in der ausgedchuten Stadt, von deuen sich wieder neuu als die bedeutendcreu bezeichnen lassen. Der fruchtbare Distrikt, welcher die Provinz 5tano bildet, ist von bedeutender Ausdehnung und durch zahlreiche namhafte Ortschaften belebt. Die beiden ^nstorte des Statthalters eingeschlossen, zählt die Provinz außer der Hauptstadt noch 27 mit Mauern versehene Städte, unter ihnen Kura, ganz vorzugsweise berühmt durch seine vortrefflichen Färbereien. — Die Zahl der Bewohner der ganzen Provinz beträgt nach meiner Berechnung an 300,000 Freie nnd mindestens eben so viele Sklaven, so daß die Gesammtbevölterung einer Million gewiß näher lommt, als einer halben. — Der Statthalter kann eine Macht von 7000 Mann Reiterei und mehr als 20,000 Manu Fußvolk stellen. Der Betrag des von ihm erhobenen Tributs ist sehr beträchtlich und soll sich auf 90 bis 100 Millionen Kurdi belanfen, ohne die Geschenke der reicheren Kaufleute. — Die bedeutendste Einnahme ist auch hier die Grundsteuer, die aber, wie in Katscua, nicht von dem bebauten Boden, suudern vou jedem Familienhaupt erhoben wird, welches 2500 Unrdi, also einen spanischen Thaler, zu bezahlen hat. Nur in' der Provinz Scgseg liegt eine Abgabe von 500 Kurdi anf jeder Fartana, d. i. „Hacke", Vand. Allgemein gilt nämlich die Annahme, daß man mit Einer Hacke ein Stnck Vaud bebauen könne, welches durchschnittlich 100 bis 200 Garben, „demmi", Korn hervorbringe; 25 Garben aber oder 50 „kel" werden für den jährlichen Bedarf eines Menschen als genügend angeschen. Fernere Steuern werden von den Färbetöpfen (deren es nber 2000 giebt), von Sklaven, Palmbänmen (die also nicht Eigenthum des Statthalters sind, wie Clappertou augicbt) nnd von den zu Markt gebrachten Vegctabilicu erhoben. Die Regiernngsgewalt des Statthalters ist keine unumschränkte. Es hat nicht nur jeder Unterthan das Recht der Berufung an den ------ 801 ------ Oberherru in Ssokoto odor Wurno, wenigstens kann er es versuchen, mit seiner Klage bis dahin vorzudringen, sondern es besteht anch eine Art Miuistcrialrath, den der Sserli in wichtigen Angelegenheiten zu Rathe ziehen muß. An der Spitze dieses Rathes steht der Ghala dima, oft, wie es damals der Fall war, dem Sserki sogar an Einfluß überlegen; ihm folgt der Befehlshaber der Reiterei, „sserki-n< dauakci", als der entscheidenden Hcergattuug in diesen Ländern; diesem der „banda-n Kano", gewisscrmaasien General der bewaffneten Macht; hieranf der Oberrichter, „allali"; dann der ,,tschiroma-wÄano", ur^ sprünglich der Thronerbe, welcher die höchste Macht im südlichen Theil der Provinz ausübt. Dem znnächst steht der „ssertün-bai", eigentlich „Oberhaupt der Sklaven«, welcher die Inspektion der nördlichen Distrikte bis Kasaurc nnter sich hat; diesem folgt der Finanzminister, „gado", nnd endlich der „sserki-n-schauo", der Aufseher der Pael^ ochsen, dessen Amt dem eines General - Quarticrmeisters gleichkommt, da er mit den ^astthicren auch sämmtliche Kriegsvorräthe unter sich hat. Die beiden letzteren vertreten den Statthalter bei längerer Abwesenheit, nicht der Ghalaoima, der seine schon ohnehin große Macht zu leicht mißbrauchen möchte. Die Regiernng selbst in der Provinz Kano ist gewiß nicht drückend, die Anmaßung der herrschenden Klasse aber bringt viele kleine Un gercchtigtciten mit sich, und das strenge Hofcercmoniel verhindert den Aermern, dem Sserli seine Klagen persönlich vorzutragen. Die herrschenden Fnlbe unterscheiden sich von der unterworfenen Rasse außer dnrch den schwarzen Gcsichtsshawl besonders durch ihren Widerwillen gegen dnnkelblanc oder schwarze Toben, welche sie als Abzeichen der letzteren betrachten; während sie aber nicht anstehen, die hübschen Töchter der Besiegten zu heirathen, gestatten sie kein umgekehrtes Verhältniß. Uebrigens sollen die „Fellani-n-Kauu" durch Reichthum uud Bequemlichkeit viel von ihrem kriegerischen Wesen eingebüßt haben uud gelten im ganzen Sudan für feig. Bei meinem Aufenthalt in Ssototo werde ich Gelegenheit haben, mehr über die Sitten der Fnlbe von Haussa zu sagen. Ich kehre nun zu dem Morgen des 9. März zurück, als mein ,-eisiger Begleiter an meinem Krankenlager erschien, mich zum Auf lnuch aufzufordern. Ehe jedoch meine Veser mich ans meinem Zuge weiter begleiten, mögen sie sich noch einmal die Umstände vergegenwärtigen, unter denen meine Abreise erfolgte. Fieberkrank nnd kraftlos, war ich am Tage zuvor nicht im Staude gewesen, mein ^ager zu ____ Z02____ verlassen; nur dürftig nnt Mitteln ausgerüstet, nut einem einzigen brauchbaren und zuverlässigen Diener versehen, lag cinc Straße vor mir, die durch Räuber verrufen war nnd von frechen Dieben kümmelte; endlich, ohne einer schützenden Karawane mich anschließen zn tonnen, mußte ich allein mcincö Weges ziehen. Trotz alledem hatte ich, Gottlob, Selbstvertrauen MW, mich nicht schrecken zn lassen; vielmehr eilte ich mit dem Entzücken, mit welchem ein Bogel seinem Käfig entflicht, aus den engen, schmutzigen Vehmmanern hinaus in Gottes freie Schöpfung. Erst um zwei Uhr Nachmittags waren aus Mangel an helfenden Händen meine drei ktamcele gepackt und der Zug in Bewegung. Auf meinem Vier-Dollar-Gaul spielte ich eine gar bescheidene Fignr neben dem stattlichen Reiter, der mich bis zur Grenze des 5lano-Gebietes geleiten sollte. Die langen, bis an die Schenkel reichenden Stiefel von farbigem ^cder, das wie ein Wams geschürzte Hemd, der faltenreiche rothe Bernus, das lange gerade Schwert, an dicker Seiden schnnr mit mächtigen Knasten nm die Schulter geschlungen, ließen ihn fast in der malerischen Tracht des dreißigjährigen Krieges erscheinen; es fehlte ihm nur noch die Feder auf dein tlcincn Strohhut über dem fchwarzen, weiß und roth gestreiften Shawl auf seinem Haupte. Stolz warf er seiu schönes Strcitroß in Parade, und dahin ging's aus den engen Straßen Data's in das offene Fcldland. Wir hatten einen großen Umweg gemacht, um das geräumigste Thor zu erreichen, aber auch hier war der lange, tiefe Vurggaug zu eng, mein Gepäck hiudurchznlasscn. Zum großen Aerger meines ungeduldigen, citcln Begleiters mußte Alles uoch einmal abgepackt und jenseits des Thores wieder aufgeladen werden. Dann zogen wir langsam durch wohlbebautes Vaud gen Osten, tonnten aber der wiederholten Verzögerungen wegen den nächsten bedeutenden Ort, Tscharo, der uns zum Nachtlager bestimmt war, nicht mehr erreichen; wir luußteu uus vielmehr in einem kleinen Weiler zur Mcht betten, wo nns ein Mallem nnr mit Widerstreben eincu Theil seines Huf-ranmes zum Schutze gcgen Diebe einräumte. Ich uud mein Begleiter waren vorausgeeilt, und als fpät am Abend meine kleine Karawane anlangte, war einer meiner Diener, Abd-Mah, ein noch ganz jnugcr Mensch, verschwunden; er war aus Furcht davou gelaufen, als er sah, daß unsere Reisegesellschaft so Nein war. Der Charakter der Gegend, durch welche wir am andern Tage zogen, war derselbe, wie ich ihn während des letzten Tagemarsches ------ 303 ------ vor Kano beobachtete: ein wohlbcbautes ^and mit vereinzelten Hütteu Gruppen uud Meiereien. ')iur hatte die mittlerweile vollendete (5rute der Landschaft ein verblichenes, abgetragenes Gelvand verliehen. Um so schöner traten einige Tabatsfelder nut den großen, frisch grünenden Blättern nnd der anmuthigen Blüthe hervor, die gegenwärtig den einten Bluiueuschmuck bildete, so weit das Auge reichte. (5s fiel mir auf, hier diese in der modernen europäische» Civilisation so be-dcntungsvolle Pflanze zu finden; wie aber sollte ich erst crstannen, ihr als einem Hauptingrcdienz im Vebeu der nackten Heidenvölker zu begegnen! Die Anmuth der Landschaft nahn: fortwährcud zu, namentlich als wir die von üppigen Bäumcu beschatteten Felder und die zerstreuten netten Hütten von Tscharo erreichten. Der Verkehr jedoch schien ein geringer zu sein, denn ein Zug Natronhäudler und eine Ichaar Sklaven, mit einem um ihren Nacken geschlungenen Strick in zwei Reihen aneinander gefesselt, waren unsere einzigen Begegnungen. So erreichten wir denn noch früh am Vormittag Gasana, wo wir den Nest des Tags uud die Nacht zubringen sollten. Es ist dies eine mit einer ^ehmmauer uud einen: Graben umgebene Stadt, die aber wenig ^eben zeigte und ein melancholisches Ansehen hatte, da nur etwa der dritte Theil des umwallten Raumes mit Hütten bedeckt war. In einer dieser schnullen Schibtihütten mußte ich die heißeste Zeit des TageS hinbringen, weil mein Gelcitsmaun es nicht zngab, nach meinem Wnnschc außerhalb der Stadt uutcr einem schattigcu Baume zu lagern. Mein Zustand wurde dadurch so uubehaglich, daß ich alle Eskorten der Welt verwünschte und mir fest vornahm, mein Quartier uic wieber innerhalb einer Stadt zu nehmeu, außer für ein längeres Verweilen. Dennoch war mein Aufenthalt hier von Wichtigkeit, denn ich sollte da in der Person des Scherif Abd el Chafif einen Reisegefährten finden. Ich hatte diesen Manu bereits in itauo gesehen, und da er auch nach Äukaua reisen wollte, war mir gerathen worden, anf ihn zu warten. Meine Ungednld ließ dies jedoch nicht zu; sobald aber der Schcrif von meinem Aufbruch gehört hatte, beeilte er sich, mir zu folgen, und lagerte nun außerhalb der Stadt. Gleich jetzt ward ick» ihm dadurch sehr zu Dank verpflichtet, daß er mir meinen ent^ laufencu Burschen Abd-Allah wieder zurückbrachte. Ich nahm den Buben uach einer ernsten Zurechtweisung nnd anf sein Versprechen, nuu treu bei mir blcibeu zu wollen, wieder in meine Dienste, da ich zu dringend noch eines Dieners bedürfte. ------ 304 ------ Früh mn nächsten Morgen verließen wir die Stadt, uns unserem neuen Reisegefährten anzuschließen. Abd el shafts — oder Schcrif ..Kontschc", „Herr Schlaf", wie ihn die witzigen, an Geist und Zunge stets gewandten Hanssaua nannten, seiner Gewohnheit wegen, während des Rhamadan den ganzen Tag über zu schlafen — war ein stattlicher Araber, ein turzer, untersetzter Mann mit schönem Bart und feinen, wahrhaft vornehmen- Manieren, wie sie den wohlhabenden Bewohnern seines Geburtslandes Marokko eigen sind. Er war ein wohlhabender Kaufmann, dem unter Anderen der Fürst von Mumo eine ganze Iahreseinnahine seines Fnrstenthnms, 30 Millionen Knrdi, schuldete. Gegenwärtig führte er nur wenig Waaren mit siä> und seine Reisegesellschaft bestand aus seiner „Ssirria", Vicblingsstlavin, die wie er zn Pferde war, aus drei Dienerinnen zu Fuß und sechs männlichen Begleitern, Eingebornr des Bandes, welche die Bedeckung für eben so viele ^astochscn bildeten. Die Ssirria hielt sich stets in achtungsvoller Entfernung hinter ihrem Herrn, und da sie überdies von Kopf bis zn Fnß verschleiert war, kann ich über ihre Schönheit nichts sagen; doch darf wohl von ihren Dienerinnen, jnngen, sauberen, schön gebanten Mädchen, auf die Herrin geschlossen werden. Die männlichen Diener meines neuen Freundes — denn das wurde Scherif Kontsche in der That bald, trotz dem, daß die erste Begrüßung ziemlich kalt gewesen war — waren höchst charakteristisch nach Vandesart gekleidet und mit Pfeil nnd Bogen bewaffnet; Amnlote, Vorraths^ taschen, Kürbisflaschen und Trinkschalen hingen in malerischem Durcheinander um Hüfte und Schultern. Unter ihnen befand sich ein höchst bcmerkenswcrther Bnrsche, den ich bereits in Kano gesehen. Ein Eingeborner des Bandes, hatte er, als Kind nach Stambul vertauft, über 20 Jahre dort gelebt und mochte Nengriechcn zn Herren gehabt haben; denn er hatte nicht nur deren Sprache, sondern in gewissem Grad auch ihre Gesicktszüge angenommen. Man kann sich mein fast an Entsetzen grenzendes Staunen deuten, als ich eines Tages in Kano, in vollem Fieber ans meinem harten ?ager liegend, von einem Neger mit der fremden Zierde eines langen Schnauzbartcs auf Romäisch oder Neugriechisch angeredet wurde! Als Freigelassener war er in seine Heimath zurückgekehrt, nnd sein Beispiel zeigt, daß die Sklaverei allerdings gelegentlich einige kosmopolitische Elemente in diese vom Weltverkehr ansgeschlossenen Binnenländer Afrika's bringt. In so bunter nnd interessanter Gesellschaft tonnte meine Reise nur angenehm sein; auch trugen die wechseludcn Scenen der Vandschaft 805 ------ und des Wegs duzn bei. Bald ftassirten wir einen Zug Natron-Händler, bald einen Brunnen, an dein Vieh getränkt oder von der gesammten Einwohnerschaft eines Ortes Wasser geschöpft wnrde, bald einen prachtvollen Tamarindenbanm, welcher sein schattiges Dach über eine Anzahl gemüthlich plündernder Weiber ausbreitete, die hier Lebensmittel nnd Baumwolle feilboten. Auch die Dnmpalme trat einzeln wieder auf, als wir in die Nähe von Gabesaua gelangten, einem bedeutenden, aber offenen Ort. (5s herrscht hier zu Lande die löbliche Sitte, die Markttage der Städte eines Bezirkes mit eiuander abwechseln zu lassen; heute war die Reihe an Gabcsana uud wir konnten uns der lebhaften Scene eines wohlbesnchten Marktes er-frenen. Hier ward ich zuerst daran erinnert, daß wir uus der Grenze der Kanori-Sftrachc näherten. Um meinen Durst zu löschen, wollte ich „fura" (Gussnbwasser) kaufe», erhielt aber „fula" (frische Butter), und uicht ohne Schwierigkeit gelang eö, mich den Marktweibern verständlich zu machen. — Ohnc Aufenthalt weiter ziehend, gelangten wir gegen Mittag zu unseren: Lagerplatz ..Kuta mcirua". Es ist dies ein offener, von einigen gigantischen Afsenbrodbänmen, umgebener Platz, ein den eingcbornen Reisenden wohlbekannter Rast- uud Ver-t'ehrsort, eine Art Herberge im Freien. Marktende Weiber machen den Wirth, nnd da namentlich das Wasser hier theuer bezahlt werden muß, so gaben die spöttischen Hanssaua dem Platz obigcu Namen, d. i. „der Affenbrodbamn mit dem (theueren) Wasfer". Wir fanden bereits zahlreiche Gesellschaft nud zngleich mit uns kam eine Koppel von 30 Kameeleu, die uach Kano zu Markt gebracht werden sollten. Auf der Grenze mehrerer Distrikte gelegen, steht dieser Lagerplatz übrigens der vielen Räuber nnd Diebe wegen in gar üblem Ruf, so daß wir die Nacht mit besonderer Vorsicht zubrachten. Mit dem ersteil Dämmern des nächsten Morgens (12. März) war das Lager in vollem Leben. Als Frühstück boten die Frauen den Reisenden trotz der früheu Stunde schon warme Puddings an, gewiß ein Zeichen ihrer Rührigkeit und Industrie. Der größereu Sicherheit wegeu warteten wir das volle Tageslicht ab, ehe wir aufbracheu, eine Vorsicht, welche zwei Araber, die beiden Besitzer der erwähnten Kameele, nicht beobachtet nnd schwer zn bcrencn hatten. Denn kaum hatten wir eine kurze Strecke znrückgelegt, als uns ein Mann mit der aufregenden^ Nachricht nachgeeilt tam, die beiden Araber seien von einer Bande Tuareg überfallen, ihrer Kameele bis auf drei beraubt uud der Aeltere derselben stark verwuudet worden. Wir selbst blieben Bait»'« Rt Vasten, freilich verschieden an Gewicht, je nach den Thieren, die sie trugen. Mit meinem freundlichen Reisegeiwssen, ,,Herrn Schlaf", vorauseilend, erreichten wir bald das Dorf Doka. Hier nnter dein Schatten eines herrlichen Tamarindenbaumcs bewirthete mich mein Gefährte mit einem feinen afrikanischen Imbiß und ich war erstannt, zu seheu, mit welchem Komfort mein Freund reiste. Eine der Dienerinnen seiner Ssirria brachte cinen Korb, welcher nnter der besonderen Obhnt der letzteren zu stehen schien; mein Frennd nahm recht schmackhaftes Gebäck herans nnd breitete es auf einer reinlichen Serviette vor uns auf dem Rasen aus, während eine andere der Stlavinnen Kaffee kochte. Die Rollen des Barbaren nnd des civilisirten Europäers fchienen vertanscht zu sein, nnd um m»r wenigstens etwas ;n unserem Mahle beizutragen, ging ich nach dem Marlt und taufte ein paar junge Zwiebeln. — Wie behaglich kann der einheimische Reisende dnrch diese Länder ziehen nnd welch' unglaubliche Beschwerden hat der Europäer und hatten namentlich wir in unserer Dürftigkeit zn ertragen! Nicht allein, daß der letztere nnendlich viel mehr Sorgen, Beängstignng nnd Verfolgnng, körperliche lind geistige Anstrengnng ansznstehen hat, son dern er hat auch Niemanden, der ihm seine Niahlzeiten sorgfältig bereitet, oder ihn mit liebender Hand Pflegt, wenn er trank ist. Wir hatten nnserc Vente vorausgehen lasseu nnd schlössen uns ihnen erst im Vager von Gerti wieder an. Atem Reiter, der mich hier verlassen uud dnrch einen anderen ersetzt werden sollte, führte mich in die Stadt zn einem der fünf hier herrschenden Vor- steher oder Amtleute. Es war ein sehr unansehnlicher Mann, aber nicht nnfreundlich, denn er sandte mir ein Schaaf, etwas Korn und frische Milch. Vetzteres Getränt war während der ganzen Neise stets mein größter Genuß. — Die Stadt Gerli ist ein bedeutender Ort und die letzte Stadt im (Gebiet von .^tano. Sie würde unter einer traftvollen Regierung einen wichtigen Grenzort abgeben; gegenwärtig aber sind ihre 150(X) Einluuhner nlir als Diebe berüchtigt und die Umgebnngen in Folge dessen in verwahrlostem Znstand. iDhne meinen neuen Gclcitsmann abzuwarten, machte ich mich am andern Morgen (den 13. März) 'mit Abd el shafts frühzeitig auf deu Weg, um die Stadt Gmnmel noch vor der größten Tageshitze zu erreichen. Wir begegneten bald einem großen Gcldtransport, nämlich zwölf nut Muschclgeld beladcnen Kameclcn. Welch' ein un-bequemes Umsatzmittel diese Muscheln sind, sahen wir bereits an einer andern Stelle, wo wir des Zählrns derselben erwähnten; ein weiterer Beleg nnd nnr stärkere Thiere 15)«),0<)<> Mnschel» oder den Werth von 6l) spanischen Thalern fortzuschaffen im Stande sind. Etwa eine Stnnde von Birmeuaua, der ersten Ortschaft des Bornu-Reichs, holte nns der Reiter des Vorstehers von Gcrti ein. Hier war es auch, wo nnr von der schönen, lieblichen Hanssa-Land-schaft nnd ihrer heitern, fleißigen Bevölkerung Abschied nahmen und die Grenze gegen Bornn überschritten. Es ist in der That bemerkenswert!), welcher Unterschied des Eharattcrs zwischen dem Ba-hausche, dem Bewohner Hanssa's, und dem .^tanori, dem Bewohner Bornn's, herrscht. Jener lebendig, voll Fener nnd von heiterer Ge-müthsstimmnng, dieser mehr melancholisch, gedrückt nnd roh. Derselbe Charakter liegt auch int Ausdruck der Gesichtszüge. Die Hau ssana haben meist angenehme, regelmäßige Züge und anmuthigere Formen, während die Kanori mit ihren breiten Gesichtern, weit offen stehenden Msenlöchern, ihren derben Knochen nnd eckigen Gestalten einen weit weniger angenehmen Eindruck machen. Dies gilt namentlich von den Frauen, welche entschieden zu den häßlichsten Vertretern des zarten Geschlechts im ganzen Negerlande gehören, trotz ihrer Koketterie, in welcher sie den Hausfa-Fraucn durchaus nichts nachgeben. Der Grenzort Virmenana ist ein sehr kleines, aber stark be festigtes Städtchen mit einer Erdmauer und zwei Gräben, der eine innerhalb, der andere außerhalb derfelben, und mit nnr Einem Thor. 20» ------ Zs)8 ------ Zunächst der Stadt war viel bebantes Feld, das weiterhin mit niederem Wald abwechselte. In der Nähe des Dorfes Toknn fanden wir noch einmal die schöne Hausfa - Sitte, daß Weiber zur Seite der Straße einen kleinen Markt hielten, für lange Zeit die letzte Scene der Art, die ich sehen sollte. Wir erreichten endlich die Stadt Gummel, gerade als die Sonne am heißesten zu werden begann, nnd trennten uns am Thore, da ich erst zum Sserki gehen mußte. Es war dies damals der berühmte, aber bereits im höchsten Alter stehende „Dan-Tanoma" („der Sohn Tanoma's"; sein eigener Name war dem Volte gänzlich unbekannt), durch dessen bald darauf erfolgenden Tod Stadt und Provinz in einen verheerenden >^rieg zwischen seinen Söhnen verwickelt werden sollten. Die Altersschwäche und Gebrechlichkeit des Sscrti war schon damals so groß, daft ich ihn nicht zu sehen betau», nnd ich snchte daher meinen Weg durch ein Irrsal vou engen Gassen zwischen matten-umzäunten Höfen nach dem Quartier der Araber. Mein »Freund war hier bei dem Rothschild von Gummel, Ssalem, genannt „Mei-dukia", d. i. der Reiche, abgestiegen; mich ich erhielt in der Nähe eine Wohnung, allerdings nur einen schattenlosen Hofraum, in dem erst eine Hiitte gebant werden innsite. Glücklicherweise hatte Ssalem ein wohlgegiebeltes Rohrdach fertig stehen und ich besaß gerade noch Mrdi genug, ans dem Markt die nöthigen Pfähle und Matten zu taufen. So war denn, ehe noch ineinc Kamcelc anlamen, die schadhafte Umzännnng des Hofes hergestellt nnd ein Prächtig kühles Tchat-tendach errichtet, uud ich tonnte mich des landesüblichen Frühstücks erfreuen, welches Meidnkia mir sandte: Hirsenbrci nnd sanrc Milch. Einige der hier angesiedelten Araber fanden sich bald ein, mich zu besnchen. Unter ihnen war ;n meiner Freude ein ehemaliger Diener Clapperton's anf dessen erster Expedition. Er war anch außerdem viel mnhergerrist und tonnte mir einen leidlich vollständigen Bericht der Straße von Ssoloto nach dem sildsüdwestlich davon gelegenen Gondja verschaffen, (5m Freigelassener Meidnlia's, Mohammed Abbeakuta, luachte mir ebenfalls einige interessante Mittheilungen, auch in sprachlicher Hinficht. Er war, wie sein Name schon andeutet, in Abbeatnta, unfern der W'iste des Golfs von Benin, zu Haus, wo jetzt christliche Missionäre ihren festen Sitz genommen zu haben scheinen. Schon jung ans dieser seiner Heimath entführt, hatte er leider nur nntlare Ideen iibcr jene Gegenden. Er gab mir auch das Recept zu eiuem Mittel gegen Pfcilgift; ein ganz junges Huhn wird mit den Früchten der Tschamssinda, der Addua (Lala-nit68 ^g^tiac^) und der Tamarinde gekocht und der so gewonnene bittere Stoss unmittelbar nach der Verwundung getrunken. Glücklicherweise fand ich nic Gelegenheit, die Heilkräftigkeit dieses Mittels zu erproben, das übrigens hier zu Lande auf Heereszngen in kleinen Kürbisflaschen mitgcführt wird. Am nächsten Morgen ging ich mit Abo el Ehafif, dem alten Dan-Tanoma nochmals meine Aufwartung zu machen, ward jedoch wiederum nicht angenommen. Seine Wohnung im Innern der Vorhöfe war durch hohe Thonmauern geschützt und schloß außer einer Anzahl Hütten für den Haushalt und die zahlreichen Weiber einige aus Thon errichtete geräumige Hallen ein. Die Hofsftrache ist hier noch das Haussa und auch die Fulgereihe der Aemter ist dieselbe wie in Kano. Da es gerade Markttag war, ritt ich um Mittag hinaus vor die Stadt, wo der Markt abgehalten wird. Es ist eine befremdende Gewohnheit, daß im ganzen mittleren Negerlaude die Märkte zur Mittagszeit am besuchtesten sind; in anderen Bändern Inner-Afrita's, wie in Io^ ruba, werden sie in der Abcndknhle abgehalten. Trotzdem ich viel von Gmmnel gehört hatte und die Stadt damals wohl 15,000 Einwohner zählen mochte, war ich doch über die Größe und den lebhaften Verkehr des Marktes erstaunt. In nicht weniger als 300 Buden wurde eine große Auswahl der verschiedensten Gegenstände feilgeboten, wie Kleidungsstücke, Handwerksgeräth, irdene Töpfe, alle möglichen Lebensmittel und Gewürze, Rindvieh, Schaafe, Esel, Pferde:c., kurz, alle fremden und einheimischen Erzengnisse, deren die Eingebornen bedürfen. Hauptstapelartikel aber ist das oft erwähnte Natron, das zwischen Kukaua und Munio auf der einen und Nyffi auf der andern Seite einen lebhaften Handel erzengt. Guimnel ist der Hcmptmnladcplatz desselben, indem die Kanori-Lcute diese Waare selten weiter als bis hierher bringen. Es giebt zwei Sorten Natron; das am Tsad gewonnene besteht aus großen Stücken, sieht aus wie Stem und wird in Netzen fortgeschafft; es heißt „Kilbu tsarafu"; das von Munio kommende dagegen besteht meist aus Staub uud leicht zerbrechlichen Stückchen nnd Kurd in Säcken oder Körben transports; es heißt ..Kilbu bokter". Bon beiden Sorten wnrden hier gewiß nicht unter 1000 Lasten zum Verkauf ausgebuten. Eine volle Ochsenlast der besseren Sorte kostet 5000, eine Eselslast der geringeren 500 Kurdi. Am Stande der Araber lernte ich einen höchst einsichtsvollen, ^. 310 ------ erfahrenen Mmm kennen, Namens M Mohannned Monir. Dieser Mann gab mir sehr wichtige Nachrichten, hauptsächlich in Bezug auf die Straße von Kano nach Toto und von Ssototo nach Gondja, ließ mich einen Blick in die Sprache von Saberma und den umliegenden Landschaften werfen uud gab mir die erste genaue Beschreibung von der ungeheuren Stadt Alori oder Ilori. Dies ist der große Mittelpunkt der erobernden Fulbe in Yoruba, der vor Kurzem von Europäern besucht, abcr uoch ganz unzulänglich beschrieben worden ist. Mein neuer Bekannter war, wie gesagt, eil, intelligenter Mann, der viel gereist war und sich selbst längere Zeit in Stambnl aufge> halten hatte; dennoch versicherte er mich, daß Alori ohne Zweifel größer sei, als jene gewaltige Residenz des Sultans aller Gläubigen. Trotzdem sucht man diese Stadt, über welche schou seit längerer Zeit dunkle Nachrichten nach Europa kamen, vergeblich anf vielen unserer neuesten Karten. In hohem Grade befriedigt, aber auch uicht wenig angegriffen von der Sonnenhitze, kehrte ich in meinen Mattcnpalast zurück. Später am Nachmittag sendete Dan-Tanoma als Geschenk für mich und Abd el Chafif einen jnngen Bullen. Die ersten Staatsbeamten brachten ihn in feierlicher Prozessiou uud waren zugleich beauftragt, das Gegengeschenk in Empfang zu nehmen. Dieses bestand in einer „subitta", d. i. einer ägyptischen weißen Kopfbinde mit rother Borde, und einem Fläschcheu des iu Buruu uud Hanssa sehr gesuchten Rosen öls. Am Abend erhielt ich auch noch Korn für mein Pferd. So angenehm dieser Tag für mich gcwefen war, so sollte doch der darauf folgende ein noch erfreulicherer für mich werden. Nie werde ich diesen 15. März vergessen! Ohne die geringste Ahnung von dem mir bevorstehenden glücklichen Ereigniß zu haben, erhielt ich den Besuch eines Arabers ans Ssokna in Fesan, Nameus Mohammed el Mugharbi, der eben mit einer kleinen Karawane von Mursuk angekommen war. Nachdem er mich begrüßt hatte, zog er unter seinem Barrakan ein Packet hervor, das mich augeublicklich aus der mich umgebenden Welt nach Europa versetzte. Es enthielt Briefe aus Deutschland, England nnd von meinen Freunden aus Tripoli; denn selbst von diesen hatte ich seit zehn Monaten keine Nachricht erhalten. Da gab's Briefe aus Berlin, die sogar wissenschaftliche Fragen behandelten; Briefe von meinen Angehörigen, voll von Ausdrücken for--gender Nebe; inhaltsreiche Schreiben von meinem Gönuer, Herrn Ritter Bunsen, mit den Versicherungen der regsten Theilnahme nud -----311 ------ der frohen Nachricht einer kleinen, von Sr. M. dem Könige von Preupen mir und meinen Gefährten bewilligen Unterstützung Alle diese Beweise der Vicbc, Freundschaft nnd Achtung machten einen tiefen, anredenden Eindruck auf mich. Doch die Briefe enthielten noch etwas, etwao Materielleres, das -- ich mli>'' es gestehen — im Augenblick wenigstens mich noch tiefer berührte. Ich war nämlich gänzlich ohne Geldmittel, ja fast ohne eine einzige Muschel; denn mein uon ^tano mitgenommener kleiner Borrath von Muschelgeld war fast ganz ausgegeben, nm mein Quartier herzurichten, meine Führer zu bezahlen und einen meiner Diener abzulohnen, der sich als gänzlich unbrauchbar erwiesen hatte, — so war mir fast nichts geblieben, nm auch nnr meine geringen Bedürfnisse bis Kutaua bestreiten zu tonnen. Wie froh war ich daher, als ich in Herrn Ga-glinffi's Brief — yvei spanische Thaler fand! (5r schickte sie mir, um einen tleiuru Irrthnm in meiner Rechnung mit ihm auszugleichen. Diese beiden Thaler waren das einzige gangbare Geld, das ich damals hatte, und nur deshalb mehr werth als eben so viel Hunderte zu anderer Zeit. Anßerdem hatte Mohammed el Mugharbi noch Waaren im Betrag von IM Pfund Sterling für unsere Expedition von Mursul mitgebracht. Er rrllärte jedoch, dieselben scieu bereits nach Kano abgegangen, sei es, um mehr Fracht zu verdienen, oder um sie Herrn Richardson selbst auszuliefern. Dieser Umstand setzte Herrn Overwea. und mich später in große Noth; deuu ich erhielt diese Waaren erst nach meiner Rücklehr von Adamana nach Kulaua. Es gewährte mir eine zweitägige Beschäftigung der erfreulichsten Art, all' die empfangenen Briefe zu bcautworteu; meine Antwortschreiben gab ich Mohammed el Mugharbi mit nach Kano, um sie durch einen meiner Freunde vou dort nach Mnrsut zu befördern. Ick, war durch die empfangenen Briefe so lebendig angeregt worden, daß ich beschloß, allein und unverzüglich abzureisen. Ohnehin würde ich mich schou nach wenigen Tagereisen von meinem Freund Abo el Chafif haben trennen müssen, da dieser seinen Weg nach Ku^ taua nicht ans der direkten Gtrasic, sondern über Munw nehmen wollte. Nachdem ich von Dau-Tanoma einen Reiter bis zur benachbarten Provinz vou Maschena erhalten hatte und nach einem herz-lichen Abschied vou Abd el Chafif folgte ich am Morgen des 17. März getrosten Muthes meinen Kameelen und den beiden mir noch gebliebenen Dienern, anf mein gutes Glück vertrauend. ____ I12 ____ Der heutige Marschtag bot nichts besonders Bemerkenswerthes dar. Die Landschaft östlich oou Gummcl war anfangs todt und melancholisch, zeigte aber zahlreiche Ortschaften. Weiterhin wurde sie wieder durch reicheren Banmwuchs nnd die schl.ni früher erwähnten Kornschober oder Magazine belebt. Die Bevölkerung aller Ortschaften bestand aus einem Gemisch von Bornu- oder vielmehr Manga-Ele^ menten nnd Hanssa-Volk; die Namen der Mehrzahl der Dorfschaften gehörten der letztern Sprache an. Wir nahmen nnser Ouartier in Bensari, einem schon zn der Provinz Niascheua gehörenden Ort, und wurden von dem Ghaladima gut empfangen nnd gastlich behandelt. Das Städtchen wird durch einen geräumigen Platz in zwei Theile getheilt, auf welchem sich ein Brunnen vmi über 20 Faden Tiefe befindet, der beinahe die ganze Bevölkerung versorgt. Kaum hatten wir am anderen Morgen Vensari hinter nns, als der Schall ferner Trommeln nnd Miegsgesang zn unseren Ohren drang. Wir erfuhren, daß es ans dem Lager des abgesetzten Statthalters von Chadedsa '), Namens Bochari oder, wie die Kanon ihn nennen, Bnari, herrühre. Der Name dieses Mannes war damals nicht allein für mich, sondern selbst für die Eingeboruen ganz neu. Bochari war in der That Statthalter von Chadedja gewesen nnd der Bruder des ietzigen Herrn dieser Stadt; aber gewandt nud un^ ruhigen Geistes hatte er den Argwohn feines Obcrherrn, des Fürsten von Ssokotu, erregt, oder vielmehr, wie dies so häufig hier zu ^ande geschieht, sein eifersüchtiger Bruder hatte es verstanden, letzteren gegen ihn anfzureizen; Bochari wurde ab^ und seilt Bruder Ahmcdu eingesetzt. Ersterem blieb nun nichts übrig, als die Gastfreundschaft der Kanori anzusprechen; diese empfingen ihn mit offeueu Armen, und der Herr von Mafchena wies ihm mit Zustimmung des Scheichs vou Bornu das benachbarte ?)erimari znm Aufenthaltsort an. Bochari, nicht unthätig, hatte seineu Auhang verstärkt und war nun im Begriff, das Glück der Waffen gegen seinen Bruder zu versuchen. Gestern ausgezogen, hatte er sein ^agcr im Freien aufgeschlagen und ') Leider bin ich verhindert worden, diese wichtige Stadt selbst zu besuchen. Man erreicht sie von Kano aus auf einer ctwas südlicheren Straße, als die von mir hier verfolgte war, am fünften Tage, Chadcdja ist eine große, wohlbefestigte Stadt von etwa 12,lXX) Emwohnen,, an einein Arm deß vom ,«oma-dngn von Bornu gebildeten Netzes gek'gcn. Die Bewohner beschäftigen sich nur mit kriegerischen UnternehmniMN nnd liabcn leine Industrie, vielleicht nur etwas Färberei. ------ 313 ------ ließ nun die Trommel rühren, um Abenteurer unter seine Fahnen zu locken. Dieser Kampf überschritt in der Holgc die Ausdehnung der in diesen Greuzlanderu so hänfigen raubzüglerischen (Anfälle. Denn Bochari eroberte nicht nur die start befestigte Stadt (5hadedja und tüdtete seinen Bruder, sondern er schlug auch sämmtliche gegen ihn gesandte Heere, darunter die gesammte Streitmacht des Reichs Sso-kotu mit dem Vezier au der Spitze. Statt hierauf aber eiu starkes Köuigreich zu gründen, zerstörte und verwüstete er die Nachbarländer und spielte den Sklavenhändler im Großen. Bis an die Thore von Zano trug er Schrecken uud Verwüstung, uud auf meiuer zweiten Reise durch diese Vaudschafteu fand ich manchen früher blühenden uud dichtbevölkerten Ort verheert und menschenleer. Wenig crmuthigt durch jenen kriegerischen Värm, zogen wir schweigend unseres Weges; auch die Landschaft bot nichts Erheiterndes. Det Landbau hörte auf lind es war nichts zu sehen als ein ungeheurer Strich flacheu, einförmigen, mit ^«Icpil^ g^mt«^ bedeckten Bandes; hier nud da taum eine dürftige Addua (Bitobaum, Nnia-uiw8 ^.>rr nach kurzen, Aufenthalt empfing. Da weder er selbst sehr redselig schien, noch mein sonst so vortrefflicher Diener Mohammed der (Natroner durch Rednergabe sich auszeichnete, so war die Andienz unr von kurzer Dauer; ich erhielt jedoch Alles, was ich wünschte. Veider mußte ich mich hier Mohammed's als Dolmetscher bedienen, da mir die Haussa-Sprache uoch zu sehr ans der Zunge schwebte nnd ich das Kanori anch noch uicht einmal stümperhaft zu sprechen vermochte. Der alte Herr hatte mir einen Geleitsmann versprochen, der mich zum Ghaladima Omar uach Bnndi bringen sollte, war auch mit dem ihm gebotenen geringen Geschenk nicht unzufrieden, nämlich einem Fläschchen Rosenöl und einem Viertelpfund Nelken. Freilich war sein Gegengeschenk auch uicht viel Werth und bestand unr in einem Gericht aus eiuein höchst unver-daulichen Teig aus Sorghum mit eiurr abscheulichen Brühe vou „min" oder „moluchia" (Oarokorus erreichten wir das damals uur schwach befestigte Maschena, eine bedeutende Stadt uon I2/XX) Einwohnern, an dcr leichten südlichen Abdachung einer, von einem felsigen ^a,um gekrönten, Anhöhe liegend. Trotz der grüßen Zahl dcr Bewohner schciuen dieselben teiue Art von Industrie zu üben. Eine kleine Kafla von Tcbu^- und Araber-Kaufleuten war vor dcr Stadt gelagert. Äci ihnen erkundigte ich mich im Vorüberziehen nach Neuigkeiten ans der Hauptstadt don Bornu; ich erhielt dieselbe Antwort, wie bei einer früheren Gelegenheit, es sei All^s ruhig, von einem daselbst angekommenen Christen aber wissc man nichts. Dennoch war Herr Richardson damals schon scit zwanzig Tagcu todt und in einem hart au unserer Straße, sechs Tagereisen diesseits .^ntana, gelegenen Orte gestorben. Nachdem wir unseren Weg erfragt, setzten wir den Marsch ohne Aufenthalt fort. Zurrst ging es über Weideland, dann dnrch eine gut bcholztc legend uud so crreichteu wir uach 3z Stunden Wegs ein Dorf, welches wir in der Absicht betraten, hier zu übernachten. Aber siehe da, der 5?rt war verlassen, kein einziges lebeudes Wesen darin zu finden! Mücklicherweise zeigte uns ein des Weges kommender Reisender einen schmalen Pfad, auf welchem wir das Städtchen Alamci erreichen könnten: derselbe war aber so nnbedentend und über^ wachsen, das; wir ihn bald unter den Füssen verloren. Ein Schäfer, der in einiger Entfernung feine Hecrdr hütete und bei dem ich den Weg erfragen wollte, ergriff die Flucht, als er mich anf sich zukommen sah; so waren wir denn gänzlich dem Znfall überlassen, der uns diesmal glücklich führte. Aald fauden Kur wieder einen betreteneren Pfad und gelangten nach einem behaglich sich ausbreitenden Dorf. Kargi-maua -^ so hieß der Platz — zeigte ein heiteres Aild einer fleißigen, wohlhabenden kleinen Owneindc; die Männer saßen alle im Schatten eines schönen t^ummibaumes, einige flochten Matten, andere webten; die Frauen trngen Wasser oder besorgten die Abendmahlzeit; Hansvieh aller Art belebte diesc friedliche Secne. Wir wurden freuudlick aufgcnommcu, ans vier Hütten fchicktc man uns berichte. Eins derselben bestand aus Vohncn, „ngalo", die in Haussa und Aornu in großer Menge gebaut werden; sie sind von würzigem Geschmack, aber wohl nicht für Iedermaun leicht zu verdauen. Nach einem dankbaren Abschied von den gastfreien Dorfbewohnern geleitete uus eiucr derselben eine Strecke weit, um uns auf dcu richtigen ___ 119 ___ Weg zurückzuführen. So erreichten wir unsere alte Straße wieder und auf ihr bald das schon genannte Städtchen Alamci, das außer mit Erdmaller und Graben noch mit einem zehn Fnß dicken, sehr dichten Dornverhack befestigt war. Dies ist die nationale Art der Manga, ihre Städte zu befestigen; während nämlich der Dornverhack eine sehr gute Schntzwehr gegen Reiterei, an der fie Mangel leiden, bildet, gewährt er zugleich ihren Bogenschützen eine gnte Brustwehr. In Bogen und Pfeil aber besteht die Stärke dieses noch halb heidnischen, weit ansgebrciteten Stammes. Eiu ansehnlicher bebauter Strich Bandes nutgab die Stadt nnd innerhalb der Maner lagerte eine zahlreiche Hcerde Rinder, als ich einige Jahre später abermals diese Straße zog, bedeckte hohes Naldrohr jene Felder und nicht ein Stück ^irh war mehr zu sehen. — Jenseits eines dichten Waldes, den tlrine Flecken bebauten Vandes uutcrbracheu, erreichten wir eine halbe Stnndc vor Mittag Bundi, die Residenz des Ohaladima Omar, lind nahmen nnseren Weg gerade auf den Palast zu. Alle Tributärlandschaftcn des großen Bornu-Reichs, vom Ko-madugu Waube, welcher das eigentliche Bornn im Westell begrenzte, bis zu den Ufern des Knara, wurden früher unter dem Namen „Ghaladi" zusammengefaßt. Daher führte der Fürst, welcher dieser ausgedehnten Herrschaft als Vasall des Mnigs don Bornn vorstand, den Titel Ohaladima >), der später in die listen der Aemter aller Höfe des mittleren Negerlandcs übergegangen ist. Dieser Ohaladima nahm eine fast unabhängige Stellnng ein nnd residirte ill Birni-Nguru, einer altberühmten, schon von arabischen Schriftstellern erwähnten Stadt. Die siegreich vordringenden Fnlbe aber eroberten anch Nguru und machten diesem mächtigen Basallcnreich ein Ende. Seitdeul residirt der Ghaladima in Bnndi, seine Macht aber sant zn cinem bloßen Schattclt herab, so daß er sogar den Herreu der kleinen benachbarten Fürstenthümer Muuio, Sindcr, ja selbst dem von Maschena nachsteht. Ich begab mich also geraden Wegs nach dem Palast des jetzigen Inhabers jener weiland so bedcntendeu Würde. Der Herr war augenblicklich nicht zu sehen und ich mußte mich daher entschließen, einen halben Tag zu oftfern und schon hier mein Nachtquartier auf^ ') Die Endsilbe „ma" im Ranori zeigt den Besitz einer Sache an; so ,.billa< ma", der Bewohner odcr der Herr (Amtmann) einer Stadt, „fir-ma", der Herr eines Pferdes, der weiter. ------ 329 ------ zuschlagen. Nach einigen unbehaglichen Stuudru Wartens wurde ich zur Audieuz berufen. Ich fand den Ghaladima in einer ganz aus Mattenwerk errichteten geräumigen Halle, wo er inmitten seiner Höflinge anf einem mit einem Teppich belegten Divau saß, ein turzer, wohlgenährter Mann von etwa 60 Jahren und duntclschwarzer Hautfarbe. Seine großen, breiten Züge starrten aus der Kapuze eines blauen Tuchbcrnus hervor, mit einem unbestimmten Anödruck, den mau für Dummheit oder Schlauheit, Freundlickteit oder Hinterlist auslegen tonnte. Ich trug ihm meinen Wunsch vor, eiucn Führer zu erhalten, um baldigst in Kntaua mit meinem alteren Vrudcr (Herrn Richardson) zusammentreffen zn tonnen, und überreichte ihm daun meinen „ssalam", ein cnglifches Rasir- uud eiu Taschenmesser, eiuen großen Spiegel von Nensilbcr, ein Päckchen englischer Stopfe uadelu, eiu halbes Pfnud Gewiirzuellen und ein Stück wohlriechender Seife. Nachdem der Ghaladima Alles mit Genugthuung in Augenschein genommen, fragte er, ob ich nichts Wunderbares mitgebracht Hütte; ich holte meine Spieldose, deren Mnsil ihn sehr ergötzte. Die Neugicrdc uach weitereu Mcrlwürdigteiteu wurdl- aber hierdurch in einer Weift angeregt, das; ich es für gut hielt, mich zu empfehlen. Erst spät Abends, nachdem wir uns längst selbst versorgt, erhielten wir ein karges Gericht uud etwas ktoru für meiu Pfcrd. Äundi ist eiu ^rt vou leidlicher Größe, aber mit nnr weuig Industrie; Vaud uud Hauptstadt gehen durch die Schlaffheit des Fürsten mehr und mehr ihrem Ruin entgegen. Dic Stadt mag 8- oder 9(XX) Einwohner zählen, die nach der frühereu Hauptstadt noch zcht Nguru-bu (Ntehrheit von Nguru-ma) genannt werden; sie gehören der Mauga-Nation an, welche das Hauptclemcut der Kauori zu bilde« scheint. — Abends gab es Musil und Wellrcuileu, uud es scheint, daß die Einwohner doch eine leidlich behagliche Existenz führen. Von hier aus näherte ich mich nun dem eigeutlicheu Bornu, dem Kcruc des diesen Mmen tragende», Reiches. — Zwar hatte nnr der Ghaladima versprochen, schon Abends einen Reiter zu schicken, da ich früh am Morgen aufbrechen wollte; aber es erschien Niemand, weder am Abeud, noch am andern Morgen. Wir verließen daher die Stadt in aller Stillc, während die Bewohner uach dein gestrigen lustigen Abend noch in tiefem Schlafe lagen. Ich folgte der großen Straße (wie man es iu Europa nennen würde, in der That aber ist's nichts als ein Fußpfad), die uns durch lichten Wald mit eiuzelneu bebauten Stellen führte. Hier begegneten uns zuerst bewaffnete ------ 321 ------ Reiter und Fußgänger, dann ein friedlicher Zug Natronhändler ,nit ihrer aus allen Arten landesüblicher Vastthierc bunt zlisanunengeschteu Karawane. Als wir endlich den Wald hinter unS hatten, betraten wir einen weiten Ttrich angebauten VandeS mit sandigem Boden und fast ohne einen einzigen Baum. Die Felder waren noch mit der Riesen-Ascleftiaö bedeckt, die alljährlich, wenn bei eintretender Regenzeit die Feldarbeit beginnt, ausgerottet wird, dennoch aber während der trockenen Jahreszeit wieder zn einer Höhe von 10 bis 12, ja, an günstigen Stellen selbst von 20 Fuß emporwächst. Ein betriebsames Dorf, Kalimari oder ztalemri, wo reiche Heerden wohlgenährten Rindviehs am Dorfbrunnen getränkt wurden, lud zwar sehr zu einem kurzen Halt ein, doch rasteten wir erst, als wir einen guten Weideplatz für uusere Thiere fanden. Hier trafen wir wieder in Menge jenen Stachelsamen, die Karengia (I'eimi^tum äi^ti^iniiu oder I'on-nioMll.ria), der uns auf dem kalten und windigen Plateau von Asbcn so viel zu schaffen geinacht hatte. Er wird von den Bornu - Pferden begierig gefressen, die Pferde des Westens dagegen verabscheuen ihn eben so sehr, wie die Menschen es thun, mit Ausnahme der Tuareg. — Bald nachdem wir am Nachmittag deu Marsch fortgefetzt hatten, traten wieder mehr Bäume und (Gebüsch auf und nach ein oder zwei Stuuden Wauderns erreichten wir das Dorf Darmagua, wo wir lagerten. Hier geselltet! sich fünf Tebu-Kaufleutc mit ihren ^astthiercn zu uns, deren Reiseziel ebenfalls Kukaua war. Veider konnten wir aber nicht immer in ihrer Gesellschaft bleiben, da sie stets aufbrachen, ehe eö völlig Tag war. Dies ebenfalls zu thun, war gegen meinen Grundsatz, denn ich hätte dann weder die Straße genau aufzeichnen, uoch bei einem Angriff mich wirksam vertheidigen können. Wir mußten ihnen daher am folgenden Morgen (den 23. März) einen Vorsprung von zwei vollen Stunden lassen. Wir betraten mm eine Landschaft, welche höchst bezeichnend „das Reich der Dumpalme" genannt werden tann; denn obwohl ich diefcn Baum mehr oder weniger häufig an verschiedenen Stätten fand, ist er doch immer an einzelne begünstigte Oertlichtciten gebunden, namentlich an die Ufer von Flüsfcn. Ich kenne aber keinen Distrikt von solcher Ausdehnung, wie der zwischen Kalemri und Surrikulo, wo die Ou.-o berührt. Während ich die Knmeele die nntere Straße ziehen ließ, erstieg ich die steile fandige Anhöhe, auf welcher Kaschmnna liegt, eine offene, ------ 331 ------ aber bedentende und dicht bevölkert? Stadt, das ganze meilenbreite, baumreiche Thal überblickend. Obgleich ich hier erfnhr, daß bis zu dem östlichen Nghurntua keine Kindin gesehen wurden wären, war doch das vor uns liegende Terrain ein schwieriges, da der breite Grund des Thals von vielen Wasserlänfen durchschnitten und in dichtes Walddickicht eingehüllt war, in welchem viele wilde Thiere und gelegentlich feindliche Wegelagerer hansteu. Als wir die Waldung selbst betraten, fanden wir den Vodeu anf das Dichteste mit Ngille bewachsen; nur einzeln erhob die Dumpalmc selbst ihre Fächerkrone über dieses Gestrüpp, aber zu beiden Seiten eines jetzt seichten Arms des wahren Komadugu, den wir überschritten, gewann sie die nnbe-strittene Herrschaft. Sehr hä'nfig beobachteten wir die Fußtapfeu von Elephanten und passirteu auch die Weideplätze dieser Kolusfe der Thierwelt, große offene Plätze mit dem fettesten, wohl 10 Fusi hohen Schilfgras bewachsen, die mich lebhaft an indische ^andschaftsbilder erinnerten. Znm Aubau gelichtete Stellen, ein kleiner Weiler uno eine Meierei zeigten, daß diese Wildnis; uicht ganz unbewohnt von Menschen sei. freundlich wies nns der Eigenthümer der letzteren anf dem verlorenen Pfade znrecht, lud nns sogar gastlich ein, bei ihm zu bleiben, nnd erbot sick,, dann am andern Tag mit nach ^ighurntna zn gehen. Allein nieine Hast, Uulaua zu erreichen, duldete keinen Aufschub, nnd dem guten Alten dankend zwängten wir nns weiter durch das Walddickicht, vou desseu Zweigeu nnd Aesteu uuser Gepäck arg beschädigt wnrde. Iu dem Theile des Waldes, den wir am Nachmittag durchschritten, traten neben der Dnmpalme auch noch verschiedene andere Bäume auf, Kalgo, Talhabänme uud auch wohl der Siwak (C^,i»m'i« «mlnw). Ausser deu Spuren vou Elephauten saheu wir von Thieren weuig, nur eine Mareia oder Äliohor l^nti-lops 5>(X!mm^-iü^n> sprang dnrch das Dickicht. Alle Arten Antilopen sind in diesen (legenden nicht häufig, auf dem gauzeu Wege von Kauo her sah ich nnr eine einzige, und zwar an einem der letzten Marschtage. Den Beschrcilmugen der Einwohner nach ums? jedoch die große, Prächtige Antilope Vckwx hier gelegcutlich gefunden werden. Ein schöner offener Naum mit reicher Weide nnd Hürden nnterbrach das Dickicht für etwa 7. Stuude Wegs, dann kam abermals dichter Wald; als wir aus diesem wieder an's M)t traten, wurden wir durch den Anblick eines seeartigen Wasserbeckens zu unserer Linken überrascht. In geringer Entfernung davon trat eiu anderer größerer See hervor, der sich, von worden heranziehend, nach Osteu hiuwand. ------ 332 ------ Au dem östlichen Ufer desselben lagen die Nuincn der berilhmtcn Stadt Ohalubarn, dic einst, znr Blüthezcit des Reichs, der ^ieblingssitz und dic Privatrcsidcnz der ltönige von Äornu war. Dieser gauze herrliche Gau, jetzt eine Wildnisi, durch welche wir uns mit Mühe hm-dnrchwanden, >var einst belebt durch Hunderte von Städten nud Dürfern und war durch betriebsamen Anbau der Garteu Bornu's. Die Stadt Ghambaru selbst wurde im Jahre ^.^1V (12l4 der Hedjra) von deu Fulbe zerstört uud seitdem uie wieder bewohnt, so daß ihre Trümmer nnn dicht überwachsen sind. Leider hatte ich keine Muße, dieselbeu genau zu durchforschen, doch betrachtete ich mit großein Interesse die Reste eines GebändeS au der Südostseite der Mauer. Es hatte unverkennbar einen Theil einer Moschee gebildet uud war aus recht sorgfältig gebräunten, wenn auch nicht ganz regelmäßig geformten, Ziegelsteinen erbaut gewesen. Eö ist oin sehr trauriges Zeichen, daß an die Stelle dieser soliden Äauart, die früher weuigsteus vou den Herrschern des Bandes gepflegt wurde, jetzt selbst iu den bedentcndsten' Städten nur schwaches, hinfälliges Machwert getreten ist. Rüstig wanderten wir durch die wilde, aber interessante ^and-> schaft weiter. Um 5 Uhr Nachmittags trat abermals ein Arm des Flusses zu unserer Tinten hervor uud schnitt uns bald den Pfad spurlos ab. Statt den Fluß hier zu überschreiten, licsien wir uns durch die Fährten einiger Rinder verleiten, am sandigen Ufer entlang zu gehen, bis wir endlich einsahen, dies könne der rechte Pfad nicht sein. Nachdem wir zwei Stunden vergeblich umhergesucht hatten, nöthigte uus die Dunkelheit, hier mitten in der Wildniß zu lagern. Ich wählte hierzu eiue erhöhte Stelle des Ufers, um vor deu schädlichen Ansdnustungen des Flusses etwas geschützt zu sein, umgab die Lagerstätte mit trockcucm Holz, um eö beim Herannahen wilder Thiere sofort in Brand stecken zu tonnen, und holte für den änßer-sten Nothfall ein Päckchen Patronen hervor. Die Nuhe der Nacht wurde jedoch nnr durch das Brüllen eiues Vöwen am jenseitigen Ufer nnd durch den Värm zahlreicher Wasservögel nuterbrochen. Am nächsten Morgen, deu 29. März, gingen wir an der Stelle über den Fluß, wo wir denselben znerst erreicht hatten, nnd fanden auch wirtlich die Fortsetzung des Pfades. Der Wald war jedoch immer noch so dicht, daß wir au mauchen Stellen beinahe verzweifelten, mit unserem Gepäck hiudnrchzulommen. Namentlich war daö Dorf Nghnrntua mit seinen Weizenfeldern von einer undnrchdringlich scheinenden Wand von Bäumen umzogen, uutcr welchen einförmige ____ ZZZ ____ Mimosen mit ihrem stacheligen Dornentleid vorherrschten. Es würde nns in der That nicht möglich gewesen ftin, einen Ausweg zn finden, hätten nns nicht einige Hirten, die hier zahlreiche Heerden von Schacifen und Ziegen hüteten, znrecht gewiesen. Wir traten dann in eine offenere, parkähnliche Landschaft hinans nnd erreichten eine halbe Stnnde vor Üliittag den unbefestigten mittelgroßen Ort Mikiba. Die Bewohner bemühten sich, nns Flircht vor dem Wege, der vor uns lag, cinznflo'ßen, waren jedoch zn wenig gastfreundlich, als daß ich bei ihnen eine Nacht hätte zubringen mögen. Ziemlich spät am Nachmittag zogen wir weiter. Die Gegend blieb lichter nnd an einem Fleck angebanten Vandes beobachteten wir eine in den bewohnten Gegenden des Negerlandes nicht eben häufige Erscheinung, eine Gruppe mehrerer Affen. Eben als die Nacht hereinzubrechen drohte, bemerkten wir den Schein einiger Feuer. Er führte nns zu einem Wauderdurf glücklicher Hirten, die sich unter Tanz und Gesang des Abends erfreuten. Man bot nns ein herzliches Willkommen und ich war erstaunt, zn erfahren, daß unsere zuvorkommenden Wirthe weder zum Kanon-, noch zum Haussa-Stamme gehörten, sondern Fulbe waren, von dem Stamme Obore '), die ungeachtet der zwischen ihren Stammverwandten und dem Herrscher von Bornn stets obwaltenden Feindschaft das Wciderecht in diesen Gründen hatten. Sie waren schon seit so langer Zeit hier eingewandert, das; sie bereits fast alle nationalen Zeichen der Fulfnlde-Nasse verloren hatten. Ihre Gastfrenndschaft war jedenfalls untadelhaft. Man setzte uns Milch in reichlichster Fülle in großen Schalen vor, die alls einer Art nngehenrer Kürbise verfertigt waren, dancbeu etwas frische Butter, so reinlich zubereitet, wie dies nur in der besten Milchwirtschaft bei uns zu ^ande geschehen laim. Diese Bntter war eiu vollgültiger Beweis der Nationalität jener Hirten; denn in ganz Bornu wird sie in einer fchinntzigcn, ekelhaften Weise bereitet, indem man ihr den Urin voll Kühen beimischt und sie dann kocht, so daß sie flüssig wird. Die Ueberbringer dieser Delikatessen waren sehr entzückt, als ich jedem cm Matrosenmesser schenkte. Zwei kräftige, hochgewachsene Hirten geleiteten uns am andern Morgen durch eine Furth des unfernen Komadugn, hier etwa 50 bis ') Durch Umsetziiuss und Umlaut wahrscheinlich corrumpirt au« llrube. Uebrigeus ;ichcu diese Obore bis Gudjcba hinab. - 55 Schritt breit, ohne Strömung, aber don nicht unbeträchtlicher Tieft; es war derselbe Arm, der durch das Thal von Kaschinnna stießt und den wir am Morgen znvor kurz vor Nghurutua überschritten hatten. Unsere freundlichen Begleiter halfen nns noch durch das dichte Gebüsch am östlichen Ufer und schieden dann von nns mit der Warnnng, wohl auf unscrcr Hut zu sein, da in der dichtbewach-senen Rinne des Komadugu, den wir stets zu unserer Vinlen haben würden, sich gewöhnlich Räuber ».'ersteckt hielten. Wir waren anch noch nicht weit gegangen, als wir einem berittene» Bogenschützen begegneten, der eifrigst die Spur einer Bande Hindin verfolgte, welche in der vergangenen Nacht einen Anfall anf ein benachbartes Hirten dorf versucht hatten. Dieser Reiter war in seiner Art eine bemer-tenswerthe Erscheinnng, da sonst berittene Bogenschützen, ansier bei den Tnareg an der «Grenze des Negerlandes nnd bei den Fnlbe von Fogha, in diesen: ganzen ^ändcrgebietc nicht vorlounncl!. — War die Gefahr vor einem feindlichen Ueberfall in dem jetzt zienüich lichten und offenen Vand schon gering, so schwand nnsere Besorgniß noch mehr, als wir einer Gesellschaft einheimischer Reisenden begegneten, der wir uus anschließen tonnten. Drei dieser Vente trngen je eine „bnchssa", ungeheure, aus der „fneillea" bereitete ^nrbislonnen, die, oben mit einer Oeffnuug versehen nnd unten durch ein starkes Querholz verbuudeu, eine sichere M)re fnr eine oder zwei leichtbepackte Personen bilden., Dic >Ueidnng wird ganz trocken in der Höhlnng der Kürbise aufbewahrt und es läßt sich dann mit Hülfe dieser Vor-richtuug leicht ein Ttrom durchschwimmen. Die ^erbindnng Nleh-rerer solcher Kürbisjoche bildet eine sogenannte „matara", anf welcher sich schon schwerere basten übersetzen lassen. Europäische Reisende in den Arquatorialgegeuden Afrita's follten stets inehrere dieser ^oche mit sich führen, nebst eiuem starteu zerlegbaren Rahinen; mit Hiilfe dieses letzteren würde sich danu leicht eiu recht brallchbares Fahrzeug Herstelleu lasseu, uni liber Gewässer zu setzen oder anch sich mit dem Strome treiben zu lassen. Der Gegend, die wir nnn durchzogen, fehlte es nicht an landschaftlicher Mannichfaltigteit und Schönheit; reick, belanbte Bäume, angebaute Vändereien, unter denen anch sorgfällig eingehegte Bnnm-wollenfelder sill,tbar lonrden, kleine Dörfer wechselten miteinander ab, während zahlreiche Hecrden von Schaafen nnd Ziegen, weidendes Rindvieh nnd gelegentlich eine kleine Gesellschaft Reisender eine leben^ digc Staffage bildeten. Der Boden bestand aus Saud uud war vun ____ HI5 ____ großen Höhlen des Erdschweins durchwühlt. — Bei dein Dorfe Adjiri erfuhren wir, daß wir allerdings nicht die gerade Straße nach Kukaua eingeschlagen hatten, aber anch, daß Iussuf, Herrn Richardson's Dolmetscher, mit dem Gepäck des Letzteren dieses Wegs gezogen Ware. Ich hätte nnn von hier aus meinen Weg direkt nach der Residenz uchmen tönneu, allein es war unbedingt nothwendig, dem Herrscher von Bornu meine Ankunft vorher anzuzeigen. Anf der geraden Straße aber wohnte lein Statthalter oder Beamter, von welchem ich einen geeigneten Boten hätte erhalten tönneu, und so zog ich es deun vor, noch mehr von dem geraden Wege abzuweichen, um den Kasckella Cher-alla zn besuchen, einen Beamten, der zur Abwehr der Kindin in dieser Vandschaft eingesetzt war. Anstatt daher unseren Marsch in südöstlicher Richtung fortzusetzen, gingeu wir uoch etwas weiter nördlich. Noch einmal berührten wir heute den Komadugu, um ihn dann ganz zu verlassen; kurz vor dem Dorfe, in welchem der Kaschella seinen Sitz hatte, mußten wir eine Biegung desselben in einem scharfen Wiutel nmgeheu. Wir schlugen am Eingänge dieses Ortes uufcr Zelt auf und ich eilte, dem Kaschella (Kriegshanptmanu) meine Aufwartung zu machen. Ich war so glücklich, in ihm einen freundlichen Mann zu finden, der sofort einen seiner rüstigsten Diener aufsitzen ließ, um dem sezier des Reiches in Kutana meine nahe Antunft zu melden. In Anerkennung seiner Dienstfertigteit machte ich ihm ein Geschenk, su gnt es meine Mittel erlaubten; es bestand in einer rothen Müde, einer englischen Scheere und einigen andern Kleinigkeiten. Zu ziemlich früher Stunde brachen wir an: nächsten Morgen anf; ich tonnte mich uuu in möglichst gerader Richtuug und ohue Aufeut-halt der Hauptstadt näher», <^in jüngerer Bruder des Kaschella mit einem berittenen Begleiter gab mir das Geleit durch den ebenru, fruchtbaren und dichtbevölkerteil Distrikt, der Dutschi heißt. Saud bildete auch hier den Hanptbestandthcil dcS Bodens, eben so in den nächstcu Bezirkn, wo er jedoch zu Zeiten durch schwarzen Morast bodeu oder Humus unterbrochen wnrde. Ackerland und Weidegruud wechselten angenehm ab uud zahlreiche Dörfer und Weiler waren überall zerstreut. Beim ersteu Dorfe des nächsten Gaues verließen mich meine Begleiter uud ich mußte uuu iu jedem Orte den Führer Wechseln, bis endlich der letzte, der fünfte dieses Marschtages, davon lief uud mich abermals mciueu Weg allein suchen ließ. Die Dunkelheit war schon eingebrochen, als ich mich in der Nähe des Dorfes ------ 336 ------ Baggem lagerte, wo ich von den Bewohnern der nächsten Hütten gastfrenudlich behandelt wurde. Auch der nächste Tagemarsä, but wenig Aemertenswerthcs. Der Character der Landschaft blieb derselbe wie am Tage zuvor, größerer Banmwnchs hörte jedoch gänzlich auf und nur hier »md da war etwas Gebüsch zn sehen; dagegen trafeu wir am Bormittag eine große Heerde von Straltßen uud einen Trupp Oa,;ellen. Es war schon lange dnntel, als Wir in der Nähe eines Horses nnser 'Nachtquartier bezogen, das letzte vor nnscrcr Ankunft in Klikaua. Arider hatten wir es schlecht getroffen; es war nicht nur tein Tropfen Wasser zn haben, sondern unsere Nachlrnhe sollte auch dnrch einen abschcnlichen Streit zwischen einem Manne uud sciuen beiden Frauen gestört werden ; denn widerlichster Zank und Schläge nahmen kein (5nde. Ich muß jedoch zur Ehre der Schwarzen bekennen, daß ich dergleichen Tccuen sehr selten beobachtet habe, ihnen vielmehr das Zeugniß häuslicher Friedfertigfeit geben musi. So schloß der Tag, welcher meinem bescheidenen Einzug in Ku-taua vorausging, nicht auf die angenehmste Weise. Zehntes Kapitel. Emnsm^ mill l'ljl>'>,- ^>ls!'» krisi's, welche die Glaubwürdigkeit jenes Chroniken - Auszngs iu der erfreulichsten Weise bestätigen. Ungcnauigkeiteu in der Zeitrechnung um ein oder zwei Jahre mögen neben andern geringeren Irrthümern hin und wieder vorlommeu, bedeutendere Fehler aber glaube ich bestimmt in Abrede stellen zu miisseu. Gestützt auf diese O.uellcn nuu, habe ich in meinem ausführe lichcren Tagebuch ein tabellarisches Verzeichnis der Klöuigc von Vornu zusammengestellt, nebst Angabe der hauptsächlichsten Ereignisse Während der Negierungszeit eines jeden einzelnen, der Dauer derselben u. s. w. Hier werde ich aus dem dort ausführlicher Erzählten die Hauptmomente herausheben. Der ursprüngliche Mittelpunkt uud der Kern des Neichs Bornn war Kanrm, das Gebiet nördlich vom Tsad, nnd zumal die östlichste Landschaft desselben. Hierhin kam Ssäf, angeblich der Sohn Dhu-Nasan's, des HilMM'iten, nnd legte den ersten Grund zu einer Herrschaft über mehrere Stämme, Berber, Tebu, Kanembu nnd andere; »aä, ihm wird eine lange Neihc von Königen im Allgemeinen die Dmastie der Ssäfna genannt. Seine Person, wir seine Herkunft, ist zum Theil uoch in das Dunkel der Sage gehüllt. Wahrscheinlich ist es, daß er aus der weiter gen Norden gelegenen Landschaft Burgu ------345 — nach Kaneni gekommen ist und von dem lybischen Stamm der Berdoa abstaininte, welche als eine Abtheilung der Wüstenberbcr genannt werden. — Diese berberischc Abstammnng der Ssäfua wird noch von mehr als Einer Seite her bestätigt. So nennt das Haussa-Bolt noch jetzt jeden Bornu- oder Kanori-Mann „Ba-bcrbertfche" und die Nation selbst „Berbcre". Ferner wird in unserem Chroniken - Allszug ausdrücklich erwähnt, daß vor der Zeit Sselmaa's, des Sohnes Biloru's (gegen 1194 n. Chr.), die Könige von Boruu, den Arabern gleich, eine rothe Hautfarbe gehabt haben, indem Sselmaa („Mim" oder vielmehr „tsillim" heißt „schwarz") der erste schwarze König in Bornu war. Auf berbcrischen oder, um es allgclnciner auszudrücken, anf einen Urspruug von der syrisch-lybischcn Rasse scheint die Sitte dieser Fürsten hinzudeuten, die Ebu Batuta bei dem zu seiner Zeit rcgie^ rcndeu Edriss ausdrücklich erwähnt, nämlich ihr Gesicht zu bedecken nnd den Mund nie sehen zu lassen. Diese Sitte des Verschleierus soll nach Matrisi sogar dem ganzeu Stamm eigenthümlich gewesen sein, und wir haben davon noch heutigen Tags ein offenbares Zeugniß iu dem Verschleiern der Mauga - Frauen. Weiter gehört auch hierher die noch bis vor Kurzem übliche Sitte, den neneu König auf einen Schild zn setzen und über die Köpfe der Leute emporzuheben, so wie die ursprüngliche und bis zum jüngsten Umsturz des Reichs bestandene ganz aristokratische Ncichsverfassung, begrüudet auf eine Rathsversammlung von zwölf Häuptliugen oder Edlen, ohne deren Zustimmung der König nichts von Vrdentung uuternehmen tonnte. Schon unter den hier angeführten Beweisen dentcn einzelne darauf hin, daß nicht allein die königliche Familie, sondern selbst ein großer Theil des ganzen von ihr beherrschten Volkes oder eine der Völkerschaften, welche dem Bornu-Reiche einverleibt wnrden, berbe-rischen Nrsprnng hatte; daß dies in der That der Fall gewesen, war noch vor zwei und einem halben Jahrhundert deutlich zu crkcuueu. Iu den Berichten über die Heereszügc des Königs Edriss Alaoma wird nämlich beständig erwähnt, daß ein großer Theil semer Heere dem Berberstammc — „kabail cl Äcrabcr" — angehört habe, nud stets werden zwei Abtheilungen dieser Heere, die „Rothen" uud die „Schwarzen", unterschieden. Wie nnd wann dieser Theil der Bevöl kerung Bornn's von den anderen Bestandtheilen sich wiederum ausgeschieden hat, werden wir au eiuer andern Stelle dieses geschichtlichen Ueberblickes sehen. Gegen den berberischen Ursprung könnte man freilich einwenden, ------ 346 ------ daß die Kanori^ odor Boruu-Sprache kein Berber--Element zu cut. halten schone, was in der That ulit wenigen Ansnahmen der i^all ist. Um diesen Eiuwurf zu entkräften, hade ich nur das ganz ssleiche Beispiel der später näher zn erwähnenden Bulala anznfnhrcn. Dieser Stamm nämlich liesi sich nnter der am See Fittri oder Bat^ha angesiedelten Völkerschaft der Kuka nieder, gründete hier eine Dynastie und hat, obwohl er noch zur Zeit Veo's seine eigenthümliche Sprache, das Kanon, redete, dieselbe gegenwärtig gänzlich vergessen, dagegen das Idiom des von ihm beherrschten Volks angenommen. Achn-lichc Beispiele sind zahlreich. Kanem war also das Stammland Bornu's nnd der halb sagenhafte Ssäf der Begründer der Dynastie. Aber erst sein Enkel, Dnln oder Dngn, der Sohn Ibrahim's (des ersten historischen Charakters), scheint, wahrscheinlich gegen Ende des 9. Iahrhnnderts n. Ehr., als der erste wirtliche König oder Sultan angesehen werden zn müssen; nach ihm wnrde der erste Zweig der Ssäfna die D^,nastie der Dugua genannt. Ans dem zunächst folgenden Zeitraum von 2»)<) Jahren ist uns wenig mehr aufbewahrt, als die Namen der Nachfolger Dngu's. Schweigsani nnd unwahruehmbar wnchs die Macht in Kanem mit der Hanplstadt ^ldjimie, bis gegen (5l,de des 11. Jahrhunderts n. Chr. mit dem Könige Ssclmaa der Zweig der Äeni Dutn (Dngna) nnd mit ihm die Zeit des HeidenthnmS endete. Der Sohn des eben genannten Herrschers, Hume (lO^li—1097), gründete nämlich dnrch die Annahme des Islam die Dynastie der Bem >>nme, der moslemitischen Könige Kanems. Er soll in Aegyptrn, also ans einer Pilgerfahrt nach Mett'a, gestorben sein. Von dem Impuls des Islam getragen, sehen wir nun Plötzlich das ^and unter Dunama, dem Sohn nnd Nachfolger Hume's, mit der Stärlc eines jungen nnd träftigen Reichs emporschießen und seinen Einfluß bis nach Aegypten ansdehnen. Dnnama füllt in der Reihe der Könige die ganze erste Hälfte des 12. Iahrhnndcrts aus, von 1098—1150. Er hatte ein treffliches Heer, Reiterei nnd Fnßvoll, und mnß vielleicht als der König angesehen werden, der nach Leo's Angabe zuerst Reiterei einführte nnd die Pferde von der Nordküste kommen ließ. Er machte die Wallfahrt dreimal mit zahlreichem Gefolge nnd soll von den Bewohnern Aegyptens, deren Argwohn er weckte, bei seiner Einschiffnng nach Mekka in Snez ertränkt worden sein. — Die Macht Bornn's wnchs mehr und mehr, so daß jener erste Negcrkönig, der oben erwähnte Sselmaa, Sohn des Bitoru, der ------ 347 ------ von N94—122l) regierte, bereits einer der mächtigsten Fürsten von Bornn gewesen sein mnß. Gerade während seines Vebens standen die Beni HafisS, die Herrscher von Tunis, auf der Höhe ihrer Macht, welche durch ihre Freundschaft den Einfluß der Noruu-Könige anf die ganze Wüste begründet haben sullen. Der Gipfel der Macht aber und die Blüthe des Glücks dieser Periode fällt zusammen mit der Regierung des zweiten Dnnama. Er war der Sohn des vorhin genannten Sselmaa nnd der Dibbala, daher sein voller Name: Dibbalami Dunama Sselmami; denn es war Sitte bei den Kanori, Personen überhaupt, namentlich aber ihre Könige, vorzngsweise nach dem Namen der Mntter zn benennen. — Auch feine Macht, wie die seines Ahnherrn Dnnama, scheint sich ganz besonders anf zahlreiche Reiterei gegründet zu haben. Seine berühm> teste That ist der Krieg, welchen er länger als sieben Jahre gegen die Tebn geführt hat, nnd höchst wahrscheinlich ist es dieser unternehmende, rastlos thätige Fürst, welcher das Reich Kancm über ganz Fesan nnd Wadan ausdehnte. Jedenfalls ist es erwiesen, daß ein solches Abhängigteitsverhältniß bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts bestand. Dibbnlami's Reich erstreckte sich, Imam Ahmed zufolge, von: Nil westwärts bis zu dem Bache Baramuassa (wahrscheinlich identisch mit dem von ElaMrton „bahr Mussa" genannten westlichen Nebcnflüßchen des Niger, das die Grenze zwischen Borgn und Mo-rnba bildet), und wahrend es im Norden das ganze Fesan umfaßte, reichte cs im Süden bis weit jcuseits des Tsad. Um diese Zeit werden die Könige von Kanem von den arabischen Geschichtschreibern ansdrücklich „Herren von Bornu" genannt. — Dibbalami aber legte durch eben diese Kriege den Grund zu dem sftätcrrn Mißgeschick des Reichs, was von dem Volt von Vornn bildlich ausgedrückt wird, iudem es heißt, er habe den „mmmi" — den Talisman vou Boruu — geöffnet, und das Bild des daraus entflohenen Schatzes habe alle Mächtigen und Großen dcö Reichs zu ehrgeizige», Plänen aufgestachelt. Es scheint uns diese Sage anf die Parteiungen und Fattionrn hiu^ zudeuten, welche die verschiedenen Söhne des Königs, denen er die Leitung seiner vielen Kriege anvertraute, ebeu in Folge der dadurch erlangten Macht anstifteten. Vielleicht, daß nnter jenem Talisman auch das enge Vcrwandtschafts- und Freundschaftsrerhällniß verstanden werden muß, das zwischen den Kanori nnd den Tebu oder Teda bestand nnd das aller Wahrscheinlichkeit nach durch den erwähnten siebenjährigen Krieg damals zerstört wurde. Gcuug, es folgten sich nach ------ 34s------ der Zeit Diblialami'ö Bürgerkriege, Köuigsmorbe lind Dynastien-Wechsel ohne Unterbrechung. Dibbalami Dnnama Sselniann regierte ungefähr von 1221-1259. t§s war unzweifelhaft eine überaus glänzende Regierung mit fernen ungeheureu Kriegszügen nnd großen feierlichell Gesandtschaften. So fällt ganz an's Ende der Regierung Dibbalcmn's eine bei den ara-bischen Geschichtschreibern sehr berühmte Gesandtschaft an den Herrscher von Tunis, wobei eine Giraffe die grüßte Merkwürdigkeit bildete. Sein Nachfolger, Kade, hat es, wie es scheint, seine Sorge sein lassen, das gute Verhältniß zu den Dynasten vou Tnnis aufrecht zn erhalten; er mnßte aber bereits gegen einen Usurpator auftreten, welcher au der änßcrstcn nordöstlichen Grenze des Reichs in Wadan (Fesau) gegen ihn aufstand, und starb nach 29jähriger Regierung durch die Hand eines Mörders, AehnlichcS sehen wir nuu fast nnter jeder der folgenden Negieruugen. So konnte Ibrahim Nikale (1307 —1326) sich eines aufrührerischen Sohnes nur durch desfeu Tödtnng entledigen, ward aber nachmals selbst ermordet uud iu den Fluß Wanbe, den Komadngn von Boruu, geworfen; anch sein Nachfolger, Abd Allah, mnßte gegen einen seiner höchsten Würdenträger, der als fein Ncbenbnhler auftrat, kämpfen. Diefen Zustand innerer Zer-riittnng benutzten die Sso oder Sfeu, ein ursprünglich in dem ausgedehnten ^änderstrich zwischen dem Komadngu Wällbc und dem Schari angesiedelter Stalnm, der allem Anschein nach mit den noch jetzt auf den Inseln des Tfad hauseudeu Icdina oder Budduma eng verwandt war. Von den früheren Königen unterdrückt, ohne ihrer festen Plätze beraubt zu werden, scheinen sie damals in einem erfolgreichen Kampfe gegen ihre Unterdrücker aufgestanden zu sein; denn sie besiegten uud tödteten m'cr auf einander folgende Könige vou Vornn in kaum eben so vielen Iahreu (Mitte des 14. Jahrhunderts). Erst Edriss, Sohn des Ibrahim Nitale, auf dessen Familie nach dem Tode aller Söhne Abd Allah's die Köuigswurde zurückfiel, scheint glücklicher gegen die Sso getämpft zn haben, nnd wenigstens der letzte Theil seiner Regieruug (1353—1376) scheint eine Periode größerer Rnhe gewesen zn sein. Es war dies die Zeit, als Ebn Batuta, der größte aller arabischen Reisenden, hart an den westlichen Grenzen des Reichs vorbei vou seiuer Reise nach Melle nnd Sson-rhai in seine Heimath zurückkehrte. (5beu der damalige, von Krieg und Mord unterwühlte Znstand Boruu's erklärt es uns, warum der Wißbegierige Reisende dieses doch sckwn lange vorher zu so großer ____ I49 ____ Macht gelangte Reich vermied. Im Stilleu bereitete sich eben damals der größte Schlag dor, der dies Reich je traf und wodurch alle seine Verhältnisse verändert wnrdcn, ich meine den Verlust von Kancm, der Kernproviuz des ganzen Reiches. Schon der Nachfolger und dann der Sohn eben des Königs Edriss fielen als Opfer in diesen: neuen schweren Kampfe. Der Feind war die, wie es scheint, aus einem eng verwandten Keime hervorgegaugeuc Dynastie der Bulala. Ueber die ersten Anfänge der Bulala sind wir bis jetzt noch vollkommen im Dunkeln; nur so viel habe ich erfahren können, daß sie ihren Urspruug vou einem entflohenen Prinzen des Kauem-Hauses, Namens Djil Schiwmemi, herleiten, der in der Landschaft Fittri — dem „See"-Gebiete — nnd dem Thale „el bat-ha" des späteren Wadai eine Herrschaft über den Staunn der Kula grüudetc. Von dort dehnte diese Dynastie ihre Macht in jeder Richtung aus, bis sie nach blutigem Kampfe die Kanori-Dyuastie aus Kanem vertrieb mid sie zwaug, mit Räumung dieser alten Stammlaudschaft des Reichs in den westlichen Provinzen Schutz nud einen ueuen Mittelpunkt zu suchcu. Es war unter der Regierung Daud's, des Sohucs Ibrahim Male's und Nachfolgers des Edriss, daß die Bulala den Kampf begannen. Durch Bürgerkriege gegen eiuen oder mehrere seiner Söhne geschwächt, wurde Daud vou dein Bulala-Könige Abd cl Djclil an-gegriffcu, aus feiner Hauptstadt Ndjimie vertrieben nnd in einer Schlacht getüdtet (1385—1386 n. (ihr.). Sein Sohn Othman führte den Krieg anfangs mit einigem Erfolg weiter, nahm Ndjunic wieder ein, fiel aber auch, wie es scheint, eben in seiner Hauptstadt (13W). Es folgte Othman, Sohn des Edriss, doch nur, um nach zwei Jahren das Schicksal seiues Oukcls und Vetters zn theilen, uud seiu Nachfolger, ciu auderer Sohu Daud's, wurde schon nach wenigen Monaten von den Bulala getödtct. Da gab rudlich Omar (1394—1398), ebenfalls ein Sohu des Edriss, hart bedräugt von den unermüdlichen Feinden, Kanem ganz auf und verlegte seine Residenz nach Kagha, einem Distrikt von 40 — 50 Meilen Ausdehnung iu Gornu, zwischeu Udje und Gudjeba gelegen. Die Birlala, nicht zufriedcu damit, 5tauem den Händen der Nebenbuhler entrissen zu haben, folgten diesen anch nach ihrem ueueu Zufluchtsort. Gezwungen, sich in nnr halb unterworfene, von Sümpfen geschlitzte Gegenden zurückzuziehen — eben die ursprüuglicheu Sitze der fciudlicheu Sso oder Sseu — und auf bloße uustete Kriegslager ------ 350 ------ als Residenzen beschränkt, schien die Bornn-Dynastie ihrem Untergänge nahe zu sein. Siebzig Jahre schleppte sie so ein sieches Dasein hin; da erstand der große König Ali Dunamami (1472 — 1505), bei seinen ^andsleuten gefeiert nntcr dem Namen Mai Ali Ghadjideni, nnd eröffnete eine neue glänzende Periode des Reichs; denn in der That ist er der Nenbegründer des eigentlichen Reichs von Bornn. Bor allen Dingen beseitigte er die Quelle der steten innern Zwistigteiten nnd der darans entspringenden Bürgerkriege, indem es ihm gelang, das übermächtige aristokratische Element im Staate dadnrch zu bemeistern, daß er das Gleichgewicht zwischen den Beamten hohen Ranges wieder herstellte. Das Uebermaaß von Macht, welches in den Händen einiger dieser Großen, in Wahrheit fast unabhängiger Fürsten, namentlich in denen des^leghamma(entsprechend dem Scrastier im türkischen Reich) geruht hatte, war der Hauptgrund aller der Unruhen gewesen, die das Reich zerrissen hatten. Um der Regiernng einen nenen Mittelpunkt zn geben, bante Ali eine große Hauptstadt, Ghasr-Eggoino, gemeinhin nur „Birni" (die Stadt) genannt, am Komadngu Waube und drei Tagereisen westlich von Kutaua gclegcn, als künftige Residenz der Könige Don Burnu. Aber auch nach Anßen stellte er das Ansehen des Reichs wieder her, und seine vielen ruhmreichen Kriege verschafften ihm den Beinamen „cl Rhasi", „der Krieger" oder „der Eroberer«. Ali dehnte seine kriegerischen Unternehmungen weit nach Westen, bis zn den Ufern des Kuara ans und wnrde von einer Eroberung des goldreichen Nangara, des Bandes der östlichen Mandingo, jenseits dieses Stromes, nur durch einen Einfall der alten Feinde, der Bulala, zurückgehalten. Anf der andern Seite zeugt eine Gesandtschaft, welche er nach Tripoli sandte, für die weitgehenden politifchcn Beziehungen dieses Herrschers '). — Unter seiner Regierung war es auch, gegeu Ende des 15. Iahrhnndcrts, als der später Leo Africanus genannte wißbegierige andalusische Reisende den Sudan besuchte. Er fand das Reich der Bulala (Gaoga) noch übermächtig; bald aber, noch ehe er als Ehrist (1528) seinen Reisebericht in Rom abfaßte, sollte sich dieses Verhältniß ändern. Edriss, geliannt Katalarmabi, der würdige Sohn «nd Nachfolger Ali's, vollbrachte, was für den Frieden und die Größe des Reichs ') I,i meinem laßeren Wcrl ist das Datum dieser Gesandtschaft als Is»I2 angegeben; es sollte heißen 1ü0^. ^_ 351 ------ < Sornu zunächst nothwendig war, nämlich die Demüthigung und Un-trrwerfnng der Bulala. Kurz nachdem rr den Thron bestiegen (er regierte von 1504 bis 1526), ging er mit cinem starken Heere nach Kcmem, schlug den Bulala - Fürsten Dunaina und zog im Trinmph in der alten Hauptstadt Ndjimic cm, 122 Jahre, nachdem König Daud daraus vertrieben und. getüdtet worden war. ^>on dieser Zeit bis zunt Anfang unseres Jahrhunderts ist Kanein eine Provinz von Äornu geblieben, aber nie ist es wieder Sitz der Negierung geworden, und die späteren Könige mußten noch manchen Zug dahin unternehmen, um das Abhängigkeitsverhältniß stets wieder von Neuem zu befestigen. Schon Edriss-Katalarmabi mußte, tamn von seinem EroberungSznge zurückgekehrt, abermals dahin aufbrechen, um auch den Bruder des besiegten Fürsten zu unterwerfen. (5s ist dics leider die letzte Begebenheit aus der glorreichen Laufbahn dieses Königs, die zu unserer Kenntniß gelangt ist, da die von dem gleichzeitig lebenden Fall Mas-farma Omar ben Othman abgefaßte Geschichte seiner Regierung noch nicht an's Licht gekommen ist. Im Ganzen ist das 16. Jahrhundert eine der glorreichsten Perioden in der Geschichte Boruu's. Denn während im westlichen Sudan das große Ssourhai-Ncich sich anflöste und endlich von Mulai Hamed, dem Kaiser von Marokko, erobert wurde, erreichte das Neich Äornn nntcr einer Reihe kraftvoller Regenten den Gipfel seiner Macht nnd Größe. So wirkte der Sohn des Edriss Katakarmabi, Mohammed, erfolgreich nach allen Nichtnngcn hin (15261—1545). Für uns sind namentlich seine Kämpfe an den westlichen Grenzen seiner Staaten von Interesse. Dort bekriegte er den König von Kcbbi, wahrscheinlich Tomo, den Erbauer von Birni-n-Kebbi, mit dem er eine große Schlacht schlug und ihn allem Anschein nach besiegte Ferner müssen wir annehmen, daß er es war, der 1534 abermals eine Gesandtschaft nach Tripoli schickte. Aus den RcgiernngSjahrcn der nächstfolgenden Könige, in denen die Züge nach Kanem immer wiederkehren, auch mehrfach Hungers-noth über das Laud lam, Hebel« wir nur hervor, daß zwischen 1564 und 1570 die ersten Niederlassungen der Fulbe iu Äornu berichtet werden, nnd gehen nun zu den, ausgezeichnetsten Fürsten dieser Periode über, zu Edriss Amssami oder Alaoiua, wie er gewöhnlich nach seinem Acgräbuißort Alao genannt wird (1571- -1603 n. Chr. oder 979—1011 d. H.). Dieser Herrscher hatte das Glück, in seinem Imam, Ahmed bell Furtua (oder ben Ssofia), einen glaubwürdigen ------352 ------ und fähigen Geschichtschreiber zn finden, dessen Wert die Dynastie der Ssäfna überlebt hat. beider unifaßt es nur die ersten zwölf Jahre seiner Regierung, so daß wir von den übrigen 21 Jahren derselben, die wahrscheinlich eben so reich an Ereignissen waren als jene, nichts wissen. Imam Ahmed schrieb einen Theil seiner Geschichte augenscheinlich im Jahre 990 oder 991 d. H., in der Hauptstadt Ghasr-Eggomo, den anderen Theil, die Hecreszüge nach Mnem, die auch in jene ersten zwölf Jahre fallen, ein weuig später. Edriss Alaoma scheiut den Thron nach einem t'nrzen Interregnum seiuer Mutter, der berühmten Aaischa mit dem Beinamen Kel-egh-rarmaram, bestiegen zn haben. Die Königin- oder Snltanin-Mntter — „magcra" — übte überhaupt im Voruu-Reich einen bedeutenden Einflnß aus, Aaischa aber gilt vor alleu andern uuter den Kanori als das Ideal ciuer Frau von vollendeter Äilduug, weshalb sie auch „mai tamobe", „die Ku'nignl*der Frauen", genannt wird. In der That scheint sie auch eine ausgezeichuete Persönlichkeit gewesen zu sein; ihr Zuname dentet anf berbcrischc Abstammung. - Zn den ersten Regierungöhaudlnngen des Königs Edriss Alaoma gehörte die Abscndnng einer Gesandtschaft nach Tripoli, um dcu für Bornu so wichtigen freien Verkehr mit dieser Stadt zn sichern. Dieseln Verkehr muß auch die bcmerkenswerthe Thatsache zugeschrieben werden, daß Edriss bereits eine ziemliche Anzahl Musketiere hatte, welche vielen blntigen Schlachten einen Ausschlag zn seinen Gunsten gaben. Auch wisseu wir von einer bedeutenden Karawane, die in jener Zeit mit einer großen Anzahl arabischer Pferde zmu Verkauf von: Norden kam. In Äezug anf die inneren Angelegenheiten des Staates scheint es das Hanptziel des Edriss Alaoma gewesen zn sein, jene heterogenen Volksclemente, alls denen das Königreich lose znsammengefiigt war, gänzlich zu unterwerfen oder felbst auszurotten. Wir sehen ihn daher diese Politik mit starker Hand nnd unerbittlicher Konsequenz nach allen Seiten hin üben. Zuerst waren es die Sso oder Ssen, gegen die er sich wendete. Sie besaßen noch ausgedehnte Läuderstriche uud zahlreiche feste PMe gauz ill der Nähe der Hauptniederlassungen des Bornu>Volkes nnd hatten es verstanden, immer noch einen großen Theil ihrer nationalen Unabhängigkeit zu wahren. Ihre Festungen wurden ewbert, die Bewohner getödtet oder zn Gefangenen gemach», der Nest zerstreut. Nachdem Edriss so die heidnischen Voller im ^sten seine Macht hatte fühlen lassen, wendete er sich nach Westen, nach ------ 353 ------ der Provinz Kano. Ein,.- Reihe von festet, Plätzen, eben crst von den Kanaua erbaut, wurden erobert, nur der Felshügel Dala, der ursprüngliche Kern der Stadt Kau», widerstand. Nach der Demüthigung der Kanaua tam die Reihe an die Tnarcg (Inw-scharh) oder Berber im Nordwesten seines Reichs. Er brach dic Kraft der verschiedenen Stämme, namentlich auch der Berber von Air, in drei glücklichen Hecreszügen und ließ es hierauf seine Sorge sein, das Abhängigteitsverhältuiß der Tebu oder Teda zu befestigen, deren ^and als Verbindungsglied von Bornu mit der Küste im Norden von besonderer Wichtigkeit für ihn war. Interessant ist es, daß er bei dieser Gelegenheit einen längeren Aufenthalt in Bilma, dem Ausgangsurt des großen Salzhandcls, nahm. Vom Nordwcstcn und Norden wandte Edriss seine siegreichen Waffen abermals gegen die heidnischen Völkerschaften im Süden und Osten des Reichs. Der anfständischc Fürst der Marghi wurde gezwungen, in der Hauptstadt des Obcrherrn zu erscheinen und Staub auf sein Haupt zu streuen, zum Zeichen der Unterwerfung. Der vertriebene Fürst der Mandara (Wandala) ward mit Waffengewalt wieder eingesetzt und der lriegcrische Staunn der Tetala oder Trlala, der in der Nachbarschaft und auf den Inseln des Tsad ansässig war (wahrscheinlich identisch mit den heutige» Jedina oder Buddnma), mit einer Flottille von Booten in seinem eigenen (Elemente angegriffen und in dir Moräste des Tsad zurückgeworfen. — Noch mancher andere Stamm fühlte die schwere Hand des energischen Königs, der sich während aller dieser Kämpfe nur eiu Jahr der Ruhe gegönnt und dann eine Wallfahrt nach Mctla uuteruommeu hatte. Aber auch noch fünf Hceresznge nach Kanem fallen in diefe Periode der ersten zwölf Jahre seiner Negierung. Bei seiner Thronbesteigung hatte Edriss Alaoma mit Abd Allah, dem damaligen Fürsten der Bulala, die trotz ihrer wiederholten Bcsicgung immer nur in einem tributären, fast unabhängigen Verhältniß gestanden hatten, einen Friedenövertrag abgeschlossen. Es ist gewiß bemerlcuswcrch für den Zustaud der Civilisation, der schon damals in diesen Ländern herrschte, daß die Bedingungen dieses Vertrags diplomatisch in zwei Abschriften aufgezeichnet waren, von denen je eine in dem Besitz der beiden tontrahirenden Fürsten sich befand. Als aber Abd Allah gestorben war, wurde sein Sohn Mohammed nach knrzer Zeit von seinem Onkel Abd el Djelil entthront, der den Fricdensvertrag brach und der Ab-hängigtcit von Bornn sich entzog. Iu dem daraus sich entwickelnden Vaith'« Ntlftn. 1. 2» ------ 354 ------ Kampfe war Edriss, im Ganzen genommen, siegreich, obwohl es den Anschein hat, daß anch das Vornnhcer bei der Schwierigkeit des Vandes und der Flüchtigkeit des Feindes, welcher stets ihren Händen entrann und plötzlich wieder anftanchte, einige schwere Verluste erlitt. Endlich gelang es zwar, das ganze Land zu erobern (selbst ganz Fittri scheint damals in ein Abhängigkeitsderhältuiß getreten zu sein) nnd anch Muhanuned wieder auf den Thron zu setzen, dennoch war Edriss genöthigt, nachdem er kaum den Rücken gewendet, seinem Schützling abermals zu Hülfe zu eilen. — Von mm an schweigen nnsere Nachrichten über Kanem, von dem wir erst in ganz neuerer Zeit wieder hören. Ueber die mm folgenden 21 Jahre der Negierung dieses ausgezeichneten Fürsten wissen wir gar nichts, wenn es nicht gelingt, weitere Urkunden über diese interessante Periode in der Geschichte Bornu'S aufzufinden. Nur über seinen Tod existiren uoch mündliche Nachrichten, denen zufolge er bis zu seinem letzten Augenblick Krieg führte. Er soll nämlich auf dem Schlachtfeld an einer Brustwunde gestorben sein, die ihm ein in einem Baum versteckter heidnischer Feind mit einem Handcisen — „golw" — beigebracht habe. Es geschah dies angeblich während eines Krieges, den er an den Grenzen von Baghinni führte, wahrscheinlich gegen die Gam-erghu. Ungeachtet aller Kriege und Unternehmungen in weitester Ferne förderte der Boruu-Held nach den Worten nnserer Chronik „die Wohlfahrt des Landes und den Reichthum der Städte«. Namentlich verschönerte er seine Residenz Ghasr>Eggomo durch Einführung eines solideren Baustyls, uud höchst wahrscheinlich müssen wir auf ihn die interessanten Ruinen alls gebrannten Ziegeln in Birni sowohl als in Ghambarru zurückführen. So scheint denn nach Allem, was wir von ihm wissen, Edriss Alaoma die verschiedensten Eigenschaften in sich vereinigt zu haben, die einen ausgezeichneten Fürsteu hervorbringen. Wir finden in ihm kriegerisch« Energie, derbnndcn mit menschenfreundlicher Milde und tiarer Einsicht, persönlichen Muth neben Umsicht und Geduld, Strenge, gepaart mit Gefühle«, der Frömmigkeit. Genug, es ist zu hoffen, daß meine Veser ans diesem Beispiel ein günstigeres Urtheil über den Charakter der Könige von Bornu im Allgemeinen sich bilden werden, als das Bild ist, welches Denham nach dem erbärmlichen Schütten seiner Zeit entwarf, indem er sagt: „Ein Snltan von Burnu trägt feine Waffen und es ist unter seiner Würde, sich zu vertheidigen." ------ 355 ------ Gewiß steht mi Maml wie Edriss Alaoma nicht allein da, und wir können nicht umhin, gleich hier mit seinem Namen die seiner beiden Veziere zn verbinden, zweier Arüder, Knrssua und Edriss bcn Harun, von denen ganz besonders letzterer ein eben so kriegerischer als einsichtsvoller Mann war. Dieser lebenskräftigen, rührigen Epoche folgte eine ruhigere Zeit, in der wir jedoch die Macht >md Kraft des Reichs nicht erstarken, sundern vielmehr abnehme», sehen. Ueberschauen wir die beiden Jahrhunderte nach dem Tobe Edriss Alaoma's, so erblicken wir zum allergrößten Theil fromme nnd friedliche Könige, welche, in ihrer Residenz Ghasr-Eggumo sich in ^nxus nnd Pracht ergehend, dieselbe kaum jemals verließen nnd ihre Thatkraft höchstens in einer Wallfahrt nach Mekka zeigten. Nnr Einer Ausnahme müssen wir gedenken; es war dies der vierte König nach Edriss Alauma, Ali, der Sohn des Hadj Omar (1645—1684). Er war ein tapferer, unternehmender und einsichtsvoller Regent, der nicht nnr dreimal nach Mekka pilgerte, sondern auch außerdem eine thatenreiche Regierung führte. Es ist daher höchst betlagenswerth, daß wir über diesen Zeitabschnitt von fast vierzig Jahren nur ganz losgerissene Notizen haben, um so mehr, als sich nnter diesem Fürsten Keime des naheudcu Verfalles des Reichs entwickelt zu haben scheinen. Als er von seiner lchten Pilgerfahrt (1667) zurückkehrte, hatte er einen weit ansgedehnten Aufstand der verschiedenen Völkerschaften zn unterdrücken; anch führte er, wie es scheint, in Folge dieser Auf stände, mehrere Kriege mit dem Sultan von Air, der damals in Agades residirtc, und war einmal zu gleicher Zeit vou den Tuareg und den Köana, einer Abtheilung der Kororofa, die lange Zeit von Boruu abhängig waren, in seiner Hauptstadt belagert. Es gelang indeß, wie es heißt, seiner Schlauheit, sich Letzterer gegen die Tuareg zu bedienen und sie dann selbst zu besiegen. Diese Politik und diese laugdanernden Kriege gegen Agades aber scheinen das berberische Element der Bevölkerung von Bornu, seit Beginn der Dynastie der Ssäfua ein integrireuder Theil dieses Reichs, von den übrigen Bestandtheilen, aus denen die Nation zusammengesetzt war, nicht nur losgetrennt nnd wieder abgesondert, sondern sogar ,;u erbitterten Nationalfeinden gemacht zu haben. Vou diesem Gesichtspunkte ans erhalten die beständigen und ununterbrochenen Raubzüge der Tuareg gegenwärtiger Zeit gegen die nördlichen Landschaften Bornn's nnd gegen Kanem einen ganz anderen Charakter uud eiu ganz audcres, lebendigeres ------ 356 ------ Interesse, als wenn wir dieselben als planlose, nur auf augenblickliche Beute berechnete Räubereien ansehen. Der unruhige Zustand des Bandes und die dadnrch gestörte Bebauung deS Bodens scheint unter dieser und deu nächsten ^Regierungen die Ursache mehrfach wiederkehrender Hungersnoth gewesen zu sein. Zu alledem kam gegen Ende des vorigen Jahrhunderts noch ein an dercs Unglück. Unter der Regierung des Bönigs M, des Sohnes dun Hadj Duuama, welcher von 1755 — 1793 deu Thron einnahm und in unserer Ehrouit wohl nur vou einem etwas mönchischen Standpunkt aus als höchst ausgezeichneter Fürst gepriesen wird, kam in einem unglücklichen HcercSzng gegen die Bewohner von Waudala oder Mandara der tapferste Theil des Bornu-Hcereö um. Dem uuglück-lichcu Ausgang dieses Unternehmens schreiben es die in der Geschichte ihres Landes bewanderten Bewohner von Bonm zu, wenn das Reich den nnn über dasselbe hereinbrechenden ungewöhnlichen Erschütterungen nicht zu widerstehen vermochte. Ahmed, der Sohn des vorhergehenden Königs Ali, war, wie die Chronik sagt, „ein gelehrter Fürst, freigebig gegen die Ulcuna, verschwenderisch im Spenden von Almosen, ein Freund der Wissenschaft und Religion, gnädig und mitleidig gegen die Armen." Doch tonnte seine Frömmigkeit das Land weder vor einer fürchterlichen Pest, die eine große Menge Menschen hinwegraffte, bewahren, noch hatte er Energie gcnng, die heranstürmcnden Fulbe abzuwehren. Es war nm das Jahr 1808, als dieses thatkräftige Volt seine Einfälle begann. Sie hatten damals siegreich die alten Haussa-Hcrrschaftcn, welche bis dahiu immer noch in einem gewissen Tributärvcrhältnisse zn Bornu gestanden hatten, überstürzt und wälzten sich nun in ihrem fanatischen Eifer erobernd heran. Der neuen Sette traten aber die moslemischen Katholiken — nm mich dieses Ausdruckes zu bcdieneu —, die herrschende Klasse in Bornu, mit gleichem Fana tismus entgegen, uud die, wie wir gesehen haben, bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in diesem Neich angesiedelten Stammes-genosseu der Fulbe sahen sich nun politisch-religiösen Verfolgungen ausgesetzt. Diese Letzteren sammelten sich daher in Gudieba, schlugen iu der neu erwachteu Begeisterung alle gegen sie ausge-saudten Hanptlente Ahmed's und gingen dann, von ihren Stammesgenossen unterstützt, selbst zum Angriff über. In der Nahe von Ghasr-Eggomo, der einst weit nach allen Himmelsstrichen hin als Mittelpunkt der Herrschaft und des Glanzes gefürchttteu und hoch-gepriesenen „Birni", kam es znr Schlacht, in welcher die Heeresmacht ------ ^57 ------ des Sultans abermals geschlagen wurde. Eben hatte dieser noch Zeit, mit dem Zopfccrrmoniel semer zwölf Hofchargcu zum Ostthore hinaus zu entfliehen, während das siegreiche Heer der Fellata ohne Pump und Glanz durch das Wcstthor hereindrang. Ans feiucr Hauptstadt, dem langjährigen Sitze seiner Väter, vertrieben, seines halben Reiches beraubt, verlegte Ahmed seine Residenz nach der Stadt Kuruana (1809 n. Chr.). Da saßen nun die Bornn-Großen und überlegten, was zu thuu sei; doch teiner wußte Nath, das Reich vom Untergang zu retten. Aber schon war ein neues lebensvolles Prinzip erwacht, ein junger kräftiger Stamm, den verdorrten alten zn ersetzen. Es war der Fati Mohammed el Amin el Kancmi, ein frommer und gottesfürchtiger, aber zugleich ein energischer, welttlnger Manu, der, aus Fesan gebürtig, durch vielfache Reisen zu den Bewohnern von Kanem in die engste Beziehung getreten war und die Prinzessin des kleinen Herru von Nghala, einer damals noch blühenden Stadt, gchcirathet hatte. Eben dieser Verwandtschaft wegen hatte er angefangen, sich dem Vordringen der Eroberer entgegenzustellen. Nachdem ihm von seinem Schwiegervater die Bitte, Frau und Tochter mit nach seiucr Hcimath nehmen zu dürfen, abgeschlagen war, sammelte er mit seinen Freunden an dem Westufer des Tsad eine kleine Schaar trcncr Kaucmbu — fünf Reiter und 2W ^anzenträ'ger, wie die Ueberlieferung sagt >— und griff die seiner Drohungen spottenden Fulbe mit Erfolg an. Verstärkt durch eine größere Schaar patriotischer Mäuuer, schlug der Fati bald darauf die ganze in jene Ge-geudcu vorgedrungene Heercsmacht der Eroberer iu einer Schlacht bei Ngornu. Nachdem er so den ganzen östlichen Theil von Bornu befreit hatte, kehrte er ruhig zu seiuem Herde zurück. Sein Ruf aber drang weit durch das ^and und die feigen Höflinge iu Kuruaua hofften in ihrer Verzweiflung nnr Rettung durch ihn; auf ihre Bitte rief ihn Ahmed an seinen Hof und stellte ihn an die Spitze seines Heeres. Mit Hülse des begeisternden Fanatismus des Fati und der Tapferkeit seiner Kancmbu^anzenträgcr scheint Ahmed denn auch im Stande gewesen zu sein, die Hauptstadt nach großem Gemetzel wieder zu betreten; doch starb er bald darauf (Ittw). Ihm folgte sein Sohn Dunama (1^10—1817), dcr anfangs, wie es scheint, ohne Hülfe des Faki den Krieg gegen die Fulbe mit Glück fortsetzte. Aber schon im nächsten Jahre wurde er vom Feind aus seiner Hauptstadt vertriebe» und wanderte dann wie ein Ver- ------ 358. ------ banuter und Heimathloser in seinem Vteiche umher, ohne cine feste Residenz zn haben. Da sah er sich denn endlich gezwungen, seine eigene und seiner Höflinge Eifersucht zu besiegen und dort Hülfe zu snchen, wo sie allein zu finden war. Er stellte sich also, wenn auch mit großein Widerwillen, unter den Schntz des mächtigen Mi, ja, in seiner verzweifelten ^age mußte er sich zu einer Uebereinkunft bc^ quemeu, nach welcher diesem die Hälfte des Einkommens aller vom Joche der fremden Eroberer befreiten Provinzen zugewiesen wurde.— So rcsidirte nun der Faki ohne Pomp und königliche Insignien, aber nuter dem Zuströmen des Volkes und mit der wirklichen Macht in den Händen i» der großen Stadt Ngornu — „der Segen" —, wo er eifrigen Anhang von Seiten der zahlreich dort wohnenden Tcbu gefunden zu haben scheint, während der Sultan in dem nur wenige Meilen entlegenen Bcrbcrua seinen Hof hielt, mit all' dem abgeschmackten Gepränge der früheren Zeit. Da jedoch die Macht des Fati oder, wie er sich jetzt allmählich zu nennen anfing, des Scheich, immer mehr wuchs, suchte sich der Sultau dem Einfluß desselbeu dadurch zu entziehen, daß er beschloß, sein? Residenz an einem von dem Wuhnorte des letzteren entfernteren Platz anfznschlagen, nm dort seine Ailhänger nm sich sammeln und die Würde der alten Dynastie wieder herstellen zu tonnen. Der König wählte hierzu Wudi, welches, an der Nordwestecke des Tsad gelegen, die Straße nach Fesan nnd Kanem beherrschte, daher auch schou früher die gelegentliche Nesidenz mehrerer Bornu-Könige gewesen war. Die Umstände drängten jetzt Mohammed el Amin zu einer Entscheidung, ob er Unterthan oder Herrscher sein wolle; er ließ daher den Konig anf seinem Wege anhalten und zwang ihn, nach Berberua zurückzukehren. Ja, als sich derselbe in feiner königlichen Wiirdc verletzt glaubte uud hartnäckig auf seiuem Vorhaben bestand, setzte ihn der Scheich sogar ab, gab ihm jedoch den Thron nach kurzer Zeit wieder zurück, da Mohammed, der Oheim Dnnama's, der an des ächteren Statt znm Könige ge-macht worden war, anfing, sich eine neue Residenz zu baucu —- „Birui djcdid", eine halbe deutsche Meile nordwestlich von Ngornu — und noch weniger willfährig erschien als sein Neffe. Obgleich die Macht des Scheichs sich nnr allmählich bis zn dieser Stufe erhoben hatte, können wir doch den Anfang der durch ihn gestiftete» Dynastie — die Dynastie der Kanemin ^ nm das Jahr 1,^14 unserer Zcitrcchnnng ansetzen. Der Scheich Mohammed cl Kanemi, nachdem or sich der That nach zum Herrscher gemacht hatte, ------ 359 ------ qrnndetc mm auch eine neue Residenz, um so viel als möglich seine Stellung von jeder Erinnerung an die Zeiten der alten Dynastie abzulösen; er nannte dieselbe nach einer an der Stelle, wo er sein eigenes Haus bauen wollte, stehenden />c^>n^^ni: ^ntaua, die Stadt mit der Kula. Mißbräuchlich nennt man sie selbst gewöhnlich Kuta. Indem er sich so in der Regierung des großen, damals freilich höchst zerrissenen Reiches festsetzte, während er die äußeren Zeichen des Königthums den Ssäfua noch überließ, ja, sie vielleicht durch absichtlich übertriebenen Pump lächerlich zu machen strebte, wendete der Scheich zugleich feine Aufmerksamkeit auf die Wiedcrcrobernng der Verlornen Provinzen. Zuerst begann er den Kampf gegen Baghirmi, um dessen übermüthigen Fürsten znr alten Lehenspflicht zurückzubringen, und verband sich zu diesem Zweck mit dem Könige von Wadai. Dieser aber ersah bei günstiger Gelegenheit seinen eigeneu Vortheil; nachdem er die Hauptstadt des Feindes geplündert nnd reiche Beute, auch an Sklaven, fortgeschleppt hatte, fchloß er Frieden mit dem Fürsten von Baghirmi. Mohammed el Kancmi ging hierauf ein Bündnis; mit dem Beherrscher von Fcsau ein und es wurde ein gemeinsamer Feldzug von Bornn- und Fesan-Trnppen gegen Äaghirmi unternommen (1818). Er war zwar im Ganzen erfolgreich, aber dennoch nicht entscheidend. Die streitbare Mannschaft der Baghirmier hatte sich mit ihrem Fürsten in eine uneinnehmbare Stellung am Flusse Schari zurückgezogen. Wahrend dieses Kampfes mit Baghirmi hatte der Titularsultan Dunama in einer unglücklichen Schlacht bei Nghala sein Leben verloren (1817). Der Scheich setzte an seine Stelle einen nenen Schat-teutöuig, den Bruder des vorigeu, Ibram oder Ibrahim, ein; diesem war es bestimmt, die Ncihe der Ssäfua zu beschließen. Indessen wurde der Krieg gegen Baghirmi fortgesetzt, allein erst nach langem blutigen Kampfe gelang es, am 24. März 1824, auf demselben Schlachtfeld bei Nghala den unruhigen östlichen Nachbar znr Ruhe zu briugen. Nach der Unterdrücknng eines Anfstandcs der Manga scheint Mohammed el Kanemi den Bersnch gemacht zu haben, auch einige westliche Provinzen des alten Bornu-Reichs den Fnlbc wieder zu entreißen. Anfangs wnrde er vom Glücke begünstigt nnd schon war er weit in die Provinz Ba>utschi cingedrnngcn, als er im Jahr 1826 von den Heerführern des Sultans Äello auf das Haupt geschlagen wurde; nur mit genauer Noth tam er davon. Darauf scheint er ------ 360 ------ Frieden mit den Fulbe geschlossen zu haben. — Von ferneren Kriegszügen sind uns noch die wiederholten Versuche zur Unterwerfung Kanems bekannt. Er trat hierbei direkt Wadai gegenüber, das auf Grund der Eroberung des Vandes Fittri, des alteu Sitzes der Gu-lala, anch den Besitz von Kauem beanspruchte. Scheich Mohammed el Kancmi starb im Jahre 1835 und hinterliess eine starke Familie. Seinen ältesten nnd gcliebtesteu Sohn hatte er im Kampf gegen Baghirmi (1819) verloren; der nnn älteste, Omar, sollte der Nachfolger des Vaters werden, diesem bei dessen etwaigem frühen Absterben Abd e' Nahman, danu Mssuf folgen; so hatte es der Scheich angeordnet. Omar's Regierung ist dadurch am bemerkenswerthesten, daß er der Dynastie der Ssäfna ein Ende machte nnd selbst deren Schattenbild nicht mehr bestehen ließ. Er scheint im Anfang nach jeder Richtung hin den Frieden erstrebt zu haben und hatte zur Erreichung dieses Zieles, was Baghirmi betraf, den großen Vortheil, daß seine Mutter diesem Lande angehörte. Nach einem erfolglosen Hcereszug schloß er auch mit den Fulbc Frieden. Allein die fast unabhängigen Statthalter der westlichen Provinzen tonnten nnr mit Mühe in schuldigem Gehorsam gehalten nnd an fortwährenden Einfällen in das Gebiet der Fulbe verhindert werden. Als nun im Anfang des Jahres 1846 Omar ein starkes Heer unter Anführung seines Bruders Abd e' Rahman gegen Ibram, den Statthalter von Siudcr, schicken mnßte, nm ihn wieder zur Botmäßigkeit zu zwingen, benntzten die Anhänger der alten Herrscherfamilie den Umstand, dasi das eigentliche Bornn von Heeresmacht entblößt war, nnd riefen insgeheim den König von Wadai in's ^'and; er sollte den rechtmäßigen Herrscher von Bornn wieder in die volle Gewalt einsetzen. Als Scheich Omar die Nachricht von dem Herannahen des Feindes vernahm, ließ er den Schattcnkönig Ibram von Birni kommen nnd legte ihn in Ketten; er selbst raffte au Mann> schaft znsammen, was von dem Zug nach Sinder zurückgeblieben war, daneben einige hundert Araber nnd Tebn, verstärkt dnrch eine Schaar unzuverlässiger Schna, und eilte dem Feinde entgegen, begleitet von seinem tapferen Bruder Ali und seinem und seines Vaters trenen Minister Tirab, dem Vater Dadj Beschir's. Am Schari, bei der Stadt Knssuri, kam es znr Schlacht, im März 1846. Die Schaaren von Wadai konnten den Uebergang nicht erzwingen, da ihnen Omar diesen mit zwei kleinen Kanonen wehrte, die große Verheerung in ihren Reihen anrichteten. Da zeigten die Bewohner von Äussuri __^ 361 ------ dem Feinde eine Furth, die nur don Schua's bewacht wnrde. Diese ließen die Truppen don Wadai nicht nur ungehindert übersetzen, sondern verbanden sich noch mit ihnen und fielen plündernd auf das Voruu-Hcer. So ging die Schlacht für Omar nach tapferer Gegenwehr seiner Araber und Tebu verloren. Der treue Tirab fiel uud mit ihm ciue große Menge Kanori; der tapfere Ali schlug sich durch und drang in die Stadt Kussuri ein, wnrde aber von den verräthe-rischcn Bewohnern dem Sultau von Wadai ausgeliefert. Erst spät am Nachmittag hatte Scheich Omar das Schlachtfeld verlassen. Er eilte nach Kukaua, tödtetc den gefangenen Ibrahim und zog sich dann nach den westlichen Provinzen zurück, die Hauptstadt dem nachdringenden Feinde überlassend. Vierzig Tage lang lagerte dieser bei Ngornu, verheerte das ^aud, plünderte Kufana aus, branutc es nieder und schleppte Alles von Werth mit sich fort, darunter manche Gegenstände europäischer Mmstfertigteit, Gescheute der früheren Expedition. -- Aber nicht allein die Hauptstadt des Reichs war verwüstet, der gauzcn ueucu Dynastic drohte der Untergang. Der König von Wadai setzte Ali, den Sohn des von Omar hingerichteten Ibrahim, in Neu-Birni als König von Äoruu ein, doch nur, nm ihn schnell seinem eigenen Schicksal zu überlasseu. Das heranziehende starte Heer Abd e' Rahman's vor sich und das bald schwer zu pas-sirende Strompaar iu seinem Rücken, dachte der Herrscher von Wadai auf eine sichere Heimlehr. Znvor aber sandte er durch einen Friedensboten alle Briefe jeuer vornehmen Kukauaua oder Hofbeamten, welche ihn herbeigerufcu hatten, an Scheich Omar, um diesem zu beweisen, daß er nicht ans eigenem Antriebe gelommen sei. In den letzten Tagen des April oder Anfang Mai zog er von Ngoruu ab. Trotz des Abzugs der Wadauer hielt sich der junge Ali, Ibrahim's Sohu, für start genug, dem Sohne des Mannes entgegenzutreten, welcher den Thron seiner Väter sich angemaßt hatte. Muthig zog er zum Augriff gegeu den Scheich aus und bei dem Orte Mi. narem trafen die beiden Heere auf einander. Doch ehe die Schlacht noch eine allgemeine geworden war, floh die Schaar der verweichlichten Höflinge uud der junge Snltan wurde besiegt und getüdtet. So fiel der ?etzte der Sfäfua uud starb einen ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfeld. Dieser leichte Sieg Omar's war ein deutlicher Beweis, daß die Familie des Mohammed el Kancmi bereits festen Fuß an der Stelle der alten Herrscher gefaßt hatte. Es folgte nuu ciuc blutige allgemeine Verfolgung der Parteigänger der alten Dy- .,_^ Zl^2------ nastie, und um jedes Andenken an ihre Zeit möglichst zu verwischen, wurde die Zerstörung von Nen Äirui beschlossen nnd von Hadj Be-schir, dem Sohne Tirab's, ausgeführt. Von dieser Zeit schreibt sich, wie die Vente sagen, der große Reichthum des Veziers. Nachdl'ni mittlerlveile der Sserli Ibram von Ssinder und später die große Stadt Snrrikulo voui Scheich Omar selbst, die aufständischen Manga von Abo e' Raliman bestraft lind zur Botmäßigkeit znriickgebracht waren, erfreute sich das Vand endlich einer dauernden Ruhe. Au der Stelle der zerstörten HanMadt banten Omar und sein Vezicr zwei nene Städte, die östliche — „billa gedibe" - zur besouderen Wohnstätte der mit dem Hofe verbnudeuen Personen, nnd die westliche — „billa futebc" — für das gemeine Volk. Scheich Omar war uuu unangefochten alleiniger Herr des Landes uud wirtlicher König, wenu er anch den Titel eines solchen verschmähte; seine Stellung war, eine günstigere, als die seines Vaters jemals geweseu war. Um so, mehr ist cs zu bedauern, daß er, wenn uuch ein gerechter, geradsinniger Mann, nicht diejenige Energie besitzt, welche nöthig ist, um ein anf so lockerer Basis errichtetes uud ails so vielen widerstrebenden Elementen zusammengl'schtes Reich mit starker Hand zu regieren. So erlaubte cr den Tuareg, jenen unversöhnlichen Feinden eines gut geordneten Gemeinwesens, ungestraft ihrem Hang zu Nanb nnd Verwnstnng nachzugehen. Zur Zeit seines Vaters bestanden Tebu-Niederlassnngeu bei allen Ärnnnen anf der Straße nach Fesan, bis nach -Baduaram hinanf, aber sie sind jetzt sämmtlich eine nach der anderen verlassen. Ganz Mncm ist zu wüstem Wohnst!^ weniger unglücklicher Gemeinden geworden, zn wildem Jagdgebiet furtwährcu-dcr abenteuerlicher Ranbzngc von allen Gegenden her. In Bornu selbst müssen ansehnliche Ortschaften eine Art Tribut au jene Tuareg-Freibeuter bezahlen, nm ihre armselige Existenz in leidlicher Ruhe zu fristen. Jedem kriegerischen Unternehmen abgeneigt, kann nur die zwingendste Nothwendigkeit den Scheich bewegen, die Waffen znr Anf-rechthaltung der Ruhe nnd Ordnung zu ergreifen. Zu dieser natürlichen Sanftmnth Omar's nnd seiner Hinneigung zu ascetischcr Frömmigkeit kam noch ein anderer gefährlicher Uebel-stand, welcher das Wohl der nenen Dynastie bedrohte. Es war dies die Eifersncht, mit welcher der von einer anderen Mntter geborene, nur wenig jüngere Bruder Omar's, der schon oft genannte Abo e' Rahman, die Uebrrmacht des hcrrschsüchtigen Veziers Hadj Bcschir betrachtete, da dieser den Scheich ausschließlich beherrschte. Während ------ 363 —^ meiner Anwesenheit in Bornu drohte dieses Verhältniß bereits zu einem Bruch zll führen, doch kam damals noch eine Aussöhnung zu Stande und Alles ging gut bis zun, Winw' 1^53, zu welcher Zeit die Unzufriedenheit in offenen Bürgerkrieg ausbrach. Verrathen von cinem Theil der Großen Kuwua's, welche dem Vczier ebenfalls übel Wollten, wurde dieser nnd mit ihm Scheich Omar in einem Treffen geschlagen. Hadj Beschir war der Erste, welcher sich zur Flucht wandte und jeden Gedauteu an weiteren Widerstand aufgab. Er snchtc mit seinen Schätzeu nach Wadai zu entkommen; da er aber den Schari nicht Passiren lonnte, kehrte er anf die Zusicherung freien Geleites von Abd c' Nahmau nach Kukaua zurück, ward jedoch des Hochverraths beschuldigt, von einem eigens zu diesem Zwecke niedergesetzten Gericht zum Tode verdammt und erdrosselt. Scheich Omar mußte abdanken und dnrfte als Privatmann im ^ansc seines frühereu Vczicrs wohnen. Als ihn jedoch Abo e' Rahman, um sich in der usurftirteu Stclluug zu befestigen, im Sommer 1^5)4 nach Diloa verbannen wollte, raffte sich Omar aus seiner lethargischen Duldsamkeit anf, sammelte alle Mißvergnügten nm sich und schlug seinen Bruder in einem kurzen Trcsfcu auf dein freien Platze zwischeu der West- und Oststadt Kukaua; Abd e' Rahmau ward gefangen genommen und in den ersten Tagen des Dezember desselben Jahres hingerichtet. So ward denn Omar wieder alleiniger Herr im?ande, entbehrt aber nach den« Tode Hadj Beschir's eines Mannes, die ihm fehlende Energie zu ersetzen. Die Zeit muß daher lehrcu, ob er im Stande sein Wird, seine Dynastie zu erhalten, oder ob das Vand von Neuem durch Revolutionen heimgesucht werden soll. Es ist cin günstiger Umstand für Omar, daß zur Zeit lein einziger kriegerischer und thatkräftiger Fürst im ganzen Sudan regiert. Bon der Geschichte des Bandes, so weit ich überhaupt im Stande war, dieselbe zuermitteln, gehe ich nun znrDarstelluugder Anschauungen uud Erfahrungen über, die ich während meines ersten Aufenthaltes in der Hauptstadt sammelte. Zuerst will ich einige wenige Worte über die Männer vorausschicken, mit denen ich ganze Tage in der lebendigsten Unterhaltung zubrachte, um aus ihrem Munde so viel Nachrichten als möglich über ^and uud Leute einzuziehen und darnach meinen Neiscn eine ersprießlichere und bestimmtere Richtnng geben zu können. Außerdem glaube ich, daß eine kurze Eharatteristil uud die Schilberuug der Schicksale einiger ------ 364 ------ derselben dazu beitragen worden, das Bild des Lebens im Negcrlandc auch von dieser Seite zu vewullständigen. Zwei dieser Männer zeichneten sich dnrch bedeutende mohaM' medanische Gelchrsainkeit und durch die Genauigkeit a,ls, init welcher sie die von ihnen durchwanderten Vänder beschreiben konnten, waren aber beide von so verschiedenem Charakter, daß sie meist in leiden schaftlichen Streit Erriethen, sobald sie in meinem Hanse zusammentrafen. Es waren der Araber Ahmed bel Medjnb ans dem Thale Ssatiet cl Hauira, südlich von Marokko, und der Pnllo (Fulbc) Ibrahim auö Kahaidc am Senegal. Ahmed hatte fast das ganze westliche Afrika bereist nnd mehrere Jahre in Adamana zugebracht; von ihni erhielt ich denn auch die erste genaue Beschreibung dieses Vandes, namentlich in Bezug anf die Nichtnng der Flüsse. Er war ein sehr verständiger, aber auch sehr verschmitzter Mann, einer jener abenteuernden, von Hof zn Hof im Ncgcrland ziehenden Araber, der mir uur sciucr reicheu Mittheilungen wegen interessant, sonst in jeder Beziehung gleichgültig war. Eine ganz andere Persönlichkeit nnd nur nach längerer Bekanntschaft wirklich befreundet war der Pullo Ibrahim, eiu stolzer junger Mann, in vollem Bewußtsein der hervorragenden Stellung seiner Nation nud selbst ein ausgeprägtes Beispiel ihres Charakters. Er hatte den ganzen afrikanischen Kontinent von den Ufern des atlantischen Oceans in seiner größten Breite anf einer Wallfahrt nach Mekka durchzogen, znm Theil ans warmem religiöse» Gefühl, zum Theil aus lobeuöwerthem Ehrgeiz, wohl wisscud, daß ein so großartiges Uuteruehmen nnd die darans gewonnene Kenntniß ihn in den Augen seiner Vandslcute für immer zu hohem Ansehen erheben würden. In früherer Zeit war er zwei Jahre lang als Geißel in Nder (St. Vouis, der Hauptstadt der französischen Kolonie am Senegal) gewesen uud hatte sich dort ciuigc Keuntniß von Europäern, wenigstens Engländern uud Franzosen, erworben. Bon den Borzügen seiner Religion überzeugt, war er doch ohne Vornrtheil und erbat sich von mir eine arabische Uebcrsetzung der Psalmen David's, die bei den Arabern iu hohem Ansehen stehen, und später die ganze Bibel, um sie auf dem langen Vandwcg in seine Heimath mitzunehmen. Er erzählte mir dabei, wie er wohl bemerkt habe, daß die Franzosen keineswegs so eifrige Bibelvertheilcr seien, als die Engländer. So verständig meiu Frennd Ibrahim anch war, so sollte doch gerade er eiu Beispiel liefern, wie vorsichtig man mit Verabreichung „_ 365 --- von Arzneien an Emgeborne sein muß. Ich hatte ihm etwas Glau^ bersalz als fühlendes Mittel zum gelegentlichen Gebranch gegeben und am andern Tage drei Dosen Wurmpulver, in eben so viel Tagen zu verbrauchen. (5r aber hielt es für das Beste, Alles ans einmal zn nehmen, was selbst für einen Schwarzen zu viel schien. Der Leser kann sich denken, in welchem Znstand der Arme mit vier Unzen Glaubersalz und sechs Drachmen Wurmpulver zn gleicher Zeit im Magen sich befunden haben mag. Schon sagte man, der fremde Christ habe den frommen Pilger vergiftet. Ein Manu, der Reisen von ungeheuerer Auödehmmg gemacht hatte, von Chorassan (Persien) im Osten bis nach Ssanssaudi (am oberen Knara) im Westen, von Tripoli und Marokko im Norden bis nach Assanti (Goldtüste), Djenachera nnd Fcrtil (südlich von Darfnr) im Süden, war ein Araber, der sich Schcrif Ahmed el Baghdad: nannte, in der That aber nur ein armer Derwisch war. Leider tonnte er nur nur ganz allgemeine Angaben machen; die interessantesten bezogen sich auf das große, vollreiche Land Mo-ssi, das bisher nur dem Namen nach bekannt und stets falsch auf den Karten angegeben war. Den Namen der Hauptstadt Woghodogo erfuhr ich von ihm zuerst. Er war vom oberen Niger anf einer so gefährlichen Straße dahin gereist, das; ich niemals, selbst nicht in Timbnttu, Jemanden begegnet bin, der denselben Weg gekommen Ware. Eben so war er durch die ganze Reihe der südlich vou Baghirmi und Wadai gelegenen heidnischen Länder gereist und ricth mir, wenn es mein Plan sei, nach dem oberen Nil vorzudringen, wie ich damals allerdings beabsichtigte, den Charakter eines Derwisch anzunehmen. Immerhin war (5l Baghdadi ciu interessantes Beispiel der aben^ teuerlichen Reiselust der Araber, aber schließlich war dieser tnhne Abenteurer doch weniger glücklich als ich; denn er wnrdc 1N54 ans derselben Straße von Jola nach Kutaua erschlagen, die ich zweimal unangefochten durchzogen habe. Eine andere eigenthümliche Persönlichkeit war ein Mann aus Ssennar gebürtig, welcher Zahlmeister in der türtischen Armee ge^ Wesen War, aber zu viel Vorliebe für die ihm anvertraute Kasse gehabt haben und davon gelaufen sein sollte. Darnach hatte er einige Jahre in Wadai gelebt, wo er die Sklaven des Sultans im Ge branche des Fenergewehrs eingeübt hatte, und war dann nach Bornu gekommen, nm sein Glück hier zu versuchen. Er sollte eben vom Scheich von Bornn wieder als Spion nach Wadai geschickt werden, UM zu sehen, ob der Sultan jenes Landes noch die Absicht hege, wiederum Feindseligkeiten auzufangcu. Von allen solchen Lenteil kann ein Reisender viel lernen, und da sie zum Theil höchst intrigante Bursche sind, die, von Hof zu Hof ziehend, überallhin ihre Berichte tragen, handelt er weise, wenn er sich mit ihnen auf Mem Fuße erhält. Sehr interessant und lehrreich war eine Schaar Pilger aus verschiedenen Gegenden Melle's oder Ma-sseua's, theils Fulbc, theils Ssourhai. Da sie vou dem weißen Mauue gehört hatten, welcher eifrig alle Nachrichten über die Länder dieses Kontinents einsammele, kameu sie wiederholt zu nur, um auch ihrcu Theil zu meiner Belehn rung beizutragen, während ich sie mit Kaffee bewirthete. Wie es der Bericht des Ahmed bei Mcdjub über Adamaua war, der mich in meinem Plan bestärkte, dieses Laud so bald als möglich zu besuchen, so erregten die vielfachen Nachrichten einiger dieser Leute über die Läuder an dein mittleren Laufe des Niger den heißen Wunsch in mir, meiue vorher nur uubestimmt gehegte Absicht auszuführen uud uach Timbuktu zu geheu. Das waren die Fremden. Uutcr meinen Boruu-Freundcn dagegen waren um diese Zeit die belehrendsten Schitima Makaremma und Amssal'ai. Der Erstere, ein Hofmauu der alten Dynastie, hatte bei deren Untergang sein Leben durch Intriguen gerettet; er war ein sehr geschridter alter Mann, aber ein anerkannter Gauner. Mir war er wichtig als der Einzige, der mit der Geschichte der alten Dynastie wohlbekannt war, nud weil er das Kanon mit solcher Trefflichkeit und Feinheit sprach, wie ich es von Niemand außer ihm gehört habe. Er wurde später gleichzeitig mit dem Vezicr von dem Usurpator Abd e' Rahman hingerichtet, obwohl jeder dieser beiden Gegner eine Tochter von ihm zur Frau hatte. Amssalai war eiu einfacher Kauembu-Häuptling, ein liebenswürdiger Aarbar, der sich früher durch seine Uuternehumugen gegen die Jedina, die Piraten des Tsad, ausgezeichnet, später aber iu dereu Mitte sich uiedcrgelasseu hatte. Es war uämlich den uuteruehmcuden Insulanern gclnugen, durch eine ihrer niedlichen, schlanken Töchter, die sie ihm zur Frau gaben, ihn für sich zu gewinnen. Er kannte die sumpfigeu Ufcrlande deö Tsad vortrefflich, war aber leider unfähig, eine klare topographische Beschreibung zu geben. Auch einige interessante Heideu gaben mir manche Anstuuft. Unter ihnen will ich besonders Agid Burtu ueuueu, eiueu sehr hübschen jungen Menschen, der außer seiner glänzend schwarzen Farbe sich ------ 367 ------ körperlich in nichts von einem Nordländer unterschied; leider alier war er ein Opfer der gransenhaften Sitte der Entmannung geworden. Mit großem Behagen erging sich Agid Burtu über den Znstand vollkommener Nacktheit, welchen seine Vandslente sich gestatten könnten, und beschrieb mit größter Unbefangenheit eine Sitte der Heiden, die mit der des civilisirten Europa identisch ist, aber in den Augen des Mohammedaners als ein solcher Gräuel erscheint, daß es dem Europäer, welcher ihr nicht entsagte, nnter Fanatikern leicht ans der Stelle das ^cben tosten könnte, — ich meine die Gewohnheit, ein kleineres Bedürfniß in aufrechter Stellnng zn verrichten. Ngid Bnrku war in del, südlichen Provinzen von Baghirmi und Wadai weit mnher gekommen nnd gab mir die ersten Nachrichten über jene interessante Verggruppe nm Kenga Mataia, die für den Geologen manche wichtige Ansbeute verspricht. Vor allen Anderen aber mnß ich hier des Veziers gedenken. Da er den Scheich vollkommen beherrschte, so hing von seiner wohl^ wollenden Gesinnung der ganze Erfolg unserer Sendnng ab. So-wühl seine Persönlichkeit, als anch die dankbare Erinncrnng, die ich ihm trotz aller seiner Schwächen für die mir bewiesene Freundschaft stets bewahren werde, veranlassen mich, hier noch einige Worte über diesen Mann einzuschalten. Als Sohn des nach dem Herrscher selbst einflnßreichstcu Mannes im ganzen ^ande, Tirab's, des Freundes und Waffengenossen des Gründers der Dynastie der Klanemiin, erfreute sich Hadsch Beschir von seiner ersten Jugend an aller der Bortheile, welche eine solche Stellung in Bezug auf die Ausbildung des Geistes anch in diesen Vändcrn gewährt. So machte er denn im Jahre 1^43 eine Wallfahrt nach Mekta, und da er ein aufgeweckter und gewandter Mann war, konnte er den Arabern an der Küste zeigen, daß die Bewohner des Innern des Kontincuts doch ctwaö besser als Thiere seien; da gegen hatte er seinerseits Gelegenheit, etwas von einem Znstand höherer Civilisation zn sehen, als in seiner Hcimath herrschte. So kehrte er mit nenen Anschauungen, mit erweitertem Gesichtstreis über die Verhältnisse der Welt und mit vermehrter Begierde nach allem Fremden nnd Wunderbaren in sein Gebnrtsland zurück. Seine Niiä> kehr erfolgte kurz nach der uuglücklichon Schlacht bei Kussnri, in wel^ chcr, wie wir gesehen haben, fein Vater den Tod fand. Scheich Omar bedürfte bei der ihm eigenen Unselbststä'ndigkcit nnd dem Mangel an Thattraft gerade unter den damaligen schwierigen Verhältnissen ------ 368------ mehr als jemals eines treuen Freundes und klngeu Rathgebers. Ihm blieb aber uur die Wahl zwischen seinem Bruder Alid c' Rahman, der zwar ein guter Soldat war, aber ein leidenschaftlicher, gewal> thätiger Manu von nicht viel Berstaud und noch dazu eifersüchtig aaf die Stellung des nur wenige Monate älteren Halbbruders, uud zwischen dem gcschcidten Sohnc seines alten trcucu Ministers nnd Waffengefährten. So ward Hadj Bcschir der Vezicr des Scheichs von Bornu. Es gelang ihm bald, den weniger geschcidten, wortkargen und jedem direkten Cinstnß gern sich entziehenden Omar vollständig zu beherrschen, und es hing sonach für Hadj Bcschir Alles davon ab, wie er sich in seiner einflußreichen, fast nnumschräntten Stellung gegen die Großen des Reiches benehmen würde, um sich iu derselben zu er-halten. Ohne Zweifel hätte es feiue Politik sciu miisseu, die Mächtigerm uuter den Höflingen sich zu bcfreuudeu, um mit ihrer Hülfe den wildcu Abd e' Rahman in gehöriger Entfernung zu halten. Allein der Vezier vernachlässigte eine solche Rücksicht ganz uud gar, ja, er kraulte die Großeu oft tief durch Mißbrauch seiner Gewalt. Wäre er dabei ein Mann von großem ftersöulicheu Muth und jeuer besonderen Energie gewesen, die sich alle Umstände zu Nutze zu machen weiß, so hätte er sich dennoch in seiner Stcllnng behaupten tonnen; aber auch dies war nicht bei ihm der Fall, obwohl er die ihm drohende Gefahr sehr wohl kaunte uud selbst iu seinem Hanse stets Waffen zur Hand haben mußte. Ich kauu uur mit dem Gefühl des Dantes gegen die Vorsehung daran dentcu, daß der Sturm, welcher schon während meines Aufeuthaltcs in Mlaua über seiuem Hauvte hing, nicht schon damals über ihn hereinbrach; denn bei deu vertraulichen Beziehungen, in welchen ich zu ihm stand, hätte ich leicht ill sciu Schicksal verflochten werden tonnen. Ich wiederhole aber, daß Hadj Beschir, im Ganzen genommen, ein ausgezeichnet freundlicher, aufgeweckter nnd gerechter Manu war; nicht Mangel an gntem Willen, wohl aber an Thattraft kann man ihm vorwerfen. Eine wirtliche Schattenseite seines Charakters war nur seine Habsucht, die ihn gegen die größten Vortheile blind machte. Habsüchtig war er erst aus Viebe zum Besitz, dauu aber um scineu luxuriösen Neigungen nachzuhängen. Er gehörte in die Kategorie derjenigen, welche auf Kanon „kamuma" genannt werden, d. h. er war für das weibliche Geschlecht in hohem Grade eingenommen nnd hielt einen Harem von 3-bis 400 Sklavinnen. Um aber meinen Freund, dessen Andenken ich trotz seiner Fehler mit ------ 369------ dankbarer Erinnerung bewahr?, einigermaaßen zn entschnldigen, muß ich sagen, daß or brim Ansammeln so vieler Gefährtinnen znr Erheiterung seiner Mußestunden einem gewissen wissenschaftlichen Prinzip folgte. Ja, man könnte glauben, daß er nur der Wissenschaft zu ^iebe ein ethnologisches Museum, freilich von ganz besonders interessanter Art, zusammengestellt habe, um nicht so leicht die bezeichnenden Züge eines jeden Stammes zn vergessen. Ich habe oft gesehen, daß er, wenn ich mit ihm über die verschiedenen Stämme des Negerlandcs sprach, von der Neuheit eines Namens betroffen wurde und be-dancrte, daß er in seinem Harem noch kein Exemplar der Art habe, auch sogleich seinen Dienern den Befehl gab, ein solches in möglichster Vollkommenheit zu beschaffen. Als ich ihm eines Tages ein illust-rirtes ethnologisches Wert zeigte, an welchem er sichtliches Interesse nahm, und zu dem Bild einer schönen Eirlassieriu kam, bemerkte er mit einen: Ausdruck unzweideutiger Gcnngihnuug, daß er ein lebendes Exemplar auch dieser Art besitze. Angeregt durch diese Offenheit und die Gesetze mohammedanischer Etikette für den Augenblick vergessend, fragte ich, ob die Schönheit dieser Sklavin der des Bildes gleichkäme; er beantwortete jedoch diese etwas unbedachtsame Frage nur mit einem lächeln. Anch schien mein Freund nicht ohne herzliche Zuneigung fllr seine Fraueu zu sein; wenigstens erinnere ich mich, daß er eine derselben, welche im Winter 1K51 starb, anf das Innigste betrauerte, und in der That schien seine Traner nicht etwa blos der Kummer des Sammlers um den Verlust eines „Exemplars" zu sein. — Der arme Hadj Bcschir hinterließ, als er in dem letzten Monate des Jahres 1^53 auf so gewaltsame Weise aus einem fröhlichen Leben in die Ewigkeit befördert wurde, 73 Söhne und etliche 50 Töchter am Leben. Bei alledem war Hadj Beschir nach mohammedanischen Begriffen ein religiöser Mann und fand es daher abscheulich, daß die Europäer, welche er ihrer Kenntnisse wegen bewunderte, berauschende Getränke und zwar oft im Ucbermaaß genössen. Ich beruhigte ihn jedoch mit der Bcmerknng, daß, da die Enropäcr sich mit Einer Frau begnügten, er ihnen schon eine andere Schwäche uachsehen müßte, dies führte ihn aber in seinem mohammedanischen Bornrtheil zn der Ueberzcngung, daß das Trinken berauschender Getränke bei den Christen und Europäern die direkte Folge der Monogamie sei, indem unglückliche Ehelente, ewig in dasselbe unerträgliche Joch gespannt, ihren Gram nnd ihr Herzeleid in Wein nnd Bier begraben Vaith'a Reisen, 1, 24 ------ 370 ------ wollten. Leugnen läßt sich sicherlich nicht, daß der Muslein von gutem Schlag häuslicher ist, als der Christ. Seinen streng-lnaslcmischen Charakter bewies Hadj Beschir auch bei Aufstellung der Bedingungen, unter dcueu er Eröffnung des Hau dels mit den Engländern gestatten wollte, obgleich er einen solchen sehr Wünschte. Er wollte nämlich den Verlauf des Schlechtesten und des Besten verbieten, was dem Christenthum eigenthümlich ist — beraum schende Getränke und die heilige Schrift. (5s war nicht seine Absicht zu verhindern, daß die letztere überhaupt in das Land gebracht würde, aber sie sollte nnr zu Gescheuten benntzt, nicht vcrkanft werden. Bei solchen Grundsätzen und Ansichten fand er seinen Stolz nnd sein Vergnügen darin, mit mir über wissenschaftliche Gegenstände zu sprechen, wie über die Bewegung der Erde, das Planetensystem nnd dergleichen, besonders wenn ich bei einem öffentlichen Divan, „nogona", des Scheichs zugegen war. Wenn der Vertehr mit diesen Männern die Quelle geistiger Anregung für mich war, so trug zur leiblichen Behaglichkeit während meines Anfcnthaltes in Mtkaua die Wohnung viel bei, die ich schon in den ersten Tagen meines Dortseins mit der nur ursprünglich angewiesenen vertauscht hatte. Dieselbe lag ziemlich in der Mitte der Wcststadt, doch nicht unmittelbar au der grußcu, geräuschvollen Ver kehröstraße. Da sie nicht uur von mir bei meiner wiederholten Anwesenheit in .^iliaua, sondern anch von I>r. Overweg nnd später von I.»!-. Vogel bewohnt worden ist, so wird es nicht ohne Interesse sein, ihre innere Einrichtnng hier zu verauschaulichcu. 371 1. Vorhalle — »sseaisa» — mit dcm Haupteingang! in der Ccke eine geräumige Lehnibanf. — 2, Kleiner offcnerHofraum mitcinem sehr schönen Vummi^ Glasticum-Baum (!», — 4, Oin zweiter llcinerec Hofraum mit Hühner-hauS (»). — «. Innere Vorhalle, wo anfangs die Diener sich auf? hielten, die ab« spät« in einen wurde, Hier wurden die Wasser» urnen in kühlem Schatten aufbewahrt, — 7, Kleiner offener Huf» räum mit Wasscrurne, — 8, Inneres Gemach, nil, ich und später Dr. Vogel wohnte. Es war sehr beschränk!, aber doch das freundlichste und hellste im Hause und während der heißen Tagesstunden anaencbm kühl, — 9. Grohec innererHof mit bei Küche. — 1«. Gemach niit breiter Lehmbant, wo l)r. Ouerweg am Tage zu ruhen pflegte, — II. SchlasgcmachOver-weg'6, später der beiden englischen Eappeurs, welche Dr. Vogel be< gleiteten, — 12. Kleiner hinterer Hofraum, — 13. Provtantzimmer. — 14, Anfängliche äußere Umfassungsmauer des großen HofeS, wurde später weggerissen, als wir den Hof des Nachbars für unferc Thiere hinzu erhielten, W,r hatten zu Zeiten N Pferde und 4 oder « Kühe, — Ib. Gine sehr ge, raumige Hütlc mit Lchmmauem und Mohrdach, die ich während meine« Aufenthalte« in Äutaua nach der üiüllkrlii von Timbuktu bewohnte, — 1«, Hütte, in welcher Madi, ein Freigelassener, wohnte; er war zuerst im Dienst des Herrn Äicharosun, dann li,, Ourrn'rg's Diener und zuletzt I>l, Vogel'S Hauptdiener und ist wahrscheinlich mit ihm zugleich in Wadni getödtet worden. Für eine im Dienste der Spedition früher empfangene Wunde war ihm cinc lleine Pension gesichert. — 17, Hütte eines anderen Diener«. — 18, Viehraum. — 19, Vin von mn" gegrabener Brunnen, der aber mehrmals an eine andere Stelle «erlegt werden mußtr. — 20, Cin viereckige«, spat« zn» fallenes Lehmhaus, Dies Alles bildete das „Ensslische Haus" — „fato Ingll'M'" ^, wie es gewöhnlich genannt wnrde; der Scheich hatte die Freundlichkeit, es der englischen Mission zn überlassen, so lange als Jemand da sein wiirde, es in Obhut zu uehlncn. So war denn eine erträgliche Häuöliclsteit eingerichtet, aber nun fehlte es an einem ^ocmnotiv, um sich umzuschanen. Ich mußte also bei meinen Ausgä'nqen in die Stadt uud deren Umgebung anfangs zu Fuße gehen, was des tiefen Saudes und des Heisien Wetters we-steu sehr angreifend war. Mein armer Vicr-Dollar-l^anl, der mich von Katseua hergetrageu hatte, bedürfte nothwendig mehrere Monate zu seiner Erholuug, war auch zu unausehnlich, als daß ich mich iu einer !<4' ------ 372 ------ so großen, glänzenden Reside,; mit demselben bei einen: längeren Auf? enthalt hätte zeigen tonnen. Als der Vezier hörte, das; ich wegen eines Pferdes im Handel stehe, beredete er den Scheich, mir ein solches zum beschenk zn machen. C's war ein hohes, wohlgebautes Thier, leider aber von einer Farbe, die mir nicht zusagte. Indessen war ich froh, wieder ein Pferd zn meiner Verfügung zn haben, nnd machte täglich einen AuS' ritt, entweder nach dem östlichen Stadttheil, nm dem Icheich oder dem Vezier einen Besuch abzustatten, oder ich streifte rnnd nm den stanzen Umfang der Stadt, die verschiedenen Scenen des Volkslebens beobachtend. Das Gebiet der eigentlichen Stadt nnd ihrer Vorstädte war in der That eben so interessant, als die weitere Umgebung, namentlich in den letzten Monaten vor der Regenzeit, über alle Maaßen ein förmig nnd trostlos. Schon die Anlage der Residenz an nnd für sich trägt viel dazn bei, dem Bilde, welches sie darbietet, Abwechselnng zn verleihen. Wir haben bereits gesehen, daß sie ans zwei ganz getrennten Städten be> steht, deren jede mit einer besonderen Mauer umgeben ist und eine eigene Bevölkerung beherbergt. Der Wohnplatz der Reichen enthält ziemlich stattliche, für fehr große Hanshaltnngen eingerichtete Ge-bände, während der andere Stadttheil mit Ausnahme einer einzigen Hauptverkehrsstraße, des die Stadt von Ost nach West dnrchziehenden Dendals, mehr aus engen Quartieren mit schmalen, krummen Gäßchen besteht. Diese beiden Städte sind durch einen Platz getrennt, der, etwa eine Viertelstnnde breit, in der Mitte eine weite offene Straße bildet, zn beiden Seiten derselben aber dicht mit Wohnungen befetzt ist. Die Anlage der letzteren ist von aller Regelmäßigkeit weit entfernt, so daß das Ganze ein Bild der interessantesten Verworrenheit bietet. Rings um beide Städte dagegen reihen sich kleine Dörfer oder Gruppen von Hütten nnd große, einzeln stehende Meiereien. Mit Ausnahme eines jeden Montags, an welchem gerade zur heißesten Tageszeit eine höchst geschäftige nnd interessante Scene den großen Marktplatz vor dem westlichen Thor der „billa futebe" belebt und alle dahin führenden Straßen gedrängt voll von Menschen sind, ist es von Mittag bis 3 Uhr Nachmittags in der Stadt äußerst ruhig. Selbst zu auderen Tagesstundeu würde man hier die vcr-schiedcuartigen Scenen des Gewerbfleißcs, welche sich in dem in dieser Hinsicht an Abwechselnng so reichen Panorama von Kanu zeigen, vergeblich suchen. Anstatt der zahlreichen Färbereien voll Lebeu uud ____Z73____ Geschäftigkeit, freilich auch der Ursache störender und entstellender Un-reinlichleit, die über Kauo verbreitet sind, giebt es nur eine einzige Marina in Kukaua, und diese ist noch dazu von der ärmlichsten Art. Man hört nicht den taktmäßigen Schlag, mit dem die Toben geglättet werden, uud der vielen Orten in Haussa einen Charakter von Geschäftigkeit verleiht; ja, es laßt sich überhaupt taun, das Geräusch irgend eines Handwerks vernehmen. Der bedeutende Unterschied, der in der ganzen PWiognomie der beiden Städte Kano und Kukaua herrscht, muß zum großeu Theil auf die Verschiedenheit im Charakter des Bornu- und des Haussa - Volkes zurückgeführt werden, den ich bereits an einer andern Stelle angedeutet habe. Das Leben der melancholischen Kanon fließt im Ganzen sehr einförmig dahin und wird nur selten dnrch eine gelegentliche Festlichkeit unterbrochen. Recht lebendig tritt die Verschiedenheit der beiden Völkerschaften auch bei dem weiblichen Geschlecht hervor. Die Borun-Fraucn sind im Allgemeinen viel häßlicher, breite, kurze Figuren mit großen Köpfen, breiten Nasen mit weit offen stehenden Nasenlöchern, durch eine rothe Perle im Nasenflügel nur noch mehr verunstaltet. Dessenungeachtet sind sie ganz so gefallsüchtig, legen aber ihre Eitelkeit in einer rohen, weit ungeschickteren Weife an den Tag, als die aufgeweckten, in ihrem Betragen weit anständigeren Haussa-Frauen. Nie habe ich eine solche iu der Weife vieler Äornaucriuncn auf der Straße ciuhcrstolzircn sehen, den Nock — um mich dieses Ausdruckes zu bedienen — lang am Boden hinschleppend, mit den ausgebreiteten Armen die Zipfel der über die Schultern gezogenen Senne aus einem Stück gedrucktem Manchester-Kaliko in seiner ganzen Farbenpracht vor sich haltend. Das Beste an der Kleidung oder dem Schmuck der Boruu-Frauen ist die „fallafalle kelabc", der Silberschmuck, welchen sie auf dem Hinter-topfe tragen und der einer hohen Figur sehr gut steht. Um einen solchen Schmuck sich zu verschaffen, upferu Viele, was ihr wahrer Stolz fein sollte. Der Schmuck hat daher den in vielen Fällen richtigen Spottnamen erhalten: „mit deinem Seelenfrieden ist's aus". Ungleich wohlgefälliger als die Bornauermnen sind die Kauembu-Fraucu, die mit ihren regelmäßigeren, weniger breiten Gesichtszügrn und zarterem Knochenbau mehr Achnlichkeit mit den Eingcborncn Hanfsa's haben. Der belebteste Theil der beiden Städte ist der große Verkehrsweg , welcher sie von West nach Ost durchschneidet und gerade auf die Wohnung des Scheichs in der Oststadt zu führt. DieS ist der ------ 374------ „dendal" oder, wie wir etwa sageu würden, die Kölligsstraße. l^iiic ähnliche Straße giebt es, mehr oder weniger großartig, in jeder ^aud> stadt. Den Dendal entlang drängt sich den ganzen Vormittag und Nachmittag über eine grüße Menge von Reitern nnd Fußgängern, Freie und Sklaven, Fremde nnd Vingeborne, Jeder in seinem besten Anzüge, nm dem Scheich oder dem Vexier einen Besnch abzustatten, oder einen Auftrag auszuführen, um Gerechtigkeit oder Beschäftigung zu erlangen, oder um ein Gescheut zu bekommen. Auch ich bw oft diesen vielbctretenen Weg gegangen, diese Hanptgassc des Ehrgeizes hier zu ^ande. Gewöhnlich aber machte ich mich zn nngewohnter Stunde auf, früh am Morgen, während der glühenden Mittagshitzc oder am Abend; denn zn solchen Stnndeu durfte ich am ehesten erwarten, den Vezier oder auch deu Scheich allem zn treffen. Was den Marktverkehr von Kntana anbetrifft, so werdcn täglich kleine Märkte, „dnrria", am Nachmittag an verschiedenen Stellen abgehalten nnd ein wöchentlicher Hauptmarkt, „kasntn", an einem jeden Montag. Auf der Durria findet man so ziemlich dieselben Waaren wie auf dem Kasuku letninbe, nur nicht in derselben Menge nnd zn so billigen Preisen. Anf dem bedeutendsten der kleinen Nach-mittagsmärkte sah ich sogar ^ameele, Pferde, Ochsen in beträchtlicher Anzahl feilgeboten.......Den großen Montagsmartt bcsnchte ich fast regelmäßig, da er sehr viel Interessantes but; indem er die Bewohner aller östlichen Landschaften von Bornu zusammenführte. (5s toinmen die Schua und Keuam mit ihrer Butter, die Kauembu mit Butter und getrockneten Fifchen, die ^ente ans Makari uüt Toben, selbst an Buddnma oder Medina fehlt es nicht, welche Peitschen ans dem dicken Felle der Flnßpferde oder selbst das Fleisch dieser gewaltigen Wasserschweine oder ebenfalls getrocknete Fische, den beliebten Leckerbissen der itanori, zu Markte bringen, um Korn dagegen einznhandeln. Diese Insnlaner des Tsad ziehen die Aufmerksamkeit des Beobachters durch ihre schlanke Gestalt uud ihre kleinen, hübschen, nicht durch Einschnitte entstellten Gesichtszüge anf sich. Die Männer tragen gewöhnlich ein lnrzes schwarzes Hemd nnd einen kleinen schwarzen Strohhnt, während die Frauen reich mit Glasperlen geschmückt sind nnd znm Theil das Haar in einer auffallenden Weise tragen, wenn anch nicht in der Art, wie Hr. Oder-Weg es anf der Tsad-Inscl Belarigo sah, wo das Haar der Frauen in der großartigsten Weise flügelartig aufgemacht war. Anf den, Martte hat ;war jeder Bertaufsartikel einen besonderen Platz, wo er feilgeboten wird, innerhalb dieses Raumes aber herrscht ------ 375 ------ wenig Ordnung. Buden odor Schattendächer, in regelmäßigen Nrihcu aufgestellt, wie in Kano und andern Orten, kennt nmn hier nicht; Jeder kauert sich mit seiner Waare dahin, wo es ihm beliebt. Der Marltbcsuch wird dadurch äusserst beschwerlich, zumal sich in den be« snchtesteu Stunden, von 11 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags, oft 15- bis 20000 Menschen während der größten Hitze des Tages auf dem schattenlosen Marktplatz zusammendrängen mögen. Ungeachtet einer solchen Menschenmenge ist der ^ärui nur gering, da die Kauori überhaupt weniger laut sittd und die Verkäufer ihre Waaren nicht ansrnfen; nur das Pfeifen des Barbiers läßt sich fortwährend hören. So geschieht auch für die Unterhaltung des Publikums wenig; hoch-stens daß ein Schlaugcnzähmer seine Künste zeigt oder ein Geschichts-crzähler sich vernehmen läßt. Nur der Mallem vergißt nie, sich ein-zufiudcu, und verdient sich durch das Aufsetzen von Zauberformeln, oder durch Briefschreiben manches „Rottcl" von dem leichtgläubigen Randvoll. Leckerbissen werden den Besuchenden ebenfalls nur spärlich angeboten, im Vergleich mit der Mannichfaltigkcit von Kuchen uud Süßigkeiten auf den Marktplätzen Haussa's. Ist nuu der Marktvertehr schon wegen der mangelnden Ordnung beschwerlich, so wird er es noch viel mehr durch das Fehlen eines fcst-bestimmten Tauschmittels. Die ehemalige Währnng des Bandes, das Pfund Knpfcr, hat längst ihre Geltung verloren; nnr der Name davon, „Rottet", hat sich erlKlten. Hierauf kamen die Baumwollcnstreifen, „gabaga", in Gebrauch, uud kurz vor der Zeit meiner Anwesenheit hatte man angefangen, das Mnschelgeld (l^l'ava Klonetl»,, die „Kurdi" der Haussaua, iu Bornu „Kuugona" genannt) einzuführen. Acht Kungona werden einer Gabaga, und 4 Gabaga oder 32 Kun-gona 1 Rottel gleich gerechnet. Da es aber zn mühsam sein würde, jedesmal eine Menge Baumwollenstreifen abzumessen, so bedient man sich zum Einkauf wcrthvollerer Gegeustände der Hemden, deren es von allen Größen und Sorten giebt, im Werth von 6 bis 6b Rottel. Dieses sind feste, keinem Schwanken unterworfene Wcrlhverhä'lt--uisfe; dagegen war das Verhältniß des Rottels zu dem österreichischen oder Vogel-Thaler, „bu-ter", der in Boruu beliebter als der spanische oder Kanonen-Thaler, „bu-mcdfa", und viel im Umlanf ist, äußerst unbestimmt. Es war dies die Folge von Spekulationen nnd Maklereien, welche die Großen des Bandes — und unter ihnen namentlich mein guter Freund Hadj Beschir — sich erlanbten. Wenn letzterer z. B. einen bcdentcndcn Betrag von Muschelgcld iu Umlauf ------ 376 ------ zu bringen wünschte, fiel der Thaler plötzlich auf 45 oder 50 Rottet, während er zu anderen Zeiteu selbst 100 Rottel oder 3200 Kurdi galt. Aber in vielen Fällen sind diese Werthe ganz imagluär. So wird ein kleiner Sandmann, der sein Korn zum Montagsmartt nach Kukaua briugt, durchaus keilte Zahluug in Muscheln annehinen, selten, daß er den Thaler uinnnt. Der Känfer, der Korn zu haben wünscht, muß demuach, wenu er kein anderes Tauschmittel als Thaler besitzt, diese erst gegen Muscheln vertauschen, mit diesen tauft er ciu Hemd und nun erst ist er ill« Stande, sein Getreide zu erhandeln. Was die auf dem Montagsmarkt feilgebotenen Waaren anbetrifft, so bestanden sie aus all' den täglichen Bedürfnissen des dortigen Lebens. Kam man von der Stadt her anf den Marktplatz, so erreichte man zuerst den Theil desselben, wo das verschiedene Baumaterial für die landesüblichen leichten Behausnugen feilgeboten wurde. Matten von drei verschiedenen Arten, Stangen und Stecken znm Gerüst für die Strohdächer, mit dein „titi", dem ans Stroh geflochtenen Krau,;-gefims, dem Gipfelholz, ttkeska-n-ssumnw", wozu dann noch bei nobleren Bauten der Schöpf, »logo ngimbe", kommt, der mit der Schale eines Stranßeueies geschmückt werden muß, um die Frucht^ barlcit der Familie zu garautiren — alles dies war einzeln zu haben. Dann kamen Schlachtochsen und die langen Reihen der Laststiere, welche das Korn in großen Ledcrschlänchen ;n Markt geschafft hatten. Hierauf folgten die feilgebotcueu Kamcele, derei? es oft mehr als 100 gab, und eine große Anzahl von Pferden. Letztcrc waren nicht vom besten Schlag, da die gnten Pferde meist unter der Hand vcrtanft werden. Kamcele tauft man in Kukaua, und zwar gauz brauchbare Thiere, gewöhnlich für 8 Thaler; sobald aber der Aufbrnch einer Karawane oder „karabka" nach Fesan bevorsteht, steigt der Preis für gute Thiere anf 15—20 Thaler. Recht gute, starte Reisepferde tonnte man während meines ersten Aufenthaltes in Knkana für 6—8 Thaler kaufen, und ein sehr gntes Neit^ oder Lnrnspferd kam nie höher als 30 Thaler; ein ausgezeichnetes Pferd von fremder Zncht wnrde jedoch je nach Vorliebe und Mode anch oft mit 300 Thalern bezahlt. Im. Jahre 1854 aber war der Preis in Folge der Ansfuhr, die früher verboten gewefen, sehr gestiegen; namentlich uach dem Westen zu, nach Munio, Katscna und Maradi, gingen eine große Menge Pferde. Ich verweile länger bei diesem Gegenstand, weil die Pferdezncht in Burnn einen sehr interessanten und wichtigen Gegenstand bildet. Die Rasse ist sehr gut für diefes Land, indem die Thiere, außerdem daß ____ I77 ____ sie don schönem und hohem Wuchs sind, Austreugungcn alls bewunderungswürdige Weise aushalten tonnen, sobald sie von Jugend auf daran gewöhnt sind. Die Mitte des Marktplatzes nehmen die Händler in allen Arten von Waaren ein, der Kleinhändler, der seinen itram in bunter Maunich-faltigteit auf dem Boden ausbreitet, und der größere Kaufmann, der nur mit einein einzigen Artikel handelt. Hier wird alles Mögliche auS-gebotcn: Kleidungsstücke aller Art, Perlen von jeder Gestalt nnd Farbe, Lederarbeiten, worunter sehr nett nud elegant aus gefärbten! Rinds-leder gearbeitete Büchsen von verschiedener Gestalt uud Größe. Unter dem hervorragendsten der wenigen leichten Schattendächcr aber, die es hier giebt, bietet der „dilelma" jene armen Unglücklichen aus, die, ihrer Heimath entrissen, hier wie eine Waare ans einer Hand in die andere wandern. Ist auf der einen Seite der Marttbcsnch beschwerlicher, so sind auf der andern die Lebensbedürfnisse in Kutana billiger, als iu irgend einem andern Orte Mittel-Afrila's, den ich besucht habe. Sie sind um die Hälfte billiger als in Katsena und Ssokoto, ein Drittel billiger als in Kau» und etwa mn ein Viertel billiger als in Timbuktu. Natürlich wechseln die Getreidcprcise nach den Jahreszeiten; am niedrigsten sind sie etwa zwei Monate nach der Ernte, also im November, waun der Sandmann mit dem Ansdreschen fertig ist, am theuersten gerade zur Zeit der Ernte. Hirse (^cnni^otnin lii^ic^mni) ist übrigens in Kulaua in größerer Menge vorhaudcu nud billiger als Sorghum. Dasselbe Verhältnis; besteht auch iu Timbnttu und Kano, das umgekehrte dagegen in Baghirmi. Dabei ist dic Hirse von Bornu, besonders einzelne Sorten, höchst vortrefflich und dir daraus gebackenen dünnen, Pfannkuchen ähnlichen Scheiben oder „kisseve" bilden die leichteste nnd beste Nahruug des Europäers iu diesem ^ande, obgleich ihr täglicher Genuß natürlich bald zuwider wird, ja selbst durch die Einförmigkeit den Magen schwächt. — Im Durchschnitt kann mau in Kukaua für einen Thaler drei Ochsenladnngen Hirse laufen; 1>/2 Thaler ist der Preis eiurs guten Schlachtochscn von vielleicht 600 Pfund Gewicht; zwei Thaler bezahlt man für einen leidlichen Mochsen oder eine Milchkuh, einen Thaler für zwei gute Schaafe, 17 — 20 Rottel für eine „botta" Butter. Weizen uud Neis gelten den doppelten Preis des gewöhnlichen einheimischen Getreides; denn Reis möchte auch für Mittel-Afrika als einheimische Pflauze erscheinen, da er überall wild wächst, in Baghcna sowohl wie iu Kotogo und ------ 37« ------ Gaghirmi; der in Kutana zu Niarkt gebrachte Reis aber ist das von den Elephanten verschmähte, übrig gelassene Produkt der Waldung und von sehr geringer Qualität. Der Weizen dagegen ist, wie es scheint, seit einigen hundert Jahren gleichzeitig mit der Zwiebel von Norden eingeführt; letztere ist für dieses Klima eine außerordentlich gesunde Speise und auch die beliebteste Zukost des Arabers; der eingcborne Afrikaner aber hat keinen Geschmack dafür. Von Früchten sind die gewöhnlichsten die süße und die bittere Erdmaudrl, „koltschc" und „gangala", wovon besonders die erstere als Vcbcnsmittel einen bedeutenden Artikel bildet, mehr aber uoch als iu Bornu in den östlichen Theilen vuu Adainaua. Ferner die „bito", die Frucht des Hadjilidj (Mimiiw« ^g^tiaou«); eine Art I'Iiv^iüi»; die „birgim", eine Art Pflaume; die ,,korna", die Frucht des Milunnux I.otu«, und die Frucht des Dnmbanmcs sOunitm-^ ^llie-dg.ioa). Vor allen steht die Bito bei den Kauori in hoheiu Ansehen und von einem Bitobaum sagen sie, er sei gleich einer Milchkuh. Von andern Vegetabilien sind Bohnen die gewöhnlichsten auf dem Markte, besonders Vioia I^ak», ein sehr wichtiges Nahrungsmittel. Zur Zukost und Würze des Fleisches ziehen die Eingebornen den Zwiebeln die jungen Blätter der ^clan^ouin. und dergleichen dor, wenn sie sich die beliebteste, aus getrockneten: Fisch bereitete, Brühe nicht verschaffen können. Man hat in diesem Theile Bornu's keine süßen Kartoffeln, noch Brodwnrzeln(I>io^'<>r>'a), weshalb die Nahrungsmittel weniger abwechselnd sind als in Hausfa, Kebbi und Jornba; in der That bildet die Frucht der Oio^oroa in Bornu eine Seltenheit, so dasi sie als Geschenk für einflußreiche Männer dient. Dies sind die allgemeinen Bemerkungen über das tteben der Eingrbornen, die ich während meines Anfenthaltes in Kukana machte. Denn obgleich ich von Anfang an meine Neise nach dem Süden betrieb, mußte ich mich doch erst mit den Herrschern des Landes auf guten Fuß stellen, mußte meine Angelegenheiten einigermaaßen ordnen nnd mich vor Mem mit Overweg besprechen, nud der blieb gar lange über die anberaumte Zeit aus. Diesen Aufenthalt sollte ein Aussing nach Ngornu und den Ufern des Tsad sehr augenehm unterbrechen. Scheich Omar wollte nämlich eitlen oder zwei Tage in Ngornn, dem Vicblingsaufenthalt seines Vaters, mit dem ganzen Hofe zubringn nnd ging am 23. April dahin ab. Vom Bezicr eingeladen, ebenfalls dorthin zu kommen, folgte ich am andern Tage nach. Der Weg nach Ngornu zeigte dieselbe trostlose Einförmigkeit, . 379------ welche die ganze Umgebung Kut'aua's charalterisirt. Anfangs war nichts zu sehen, als dir melancholische ^^1^»i-^, und das ganze Vand erschien als eine ungeheure Asphodeloswiesc; dann nahm das niedere Gestrüpp der C^isoi-n, nberhand, bis allutählich einige Bäuinc dieVand-fchaft belebten ilud zuletzt eine niedere Walduug bildeten, die, fast aus^ schließlich ans Mnnoscn bestehend, nicht minder einförmig war. Dabei führte der Pfad dnrch tiefen Sandboden; nnr in einiger Entfernung zeigten sich kleinere nnd größere Weiler. Zur Regenzeit breiten sich hier ansehnliche Lachen oder Teiche aus, znr Zeit aber war Alles trocken nnd ausgedörrt. Anderthalb Stnndon vor Ngurnu hörte der Baumwnchs wieder auf, uud es folgte min eine nngehcure fruchtbare Eböne, zut Zeit aber ebenfalls wieder mit der nnllermeidlichen ^»«Is-pi3,8 übcrwnchert. Nnr in großer Entfernnng bezeichneten Baun^ grupftcu die 5/age von Ortschaften, darunter die jetzt wüste Stätte des 1847 von Hadj Beschir zerstörten Älell-Birni. Als ich etwa mu 1 Uhr Nachmittags nach Ngornn kam, lag Alles im tiefsten Schlaf; Scheich Omar war während der Nacht gereist und seine Höflinge suchten sich mm durch eine desto längere Siesta zn entschädigen. Ngornu ist ein hübscher und sehr umfangreicher Ort, damals volkreicher als die Hanfttstadt, mit dein Anschein der Wohlhabenheit; zur Zeit aber war eS so überfüllt mit Menschen nnd Pferden, daß ich am andern Morgen froh war, als ich wieder im Sattel saß, um dem großen binnen-afrikanischen See, dem Hanpt^ ziele unserer Unternehmung, den ich in geringer Cntfernuug wähnte, zuzneilcn. Rasch ging cö nbcr eine endlose grasige (5bene, auf welcher das Ange vergeblich einen Ruhepnnkt suchte. Endlich erreichten wir einen seichten Snmpf, der, bald sich ausdehnend, bald zurückweichend, sehr nnregelmäßigc Umrisse zeigte, so baß unser Vordringen sehr erschwert wurde. Vergeblich bemühten wir nns eine lange Zeit, ans dem Bereiche des Sumpfs herauszukommen, nnd ich strengte meine Augen eben so vergeblich an, in der Ferne einen Blick auf offenes Wasser zn erhalten. Endlich entschloß ich mich, fnr's Erste nach Ngornu zurückzukehren, nm einen kundigen Führer zn suchcu. Welch' verschiedenartigen Anblick gewährte die Landschaft, die wir jetzt durchritten, im Winter von 185>4 anf ll-^5! Während wir bei nnserem heutigeu Ausflug — zn ciuer Zeit, wann die Wassermassc des See's noch wenigstens drei Monate lang bei der ungeheuern Verdunstung ohne namhaften Znflnß bleiben mußte — uur Sftureu des fenck/teu Elementes gefunden hatten, war in jenem Winter die Stadt ------ 380 — Ngornn mehr als znr Hälfte von: Wasser verschlungen; cm tiefer, meilenweit offener See hatte sich im Süden derselben gebildet, und unter ihm lagen die fruchtbaren Gefilde weithin begraben. Diese große Umgestaltung des Terrains scheint die Folgc davon gewesen zu sein, daß die ans Mnschellall bestehenden nntcrn Schichten des Bodens im vorhergehenden Jahre nachgegeben hatten nnd so das Seenfcr anf diefcr Seite bis an zwanzig Fnß gesnnken war. Aber auch ohne solche besonderen Ereignisse besteht eben die Cigenthünllichtcit des Tsad darin, daß er bei dem wechselnden Zufluß nnd der nngc-hcuren Verdunstung seine Ufer jeden Monat ändert nnd daher nicht mit dancrnder Genauigkeit im Allgemeinen kartographisch dargestellt Werben kann. So gewann ich schon an diesem Tage die Ueberzeugung, daß es uns höchstens möglich sein würde, die Ufer des See's in allgemeinen Umrissen niederzulegen nnd etwa die Grenzen des höchsten und des niedrigsten Wasserstand.es für diejenigen Ufcrstrecken anzugeben, die zu untersuchen uus vcrgöunt sein würde. Mißmuthig betrat ich die Stadt wieder und tlagte bei dem Vezicr über den erfolglosen Ritt. Er versprach mir mm einige Reiter mitzugeben, die mich am Ufer des See'S 1)is nach Kaua bringen sollten, von wo ich dann nach ^ukana zurückkchreu tonnte. So brach ich denn am andern Morgen in Begleitung zweier Reiter abermals auf. Meine Führer schlugen sogleich einen nordöstlichen Kurs em, und ich hörte nun, daß das offene Wasser iu der von mir am vorigen Tage verfolgten genan östlichen Richtung gerade am weitesten von Ngoruu eutfernt sei. Nach einem Ritt von einer halben deutschen Meile über eiuc bäum- nnd leblose Grasfläche betraten wir sumpfigen Äoden, und bald stieg nns das Wasser bis an die 5tniee im Sattel. So erreichten wir den Rand eines schönen offenen Seebeckrns, nmgebcn von Papyrnsstandcn und hohen« Schilfrohr. (5s war die Bncht Ngirnwa; ich konnte mich nun überzeugen, daß der Tsad znm Theil wenigstens offenes Wasser besitze, woran ich schon zu zweifeln angefangen hatte. Wir hielten nnn eine mehr nördliche Richtnng ein, aber fortwährend durch tiefes Wasser voll Gras und Wasserpflanzen, so daß unsere Pferde anf das Nenßerste angestrengt wnrden. Iu eiuer zweiten Bucht, Dimbcler, war ich so glücklich, zwei kleine Voote der oft erwähnten Tfad - Piraten, der Medina, zu scheu, tleine flache Boote, ans lcichtcm ssngoholz gezimmert, etwa 12 Fnß lang und jedes von zwei Männern regiert. Sob'ald sie nns erblickten, stießen sie fchuell ab; ohuc Zweifel waren sic anf Menschenraub ^. 381 ------ ansgegangen und laucrtel« hier im Hinterhalte Leuten aus den benachbarten Dörfern auf, die hierher gckunlmen luareu, um Schilf für ihr»? Hütten zu schneiden. Nachdem wir diese von der nahen Gefahr nnterrichtet hatten, setzten wir nnsern Wasscrmarsch fort. Die Sonne schien mit großer Gewalt, doch machte eine leichte kühlende Brise, die über das Wasser licrüberlam, die Hitze erträglich. Ich tonnte vom Sattel herab das Wasser mit dem Munde erreichen nnd hatte so hinlänglich Gelegenheit, mich zn überzeugen, daß es vollkommen süß, nnd daß es eine auf Vorurthcil bcrnhcnde Annahme sei, wenn man in Europa behauptet, das Wasser des Tsad müsse salzig sein, da er leinen Ausfluß habe. Allerdings giebt es viele Ocrtlichleitcn rings nm den See her, deren Boden mit Natron geschwängert ist, welches sich den unbedeutenden, nach Ueberschwcmmuugcu zurückbleibenden Ansammlungen von Wasser ans dem See mittheilt. Aber auch dies ist nnr der Fall, wenn diese Becken eine geringe Tiefe haben; sind sie voll, so ist der Natrongehalt nicht bedcntcnd genng, nnd das Wasser bleibt süß. Diese meine Angabc ist vollkommen bestätigt worden dnrch die folgenreichen Beobacht tungen, die Herr Prof. Ehrenberg an der von Dr. Vogel eingesandten Probe von Tsadschlamm angestellt hat und die ergaben, daß dieser Schlamm voll von Pflauzenrestcn sei, daß also der darauf sich ausbreitende See unzweifelhaft ein Süßwassersee sein müsse. Trotz dieser Beschaffenheit aber ist das Wasser des Tsad am Rande wenigstens nicht sehr geeignet znm Trinken, da es zn warm und eben zu sehr mit Pftanzenstoffcn augefüllt ist. Ucberall umgab den Rand des freien Wassers 10 — 14 Fnß hohes Schilfrohr, von welchem zwei Sorten unterschieden werden, „melc" und „bore" oder „bole". Ersteres enthält ein zartes weißes Mark, das von den Ein^ gcborueu gegessen wird, mir aber einen sehr faden Geschmack zu haben schien. Die Bore hat einen schwarzen Büschel, wie unsere gewöhnliche Binse, ihr Rohr ist dreikantig, ähnlich dem Papyrus. Ich fand später beide Arten in den Gewässern Munio's und- Demagherims wieder. Das Schilfdickicht war von einer Schlingpflanze mit gelber Blnme durchwachfen, die von den Eingebornen „borbndje« genannt wird. Auf der Oberfläche des Wassers trieb eine Schwimmpflanze umher, die I'i^tia i>ti^tiutu8, wie ich glanbe, die von den Anwohnern ganz bezeichnend die „heimathlose Fanna" genannt wird (Fanna ist ein Mädchenname). Auf der üppigen Sumpftbenc zunächst dem Wasser schreckten ____ HftI____ Wir häufig große Heerdcn einer besonderen Autilopeuart auf, die dcmu in mächtigen Sprüngen über die hohen Binsenmasscn eilten oder auch, in's Wasser stürzend, schwimmend mis unseriu Bereich zn eutkummen suchten. Die Farbe dieser Antilope, die mir nur au deu Ufern des Tsad vorgekommen ist, ist der des Rehes ähnlich, mit einem weißen Streifen unter dem Bauch; dagegen ist das Thier weniger schlank, ziemlich stämmig uud außerordentlich fett. Es mag eine Abart der ^ntill,^ ^,'nlmÄ sein; die Araber legten ihr wenigstens denselben Namen bei, „el aricl«; von deu Eingcborncn wird sie ttkelara» genaunt. t^egen Mittag kamr>l wir zu einer, Nghulbea genannten, Bucht, in welcher eine wirklich auffallende Anzahl vou Flnßpferden umher schnaubte; außerdem dient sie Krokodilen und der großen Wassereidechse, gelegentlich auch deu seera'uberischrn Mediua zum Aufenthalt. Elephauteu, denen ich späler in so großen Heerdru an deu nördlichen Strichen des westlichen Ufers begegnete, wo eiue Reihe niederer Sandhügel und (Gehölz ihnen eine passende, von Mückeu freie Ruhestätte bieten, iameu hier uicht vor, eben aus Mangel einer solchen Totalität. Nghulbea war der östlichste Punkt meiucs kleiueu Ausflugs, nud indent wir uus uun mehr nach Westen wandten, kamen wir über trockene Weidegründe nach 1'/^ Stunden an die tief einschneidende, wohlgeschützte Bncht Nghomareu. Hier wurde ich durch deu Anblick von elf großen Booten der?X'diua auf das Angenehmste überrascht. Groß warcu sie jedoch uur im Verhältniß zu den vorher gesehenen Fahrzeugen zu nennen; sie waren nämlich etwa 2U Fuß laug uud ziemlich breit, hatten einen sehr niederen Bord, aber ein hohes, spitzes Vorder-theil und waren ebenfalls von den schmalen Brettern des Fugobamus gezimmert, wcuu mau cs zimmern nennen darf, da sie nur mit Taueu aus Dumblättern zusammengebunden waren; die Nähte und bücken werdeu mit Bast verstopft. (5ius der Boote enthielt elf Mann und neben anderer Fracht eine ziemliche Menge Natron. Doch will ich bemerken, daß die ebcn beschriebenen nicht die größten Fahrzenge der Jedina sind; denn eins der Boote, welche später I),'. Overweg bei seiner Fahrt auf dem See begleiteteu, war über 14 Meter laug und 2 Meter breit. Die Jedina waren damit beschäftigt, ihr Natron an^anembn gegen Korn zu verhandeln. Sie leben immer mit deu Bewohnern einiger Dorfschaften an diesem Seegestadc in gutem Einvernehmen, nut denen anderer dagegen in bitterer Feindschaft, werden aber im Allgemeinen als ^auoesfeindc von Bornn betrachtet. Gerade deshalb aber suchen ------ W3 ------ die Anwohner des Tsad sich irgend wie mit ihnen abzufinden, da sie bei der wenig thatkräftigen Regierung ihres Bandes leinen Schutz finden. Ich wünschte sehr, eins der Boote zu besteigen, indessen faßten Vie Insulaner bei unserer Annäherung Mißtrauen nnd stießen vom Land ab. Nachdem wir noch eine Bucht Namens Mellela berührt hatten, wendeten wir uns nun westwärts und betraten uach etwa einer Stunde den Ort Madnari. Damals ein bedeutungsloser Name für mich, sollte dieser Ort später eine traurige Wichtigkeit für unsere Expedition erlangen, als die Grabstätte eines andern meiner Gefährten. Der freundliche, aus N--I2 getrennten Hüttengrnppen bestehende und von einer gewissen Wohlhabenheit zeugende Ort machte eiueu sehr angenehmen Eindruck auf mich. Ich wurde in das Haus eines Beamten der Negierung geführt, Namens Fngo Ali, der micb auf das Freundlichste aufnahm uud glänzend bewirthete. Es war dasselbe Haus, in welchem 1 '/2 Jahre später Dr. Overwcg sterben sollte, während Fngo Ali selbst, der meinen (Gefährten auf seiner Fahrt um die Inseln des See's begleitete und als Freund fast wöchentlich nuser Haus besuchte, als ein Opfer der Revolution von 1854 fiel. Wie anders war mein Empfang auf diesem meinem ersten Ausflüge im Vergleich zn dein im Jahre 1K55, als ich mit Oi>. Vogel jene bcfreuudete Stätte wieder besuchte uud Fugo Ali's Wittwe bei meinem Anblick in heiße Thränen ansbrach, den Tod ihres Gatten nnd den meines Gefährten beklagend! Die Einwohner aller diefcr Dörfer sind Kaneiubn vom Stamme der Ssugurti, die nach der gänzlichen Verheerung ihrer Heimath Kancm sich in diesen aus Furcht vor den Icdina früher unbewohnten Gegenden niederließen. Ihre Nationaltracht jedoch haben die Meisten schon gegen die Kleidung der Kanori vertauscht. Die grüßte Zierde jener war eiu eigenthümlicher Kopfschmuck, eine steife, nach oben weiter werdende ^Mütze, um deren oberen Rand eiue ans Gabagastreifcn bestehende Binde läuft; von dieser Binde getragen, reiht sich um den Wirbel ein Kranz cmporstehendcr, bis zu .^ Zoll hoher Nöhrchen. Außer einem eug anschließenden ledernen Schurz ist der Körper nnbe-deckt, aber geschmückt mit eitler engen Schnur weißer Perlen um den Nacken, den gewöhnlichen, auf die Brust herabhängenden ^cdertäschchen für Zauberformeln („leia") und drei Ringen am rechten Arm, nämlich einem am Oberarm, einem uon Elfenbein über dem Ellbogen und einem über dem Handgelenk. Bewaffnet sind die Ssugnrti mit einem oblongcn, ausgebauchten, oben und unten gleich breiten Schild aus ____ IH4 ____ leichtem Fugoholz, eiuer großen ^auze und drei bis vier Wnrf^ sfteeren. Interessant für mich war die Anwesenheit einiger Jedina in Maduari, hübsche, schlankgewachsene und verständige Leute, deren ganzer Anzug aus einem Lederschurz uud cincr Schuur weißer Perlen um den Hals bestand, die zusammen mit ihren herrlichen kleinen Zähnen überaus scholl gegen ihre schwarze Hautfarbe abstachen. Diese Leute gaben mir die ersten Nachrichten über die Inseln im See uud nauuten zehn als die bedeutendsten, dercu Namen uachmals von Oi-. Ouerwcg fast alle bestätigt wurdcu. Eine derselben, Ärcdjare, soll sogar viele Pferde haben. Sie crllärteu ferner, daß der See eine Tagefahrt von Kaia, dem tlciueu Hafeuort vou Maduari, ganz frei werde und das offeue Wasser oder „nkibul" sich dann in der Tiefe von zwei Manus^ längen in der Richtung nach Schani im Müuduugsdclta des Schari erstrecke. — Ans allen Nachrichten, die ich sammeln konnte, muß mau deu Schluß ziehen, daß das tiefe offeue Wasser des Tsad als eine Art Sackcrweiteruug des Flusses vou der Müudnug des Schari sich nach dem westlichen lifer hinüberziehe und der übrige größere Theil des See's ans überschwemmtem Wiesculand bestehe. Was die ethnologischen Verhältnisse der Medina anbetrifft, so sind dieselben jedenfalls verwandt mit deu Kototo oder vielmehr ein Stamm derselbeu; der Sprache nach stehen sie deu Bewohnern von Nghnla, also den südlichen Anwohnern des Tsad, am nächsten und siud wohl als Stammverwandte des alteinheimischcn Stammes der Sso oder Sseu auzuseheu. Nachdem ich so das schwierige, aber nützliche Tagewert im Kreise meiuer schwarzen Freuude augeuehm beschlosscu, legte ich mich uuter eiuer Art Wetterdach zur Nuhe, hatte aber unendlich viel von deu Mückeu zu leiden. Mücken uud Flöhe sind in der That eine große Plage aller Plätze am Seeufer und wenigstens die erstehen tragen bedeutcud zur Erschwerung der Erforschuug dieser Sumvflande bei, mehr als Flußpfcrde und Krokodile. Schon vor Souneuaufgang waren wir wieder im Sattel; Fugo Ali, gefolgt vou eiuem Trommler mit zwei tleiueu Trommelu, begleitete uus. Es war eiu herrlicher Morgcu, uud einfach, wie der Charakter der Gegend war, erfüllte fie mich mit hohem Entzücken. Ungebrochen zog sich die Änie des Horizontes dahin, indem die uuer^ mesMc sumpfige Sawanna zu uusercr Rechten mit der weiteu flachen Lagune des Tsad verschwamm, dessen Iuselu zu niedrig siud, um vom ____ 5ft5 ------ Ufer ans gesehen werden zu können. Znr Linken zeigten sich mehrere Gruppen von Dörfern, dicht beschattet von weit sich ausbreitenden Bäumen. So zogen wir langsam unseres Wegs nach Norden, während die aufgehende Sonne auf den Spiegeln der hie und da in der grünen Ebene sich ausbreitenden kleinen Wasserbecken ihre Strahlen brach und einen belebenden, warmen Hauch über die Landschaft ausgoß, die von zahlreichen Nindvichheerdcn belebt wnrde. Wir ftassirten .eine große Hürde, in welcher wenigstens 10N0 Stück Rindvieh eingeschlossen waren und unter der Obhut von Kanembn-Hirten standen. In gleichen Abständen waren hohe, starte Pfähle in den Hoden eingetrieben, welche zum Aufhängen von Schlänchcn und Gefäßen aus fein geflochtenem Gras dienten, in denen Milch und Butter aufbewahrt wurden. Erquickt durch einen reichlichen Trunk frischer Milch, ging es nach kurzem Aufenthalt weiter, und zwar in mehr östlicher Richtung, so daß wir bald wieder tiefes Wasser zu passiren hatten. Wir besuchten mehrere Buchten und erhielten unterwegs einen Zuwachs zu unserer Gesellschaft, indem ein anderer Kanembu-Hänptling sich zu uns gesellte, Namens Ssintelma, der ebenfalls mir uud I»i'. Overweg nachmals in stets treuer Anhänglichkeit ergeben blieb. — Das nächste Ziel unseres Ausflugs war die Bucht Belo; um diese aber, deren Ufer schärfer begrenzt sind als die der misten andern, zu erreichen, mußten wir so tief in das Wasser reiten, daß mein Diener, der ein kleines Pferd ritt, fast ganz versank und in der That für einige Zeit von ihm nur Kopf und Flinte zu sehen waren. Meinem ciMen hochgewachsenen Pferd ging das Wasser bis über den Sattel. Doch war es schon einiger Mühe werth, diesen Platz zu erreichen. Es war die breiteste Bucht des See's, die ich bisher gesehen hatte, ein schöner, offener, zu ansehnlicher Entfernung sich ausdehnender Wasserspiegel, dessen leichte Wellen, von einem mäßigen Ostwinde bewegt, sich gegen das Ufer brachen. Dennoch hatte er keinen sichtbaren Zusammenhang mit dem großen offenen Seebecken, sondern war ringsum dicht von einem ununterbrochenen Walde von Binsen verschiedener Gattungen umsäumt. Nebst vielen andern Wasserpflanzen war es namentlich die ^'yill^iiaoa I^itu«, welche an manchen Stellen eine vollständige grüne Decke bildete, und unter den zahllofen Flügen von Wasservögeln aller Art, die sich hier in ungestörter Ruhe tummelten, waren besonders wilde Enten zahlreich vertreten. Ueberhaupt ist das Varth's Reisen, l, 2b ------ 3ftss ------ seichte Wasser des See's zunächst drin Bornu-Ufer, das „nti tsilim" der Eingebornen, voll von Fischen llnd Gethier aller Art, während das innere offene Wasser, „nli bnl", nach !>>'. Overweg's Angabe ganz bar aller lebenden Wesen sein soll. Mühsam arbeiteten wir nns dnrch Wasser nnd Binsen wieder auf festen Boden und hielten dann Rath, was weiter zn thun sei. Ich wünschte nämlich sehr, die Insel Ssoynrmn zn besnchen, nm von da wo inöglich einen Blick auf das offene tiefe Wasser, das „lali-lemma" der Medina, werfen zu können. Zn Zeiten, wann der See nicht den höchsten Wasserstand erreicht, ist dieselbe ohne grüße Beschwer lichteit in einem Tage zn Pferde zu erreichen, jetzt aber, erklärten meine Begleiter, würde die Tiefe des Wassers auf mehrere Meilen weit die Höhe meines Pferdes überschreiten. So mußte ich denn in der ^age, worin ich war, dem Wnusch, dun diesem merkwürdigen Wasser^ becken Mittcl-Afrita's noch etwas mehr zu sehen, entsagen nnd folgte meinen Begleitern nach dem großen, etwa eine Stunde entfernten Dorfe Kaua. Der Weg dahin führte in westsiidwestlicher Richtung durch Bohnen- und Baumwollenfelder; einheimisches Korn oder Neger Hirse scheint hier nicht gebant zu werden. Kaua ist ein betriebsamer Ort, uud als Sitz eines Beamten, nnd somit in näherer ^erbindnna mit der Negierung von Bornu stehend, leben seine Bewohner in bitterer Feindschaft mit den Medina, In der Behausung einer Schwester Fugo Ali's fanden wir frcnndliche Aufnahme und Bewirthung und unter einer herrlichen Sytomore einen prächtigen Ruheplatz. So gestärkt setzten wir unseren Marsch am Nachmittag nach der Hauptstadt fort, in der wir gerade antamen, als der Vezier zu Pferde stieg, um sich zum Scheich zu begebet«. Auf ihn zusprcngcnd begrüßte ihn unser Trupp nach landesüblicher Weise mit anfgchobencr Waffe, und meine Begleiter erzählten ihm, daß wir zwei Tage im See umhcrgcschwommen Wären uud daß ich alle Buchten niedergeschrieben hätte. .Ich nahm dann die ganze Gesellschaft von acht Mann mit nach meinem Hanfe uud bewirthete sie uach Kräften. So schloß mein Ausflug nach dem Tfad (den 27. April 1851). Ich war gerade zur rechten Zeit zurückgekommen, denn am folgenden Tag schlug die Karawane für Fesau ihre Zelte dor der Stadt auf, mit welcher ich wichtige Papiere zu seudeu hatte. Diefe bestanden in dein literarischen Nachlaß meines unglücklichen (Gefährten uud in Depeschen an die englifche Negiernng, in denen unter Anderem ich mich znr wcitern Fortführung uud Leitung der (Spedition erbot, ------ 3N7 —. zugleich aber auch um die höchst nöthigen Nachschüsse bat; ohne deren baldiges Eintreffen hätten wir in der That nichts Besseres thun können, als so bald wie möglich nach Hause zurückzukehren. (5s war ein günstiges Zusammentreffen, daß mein treuer Diener Mohammed el Gatroni, welcher den dringenden Wnnsch hatte, Fran und Kinder wiedcrznsehen, und den keine Bemühungen und versprechen erhöhten Lohnes für den Augenblick zurückhalte» tonnten, mit eben dieser Karawane reisen wollte. Da er mm wiederzntommcn versprach, ertheilte ich ihm, wie die Heerführer Roms ihren Soldaten, Urlaub, „imn-is pt-oeryalMs äarst, opsram", und übergab ihm die Besorgung meiner Depeschen. Die damals abgehende Karawane führte einen der zahlreichsten Stlaventransftorte mit sich, die wahrend meiner Anwesenheit in Bornu abgingen, denn die mitziehenden Kaufleute hatten znsammcn 750 Sklaven. Sklaven werden in der That so lange den bedeutendsten Ausfuhrartikel in Bornu bilden, bis der Handel mit dcnfclben an der Nordknste gänzlich nnterdrückt sein Kurd, wozu allerdings in neuerer Zeit die nöthigen Schritte geschehen zu fein scheinen. Herr Or. Overweg war immer noch nicht angekommen, ich wußte nur, daß er geraden Weges anf der Neise von Sinder nach Kukaua wäre. So sehr ich wünschen mnßte, vor meiner Abreise nach Ada-maua noch vieles dringend Nöthige mit ihm zu besprechen, so zögerte ich doch nicht länger mit meinen Vorbcreitnngen zur schleimigen Abreise, als am Nachmittag des 5. Mai die ersten sichern Anzeichen der nahenden Regenzeit sich einstellten, einige heftige Donnerschläge nämlich mit nachfolgenden« Negcn. Zu diesen Vorbereitungen gehörte namentlich die Beschaffung eines starken Reisepferdes; ich war glücklich genug,, gleich am andern Tag ein solches mit allen nöthigen Eigenschaften begabtes Noß für 1270 Rottet oder 32 österreichische Thaler taufen zu küuncn. Es war ein schön gezeichneter Apfelschimmel; mit ihm konnte ich es nun auch wagen, bei dem öffentlichen Erscheinen des Scheichs mich nnter die ihn begrüßenden vornehmen Einwohner der Stadt zu mischen. Gelegenheit hierzu hatte ich noch an demselben Tage in Gauangc, einem ^ustort des Scheichs, Vl Stunden von der Stadt, Wohin er sich wöchentlich mehrere Male begiebt. Er erschien unter Posaunenschall, mit einem zahlreichen Gefolge feiner Höflinge; 200 Reiter ritten ihm bald znr Seite, bald sprengten sie an das Ende oder die Spitze des Zugs; zunächst vor und hinter seinem Pferde liefen W in rothe hacken gekleidete nnd mit Flinten bewaffnete Sklaven. ------ 338 ------ Er selbst sah stattlich uud wohlgefällig alls; er trug einen hellblauen Bcrnus über eiuein von weißer Farbe und ritt einen prächtigen Rappeu. Der Vezier ließ lnich zll ihm fühven, worauf Omar lnich sehr gnädig nach meinem Befinden fragte und wie mir der Alisflug nach dein See gefallen habe. Endlich am ?. Mai erfolgte l)i-. Overweg's Aukuuft. ztaum hatte ich durch einen voransgesaudten Diener erfahren, das? er in Kalilua sei, dem ersten Dorf westlich don Kukaua, als ich ihm dahin entgegeneilte. Ich fand meinen Reisegefährten im Schatten eines Nebclbaumes; er sah sehr angegriffen aus uud bei weitem nicht so rüstig, als da ich ihn vor vier Ältonaten iit Tessaua verließ. Bei seiner Rückkehr von Gober nach Sinder hatte er sich so unwohl befunden, daß er ernstlich fürchtete, Herrn Richardson bald folgen zu miisfeu. Dr. ^vcrweg berichtete mir als Augenzeuge über den Mitisch-religiösen Kampf, dcr in Gober nnd Maradi zwischen diesem edelsten Theil der Haussa-Nation und den Fulbe Ivnthete. Cr war dabei vull Begeisterung über die vieleu anziehenden Scenen eines heitern, uugczwuugeucu Lebeus, deren Zeuge er in jenen Heiden-gemeinschaftcu gewesen war. Ich theilte ihm dagegen meine Erlebnisse, meine Befürchtungen und Hoffnungen über den Fortgang uuscres Uuteruchmeus mit. Herr Ovcrweg uahm nun seiue Wohnung ebenfalls in dem „Englischen Hause", wiewohl dasselbe für uusere gemeinschaftliche Wirthschaft etwas befchräutt war. Der Vczier war über Herru Oderweg's Antnnft sehr erfreut und saudte uus uun, meiner Verabredung mit ihm gemäß, am Abcud des folgenden Tages Herrn Richardson's gcsammten Rachlasi. Selbst die vorgeblich schon verlausten Gegenstände wnrdcn wieder herausgegeben. Nachdem uuu durch die Auslieferung des Nachlasses das Besitzrecht dcr Fremdeu faltisch anerkannt worden war, übergaben wir am 9. Mai dein Scheich uud dem Bczier die für sie als Gescheute bestimmt geweseueu Gegeustäude. Freilich kouutcn dieselben uuu nicht mehr die Wirtung nener Geschenke haben, da beide schon so lange m dem Besitz derselbeu gewescu wareu; dennoch nahlnen sie das Uebcrreichte im Gefühl ihres frühercu Unrechts in sehr gnädiger Weise auf. Währeud wir so iu offizieller Weise deu Charakter der Mission aufrecht erhielten, brachten wir zugleich den Vertrag zur Sprache, dessen Abschließuug dcr Fürsorge uuscrcs verstorbenen Gefährten ganz besonders übertragen gewesen, uuu aber durch dessen Tod uns anheim- ------ 389 ------ gefallen sei. Scheich und Vezier versicherten, daß es ihr innigster Wunsch sei, Handelsbeziehnugeu mit dm Engländern anzuknüpfen; sie verhehlten aber zugleich nicht, daß die Erlangnng von Feuergewehren ihr Hanptziel dabei wäre. Nachdem wir uns mit den Hauptpersonen auf guten Fuß gestellt hatten, machten wir auch den angeseheneren unter den Brüdern des Scheichs, seinem ältesten Sohne und, nach besonders eingeholter Er-laubuiß, auch seinem Nebenbuhler Abd e' Rahmau einen Äesuch. Wir durften letzteren nicht vernachlässigen, da wir nicht wissen tonnten, ob er nicht bald die Oberhand gewinnen würde, und machten ihm ein hübsches Geschenk. Aber scin ganzes Wesen hatte wenig Edles und Einnehmendes, und wir mußten gegen ihn anf unserer Hut sein. Ein ganz anderer Mann war Missnf, der zweite Brnder Omar's, mit welchem ich während meines letzten Aufenthalts in Kukaua 1d55 eug befreundet wurde. Er war ein gelehrter und sehr religiöser Mann, der stets eifrig studirtc und ein für Gerechtigkeit empfängliches Gemüth besaß; es fehlte ihm aber jede praktische Richtung. — Bu-Bakr, der älteste Sohn des Scheichs, war ein Kind ohne Verstand uud ohue fürstliche Gesinnuug. So nahte denn endlich der Augenblick meiner Abreise nach Ada« maua. Die Verzögerung derselben durch Dr, Overweg's verspätete Ankunft hatte den Bortheil für mich herbeigeführt, daß mittlerweile Voten des Statthalters jener Provinz eingetroffen waren, die einige von den Aornu-^euten in die Sklaverei geschleppte Unterthanen desselben zurückfordern sollten. Dem Schutze dieser ^eute wnrde ich am 2l. Mai offiziell übergeben. Als aber am 29. Mai Alles zum Aufbruch bereit war, erfuhr ich m der letzten Audienz be'im Scheich, daß dieser mir noch ciueu Offizier, cineu Kaschella oder Kriegöhcmptmann, mitgeben wolle. Gleich von Anfang au war mir dies etwas räthselhaft und beunruhigend, und die Folge wird zeigen, daß gerade dieser Mann die Ursache war, weshalb mich der Statthalter von Adamaua so schnell zurückschickte und mir keinen längereu Aufenthalt in seinem ^and gestattete. Allf der anderen Seite aber muß ich bekennen, daß ich sehr bezweifele, ob ich ohne die Hülfe des Kaschella all' die großen Schwierigkeiten und Gefahren dieser Reise überwunden haben würde. Elftes Kapitel. Noise nach Ädamami. Am Nachmittag des 29. Mai verließ ich Knkaua durch daö nach dem Süden fahrende Thor, froh, endlich meine Neise dahin antrete», zu können. Ich nährte damals sogar die stille Hoffnung, Baia, etwa unter 6" N. Br., erreichen nnd von da meine ^orschungen vielleicht gar bis zum Acquator ausdehnen zu Wunen. Zunächst aber sollte meine ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet sein, nach eigener Anschauung Richtung und Gebiet jeucs grüßen Flusses zu erforschen, welcher Adamana dnrchströntt uud der erst in seinem untern ^auf, nahe der Einmündung in den Niger, einigermaaßen gekannt war. Mein kleiner Troß war noch nicht ganz zum Aufbruch gerüstet, ich ließ ihn daher unter der Obhut Mallem Kciwri's, eines alten erfahrenen Haussa^triegrrs, den ich für diese Neise iu meine Dienste gcuummeu hatte, zurück, um mir in der Nacht zu folgen. Das ^and ist aber auf einen Umkreis vou tt—10 Meilen um die Hauptstadt von so vielen Pfaden durchschnitten, daß es äußerst schwierig ist, einander zu treffen, wenn der Ort der Zusammenkunft nicht ganz bestimmt angegeben ist. So geschah es denn, daß anch meine ^eute den von mir eingeschlagenen Weg verfehlten nnd erst gegen Mittag des dritten Reisetags wieder mit nur zusammentrafen. Dagegen begleitete mich Dr. Overwcg mit einem Diener nnd Gillama '), der vom Scheich mir beigegcbene Offizier, mit einem Mann zn Pferd und zwei Dienern zu Fuß. Billama war jedenfalls die hervorragendste Persönlichkeit in unserem kleinen Trupp, denn er war ein hochgewachsener, hübscher Mann von beinahe 6 Fuß 2 Holl rheinläudisch nnd ritt einen ausgezeichnet schönen Apfelschimmel vou ebenfalls ungewöhnlicher Höhe. — ') Billama bedeutet eigentlich „Bürgermeister", das Wort ist jedoch häufig zum Eigennamen geworden. _____ NH1 ____ Allmählich sammelten sich aus den umliegenden Weilern auch die Boten aus Adamaua, deren Führer Ibrahim eine für meine Zwecke nicht ganz erwünschte Person war. (5incr seiner Gefährten dagegen, ein Pulli von Geburt, aber sehr geselliger Natur, Namens Mohammedu, erwies sich in der That als ein höchst nützlicher Mensch, um mich in das neue Land, dem ich entgegenzog, einzuführen. Er war mit Schwert, Bogen und Pfeilen bewaffnet, die übrigen ^rute von Ada-mana mit ^anze und einem Schild aus Büffelfell. Wie überall in der Nähe großer Hauptstädte, sc> sind auch hier zu ^ande dic Dorfbewohner zunächst Knkaua sehr ungastfreundlicher Natur; in dem Dorfe, in welchem wir unser erstes Nachtlager aufschlugen, konnten wir tanm etwas FeueV erlangen, nm Kaffee zu kochen, und mnßtcn nns sonst mit kalter Küche begnügen. Frühzeitig zogen wir am andern Tage weiter. Der Morgen war sehr schön und die Gegend erschien mir im Vergleich zu der nackten, trostlosen Umgebung Kutaua's ganz hübsch und anmuthig, obgleich die Banmflora nnr aus ihren gewöhnlichsten Vertretern bestand. Nach einem vierstündigen Marsche machten wir Halt zur Seite des Dorfes Pirtua, da Dr. Overweg von hier aus zur Stadt zurückkehren nmßte. Niemand wollte uns hier für Muscheln Mundvorrath verkaufen, bis es Dr. Overweg gelang, gegen das abgetragene Hemd seines Dieners eine Ziege zu erhandeln. Es ward nnn gegessen und getrunken, und dann trennten wir uns unter den herzlichsten Wünschen für das Gelingen unserer beiderseitigen Unteruehmnngcu; es war nämlich als I>. Over-weg's nächste Aufgabe die Bcschiffung des Tsad vermittelst des mitgebrachten englischen Bootes von uns besprochen nnd festgesetzt worden. Am Nachmittag des dritten Tages tamen wir an den ersten Wohnstätten der Schna vorüber. Es bilden diese Schua einen beträchtlichen Theil der Bevölkerung von Bornu, doch hatte ich bisher noch nichts von ihnen gesehen, da ich mich auf meiner Neise von Kano „ach Kutana zu weit nördlich gehalten hatte, um die westlich und südwestlich von letztcrem Orte sich hinziehende Landschaft itoiam zu berühren, in welcher die Schna, mit der cingebornen Bevölkerung untermischt, in bedeutender Anzahl wohnen. „Schna" ist ein allgemeiner Gattnngsname, mit welchem alle seit alter Zeit in Bornn ansässigen Araber bezeichnet werden, die nun einen integrircndcn Bestandtheil der Landesbevölterung bilden. Derselbe Name wird ihnen auch in Baghirmi beigelegt, aber in der etwas veränderten Form „Schiwa"; in Wadai dagegen heißen sie „Aramka" ____ ZZ2 ____ (Plural von „Aram", einer von „Arab" abgleiteten Form). Em Araber von der Küste wird nie mit dem Namen „Schua" bezeichnet, sondern ,sWa-ssiri" oder „Wa-ssili" genannt. — Diese eingeborne arabische Bevölkcrnng ist ganz entschieden von Osten her eingewandert, und zwar in beziehnngsweise früher Zeit. Ihre Gegenwart in Bornu oder wenigstens in Kanem kann durch historische Dokumente vor etwas mehr als vur 2'/i Jahrhunderten nachgewiesen werden. Anch über die Art und Weise der Einwanderung kann kein Zweifel herrschen. Die Schna nämlich wanderten allmählich, und ohnc Aufsehen zu erregen, als friedliche Rinderhirten dnrch die östlichen Theile des Negerlandes und verbreiteten sich endlich anch über Bonni. Nach Westen aber drangen sie nicht weiter vor. So sehen wir hier zwei ganz verschiedene Viehzucht treibende Völkerschaften zusammenstoßen, die Fulbe vom fernsten Westen, die Araber vom fernsten Osten des Kontinents, und doch traten beide trotz des verschiedenen Ursprungs und der Verschiedenheit der Sprache bei ähnlichen Sitten in freundschaftliche Berührung mit einander. - Der Dialekt der Schua ist von dem Maghrebi-Idiom durchaus verschieden, hat dagegen in vielen Zügen die Reinheit und Gewandtheit der Sprache des Hidsas, ihrer früheren Heimath, bewahrt. Auch viele Nationalgewohnheiten dieses Volkes tragen noch gegenwärtig die Eigenthümlichkeiten der alten Stammsitze an sich. — Was das Aeußere der Schua anbetrifft, so sind dieselben von weit hellerer Farbe als die dunkeln Bornaner, haben im Allgemeinen tleine, angenehme Gcsichtszüge und eine mittlere Körperhöhe von nicht ganz 5'/2 Fuß; dennoch scheinen sie ihres sehr schlanken Wnchscs wegen hochgewachsener, als sie in der That sind. Beispiele von stämmigen Schua sind Viel seltener als von wohlgenährten Fulbe. — Die in Bornn angesiedelten Schua dürften im Ganzen eine Bevölkerung von 20(> bis 250,000 Seelen ausmachen, da sie ungefähr 20,000 Mann leichter Reiterei in das Feld stellen können, denn sie sind alle beritten. — Viele unter ihnen sind wohlhabend, dennoch hatten sie nie eine politische Bedeutung, bis ganz in jüngster Zeit, wo sowohl Tirab, der ihrem Stamme angehörte, als auch dessen Sohn Hadj Beschir den hohen Posten eines Vcziers bekleideten. Die Meisten haben feste Dorfer, wo sie während der Regenzeit leben uud das Feld bebauen; zur übrigen Zeit des Jahres aber wandern sie mit ihren Rinder-heerden umher. Sie sind in viele Familien und Stämme geschieden. Wir nahmen unser Nachtquartier in einer der vier Hüttengruppen, Welche das Dorf Mungholo Gesaua bilden, dessen nette uud reinliche ------393 ------ Hofräume und Häuschen seinem Besitzer, dem Vezicr, Ehre machten. Hier war es, wo ich zum ersten Male auf dieser Reise mehrere kleine Ansammlungen von Regenwasser sah, welche die größere Stärke und deu frühereu Anfang der Regenzeit iu dieser Vandschaft bezeugten und so auch Hoffuung auf eiueu reicherm Pflanzenwuchs erregten. Im Allgemeinen aber erhielt die Landschaft, welche wir bisher durchschritten hatten, eben so wie die, welche wir in den nächsten Tagen durchziehen füllten, ihren Charakter von jenen muldcnartigeu Vertiefungen mit dnntelschwarzem, fcnchtem, »ft snmpfigem Boden, die ich zuerst auf der letzten Wegstrecke vor Knkaua beobachtet und beschrieben habe, und die, wie erwähnt, von den Eingeborncn „firti", von den Arabern „ghadir" genannt werden. Sie gaben dort wie hier der Gegend ein einförmiges, melancholisches Aussehen und wurden eben so zum Aubau der Massatua (Hoi^u» cx^imu«) uud — in geringerem Maaße — zum Weizcnbau bcuutzt. Au dem Tage, welcher dem Nacht» lager in dem freundlichen Mungholo Gesana folgte (1. Juni), betraten wir zum ersten Male seit ztulaua, von wo wir etwa iu gerader Richtung sieben dentsche Meilen entfernt waren, einen dichten Wald. Zur Regenzeit bildet er eiueu großen Sumpf, jetzt aber war er, abgesehen von einigen tieferen Einscnkuugcu, uoch ganz trocken. Einige Schua, die dieseu Distrikt ausschließlich zu bewohnen scheinen, waren beschaff tigt, Träukstättcn für das Vieh herzurichten, indem sie runde, stäche Vertiefungen mit einem lleinen Damm umschlossen. Einer dieser tteute fiel mir seiner Hantfarbe wegen auf, die fast heller war, als die damalige ssärbuug meiuer Hände und meines Gesichts. Jenseits des Waldes, welcher durch zahlreiche Fluge wilder Taubeu und von Wasservögeln belebt war, schienen die Schua nicht mehr die alleinigen Inhaber des Bodens zn sein, denn die Bevölkerung der Dörfer, die wir passirten, war mit Kanori untermischt. Wir erreichten am Abend einen der Weiler im Bezirke Maga gerade zu rechter Zeit, um den Fluchen eines nahenden heftigen Gewitters zu entgehen. Anf nnsorem Marsche an, 2. Juni betraten wir eine Stnnde nach deut Aufbrnch das bedeuteudste Firki, welches ich uuch gesehen hatte; es dehnte sich über 1^ Stunden aus. Der schwarze, morastige, jetzt trockene Bodeu zeigte viele Fnßtavfen vou Giraffen, eine keineswegs sehr gewöhnliche Erscheinung in dichter bewohnten Landschaften. Ein wenig weiterhin, in der Nähe eines Teiches, sahen wir zwei wilde Schweine, „gado", ein Männchen, „bi", nnd ein Weibchen, „knrguri", die in aller Gemüthlichkeit hinter einander her liefen. Auch dieser An- I— 394 ------ » blick war mir damals um, dangen fand ich später weiter östlich von hier, nach Äaghirnu hin, in den Mnvial^ und Waldebenen der Flüsse von ^ogone und Äaghirmi dieses Thier in ungehenercr Atcnge. Der Handel mit Natron, welcher so viel dazn beiträgt, die Straße von Kano nach Knkana zu beleben, ist cmch für den Distrikt Udje, welchem wir uns jetzt näherten, von Bedeutung. Hiervon zeugten zwei Gesellschaften dieser Händler, dic nns heute begegneten, die eine mit beladcncu Sauiuthiercn nach Udjc ziehend, die andere mit lcdigen Thieren bereits vom Markte heimkehrend. Weiterhin, jenseits des Dorfes Ibramri, bemerkte ich die ersten Äaumwollenfelder ans dieser Straße, ferner frisch bestellte und besäete Kornfelder von bedentendem Umfange. Dabei war das Vand dichtbevölkert nnd gab unverkennbare Beweise von einem gewissen Grad von Gewerbfleisi; ja, ich fand in einem der Dörfer sogar eine Marina, immer mehr Zeichen, daß wir uns dem regen nnd gewerbfleißigen Bezirk von Udje näherten. — Den charakteristischen Äanin des Ncgerlandeö, die düstere Knka tAc!n,n8ttnia clissiwtn), hatte ich bisher immer nur blätterlos gesehen; hentc endlich erblickte ich ein (5xemvlar in vollem Vlätterschmncke, nnd obwohl das Vanbwcri in keinem Verhältniß steht zu den kolossalen Aesten und Zweigen, gewährte der Banm doch ein ungleich freundlicheres Aussehen. Wir nahmen nnser Nachtquartier iu Ndje Maidugnri, einem großen Ort von behaglichem Nnssehrn, dergleichen ich seit Kutaua noch nicht wieder gefunden hatte. Dennoch erhielten wir ein schlechtes Onarticr, wurden aber gastfrei mit „birri", dein gewöhnlichen Teig aus Negcrloru, mit Hühnern und einem Schaaf bewirthet. Ich war mm in einen der schönsten Theile Bornu's, in den Distrikt Udje, eingetreten. (5r begreift eine große Anzahl Ortschaften, zum Theil von bedeutender Größe, und bildete ehedem die Hmcht-ftrovinz des Stammes der Gam-erghn. Dieser Stamm, noch nuter dem König Edriss Alaoma mächtig, hat gegenwärtig alle nationale Unabhängigkeit verloren nnd ist zum größeren Theile ganz ausgerottet; die Nebriggrbliebcnen sind schwereu Abgabeu und vielen Plackereien unterworfen, obwolil der ;n entrichtende Tribnt nnr in Bntter besteht. — In dcr Vandschaft Ndje hat jeder größere Ort einen eigenen Markt; der in Ndjc Ka-sfnkula abgehaltene ist sehr bedeutend, nnd der Ort hat eben daher seinen Namen erhalten, indem „ka-ssukn" Markt bedenket. Auch Maidugnn hat wöchentlich einen Markt; diese Stadt war früher ------ 395 bedeutender und mit Befestigungen versehen, hat aber immer noch 6- bis 8000 Einwohner. Am anderen Morgen betraten wir die schöne offene Landschaft an der Südseite der Stadt. Die ganze Ebene schien ein ununterbrochenes Kornfeld zn sein, in welchem zahlreiche Dörfer sich erHoden, nnd das hier und da von der spärlich belaubten Kllka, der dnntel-grünen Sytomore und dem Banrc-Banm, einer Ficns-Art mit fleischigen, saftig-grünen Blättern, beschattet wurde. Seit ich Kano verlassen, hatte ich leinen so schönen Landstrich gesehen. Anch an dem belebenden Wasser fehlt es nicht, denn die Ebene wird von einem großen Komadngu durchzogen, welcher nach der Stadt Alao, von wo er einen bedeutenden Zweig erhält, genannt wird nnd, au Diloa, Nghala nnd Mlmlu vorüber fließend, sich mit dem Tsad vereinigt, allerdings nur zur Regenzeit. Bei den drei eben genannten Orten habe ich ihn selbst überschritten, und zwischen Udje nnd Dikoa hat ihn Herr Oi. Vogel besucht. Wir mußten ihn an diesem Morgen zweimal pasfiren, ehe wir Mabaui erreichten, einen bedeutenden Ort, welcher auf miem breiten sandigen Hügel liegt, nngefähr 1M0 Fuß über dem Meere, inid etwas über eine deutsche Virile vou Mai-duguri entfernt. Wir mnßten hier Halt machen, da die Voten ans Adamana sich nach den Leuten umzusehen hattcu, dereu gewaltsame Wegführung die Ursache ihrer Sendung gewesen war. Die Stadt ist von bedeutendem Umfang und taun wohl zwischen '.»' nnd 1<>, zieht; es war der Berg Deladeba oder Dalantuba, der im Südosten auftauchte. — Wir waren noch keine volle Stunde unterwegs, als Billama im Dorfe Fogo Mosari Halt machte, kurz vor der Stadt Ildje Kassntula. Hier wurde heute der große Donnerstagsmarkt ab. gehalten, welchen mehrere Mitglieder unserer Gesellschaft nothwendig besuchen oder, wie man hier sagt, „essen" mußten. Nach kurzer Nast ritt ich mit Villama und einem meiner Diener nach der nur eine Stunde entfernten Stadt. Der Markt war schon ziemlich lebhaft und entsprach der Bedeutung, welche man ihm beilegt. Er wird jeden Donnerstag nnd Tonntag abgehalten nnd nicht nnr von beuten aus Knkana, sondern sogar von Kano ans besucht, wovon dieser Platz 13 Tagereisen entfernt ist. Daher kommt es denn auch, dasi europäische und Hanssa - Manufakturen in Ndje oft billiger als in Kukana sind. Die Artikel, welche letzterer Ort vorzugsweise ____ I97 ____ hierher zu Markte schickt, sind Natron nnd Salz; ich selbst taufte emeu ansehnlichen Vorrath von diesem lctzteru Artikel, welcher in Adamaua einen bedeutenden Werth hat und als Tauschmittel für kleinere Gegenstände, so wie zu Geschenken benutzt werden taun. Udje hat indeß auch für den Sklavenhandel Wichtigkeit, da es auf der Grenze mehrerer heiduischer Stämme gelegen ist; ich habe dcuu auch oft sagen hören, das; in Udje der Manu seine Frau und der Vater seiu Kind ohne Umstände verlaufe, wenn er Geld nöthig habe. Mag hierin auch einige Uebertreibung liegen, so ist die Einwohnerschaft doch ihrer Ruchlosigkeit wegen verrufen, und die Besorgniß für ihre per-söuliche Sicherheit hält Viele, namentlich auch die benachbarten heidnischen Völkerschaften, ab, den Markt zu besuchen. Dennoch wäre Udje eine vortreffliche Oertlichkeit für einen europäischen Reisenden, um die umfassendsten Forschuugen über die ethnographischen Verhältnisse dieser Bänder anznstellen; nur müßte er zu diesem Zwecke selbst Klciuhaudel trcibeu, die einzige Gelegenheit, mit den Ventcn in Berührung zu tomtM'n, da alle fremden dcu Ort schnell verlassen, sobald ihre Geschäfte beendet sind. Da man hier noch nie eiueu Europäer gesehen hatte, so erregte meine Anwesenheit großes Aufseheu. Wir dehnteu uuseru Ausflug bis nach Nlao aus, dem Begrab-nißort des großen Bornu-^'önigs Edriss Alaoma. Ich bekam jedoch die Grabstätte selbst nicht zu sehen; denn während loir, um dahin zu gelangen, einen ausgedehnten Sumpf hätten umgehen müssen, ließ uns ein aufziehendes Unwetter dazu keine Zeit, nöthigte nns vielmehr zu schleuniger Rückkehr. Kaum waren wir in nnfercm Quartier in Fogo Mosari angelangt, als das Gewitter anch mit großer Gewalt hereinbrach. Den ganzen Tag über war es unerträglich heiß uud schwül gewesen; mein hnuderttheiliges Thermometer hatte Mittags um 2 Uhr 44" l^:',,. ^-) l^eigt, uud wir begrüßten daher das mit eiucm gewaltigen Regenguß und heftigem Sturme begleitete kühleude Gewitter mit großer Freude. (5ö war dies der heißeste Tag dieses Sommers gewesen (5). Juni), deun der höchste Thermometerstand im vergaugcm'n uud i„ diesem Monat hatte 42" 6. noch uicht überstiegen, wohl aber 40" 4l" öfter erreicht. Seit Mabani hatten wir eine südwestliche Richtung eingehalten und kehrten nun im Vaufe des folgeudeu Marschtagcs sdcn 6. Juni) in die gerade südliche Straße zurück. Nachdem wir länger als zwei Stunden durch den gut bebauten nnd dichtbevölkerten Landstrich von Udje M'ssutula gezogen wareu, betraten wir eine Strecke wüsten ____ I9ß ____ Landes, die hauptsächlich mit den grossen, reichbelanbten Mischen der Tsada bedeckt war. Die Frucht dieser Pflanze ist eincr Kirsche sehr ähnlich, hat wie diese einen angenehm säuerlichen Geschmack und mun-dcte nicht allem meinen Gefährten, sondern auch mir Mi; vortrefM>. Gegen Mittag erreichten wir den Bezirk Schamo, Welcher früher .zum Marghi-^ande gehörte, jetzt aber von demselben abgerissen und mit Aornu pereinigt ist. Er wird von Marghi, die weliigsteus äußerlich zum Islam bekehrt sind, bewohnt. Hier gesellten sich noch einige ein heimische, mit Speeren bewaffnete Händler zu uus, deren Esel mit Salz beladen waren; denn die hier beginnende Unsicherheit der Straße auf dein strcitigeu Grcnzbezirk zwischen Bornu und Adamana macht das Reisen in starten Gesellschaften nöthig. Die Landschaft zeigte unzweidcntige Beweise des unglücklichen Zustandes, in welcheu sie der habsüchtige Statthalter gestürzt hatte. Sie war jetzt von dichter Wal< ouug bedeckt, iu welcher uur die Spuren früheren Anbaues und die verfallenden Reste von Hüttcu zu sehen wareu. Dichtes Riedgras in folchcr Höhe, daß es Pferd und Reiter überragte, durckfflocht deu Wald. — Fast vier deutsche Meilen weit zogen wir dnrch diese uner-freuliche Wildniß, bis wir endlich das Dorf Aerimari erreichten und mit ihm die südliche Grenze des Voruu-Reichs. Ich hatte nach dem anstrengenden Marsch durch das Dickicht und über sumpfigen, unebenen Boden auf eine erquickende Nachtruhe gerechnet, aber leider die Rechnung ohne den Wirth genmckt. Wir waren kaum zur Ruhe gegangen, als ein furchtbarer Orkan anf uns herniederbrach, der mein kleines, schwaches Zelt zu vernichten drohte; so gewaltig und plötzlich waren die Windstöße. Dann fiel der Regen iu Strömen, und wenn ihn auch das Zelt von oben leid^ lich gut abhielt, so drang er doch von unten herein uud durchnäßte einen großen Theil meines Gepäckes. Ich mnßte daher das Ende deS Unwetters auf meiucm Feldstuhl uud iu meinen Regenbernns gehüllt abwarten, bis ich in einer der besser schützenden Hütten Znflucht suchen konnte. Selbst naß und mit durchnäßtem Gepäck zogen wir zu früher Stuude weiter. „Es ist ein böser Wind, der Niemand zum Gnten bläst", sagt ciu Sprüchwort der praktischen Engländer, nnd so war es denn auch mit dem unbehaglicheu Stnrm der vergangenen Nacht gewesen. Er hatte das Erdreich hinlänglich durchweicht, nm mit der sicheren Aussicht, den ausgestreuten Samen auch leimen nnd sprossen ;n fehen, das^eld bestellen zn können. Aei dieser friedlichen Arbeit trafen ------ 399 ------ wir mi Ehepaar, ein kleines Stück ^and besäend. Der Mant, schritt voraus und schlug in regelmäßigen Abständen mit einer Hacke Köcher in dm Boden, während die Fran, seinen Schrillen folgend, in jedes derselben einige Samenkörner warf. Ein eigentliches Säen in nnserem Sinne tennt man im )icgerlande nicht; doch sieht man in Äaghirmi nud auch hier im Marghi-^aude Felder, die iu Fnrcheu bestellt sind. — Bald nahiu uns wieder dichter Wald auf, nud eine ganze Htundc lang folgten wir den ungeheueren Fußtapfcu eiucs Elephanten, welchem es angeuscheiulich bequemer gewesen war, dcu ausgetretenen Fuß^ Pfad zu verfolgen, statt das Dickicht zu durchbrecheu, zum großen Aergerniß der Reisenden, die mm über die tief eingedrückten Köcher hinwegstolpern mußten. Gegen Mittag erreichten wir Molghen, eine sehr weit auseinander liegende Ortschaft. Jedes der einzelnen Gehöfte oder Gruppen von Hütten, aus deueu sie besteht, schließt eine Familie ein nud ist von dem zugehörenden Ackerland umgeben, so daß sich das Ganze über eiucn ziemlich großen Bezirk ausdehnt. Es ist dies im Allgemeinen die Art uud Veise der ihrer vollen nationalen uud religiösen Unab hängigteit sich noch erfrcucuden heiduischeu Völkerschaften, die nicht in bestimmt abgegrenzten Dörfern nnd Städten znsammenwohneu. Doch anch hier trng Alles den Stempel der Verödung nnd Unterdrückung, und wir mußten unercmickt weiter wandern. Zum Glück konnten wir wilde Früchte naschen, namentlich eine, welche'„foti" genannt wird; sie hat die Größe einer Aprikose, drei große Steine nnd ein sehr wohlschmeckendes Fleisch. In der Nähe eines kleinen Dorfes sah ich das erste Beispiel der heiligen Haine der Marghi. Es war ein dichter, durch eiuen Graben von der übrigen Waldung abgesonderter Theil desselben, wo in dem am üppigsten anschießenden und am weitesten sich ausbreitenden Baume ihre Gottheit „Tumbi" angebetet wird. Gegen 1 Uhr erreichteil wir endlich das Dorf, wo wir, wie man uns versichert hatte, Quartier finden würden. Es hieß ebenfalls Molgheu uud war durch eiuen ktomadngn oder, wie es in der Marghi^ Sprache heißt, „dille" in zwei Theile getheilt; das Rinnsal war am Boden etwa 3^ Schritte breit und von steilen Ufern eingeschlossen. Mein Kaschella mußte hier im fremden ^andc die herrische Weise ablegen, mit der er in Bornu Quartier für uus gefordert hatte, nnd dafür zur Höflichkeit nnd M sich beqnemcn. In aller Stille gingen wir daher über das Ninusal, lagerteil uns im Schatten einiger höchst ____ AX)____ üppigen KorneMrschbänme und breiteten das in dor vergangenen Nacht naß gewordene Gepäck znm Trocknen aus. Aber nicht lange, so nöthigte nns ein drohendes Gewitter, nns nach eineln besseren Obdacl, umzusehen. Ich nahin mit meinen Renten einen Hofranm mit vier leerstehenden Hütten in Beschlag; dieselbell waren ziemlich beengt, da sie außer dem großen „gcbam", der Urne, welche den wöchentlichen Vorr^h von Korn in sich faßt, und dem Wasserung, „basani", noch eine Menge anderer Thongefäße enthielten. Die Thüröffnungen waren so Nein, daß man Mühe hatte, hinein zu kriechen, und etwa eiuen Fnß über dem Boden angebracht; beide Vorkehrungen hatten ohne Zweifel den Zweck, einen besseren Schutz gegen die große Gewalt der Regengüsse zn verleihen; anch die erhöhte, gut gepflasterte Flur im Innern der Hütten deutete hieranf hill. Da das Gewitter glücklicherweise vorüberzog, machte ich einen Spaziergang dnrch daö Dorf. 'Alle Bewohner mit Ausnahme einiger äußerlich zum Islam übergetretener Personen waren völlig nubelleidet, wenn man von einem schmalen Vederstreifen absieht, den sie zwischen den senden dnrchziehen nnd an den Düften befestigen; allein anch diese spärliche Bekleidung schienen sie nicht durchgäugig für nothwendig zn erachten. Ich war betroffen von der Schönheit nnd Regelmäßigkeit ihrer Gestalt und ihrer Züge, welche, frei von entstellenden (Anschnitten, nur wenig von dem Negertypus zeigten, obschon bei Allen die Vippen etwas anfgeworfen und das Haar trans, Wenn nicht wollig, war; besonders aber fiel mir die hohe Stirn auf. Was mich jedoch am meisteil überraschte, war die Farbe ihrer Hant, die bei verschiedenen Personen eine außerordentliche-Mannichfaltigkeit zeigte; denn bei Einigen von glänzendem Schwarz, war sie bei Andern von leichter Kupfer oder vielmehr Rhabarbcrfarbe. Die schwarze Farbe schien zwar die vorherrschende zu sein, dennoch glanbe ich, daß die Knftfcrfarbe die ursprüngliche nnd die schwarze Schatlirnng nnr eine Folge der Vermischnng mit beuachbarteu Völkerschaften ist. Niemand hinderte mich in meiner Wandernng, nnd so trat ich in noch mehrere Gehöfte ein. In einem derselben bemertte ich eine wirtlich schöne, in der Blüthe der Weiblichkeit stehende Fran von etwa 22 Jahren, die mit ihrem etwa !-,- bis i) jährigen Sohne eine höchst an^ ziehende Grnppe bildete, würdig, von der Hand eines gewandten Künstlers dargestellt zu werden. Des Knaben Gestalt, wie er in graziöser Stelluug, mit übergeschlagenem Fnß, dastand, gab in schönem Cbenmaaße den berühmtesten Bildsäulen nichts nach; auch zeigten seine ------ 401 ------ Gesichtszüge nicht einmal den kleinen Ansah von aufgeworfenen Lippen, der bei den Erwachsenen zn bewerten war. Seine Beine nnd Arme waren mit Schnüren von Eisenperlcn geschmückt und erstere namentlich durchans nicht einwärts gebogen, wie dies bei den central-afrika-nischcn Völterschafteu su allgemein der Fall ist. Die Frau war ein wenig entstellt dnrch eine dünne, etwa 1 Zoll lange, unten zugespitzte Metallplatte (von der nebenstehenden Gestalt), die sie dicht am Kinn in der Unterlippe trug. Dieser barbarische Schmuck wird „segeum" genannt und ist vou verschiedener Gestalt, oft nur ein dünner Stift; vielleicht werden dnrch diese verschiedene Gestalt die verschiedenen Mensstnfen bezeichnet. Diese einfachen ^eute fanden nicht wenig Vergnügen daran, als sie sahen, welches lebhafte Interesse ich an ihren Formen nahm; dabei betrugen sie sich jedoch sehr anständig, erschraken aber, als ich anfing, sie zu zeichnen. Die Männer waren in« Allgemeinen hochgewachsen und die jüngeren von schlankem Wuchs; auch einige Frauen erreichten eine hoho Gestalt; da aber bei diesen Böllern die Schönheit des Busens schnell schwindet uud schou nach der ersten Geburt die Brüste erschlaffe« und oft bis znr Hüfte herabhängen, so boten jene großen Frauen in diesen: Znstand uud in ihrer vollkommenen Nacktheit einen wahren Gegenstand des Schreckens, ganz besonders wenn sie von rölhlicher Farbe waren. — "In einein andere», Gehöft sah ich zwei jnnge Mädchen mit Hansarbcit beschäftigt; sie waren etwa 12—13 Jahre alt uud anständig gekleidet, das heißt, sie trugen einen Schurz von gestreiftem Baumwollenzeng um ihre Hüften. Dies war aber sicherlich ein Einflnsi des Islam, obgleich bei manchen Heidenstämmeu des Innern Afrika's die vcrheirathcten Francn vollkommene Nacktheit zur Schau tragen, junge heirathsfähigo Mädchen aber ihre Blöße bedecken. Auch diese Mädchen waren von hellbrauner Farbe und ihr kurzes, geträufeltes Haar hatte durch Einreiben mit dem Staub von Rothholz die Farbe desselben angenommen; sie trugen sehr dünne metallene Stifte in der Unterlippe und Schnüre rother Glasperlen nm den Nacken. Ihre Ziigc waren angenehm und kindlich; beide geriethen anßer sich vor Frende, als ich ihnen einige kleine Geschenke machte, und wußten nicht, wie sie nur genng danken sollten. Ich war kaum von meinem interessanten Spaziergang zurückgekehrt, als die Bewohner'der beuachbarteu Gehöfte als Zeiche» ihrer freundlichen Gesinnung mir einen großen Topf ihres aus Sorghum Vaith'e »<«,sln. l, 2s _^ 402 ------ bereiteten berauschenden Getränks schickten — ein dicker, unangenehmer Stoff; Abends schickte man nur auch den gewöhnlichen Teig aus demselben Korn, welcher hier „deffa" genannt wird. Vergebens bemühtt' ich mich, etwas Milch zu bekommen; die armen Veute hatten all' ihr Vieh durch die Räubereien der Beamten der Grenzdistritte von Bornn verloren. — Ihre Sprache hatte keine Verwandtschaft mit irgend einer, die mir bis dahin bekannt geworden war; sie ergab sich jedoch später als einen Dialekt der Bat-Ha-Sftrache, die über einen großen Theil von Fnmbina (Adamana) verbreitet ist und manche Anknüpfungspunkte mit der Mnssgn - Sprache hat, während sie sich in einigen Hanptpnnttcn den Bildnngselementen der süd - afrikanischen Sprachenfamilie anschließt. Die Nickitnng uusercs Marsches am nächsten Morgen war eine mehr östliche, so daß wir etwa gerade nach Südosten weiter zogen. Wiederum lag eine ausgedehnte Waldung vor nns, erst licht und von üppigem Weideland unterbrochen, dann dichter verschlungen; der Pfad abschenlich wie gestern, von alten nnd frischen Elcphantensfturen jeder Grüße durchwühlt. Der herrliche Blüthenduft, welcher die Luft erfüllte, tonnte jedoch für den schlechten Weg cutschädigen; auch boten uns hier und da die Zweige der Bänme oder der wiederum neu befruchtete Boden willkommene Leckerbissen dar; wir sogen entweder das Fleisch der „to-ssu" ans, oder verzehrten die saftige Wnrzel der „tatakirri". (5rftcrcS ist die Frucht der Il^ia ?m!cii, im Haussa-Land „tabena" genannt; sie besteht fast ganz und gar aus einem großen Kern von der Größe uud Farbe eitler Kastanie und ist innerhalb der grünen Schale mit einer sehr dünnen Lage gelblichen Flci^ sches bedeckt, welches aber einen änßcrst angenehmen Geschmack hat. Die Marghi bereiten ans den Kernen vegetabilische Butter in großer Menge zur Würze ihrer Speiscu und zu medicinischen Zwecken. Hier sah ich den Baum, seitdem ich Haussa verlasset«, zum ersten Male wieder. Die Katakirri ist ein Zwiebelgewächs, oft von der Größe einer englischen Kartoffel; das Fleisch ist demjenigen des schwarzen Rettigs ähnlich, aber weicher, saftiger und neben seiner großen Nahrhaftigkeit außerordentlich erfrischend; der Saft ist milchartig. Während der Regenzeit scheint sie in allen waldigen nnd feuchten Gegenden Inner.Afrika's sehr allgemein zu sein; ich beobachtete sie wenigstens nicht weniger häufig am Kuara nnd in Kebbi, als im Lande der Marghi, nur in Bornu und Baghirmi sah ich sie nicht. Diese Knollenfrucht ist auch leicht aufzufinden, denn ein etwa 10 Zoll langer ------ 408 ------ grüner Halm verräth ihren Standort, sie steckt aber mitunter 1 — 1 z Fuß nnter der Oberfläche nnd erfordert eine eigene Geschicklichteit, sie ohne zuviel Mühe aus der Erde zu ziehen. Allmählich nahm der Wald einen einförmigeren Charakter an, indem er nnr ans ziemlich trüppelhaften Mimosen bestand, aus denen dann nnd wann eine Kula mit ihren gigantischen Armen emporragte. Die Gegend rings umher bot nicht eine einzige Spur menschlicher Wohnstätten dar, weder aus vergangener, noch aus gegenwärtiger Zeit; zu unserer Rechten, sagte man mir, sei auf anderthalb Tagereisen weit kein Dorf zu finden. Endlich aber traten wir auf eine wunderbar schöne Dichtung hinaus. Rings von dunkeler Waldung umgeben, dehnte sich ein herrlicher, im frischesten Grüu prangender Wiesentcppich mehrere Meilen weit nach Osten hin ans, bis an den Fnß der dunkel gefärbten Wandala-Berge, bereu schön gestalteter, malerisch ausgezackter Kamm sich hier in seiner ganzen Länge don Nord nach Süd vor den Angen des überraschten Wanderers enthüllte Es war einer der iuteressautesten uud lohnendsten Angcnblicke meiuer ganzen Reife, dessen Eindrnck tief in meine Seele geprägt ist. beider waren wir nnserem Quartiere nahe, meine Gefährten trieben zur Eile, uud so eutschwand das herrliche Bild nnr zu rasch. Kurz nach Mittag erreichten wir die ersten zu der Ortschaft oder dem Gau Issge oder Issege gehörenden Hüttengrnppen. Gleich der erste Blick ans diese weit zcrstrenten Gehöfte, zwischen denen Pferde nnd Schaafe weideten und Weiber das Feld bebanten, überzeugte mich, daß ich endlich eine Wohustä'tte der ursprünglichen Vanbesbewohner gefunden habe, die, obgleich sie den Druck der übermüthigen Nachbarn bereits gefühlt haben mochten, doch noch Vieles von ihrem Wohlstand nnd ihrer Ursprünglichst bewahrt hatten. Kräftige, hohe Gestalten, dielenden mit einem kurzen ^ederschurz unigürtet und anßer ihrem Ackergeräthe mit dem gefürchteten „danist'o", der leichten eisernen Streitaxt, oder mit einem Speere, „ma-ssu", bewaffnet, gingen stolzen Schrittes umher oder fassen behaglich im Schatten eines schönen, schattigen Banmes. Ihr ganzes Benehmen zeigte den freien Mann, und fie gaben es deutlich gcuug zu verstehen, dasi diefer Boden ihnen gehöre nnd das; der Fremde, wer er immer anch sei, mit Bedacht nnd Rücksicht hier auftreten müsse. Als wir die erste Hüttengruppe erreichten, kam ich an eine Grube mit einer Regenpfütze, ans der plötzlich ein hochgewachsenes, starkes Weib in völliger Nacktheit, ihren Wasserlrug anf dein Kopfe, empor- ------ 404 ------ tauchte. Dieser ungewohnte Anblick, zumal sic von ganz reiner Rha-barberfarbc war, erschreckte nicht nur mich, sondern machte sogar mein Pferd scheu, welchem, dein civilisirten Vornu, dein ^ande der schwärze stcn Nasse dieser Gegenden, entsprossen, eine solche Erscheinung ganz neu war. Mir galt sie als ein Beweis dafür, daß entweder die Brkleidnng der Männer, so spärlich sie anch war, nnr für diese Ge^ legenhcit angelegt war, oder daß man auch hier, wie dies viele heid-nische Stämme thun, eine Art Kleidung für den Manu nothwendiger erachtet, als für die Frau. Wir hatten uoch einen weiten Weg bis zn der vun dem Bor steher des Dorfs uns angewiesenen Behansung. Kaum aber hatte ich nebst meinen: Diener Bn-Sad von der Hütte Besitz genommen, als der Eigenthümer mit wüthender Geberdc hereinstürzte und, seinen Speer schwingend, mir in der drohendsten Weise befahl, seine Woh-mmg auf der Stelle zu verlassen. Der Gerechtigkeit seiner Ansprüche an seinen eigenen Hccrd mir wohlbewnßt, zanderte ich nicht, seinen Befehl zu befolgen, hatte aber einige Mühe, auch meinen Diener znm ruhigen Fortgehen zu bewegen. Die Hütte war übrigens sehr sauber und behaglich; jedes Gehöfte enthielt 5—7 Hütten, alle von verschiedener Gestalt und Größe— ein hinreichender Beweis ansehnlichen Wohlstandes und vorherrschender Vielweiberei. — Mein Geleitsmann Bil-lama war in dem Versuch, sich Quartier zu verschaffen, nicht glücke licher gewesen; wir zogen uns daher ganz ans dem Bereiche der Hütten auf den offenen Wicscngrund zurück und stiegen in dein Schatten einer nngcheneren, wohl W Fuß hohen Knta ab. Dieser Bamn bildete dadurch eine Ausnahme von der Negel, daß sein Wnchs schlank und seine Krone von einer Fülle von Schlinggewächsen der Art dnrchwoben war, daß er ein überans prächtiges Vaubdach bildete. Es stellte sich auch im ^aufe des Tages keiu freundschaftliches Verhältniß zwischen uns und den Eingebornen her, obgleich eine ziemliche Anzahl sich nm unsere Lagerstätte sammelte und offenbar anch aus meiuem Gepäck die Ueberzeugung gewann, daß ich lein Offizier des verhaßten Herrschers von Vornu sei, für den sie mich gehalten. Erst bei meiner Rückkehr von Admnana änderte sich ihr Benehmen gegen mich und an die Stelle früheren Argwohns trat zuvorkommende Freundlichkeit. — Anch ein Trupp in diesen Landschaften einheimischer Fulbc fand sich bei nns ein, klein gewachsene Vente, von schmntzig< schwarzgrauer Farbe und mit eben so schmntzigcn Hemden bekleidet. Sie waren das erste Beispiel für eine später mehrfach sich wieber- ------405------ holeude Beobachtung, daß nämlich die Pioniere dieses vorwärts drängenden Volts, dic an den östlichsten Marken des von demselben eingenommenen Territoriums noch nntcr Mühe und Sorgen leben, durchschnittlich ein derartig verkümmertes Aussehen zeigen. Da diese Veutt lein Kanori sprachen, mußte sich nnsere Unterhaltung leider nur auf den Austansch der gewöhnlichsten Begrüßungsformeln beschränken. Ich hatte bemerkt, daß überall anf den Dächern der Hütten Fische von bedeutender Größe znm Trocknen ausgelegt waren. Auf meine Erkundigung, woher dieselben lämrn, erfuhr ich denn zu meiner Ueberraschnug, dasi in nicht allzu großer Entfernung nördlich von Issege ein ansehnliches Wasser oder ein See sich befände; ich machte mich daher am Nachmittag in Begleitung Billama's anf, dies Gewässer anfznsnchen. Schon anf dein Wege begegneten uns fortwährend Eingcborne, die mit ihren Netzen und den gefangenen Fischen heimkehrten. Nach etwa halbstündigem Nitt erreichten wir denn auch einen hübschen kleinen See von ansehnlicher Tiefe und reich an Fischen. Die Ufer, mit Ausnahme des westlichen, an welchem wir standen, waren so dicht mit Rohr bewachsen, daß es mir unmöglich war, in der furzen Hcit weder die Ausdehnung des Beckens, namentlich nach Osten hin, genau zn übersehen, noch mich davon zu überzeugen, wel^ chen Verhältnissen dasselbe seinen Ursprnng verdanke. Die Breite von Nord nach Süd war unbedeutend, und das Ganze schien mir eine Vertiefung zu sein, die von einem Flüßchen gespeist werde, welches ich in seinem oberen Lauf am folgenden Tag verfolgen sollte, da dieses entschieden in nicht gar großer Entfernung östlich von jenem Becken vorüberfliesit. Auffallend blieb jedoch der Umstand, daß der See nach den Angaben der Anwohner zu allen Zeiten Wasser haben soll, was mit jenem Flüßchcn nicht der Fall ist. An dem Ufer eines kleinen gelegentlichen Negenbachs, der in den See an dessen südwestlichem Winkel einmündet, bemerkte ich eine gewaltige, etwa 1b Fuß hohe, schön abgerundete Granitmasse, wie man sie hier uud da im Sudan zu Tage treten sieht. Ich erkletterte diesen kleinen Granithügel nnd gewann schon von dieser mäßigen Erhöhung ans bei der vollkommenen Fläche der Ebene einen recht hübschen Ueberblick über die Obcrflächenverhältnisse derselben und anf das interessante Panorama der Wandala-Bergc. Der ganze Gcbirgszug, welcher die westliche Grenze des kleinen Wandala-Ländchcns („Chachnndala") bildet, lag vor mir da, wie es schien, in der Entfernung von uur ungefähr fünf dcutscheu Meilen, mit seineu Kuppen und seincu Pässen, ------406 ------ während hinter ihm nach Süden Berge von mannichfaltigerer Form und größerer Erhebung fichtbar wnrden. Hier war es, wo ich die erste Ansicht vom Berge Mondesi oder Mendif gewann, welcher, seitdem ihn Major Denham im Süden von Mora, der Hauptstadt von Wandala, zuerst erblickte, in Europa so berühmt geworden ist und Veranlassung zn allerlei Bermnthuugeu und Hypothesen gegeben hat. In der That hätte mau ihn auch von meinem Standpunkt ans für den Mittelpunkt einer besondern Bcrgmassc halten können, da er von mehreren anderen Berghöhen vonBcdentnng umgeben war; dennoch ist er nach den bestimmten Aussagen der Eingcbornen nichts als ein vereinzelter Kegel, der von einer ebenen Fläche anfsteigt, ganz wie andere später zu erwähnende Höhen. Sein Umfang sott am Fuß höchstens 2,^ bis 3 deutsche Meilen betragen, und ein beträchtlicher Theil desselben wird von einem ausgedehnten Dorfe gleichen Namens umfpaunt. Die -^ - Spitze des Mcndif hatte von meinem Standpunkt ans die beistehendc Gestalt. Sowohl der Mendif als die merkwürdige, etwas nörd> licher gelegene Höhe des Ka-malle, von der ich gleich sprechen werde, schienen, dnrch das Fernrohr gesehen, eine weißliche oder vielmehr grauliche Färbung zu haben, die mich damals zu dem Schluß verleitete, daß diese Berge ans Kalkstein beständen. Ich erfuhr aber — freilich eine geranme Zeit später — von einem Einwohner des Dorfs Mcndif, daß das Gestein ursprünglich ganz schwarz sei, nicht allein an der Oberfläche, sondern auch im Iuueru, und daß die weiße Farbe nur von dem Kothe zahlloser Vögelschwärme herrühre, welche auf jenen Höhen Hansen. Hiernach erschien jenes Weiß als eine ansgedehntc Ablagerung von Guano, und ich vermuthe, daß der Berg Mendif sich schließlich als einen Basaltkegcl ergeben wird, als einen erloscheneu Vulkan, worauf das Doppelhorn seiner Spitze hinzuweisen scheint. Seine Höhe wird, glanbe ich, schwerlich 5000 Fuß über der Oberfläche des Meeres übersteigen, oder etwa 4000 Fuß über der Ebene, aus der er sich erhebt. Während der Mcndif mein Interesse rege machte, weil er in Europa so viel besprochen worden war, zog der eben genannte Berg Kamalle meine Aufmerksamkeit noch viel mehr anf sich durch seine ------407 ------ höchst eigenthümliche Gestalt. Er wurde eben hinter der zusammen« hängenden Bergfeltc sichtbar nnd seine Spitze stieg wie mir säulen-artige Masse von einem steilen Kegel alls, dem Anscheine nach gleichfalls von graulicher Farbe. Zwischen diesem bemerkcnswerthen Vera, und dein Mendif waren mehrere Kegel in größerer Entfernung sichtbar, während westlich vom Mcndif dieBcrgrcgiou abgeschlossen zu sein schien. Die höchste Erhebung der Mandara- oder Wandala-Kette heißt Magar nnd liegt etwas nördlich von der Mitte derselben. Ich schätzte sie auf etwa 3000 Fuß, während die Kette im Allgemeinen nicht mehr als 2500 Fuß über das Meer oder etwa 1500 Fuft über die Ebene sich erheben mochte. Dieser Theil des Gebirges bildet die natürliche Feste eines Heidenfnrsten, welcher von meinem Kanori-Gefährten beständig „mai Ssugur" genannt wurde, dessen Titel oder Eigenname jedoch ,,^a" zu fein scheint. Dieser Fürst von Ssngur beherrscht alle kleinen benachbarten Häuptlinge und ist dem Anscheine nach eine Art Priesterfürst, eine sonst in den von mir dnrchwandcrten legenden höchst ungewöhnliche Erscheinung. Wenigstens soll er eine große Menge von Idolen besitzen, runde Steine, auf welchen die Leute Hühner von weißer, schwarzer und rother Farbe uud Schaafr mit einem rothen Streifen ans dem Nückeu opfern. Ucberhaupt scheint in Wcmdala die Verehrung von Steinen vorzuherrscheu, und heilige Steine bekleiden die jähen Spitzen mancher steilen Felshöhcn. Der Gedanke, endlich die Region des vielbesprochenen Mendif und somit des vermeintlichen Mondgebirgcs erreicht zu haben, versetzte mich in eine freudig erregte Stimmnng. Mein freundlicher und geselliger Gefährte, als er das lebhafte Interesse wahrnahm, das ich an diesem ^ande zeigte, erzählte mir von seinen Streifzügen in diesen Berggcgcnden nnd von der Macht Ssugur's, vor dem er eine gewaltige Achtung zn haben schien. Auch von den Marghi erzählte er, die nach diesen Mittheilungen trotz ihrer Bedrängung von Süden uud Norden her, vou Adamana und Vornn, doch immer noch über 30,000 Mann bewaffnetes Kriegsvolt gebieten können. Er theilte mir ferner mit, daß dieser «Stamm die eigenthümliche Sitte habe, den Tod eines jungen Mannes zu beweiueu, aber den eines alten mit anögelasseuem Jubel zu feiern, eine Sitte, von der ich mich später selbst überzeugte. Darm aber hatte er nicht ganz Recht, daß dir Marghi ihre Todten in aufrechter Stellung bestatteten, und zwar mit ihren Waffen, ihrem Hansgeräthe nnd ein wenig von der täglichen .Mst, dem ewigen Teig aus Ncgcrhirsc; es ist dies eine Sitte benachbarter Stämme, nicht ___ 403____ der Marghi. In vielen Beziehungen jedoch nimmt dieser Stamm eine hervorragende Stellnng gcgen seine Nachbarn in Anspruch; sie üben selbst die Einimpfung der Pocken in großem Umfang ans, was doch in Bornu nnd den Nachbarländern nnr ausnahmsweise geschieht. Zu unserm Glück stellte sich heute Abend der in diesem Monat fast alltägliche Gewittersturm mit Regen nicht ein, so daß ich uuter freiem Himmel, anf meine Matten ausgestreckt, noch lange den für mich lehrreichen Gesprächen meiner Gefährten zuhöreu tonnte, die ihre Ansichten über diese und jene topographischen Verhältnisse des Landes austauschten und verfochten. Bei unserem Aufbrnch am andern Morgen war der Himmel trüb und umzogen; dagegen bot das Land noch für eine Strecke weit den heitern, anmuthigen Charakter von gestern. Es war mit schon fußhoher junger Saat bedeckt, aber anch die giftige Enphorbie, „karngu" auf Kanori, die ich in Vornu gar uicht bemerkt hatte, trug der reiche Boden in großer Menge. Bald aber hörte der Anban anf und wir betraten wieder die Region des Waldes, doch so, daß wir zu unserer Linken stets eine überaus fruchtbare, aber gänzlich verwilderte Ebene hatten, im Hintergrund die Bergkette, dann und wann mit einem Blick auf den Menbif und >iamalle. Diese Borhöhen der Mandara- oder Wandala-Berge mit der reichen Ebene in größter Fülle des Pflanzenwnchses zu ihren Füßen, das wäre eilt Feld für enropäischen Anban, und welche Ausbeute müßte der Botaniker finden, der hier rnhig umhcrstreifen könnte! Statt alles dessen boten sich uns in den Ruinen nnd der öden Stätte zweier Dörfer unr Bilder der Zcrstörnng ans älterer nnd neuer Zeit. Der gesetzlose Zustand des Landes zwang nnS denn auch zu größerer Eile und engerem Zusammenschließen anf dem Marsche. So näherten wir nnö einem Flußbette von 40 — 50 Schritt Breite und von etwa 12 Fuß hohen Ufern eingeschlossen. Eine ansehnliche Wasserrinne fluß mit mäßigein Strom nud dielen Windnngen durch die schöue öde Ebcue uach Norden hinab und gewährte uus einen angenehmen frischen Trunk. In diesem Theile der Waldnng war der „taragc" oder „gauo" (^en^in, (^ii-aM?) der vorherrschende Baum, obgleich neben ihm eine große Mannichfaltigkeit anderer Banmformen auftrat, wie die „koraua", der „tabni", der „ssindi" und die atazicnartigc „paipaia"; auch hier erfreuten uns die Kadena (tta^ I^i'kii) und der Gondabnsch (^nnm^ pklu8tri8?) mit ihren wohlschmeckenden Früchten. ------ 4U9 ------ Gegen Mittag erreichten wir don Anfang der Ortschaft Kofn. Sie gehörte zu denen, ans welchen jene Veute geraubt waren, um deren willen die Boten von Adamaua nach Kukaua gekommen waren. Damals war Kofa von dem Kaschella Ali aus Aoruu geplündert und zerstört worden, jetzt war es aber schon wieder zum Theil aufgebaut, lauter sauber und sorgfältig aufgerichtete Bongo-Hütten, die Wände von Thon, das Dach von Rohr. Es war dies nun die allgemeine Banart geworden, ein deutlicher Beweis, dasi wir in das Herz der tropischen Länder vorrückten. Unter den Leuten, welche glücklich aus der Sklaverei befreit worden waren, befaud sich auch ein junges Mädchen ans diesem Dorfe. Dies arme Geschöpf gcricth in eine wilde, fast dämonische Frende, sobald sie ihre heimathliche Stätte wieder erkannte; mit den lebhaftesten Geberden lief sie ein nm das andere Mal um alle Hütten, immer von Ncncm mit der ersten beginnend, beider waren nicht Alle so glücklich, die Verlornen wieder zu sehen, und Viele forschten vergeblich mit trübseliger Miene nach Sohn und Tochter. — Dorf und Gau don Kofa hatten früher uutcr Bornu gestanden und zu der Statthalterschaft mcincS wackeren Begleiters Aillama gehört; gegenwärtig standen sie unter der Oberhoheit von Adamaua, aber dennoch begrüßten die Einwohner ihren früheren Statthalter mit den Zeichen freundlichster Gesinnung, ein ehrender Umstand für beide Theile. In ähnlicher Weise war man Billama anch in andern Orten entgegengekommen. Der Pflanzenwnchs war in dieser Gegend bedeutend vorgerückt im Vergleich zn der Landschaft, woher wir kamen. Das lieblich grüne, schon von hohem Gras bedeckte Weideland war mit Tradescantien nnd audcren Blnmen reich geschmückt. Billama brachte mir ein prächtiges Exemplar der „kangel", einer Blume von tt Zoll im Durchmesser; es war das einzige, welches ich ans meinen Reisen gesehen habe, während ?),-. Vogel, wie er nur bei unserem glücklichen, aber nur kurzen Zusammensein in Kutana im Jahr 1^55 erzählte, diese Blnme gelegentlich am Fuße der Berghohen in Wandala sah. Als die Sonne angefangen hatte, sich abwärts zn ncigcu,-setzten wir unseren Marsch fort, um Lahaula zu erreichen, wo wir die Nacht zuzubringen gedachten. Ein schwarzes Unwetter sammelte sich auf den Wandala-Höhen, während unsere buntgemischte Truppe auf engem Pfade jetzt durch Waldung, dann durch Kornfelder dahin zog. Bald aber nahm die Landschaft einen ganz andern, wilderen Charakter an. Jenseits eines kleiuen Rinusals trateu Felsmasseu auf, halb Sandstein, halb Granit, die anf allen Seiten emporstarrteu, während ein ------410 ------ niedriger, mit Baum und Busch bewachsener felsiger Höhcuzug, quer über nnscrn Weg laufend, denselben abzuschneiden schien. Da öffnete sich cm tiefer Einschnitt und ein Dorf lag vor unsern Vlickcu, malerisch in einem uatürlichcu, vou Felsen gebildete» Auiphitheatcr, dessen Wände mit Bäumen geschmückt waren, die überall zwischen den Granitblöcken hervorbrachen und dein wilden Kessel eine anmuthige Abwechselung verliehen. Das war Lahaula. Mit Mühe und nicht ohne Uuordnuug drängte sich unsere Karawane unter dein niederstürzenden Regen des losgebrochenen Gewitters durch den engen, von einem starten Verhack geschlossenen Zngang. Nicht die Elemente allein, auch die Menschen machten nnseren Eintritt in den Ort zn einem düsteren, peinlichen. Eine Mntter, in der Hoffnung, ihren Sohn als freien Mann von Bornu zurückkehren zu sehen, kam dem Zug entgegengeeilt; als sie deu Heißcrschuten nicht fand uud hörte, daß sie es nie erleben würde, ihn wieder zu besitzen, erfüllte sic das gauze Dorf mit Wehklagen nnd Flüchen über die Kanon. — Diese Scene konnte nicht verfehlen, einen ungünstigen Eindruck auf die Bewohner zu macheu. Zwar empfing uns ihr Haupt selbst, Aschi, freundlich und wohlwollend uud erwies sich ganz besonders auch gegen mich gastfrei; allein sein Sohn, in dessen neu uud sauber gebaute Hütte der Alte mich einquartiereu wollte, ge-berdcte sich so feindselig, daß ich es vorzog, unter ciucm einfacheu Schattcndach, trotz Regen nnd Fenchtigkeit, mein ^ager aufzuschlagen. — Ucberhaupt hielteu wir es für gerathen, anf unserer Hnt zn sein, und sahen wohl nach unsern Feuerwaffen. Wirklich wurden wir auch iu der Nacht durch einen gewaltigen ^ärm uud den Angstschrei eines Mannes aufgeweckt; doch war der Feind, von den« er sich überfallen sah, zum Glück mir eine Hyäne, die sich eingcschlichcu lind deu unglücklichen Schläfer am Bein gepackt hatte. Ibrahima, der Wortführer der Adamaua-Boten, benachrichtigte uns am andern Morgen, daß iu der That eine starke Partei unter deu Einwohnern die Absicht gehabt habe, Nachts über uns her zu stürzeu uud uus zu plündern; nur die Vorstellungeu Aschi's, nicht den Zorn der beiden übermüthigen Nachbarn auf sich zn laden, habe fic davon abgehalten. Das Dorf scheint keineswegs groß zn sein nnd enthält sicherlich nicht mehr als höchstens 500 einzelne Hütten, aber die Lage ist vortheilhaft, indem sie die Einwohner in den Stand setzt, iu der Stnudc der Gefahr sich schnell auf dcu 400 bis 500 Fuß hohen Felsrücken zurückzuziehen. Vieh schienen die Leute von Lahaula fast gar nicht zu — 411 ---- besitzen, dagegen bereiten sie viel vegetabilische Butter aus der Lu^ia I'^rliii, besitzen eine große Menge vortrefflichen Honigs mid Korn genug, das beliebte „timbil", eine Art dicken Vieres, zu bereiten. — In dem Gehöfte meines Quartiers bemerkte ich einen etwa 9 Fuß hohen Pfahl mit einem kleinen Querholz, woran ein mäßig großer irdener Topf befestigt war; dies war ein „ssafi", eine Art Fetisch, eine symbolische Darstellung ihres Gottes „fete", wie es scheint, der Sonne. Unsere unbehagliche Lage hiclt^ mich ab, mehr Nachforschungen in dieser Richtung anzustellen; nur das erfuhr ich noch, daß das Holz zu diesem Pfahl von einem bestimmten Vanm, wie ich glaube, derKigelia, genommen wird. Dem Unwetter des Abends, das auch während der Nacht noch einmal losbrach und mich nöthigte, in die verbotene Hütte zu kriechen, folgte ein herrlicher Morgen; das ganze ^and war voller Frische uud Leben. Unser Marsch führte durch eine Landschaft, deren Boden ab. wechselnd mit Granit und Quarzbläcken oder mit schwarzem Humus bedeckt war, oder hier und da mit Eisenstein; überall war er zerrissen von unzähligen kleinen Wasserläufen, die von dem felsigen Hüheuzug zu unserer Rechten herabflosscn nnd die Feuchtigkeit der ganzen Gegend dem Flüßchcu zuführten, welches östlich von unserem Pfad in einiger Entfernuug sich hinschlängelte. Das Ganze überzog mehr oder weniger dichter Wald von der mannichfachstcn Betäubung. Noch eiliger und ängstlicher war unser Marsch an diesem Tage, als an dem vorhergehenden, besonders als wir den Theil des Wegs erreichten, wo derselbe den Sitzen der Basa am nächsten vorüber-fnhrtc, eines mächtigen, unabhängigen Hcidenstammcs mit eigener Sprache und Sitte, der an dem Fnßc der östlichen Bergkette wohnte. Zu gleicher Zeit hatten wir zu unserer Linken mehrere Marghi-Dörfer. Nur in einem schützenden Walddickicht von der schönsten Frische nnd Fülle, genährt von einer Ansammlung von Regenwasscr, wurde ein turzer Halt gemacht, während dessen Billama die Nachzügler, einheimische Kaufleute mit Lastochscn, kleine Trödler mit ihren: Kram auf dem Kopf, die sich uns nach nnd nach angeschlossen hatten, herbei-brachte. Dann ging es mit derselben Eilfertigkeit wieder weiter, bis wir endlich kurz nach Mittag wohlbcstclltc Ackerfelder erreichten. Hier fingen wir an, aufwärts zu steigen zwischen einer kleineren felsigen Höhe zur Rechten und einer bedentenderen zur Linken, während in der Ferne nach Westen zu verschiedene Bcrggrnpftcn sichtbar wurden. Diese Erhebnngslinie bildet dem Anschein nach die Wasserscheide zwischen dem Becken des Tsad und dem Bcnuc-Kuara, dem großen Flußsystem ____ 419 ^ des wcstlichrtt nnd südwestlichen Mittel-Afrika. Freilich »veiß ich die Gestaltung des ^-lußnetzcs im Gebiet der Bafa und von Mubi nicht geuau, da ich von der ganzen Landschaft nur die Linie ineiner Straße ans eigener Anschauung kenne. Immerhin mag dieser Wasserscheidelide Landrücken 2000 Fuß hoch sein, da wir seit Udje Mabani, welches 1200 Fuß hoch liegt, wohl 7- bis 300 Fuß höher gestiegen sein mochten. Jenseits des rauhen, von unser»! Kameelen nicht ohne Schwierigkeit überstiegenen Passes ging es wieder bedeutend abwärts. Hier zeigte mir Mohammed» die in der Sprache der Fulbe (dem »Fulfulde") „bidjage," genannte Euphorbia, ans deren Saft die Einwohner Fnm-biua's ihr Pfeilgift bereiten. Dieselbe wuchs zwischeu dcu Grauit-blöckcn hervor, wie es schien, als ein Busch von 10 bis 12 Fuß Höhe; ich war leider zn entfernt, nm ihn genauer beobachteu zu können. Vor uns lag nnn eine große Thalebene, die uns gegcuüber vou einem durchschnittlich etwa 800 Fuß sich erhebenden Höhenzng begrenzt wurde. Dem rauhen Paßwege folgte hier bebautes Land, und um emeu Vorsprung der Felstette zu unserer Linken biegend, erreichten wir die Umfassungsmauer von Uba, der nördlichsten städtischen Ansiedelung der Fnlbe auf dieser Seite. — Das östliche Stadtviertel bestand nur ails wenigen zerstreuten Hütten und hatte ganz das uugc-müthliche Ansehen eiucr neu angelegten algerischeu Kolonie, das westliche jedoch war dichter 'bewohnt und bot eincu behaglicheren Anblick. Die Hütten waren im Vongo«Styl gebaut uud jede Gruppe dcrselbeu von eiuem kleiucn Korufeld unigeben; statt des todten Nohrwerts dienten lebende junge Bäumcheu als Stühen der Mattenuiuzäunungen, die jetzt schon dem ^)rte einen frischen, anmnthigen Charakter verliehen und in nicht ferner Zeit den hier noch so sehr vermißten kühlenden Schatten versprachen. Die ganze Stadt ward von einem niedrigen Erdwall mit doppeltem Dorncnverhack nmschlossen. Wir zogen an der einfachen Moschee — eigentlich uur eiue Bongo-Hütte in großem Styl — vorüber vor dcu Palast des Statthalters, wo Billama und mein Diener Bu-Sad uach der Sitte der abenteuernden Araber ein paar Schüsse abfeuerten, woranf nns bald unser Qnartier angewiesen wurde. So hatten wir dcuu in vier Tagemiirschcn den streitigen Greuz-bezirk zwischen Varimari, dem letzten Bornn-Ort, uud Uba, der ersten Stadt vou Adamana, glücklich durchzogen. Von dcu heidnischen Marghi bevölkert, schiebt er sich als ein mächtiger Waldgürtel von etwa 15 deutschen Meilen Breite zwischen die beiden moslemischen Neichc eiu. Der Bodcu vou Adamaua war uuu betreten, das Laud, uach dem ich so lange 413 sehnsüchtig geblickt hatte, ein mohammedanisches Königreich, auf eine mannichfaltigc Menge heidnischer Stämme angepfropft, die Eroberung des kühnen fanatischen Pnllo Häuptlings Adama über das heidnische Königreich Fumbiua. Noch hatte ich nicht lange, ans meiner Matte ausgestreckt, der Nnhc gepflegt, als der Stadthcrr mit zahlreichem Gefolge sich einstellte, mich zu besuchen. C'r schien in der Geschichte des Bandes schlecht bewandert zusein, denn er ließ die darüber an ihn gerichteten Fragen unbeantwortet. Als ich ihm den Wunsch zu erkennen gab, noch heute die den Ort beherrschende Felscu-tctte zn besuchen, rieth er mir ab und vertröstete mich auf morgcu, folgte mir aber doch, zu meiner nicht geringen Verwunderung, mit seinem ganzen Trosse nach, als ich mich dennoch aufmachte, meinen Vorsatz auszuführen. — Der felsige Höhenzng bestand jedoch, wenigstens anf dieser Seite, aus enormen Grauitblöcken, die in wilder Verwirrung einer auf dcu andern aufgethürmt waren und das Ersteigen unendlich schwierig, ja, ohne Stricke fast unmöglich machten; es war daher mit nicht geringer Mühe verknüpft, auch nur eine .höhe von 100 Fnß zn erreichen. Doch war dieselbe hinlänglich, eine Uebersicht über das breite Thal zn gewinnen. Ich machte nebenstehende Skizze von der von Nord nach Süd ver-laufeuden und daö Thal im Osten begrenzenden Bergkette. ------ 414 ------ beider konnte ich mich von meinem Standpunkt ans nicht vergewissern, ob und wie die Berggrnppe des Mendif, die hinter der von mir gesehenen lieben mußte, nlit letzterer zusammenhänge. Diese Frage hätte wohl nur vom Gipfel der Höhe ans entschieden werden tonnen. Einestheils aber scheute ich die Anstrengung, diesen selbst ans leicht terem Pfade zu ersteigen, da meine Kräfte schon damals durch die Einwirkung des Klima's uud die ungewohnte schlechte Kost bedeutend abgenommen hatten, anderntheils war das Wetter am nächsten Morgen trübe und nngeeignet für die Fernsicht. Ich zog es daher vor, weiter zu ziehen. So verließen wir denn am Morgen des N. Juni die nen sich bildende Stadt der moslemischen Eroberer, um den ersten Tagemarsch auf dem Boden von Adamaua anzutreten. Als wir das stark vcr^ ftallisadirte Thor hinter nns hatten, schritten wir dnrch wohlbesorgte, im schönsten, hoffnungsreichsten Gedeihen stehende Kornfelder, während gerade eine Anzahl jnnger dnntelfchwarzer Sklavinnen an ihre tägliche Feldarbeit zogen. Sie waren alle gnt genährt nnd rnit einem reinlichen Schurz ans weißen Baumwollenstreifen betleidet, der auf der dunkelfchwarzen Haut um so besser abstach; ihr Nacken war mit einer Schnur gelber Glasperlen geschmückt. Die Stadt soll sich früher, als sie noch im Besitz der heidnischen Eiugebornen sich befand, in dieser Richtung bedeutend weiter erstreckt haben als jetzt; ein Kriegshauptmann des Scheichs El Kanemi soll es gewesen sein, welcher ihr den ersten Stoß beibrachte, indem er sie plünderte nnd verheerte. Die Sklavcnjagdcn der Äoruauer scheinen sich wirtlich vor der Besitznahme des ?andrs durch die Fulbe bis tief in das Her; von Fnmbina erstreckt zu haben, ohne daß das Vand vollständig nntcr die Botmäßigkeit Vornu's gekommen wäre. Aber anch die neuen Eroberer sind noch weit davon entfernt, im vollen unbestrittenen Besitz des Landes zu sein, wie denn gerade in dieser Gegend, westlich von dem felsigen Höhenzuge, der uns auch heute noch zu unserer Rechten begleitete, sich noch ein unabhängiger Heidenstamm, die Gille, erhalten hat. Der eben erwähnte Höhcnzng brach endlich ab, so daß wir einen Fernblick nach Westen hin gewannen. Auf der weiten Fläche stiegen in verschiedener Entfernnng einzelne Grnppen kegelförmiger Berge anf, deren Umrisse ungefähr dieselben Formen bildeten, wie sie die vorstehend abgebildete Kette charakterisiren. Vor uns lag eine mehrere Stunden breite Ebene, in welcher schönes Weideland mit Ackerfeld und Waldung abwechselte; mehrere kleine Wasserläufe durchschnitten ------ 415------ sie und sammelten sich zu einem Vache von etwas mehr Bedeutung der gemeiniglich das „Flüßchen von Äinbi" genannt wird und nach Westen abfließt. Ich halte es für wahrscheinlich, daß dieses Flüßchen sich mit dem von I>. Vogel neuerdings entdeckten Gongola (oder vielmehr Flüßchen der Gongola, da Gongola der Nanie des Voltsstammes zn sein scheint) vereinigt, einen: mittleren nördlichen Zufluß des Benne. Nach Südostcn hin endlich entwickelte sich eine bedentcndere Bergmasse stamens Fiugtiug, die ich ans 6000 Fuß Höhe schätze, und hinter ihr kam noch eine zweite mit mehreren Gipfeln zum Vorschein. Unser Marsch endete heute schon in Mnbi, nur etwa zwei deutsche Meilen von Uba. Da die angewiesenen Quartiere nns nicht behagten, lagerten wir im Schatten vor der Stadt; bald aber erschienen Boten, bessere Quartiere versprechend, und endlich der Stadtherr selbst, um mich in sein Hans einzuladen. Dieser Besuch gab mir Gelegenheit, die schon frliher hervorgehobene Lebhaftigkeit und Intelligenz der Fnlbe abermals zu bewundern, die bei dem Betrachten meiner Habseligl'citen sich bemerkbar machte. Gau; besoudcrö erregte der tlcinc Druck meiues englischen Gebetbuchs die Bewuudermig derer, die leseu l'omüeu. Dagegen haben die Fnlbc aber anch einen großen natürlichen Hang zur Bosheit, den der eigentliche Neger nicht hat, und man kann wohl mit Recht sagen, das; sie eine Art Mittclrassr zwischen den Arabern und Berbern einerseits und den Negern andererseits bilden, mehr dein Charakter als der Farbe nach. — Mein Wirth brachte einen großen Theil des Abends in meiner Gesellschaft zu; ich machte ihm ein Geschenk von zehn Bogen Papier, was ihm als ciuem gclehrteu — d. h. iu zwei bis drei Büchern belesenen —- Mann großes Vergnügen machte, da er noch nie eine so große Menge nutzbaren Schrcibmatcrials beisammen gesehen hatte. Die ganze Ebene in der 'Nachbarschaft von Mubi bietet vortrefflichen Wcidegrnnd nnd eignet sich daher auch ganz vorzugsweise für die Rinder züchtenden Fulbe. Ill dein vuu zahlreichen Hecrden belebten Dorfe Bagma, welches wir am andern Morgen zeitig erreichten, wies auch der eigenthümliche Ban der Wohnungen auf diese Beschäftigung hin. Mehrcrc von den Hütten waren 40 bis 60 Fuß laug, etwa 50 Fuß breit uud 10 bis 12 Fuß hoch, dabei von eirunder Gestalt nnd gleichmäßig von unten bis oben mit Rohr und Gras gedeckt, ohne eine Abscheidung von Seitcnwand und Dach zu machen; andere bestanden, während sie ungefähr dieselbe Größe hatten, ans drei zusammenschließenden Halbkreisen. Der Grund dieser besondern Bauweise, ------ 4l6------ namentlich der großen Geräumigkeit der Hütten, war die Nothwendigkeit, das Vieh und besonders das Kleiilvieh vor der Unbill des Wetters zu schlitzen; einige waren nichts als Ställe, andere Ställe nnd Wohnung zu gleicher Zeit. Seit wir die Grenze Adamaua's überschritten hatten, galten die Kameele als die merkwürdigste Erscheinung in uusercm Reisezüge; denn da diese Thiere dem Klima dieses Landstrichs anf längere Zeit nicht widerstehen können, so werden sie selten hierher gebracht. Ueberall hatten sie die größte Neugicrde und das Staunen der Bevölkerung erregt. So sammelte sich denn auch hier in Vagina Alt nnd Jung, Männlein nnd Weiblein um uns her; selbst aus weiter Entfernung tanieu die bellte von den Feldern herbeigelaufen, das Wunder zu schanen. Die lustige Schaar ward von ein Paar übermüthigen Pullo Mädchen angeführt, die, nnr mit einem kurzen Echnrzchen von dunkel und weiß gestreifter Baumwolle bekleidet, schlank uud behend wie Gazellen bald voraneilten, bald znrnckkehrten und immer auf's Neue ihr dachen über die dummen Gesichter und auffalleuden Gestalten der Kameele hören ließen. Allmählich bedeckte sich das ^and wieder mit Wald, nnd wir traten zwischen Hngclreihcn ein, die wir bereits den ganzen Morgen vor Augen gehabt hatten. Ihnen folgten offenes Wicscnlaud uud Feld, doch behielt das ganze Vand nmher noch eine Strecke weit einen vor-zngsweis rauhen Eharalter, nnd vereinzelte Felstegel gaben der nach Westen sich ansdchnendcn Ebene ein unfreuudliches, wildes Ansehen. Dies änderte sich, als die reiche, aber vernachlässigte Thalfläche im Norden des Dorfs Mliutudi vor unseren Augeu sich ausbreitete, welche nach Osten hin von der breiten Kuppe des Faka uud von den sich an diesen reihenden Berggrnppen begrenzt wird. Hier erblickten wir die erste Dclcbpalme (I'»orn,88U8 k!llI>Li1it'ui'iin8 ^.etliioiiiouk), die „gigiua" oder „dllgbi" der Fulbe. Ich hatte sie zwar schon in einzelnen Exemplaren in audcru Gegenden des Sndans bemerkt, hier aber (10" 15^ N. Br.) hatte ich — wenigstens für die ^inic meiner Route — die nördliche Grenze ihrer eigentlichen Hcimath erreicht; denn daß sie der nun folgenden Zone ganz vorzüglich angehöre, sollte mir bald die vorhin genannte Ortschaft beweisen, deren schönste Zierde sie bildete. Das Dorf Mbntndi, das Ziel unfercs heutigen Marsches, lag am Fuße eines Granittcgcls, der etwa 900 Schritt im Umfang hatte und 300 Fuß hoch war. Früher ein Ort von Bedeutung, waren seit der politischen Erhebung der Fulbe taun: noch 100 Hütten übrig ____417 ____ geblieben, die fast ganz von den heidnischen Eingebornen bewohnt werden; erst seit ganz Kurzem, seit die Äoten von Adamaua auf ihrem Wege nach Bornn hindurchgezogen waren, hatten sich einige Fulbc-Familien hicr angesiedelt. Nir hatten noch nicht lange im Schatten einiger Gummibänme gewartet, so stellte sich auch schon ein hoch- und schlankgewachsener Pnllo von sehr vornehmem, adeligem Gesichtsausdruck und gelleidet in ein schneeweißes Hemd bei uns ein und führte uns nach Austausch der vielen unter den Fulbe in Ada-maua sehr beliebten Komplimente') in ein Gehöft mit mehreren Hütten. Auch dies Gehöft war nut einer hohen Gigina geschmückt, welche nicht einen Angenblick von einigen großen vögeln aus der Familie Oicunia verlassen wnrde; diese glichen in der Entfernung ganz nnserm Storch, waren vielleicht auch wirtlich europäische Störche. Ihre Anwesenheit brachte jedoch den Uebelstand mit sich, daß Niemand nnter dem Baume sich niederlassen tonnte, ohne sich einer freigebigen Be-frnchtung mit Gnano auszusetzen; als nun mein Diener deshalb unter sie fencrn wollte, baten die Anwohner flehentlich, es nicht zn thun, denn die Störche stehen bei allen diesen Völkerschaften eben so gut wie bei nns in hoher Verehrung. Während ich in nnserein Gehöfte im Schatten eines Baurebaums der Ruhe Pflegte, versuchte ich zum ersten Male die Frucht der Deleb-ftalme, die gerade reif war; aber ich fand deren Genuß l'anm der Mühe werth. Das Fleisch bildet ein dichtes, grobfaseriges Gewebe, so daß es wirklich einige Anstrengung tostet, dasselbe auszusaugen; anßerdem löste es sich nnr schwer vom Kerne ab, was aber vielleicht nur daher lam, daß die von mir untersuchten Früchte noch nicht völlig reif waren. Die Frncht hat einen süßen, faden Geschmack, der sehr bald unangenehm wird; dieselbe kann sich daher auch in dieser Beziehung nicht mit der Banane oder der Gondafrucht messeu, zeichnet sich dagegen durch ihre Größe aus, da sie gewöhnlich 5 bis 6 Zoll lang und 4 bis 5 Zoll breit wird. Für die hänsliche Oelonomie der Eingebornen ist sie von Wichtigkeit, denn sie liefert ihnen eine gnte ') Die Fnlbe von Adamaua, eiu einfaches Hirtenvolk, sind besonders reich an Komplimenten. S« folgen auf die einfachen Redensarten: „uum baldum" — dist Du wohl? — „djam wali" — wohl geschlafen? — die Fraqen nach Haus, Hof, Sklaven, Pferden, Frauen und Kindern, die gewöhnlich alle mit dem Worte ,'djam" beantwortet werden. Dazwischen erkundigen sie sich gelegentlich noch nach den Neniqkcitcn der Welt: „to habbar» dunia" nnd bei Reisenden, wie es mit der Trmiiduna. steht: „to tschommeri". Barth'« ««iftn. i. «? -— 415 ------ Würze für ewige ihrer einfachen Gerichte. Ein weiterer Gebrauch, welchen sic von dieser Frucht machen, besteht darin, daß sic die Sterne der abgefallenen Früchte zerschlagen nnd in sandigem Boden in die tärde legen, Warans in wenigen Tagen ein Halm aufschießt, dessen Wurzel zart nnd eßbar ist; diese letztere wird auf Haussa „murretschi", von den Fnlbe „batschul" genannt, ist sehr beliebt nnd wird allgemein benutzt. ^ Wenn iä> oben Adamana die Heimath der Delebpalme genannt habe, so muß ich hierzu bemerten, daß dies nicht in der Art verstanden werden darf, als ob sie hier zu den überall nnd am gewöhnlichsten vorlouuueudeu Bäumeu gehörte. Ihre Verbreitung ist vielmehr insofern eine eigenthümliche, als ihr Vorkomme» in größerer Anzahl, immer an gewisse Oertlichteiten gebunden erscheint. Dagegen ist sie nach meiner eigenen Erfahrung im Mussgu^Vand der dnrchaus vorherrschende Baum, und nach Allem, was ich darüber von Andern hörte, muß ich schließen, daß dies auch der Fall ist mit den südlichen Provinzen Baghirmi's, besonders Ssomrei und Dam. Die Verbreitung dieser Palme aber ist gewiß von dem größten Interesse, da sie sich von Kordosan durch die ganze Breite des Kontinents bis nahe au die Küste des Atlantischen OeeanS zieht, oft freilich, wie es scheint, mit großen Unterbrechungen. Noch während ich meine Zähne an den Faser» der Palmfrncht versuchte, empfing ich eine Gesandtschaft mehrerer Familienhäupter der Fulbc. Alle waren schöne, schlauigewachsrne Mäuuer mit ausdrucksvollen Zügen und einnehmenden, bescheidenen Manieren, die mit lindlicher Freude die Wnnder meiner Uhr nnd meines Kompasses betrachteten. So lästig nnd unerträglich oft der hochmlithige Pullo der großen Städte ist, so liebenswürdig ist der einfache Hirt oder Kolonist dieser Nation. Hierauf machte ich mich daran, die felsige Auhöhe, welche das Dorf beherrschte, zu ersteigen; da der Fels Überalts steil war, fand ich dies beschwerlicher, als ich es mir vorgestellt hatte; dafür war aber auch die Aussicht über einen nngeheuern Strich Bandes eine lohnende. Die eigenthümlich breite Felstnppe selbst war mit Granitblöcken bedeckt, zwischen denen Bnschwert und tleine Bäume hervorwuchsen. Nachdem ich die Winlcl vieler Höhen genommen hatte, schrieb ich nach den mündlichen Angaben einiger (Ängebornen, die mir neugierig gefolgt waren, ein lurzes Wörterverzeichniß ihrer Sprache nieder. Sie selbst bezeichneten ihre Sprache als eine selbstständigc nnd nannten sie „Sani" ; ich fand jedoch bald, daß sie auf das Innigste mit der ------ 419 Sprache der Marghi verwandt war. Auch die Hautfarbe dieser Leute, die ein gelbliches Roth war, deutete auf eine Stammcslierwaudtschaft mit den Marghi hin, uud ich glaube wohl, dasi beide Völkerschaften noch vor weuigen Jahrhunderten Eiuc station bildeten. Der Gipfel der Auhöhc belebte sich mehr und wehr mit ueu Hinzukommenden; auch zwei junge Fnlbe-Mädchen kamen zu nur herauf gcspruugcu, vou einer älteren verhciratheten Schwester begleitet. Eins dieser Mädchen war etwa 15, das andere 8 bis 9 Jahre alt; jenes, wie die vcrheirathete Schwester, trug eiu weißes Hemd, das deu Busen bedeckte; das jüngere Mädchen trug nur eiueu baumwollenen gestreiften Schurz um die Hüften, der bis zum Kuie reichte. Das Haar der letztercu war uiedlich geflochten, daö der beiden andcreu hiug in langen Locken herab; alle drei trugeu Glasperlen um den Hals. Die eingc^ borueu Mbutudi trugcu nur einen schmalen Lcberstreifeu, zwischen den Beinen durchgehend und nm die Hüften befestigt; hiutcu war noch eiu großes Blatt an demselben angebracht, das schweifartig herabhing — die erste Idee zu einein Frack. Die Weiber trugen außerdem, ganz wie die Marghi-Frauen, ciue Metallplatte oder einen Stift, nur von etwas größeren Verhältnissen, in der Unterlippe. Von den niedlichen FnlbcMädchen begleitet, verließ ich meinen hohen Sitz uub stieg uicht ohne Mühe wieder hinab; aber die Ruhe, die ich vorher genossen, war jetzt dahin. Die armcu Hcideu thaten mir die Ehre an, mich mit ihrem Gott „fetc" zu idcntificiren, die ich natürlich ablehnte; sie glcmbten, dieser sei heute zn ihnen gekommen, um einen Tag gemüthlich in ihrer Mitte zuzubringen uud sie Unglück nud Uutcrdrückuug vergessen zn machen. Endlich mit einbrechender Nacht verließen sie mich; nicht so die beiden Fulbe>Mädcheu. Die ältere, die sich iu dieser jungen Kolonie wohl umsoust nach einem Gatten ihres Stammes umgesehcu hatte und daran gewöhnt sein mochte, daß vornehme Pilger ihres Glaubeus in jedem Lande, welches sie durchzieheu, ein Mädchen hcirathen, hoffte, daß ich sie zu meiner Frau uehmen würde, eine Hoffnung, die sie cudlich auch offcu gegen mich aussprach. Ich tröstete sie mit der Erklärung, daß ich glücklich sein würde, ihreu Autrag anzuuehmen, wenn es meine Absicht wäre, im Vaude zu bleibeu. Dieses arme Mädchen hatte jedenfalls allen Grund, sich nach cincm Manne umzusehen, da sie mit 15 Iahrcu ihre erste Blüthe eben so weit hinter sich hatte, als eine europäische Dame mit 25 Jahren. Ich nahm am andern Morgen aufrichtigen Adfchied von dicfen guten Leuten; auch das Fulbe-Mädchcu war zugegcu und schaute 2?" ------ 420 ------ ganz bekümmert drein, als ich mein Pferd bestieg und ihr Lebewohl sagte. Die ersten Stunden unseres Marsches waren nicht sehr angenehm. Schon am vergangenen Tag war das Wetter unangenehm kühl gewesen; denn selbst um 2 Uhr Nachmittags zeigte das hnndcrt-theilige Thermometer nur 2^ « (22",4 R.), heute Murgen (13. Juni) uur 21" (16",8 R.), der niedrigste Stand seit dem Anfang des Mai; die ^uft war kalt und feucht nnd Regenwolken hingen auf deu Bergen zu unserer Tinten, der ,»Falibe - Kette" mit der schon genannten Kuppe des Fata. Nur im Anfang führte uuscr Weg durch Ackerland, auf welchem ausschließlich Negerhirse — „gero" — gebaut wurde, und über reiches, leicht bewaldetes Wicseuland; dann aber ward er sehr beschwerlich auf dein vom Regen zerrissenen lehmigen Boden, bis die Landschaft in eine ununterbrochene waldige Wildniß mit fast hügeliger Oberfläche überging. Ein Bnfch mit eßbarer Frucht, den meine Begleiter „banban" nannten, fiel mir hier zuerst iu die Augen uud unter den Bäumen war der Garage wieder sehr gewöhnlich. Erst nach l) Nhr Morgens gewann die Vandschaft wieder ein wohlgefälligeres Ansehen; über eine weite Fläche Saatland in reichster Fülle erblickten wir in erhöhter ^age die Stadt Ssegero, von eingebornen Heiden Dom Stamme der Holma und von Fulbc gemeinschaftlich bewohnt. Wir hatten es uns während der letzten Tage zum Gesetz gemacht, den Marsch des Vormittags zu beenden, nm die gcwöhulich am Nachmittag losbrechenden Gewitter zu vermeiden. Auch heute würde» wir dies gethan haben und in Ssegero geblieben sein, allein meinen Begleitern behagte die nns hier gereichte Kost nicht. Bald nach uuserer Ankunft wurde uus nämlich ein gewaltiger Korb vorgesetzt, gefüllt mit Erdmandcln (/Vi-li<^u8 ly'iiu^u'tl) in ihrem natürlichen Znstaud, das heißt, so wie sie eben aus dem Boden genommen waren, noch paarweise in ihrem Schalgehäuse verbunden. Nach einer Weile erschienen drei nngeheucre Kummen von fast 2 Fnß Dnrchmesscr, aus den Schalen der ('u<;mliit,!>, in^xim^ gefertigt, bis zum Nande mit einem dicken Brei gefüllt. Dieser ergab sich bei näherer Prüfung als ebenfalls aus Erdmandeln bestehend und noch dazu als nicht sehr schmackhaft bereitet, was leicht dnrch Zuthat vuu etwas Honig, oder wenu er in Milch gekocht wird, geschehen fann. Nun nimmt aber die Erdmandel hier zu Vande dieselbe Stellung ein, wie bei nns die Kartoffel, nnd daß beide Gerichte aus dieser Frucht bcstandeu, war ein Beweis, daß hier nicht viel Gutes zu haben war. ____421____ Wirtlich war auch im vergangenen Jahre die Kornernte hier nicht gut gerathen, weil Wege» eines Hecreszngs gegen den Stamm der Lere die Felder der nöthigen Pflege hatten entbehren müssen. Statt des gewöhnlichen Sorghum, „daura" oder „beiri" in Adamaua genannt, und zwar der rothen Art, „beiri bodcri", welche nm Ssegero, so wie in allen Gegenden südlich vom 1l). Breitengrade vorzugsweise gebaut wird, mußte nuu dic Erdmandcl als Haufttnahrnngsmittel dienen. Hier und, wie ich glaube, in ganz Adamaua wird diejenige Art der ^ia-clii8 ausschließlich gebant, welche ans Kauori „toltsche" und ans Ful-fulde „biridji" genannt wird. Ich liebte sie wohl, besonders geröstet, als gelegentlichen Imbiß, möchte aber für meinen Unterhalt nicht ganz allein auf sie angewiesen sein. Es giebt anch noch eine andere, ö'lreicherc Art der Erdmandel, welche von den Boruu-Wuteu „gan> gala", vou den Haussaua „yerturga" genannt wird, die von dcu Ein-gebornen für gesünder gehalten wird lind zum Gewinn eines feinen Ocls vorzuziehen ist. ^i'a.clli« wird von der Westküste Mittel- und Süd-Afrit'a's, wo sie der „kleine Erdmann" genannt wird, in ansehn> licher Menge ausgeführt, eben so wie das aus derselben bereitete Oel, welches neben Palmöl bereits cineu bedeutenden Handelsartikel bildet und in Europa unter dem Namen Erdnußöl bekannt ist. Gerade dieser Handel an der Westküste des Kontinents ist von großer Wich-tigkeit, als ein Mittel zur Verdrängung des Sklavenhandels. Da ich hier einmal von den ^cbensnüttcln des Maudes rede, will ich noch bemerken, daß dic Fnlbe vou Adamaua auch ans dem Samen des Sesam einen Brei machen, den sie „mara-sfiri" nennen; ferner eine andere Art Brei aus dem wiederholt erwähnten O^peru« cscu-1<3iitu8, welcher von den Arabern „habb cl asis", von den Haussaua „godjia", von dcu Bornu-Leutcn „ucbbu" genauut wird. Ferucr bereiten die moslemischen Bewohner von Adamana aus der weißen Art des Sorghum, »tbeiri dauncri", einen Teig in Gestalt kleiner eiförmiger Klöse, welche mit der guten Butter der Fnlbe oder auch mit dicker sauerer Milch vortrefflich schmecken; selbst kalt sind dieselben genießbar und bildeten in der ss-olge iu diesem Zustande mein Reisefrühstück, da das schmackhafte Gebäck, mit welchem mich der Vezier iu Kukaua bei mei-uer Abreise versah, wie alle guten Dinge der Welt, bald cm Eude genommen hattc. Also aus Furcht, am Abend anch nichts Anderes als Erdmandeln zu bekommen, ward am Nachmittag noch die Weiterreise beschlossen; doch füllten sich die Weiseren unter uus noch die Brusttaschen ihrer ------422 ------ Toben, ja selbst die Futterbeutel der Pferde mit dem verschmähten Neste aus dem großen Korb. - - Auf de,i wohlbestcllten Aeckern hatte ich sogleich Gelegenheit, die Art des Anbaues dieser Erdfrucht zu sehe». Die Erdmandel wird nämlich in die regelmäsiigm Zwischenränme zwischen die einzelnen Büschel des Sorghum gelegt, ganz wie die Bohnen in Bornu. Zu gleicher Zeit waren die Felder mit künstlich gepflegten Butterbä'nmeu llw«8i3. ?Äi'kii, auf Fnlfnlde „kaheri", iu der Ätehrhcit f/karedji") beschattet. Wir hatten diesen Baum schon in der Wildniß der Marghi in großer Menge angetroffen, aber auch hier ist er ganz heimisch. Er zieht sich wenigstens dnrch die halbe Breite des Kontinents, vom Senegal bis in diese Gegenden, wird aber wohl auch noch weiter östlich gefunden. — Das ganze Bild der Landschaft, die namentlich im Süden von schön geformten Bergketten und ciuzclueu Höhen eingeschlossen wurde, unter denen die Kuppe des Holma besonders hervortrat, machte eiuen höchst erfreulichen Eindruck; alle Grasflächen waren mit einer Art violetter ^iliacec geschmückt. Endlich erreichten wir die Kette des Hulma, dessen Gipfel etwa 3000 Fuß hoch ist, und traten in einen Engpaß ein, jenseits dessen wir Badanidjc>, den Endpunkt unseres Marsches, erreichtcu. Wir sollten hier für die Abweichung von unserer Marschregel empfindlich bestraft werden; denn anstatt schönen Hirsenpudding und Sorgho-Knätel erhielten wir nichts, taum gelang es, eine geringe Menge Korn für unsere Pferde herbeizuschaffen. Glücklich der, welcher in seinen Taschen die Ueberblcibsel unseres Frühstücks in Ssegero fand! Der Ort lag malerisch in einem aumnthigen Thalkcsscl, auf allen Seiten von Bergen umgeben. Alles war in eine reiche Fülle vou Pflanzcnwuchs gehüllt und der augenblickliche Mangel an Lebens-mittelu war ganz allein den kriegerischen Unternehmungen der letzten Jahre und dein Wcgsterbeu des Viehes durch Seuchen zuzuschreiben. Süße Kartoffeln — .fdantali ^ und verschiedene Arten Brodwurzeln werdeu hier noch neben den gewöhnlichen Feldfrüchteu gezogen. — Badanidjo ist auch für den Ethnographen interessant, als der nördlichste Sitz des ausgedehnten Stammes der Fali oder Fari. Nach den gesammelten Proben ihrer Sprache ist dieselbe von der der Batta und deren Verwandten, der Marghi und Sani, gänzlich verschieden und scheint nur eiue entfernte Verwandtschaft mit den Sprachen der Wan-dala und Gam-erghu zu haben. Jetzt ist der Ort vorzugsweise von ------423 ------ der herrschenden Masse, den Fulbe, bewohnt; die Anzahl sämmtlicher Bewohner möchte ich auf W<)<> anschlagen. Auf dieses reiche, schöne Thalbecken folgte wieder eine hügelige, verwilderte Landschaft. Während wir hier den Ausläufer einer nns znr Vinlcn befindlichen Felshöhc überschritten, bemerkten wir anf dem Rande der unsere Köpfe überragenden Klippen die Hütten eines heidnischen Dorfes nnd hörten die Stimmen ihrer Bewohner. Zur Rechten stiegen einzelne Höhen ans der ranhen, dicht mit Wald bedeckten Ebene anf. Alle Höhen schienen alls Granit zu bestehen, wenigstens war dies bei denjenigen, an denen nnser Weg hart vorüber-führte, unzweifelhaft der Fall. Immer rauher und felfiger wurde die Gegend, t'aum daß ein enger Pfad dnrch das dichte Unterholz übrig blieb. Sobald wir jedoch das Dorf Korulln erreichten, verbesserte sich der Charakter der Landschaft nnd offenes Wicseulaud und gut gepflegte Aecker fanden wieder Raum, sich ansznbreiten, obgleich die Oberfläche rauh und hügelig blieb dnrch überall hervorspringende Granitmasfen. Nordöstlich von dem Dorfe liegt der gleichnamige Berg; die nachstehende Skizze stellt die Umrisse desselben nnd der Erhebnngen in seiner Nähe dar. Der Hunger trieb mehrere Mitglieder unserer Gesellschaft, die am vorigen Abeud hatten Noth leiden müssen, in das Dorf; sie erhielten große kalte Klöse ans einem Teig von rothem Sorghum, deren Geschmack ich abscheulich fand. Es dauerte nicht lange, so nahm unö eine andere rauhe Wild-niß auf, ans der wir nicht eher herauskamen, bis wir ciue Marina, Färberei, erreichten, welche die Nachbarschaft eines Mittelpunktes von mehr alS gewöhnlicher Bildung in diesem Vandc anzeigte. Wirtlich erreichten wir einige Minuten weiterhin das nördliche Dorf von Ssaran, welches ausschließlich von Bornu-Volt bewohnt wird nnd deshalb Ssarau Bereberc genannt wird. Wir warteten eine Weile auf eiuem kleinen offenen Platze in der Mitte des Dorfes, im ------424 ------ Schatten einer kleinen Tercbinthe, und erhielten dann cm aus^ gezeichnetes Quartier, das eine tnrzc Beschreibung wühl zu verdienen scheint. Die uns angewiesene Wohnnng bestand in einer Gruppe von drei Hütten mit ^ehmwänden und vortrefflich geflochtenem Nohrdach, die durch eine ^ehmmauer mit einander verbunden waren, so daß das Ganze ein abgerundetes Dreieck bildete. Die größte der drei Hütten (<>y, etwa 12 Fuß im Durchmesser, bildete die Eintrittshalle oder das Vorzimmer und war mit zwei Thüröffnungen verschen, deren eine nach dem äußeren, die andere nach dem inneren Hof-raum führte, von dem aus die beiden Hütten ihren alleinigen Zugang hatten. Während nämlich die erstere Hütte das tägliche Geschäftszimmer des Mmmcs bildete, waren die beiden anderen bcsou^ dcrs für die Frauen bestimmt. Die äußere Thüröffnung der vorderen Hütte, obgleich nach unseren Begriffen etwas klein, war geräumig in Hinsicht der allgemeinen Landessitte, das heißt, wenn man die ungleich geräumigeren Hallen der Beamten, die zugleich als Warto uud Audienzzimmcr für die Untergebenen dienen, außer Betracht läßt. Sie maß Z^ Fuß in der Höhe und 16 Zoll in der größten Breite, indem ihre Gestalt eiförmig war. In dieser Hütte war daher nur ein Nuhebett, zugleich zum be> quemcn und vornehmen Diwan bei Tage nnd zur Lagerstätte bei Nacht dienend. Es maß etwa 7 Fnß in der ^ängc nnd 5 in der Breite und war 3 Fuß über die Flur erhaben; es bestand im Grunde aus ciuem Gerüst starter Zweige, war aber so dick mit Thon über-zogen, daß es ausschließlich ans dem letzteren Material zn bestehen schien. Hier pflegte der Hausherr feine Geschäfte abznmachen und seine Gäste zu empfangen, während der übrige Theil der Hütte nn-möblirt war nnd eine gute Allzahl ^eute aufnehmen tonnte. Einen weiteren Zweck hatte die Hütte nicht, uud das Einzige, was sich hier sonst fand, war eine Feuerstelle, aus drei meinen steinen Kreis gelegten, in Form eines regelmäßigen Steines gebildeten Tholierhöhnngen bestehend, zwischen dem Ruhebett und der Thür. Die Wäude der Hütte waren mit hellbrauner Farbe bemalt nnd mehrere Gegenstände auf weißem Gruude dargestellt, die allerdings Pumpejanischeu Wandgemälden an Knnst nachstanden uud nicht immer mit Gewißheit zu enträthseln ------ 425------ waren, mil Ausnahme von cm paar hölzernen Schrcibtafeln, wie sie die Schultuabcu hier zu Vandc zu gebrauchen Pflegen. Von diesem luftigen Gemache nahm ich selbst Besitz, indem ich meinen Teppich auf das Thonbctt breitete, während der Mallem, meine Diener, nnd wer mir immer ciueu Besuch abstattete, auf dem Boden Platz faudcn. Die diesem Eintrittszimmcr gegenüberliegende Hütte (d), welche kleiner als :i, aber grüßer als o war, schien zur täglichen Wohnung der Hausfrau bestimmt zu sein, denn sie war im Hintergründe mit einer aus Thon gebildeten erhöhten Stufe versehen, welche als Küchen-brct für das Kochgeschirr diente; hier waren vier neue Töpfe von bedcuteuder Größe und eiue Anzahl kleinerer aufgestellt. Im Uebrigen waren die beiden für das eigentliche hänsliche und Familienleben bestimmten inneren Hütten von ähnlicher Beschaffenheit; jede von ihnen hatte auf jeder Seite der Thür ein Ruhebett, höchst wahrscheinlich eines für den Mann, das andere für die Frau; der einzige Unter^ schied war, daß in der mit I> bezeichneten Hütte das Lager des Mannes anf der linken, dagegen in c auf der rechten Seite war. In beidcu war die Lagerstätte der Frau besser, als die des Maunes; sie bestand aus einem mit Thon dick überzogenen hölzernen Gestell und war dnrch eine Querwaud vor neugierigen Blicken geschützt. Diese Querwand bestand gleichfalls aus Thon von etwa 4 Zoll Dicke und war etwa 5i Fuß hoch; sie war nach afrikanischen Begriffen überaus stattlich durch verschiedenen Farbenton, indem zwei weiße Streifen den brauncn Thon unterbrachen, und durch abwechselnd schalenartigc und pyramidale Aufsätze mit gleichfalls abwechselnden Farben verziert. Diese Querwand, die der Hütte erst ihre gemüthliche Häuslichkeit verlieh, lief nicht allein längs der der Thür zugekehrten Seite des Ruhebettes hiu, sonderu schloß auch die halbe Väugc der auderen Seite ein. Das Lager des Mannes war weuiger regelmäßig und bequem, indem es bis hart an die Thür reichte; es hatte auf dieser Seite uur den Schutz einer dünnen Thonwand ohne Verzierung. Mit der Heimlichkeit, die auf diese Weise den doch nur ein einziges Gemach bildenden Hütteu gegeben war, staud die Größe der Thüren in vollkommenem Einklänge; sie waren von eiförmiger Gestalt uud selbst nach afrikanischen Begriffen besonders klein und eng, vorzüglich diejenige der Hütte e, welche uur etwa 2 Fuß Höhe und 10 Zoll Weite hatte — eine Grüße, die, wie ich glaube, mancher ganz schlank gebauten europäischen Dame keinen Eintritt gestatten würde; 426------ wirtlich möchte man glauben, daß sic dazu bestimmt war, ohne wcitcrcil Verschluß die junge Ehefrau zu Hause zu halteil, luich-dem sie einmal als Iuugfrau so glücklich gewesen, sich hiudurchzu-zwängen. Ungeachtet der höchst geringen Beleuchtung, die durch das enge Thiirchcn in das Innere der Hütten siel — denn ich brauche kaum zu sagen, daß afrikanische Hütten keine Fenster haben — wareu diese heimlichen kleineu Wohnungen dennoch reich mit Farbenschmuck ausgc> stattet, indem die Hütte c in dieser Hinsicht ihre Schwcsterhütte durch die Harmonie ihrer Farbentöne übertraf; die Farben bildeten nämlich abwechselnde breite Streifen von Vrauu und Weis; und gaben dem Ganzen einen recht stattlichen und iu seiner Weise vollendeten Charakter. Gewiß gab die ganze Einrichtung dieser beiden Hütten ein beredtes Zeuguiß eines sehr entwickelten Gefühls häuslicher Bequem^ lichkcit, ja man möchte sagen, Wohulichfeit. Natürlich find die Bedürfnisse dieser ^eute gering, aber kleine zweckdienliche Zugabeu, besonders ans Stroh geflochtene Gehänge zum Aufhängen von Schüsseln, kleine, aus Leder gearbeitete Schmuckkästchen und dergleichen, fehlten diesen Augenblick unv wegen der Abwesenheit der Bewohnerinnen. Was den von den drei Hütten und der sie verbindenden Thonwand eingeschlossenen inneren Hofranm betrifft, fo war hier zwlfchcn den Hütten 1) nnd c? eine Hinterthür f. etwas über dem Hoden erhaben und von sehr geringer Größe, offenbar bestimmt, Besucherinueu einzulassen, ohne sie zu zwingen, das Vorzimmer oder Wohnzimmer des Mannes zu passircu. Zu gleicher Zeit zeugte dies Hinterpförtchen von großem Zutrauen des Mannes in die verständige Sittsamteit der Fraucu. Iu diesem inneren Hof waren zwei große Thougefäße, das größere («) die Koruurue — „basam" —, das kleiuere (<1) die Nassernrne — „gebcmi" — darstellend. In dem Winkel zwischen der Hütte n uud der Umfassnngsmaner des Hofrmnnes war die Kochstelle (k) zum Bedarf des Haufes. Es mag vielleicht anffallcn, daß in dieser so beschriebenen Häuslichkeit gar kein Namn für Sklaven ist, und im Allgemeinen mnß ich meine auf Erfahrung gegründete Meinung dahin aussprechcn, daß ein Mann, so zu sagen, aus dem Mittelstaude, wenn er ein oder zwei rüstige Frauen besitzt, selten zu seinem Hausstaude einen Sklaven gebraucht; natürlich bedarf er deren zum Feldbau; diese wohnen dann aber meist in besonderen Sklaven-dörfcrn — „rnmde" —. UebrigenS stand noch iu dem äußeren weiten ------ 427 - . Hofranm, dcr mit einer Umzäunung ans dem Rohre dos Sorghnm eingefaßt war, einc andere Hütte, wiewohl hier angcnblicklich nur cm eingeborner Mallen: oder Schillmcistcr wohnte. '^on dem äußereu Hose ans entfaltete sich cm höchst interessantes Panorama liber ein weites Gebiet dcr Landschaft im Süden, uud ich war iiu Stande, von hier aus eine große Anzahl von Winkeln zu nchmcn. Ich zcichnrte hier auch die uebeustcheudeu Umrisse eiucs höchst ei^'l^ thümlicheu, iu Kuppcu aufstcigcudcu Höhcnzugö, dessen Naiucn ich nicht erfuhr'). Ssarau ist dcr am hüchsteu gelegene Ort auf dem letzteren Theile dieser Straße, wiewohl dcr höchste Punkt der Wasserscheide zwischen dem Becken des Tsad und dem des großen westlichen Flusses mit seinem östlichen Nebeuarm, wie ich zuvor angab, der Paß im Norden von Uba zu sein scheint. Doch ist die 5/agc vou Ssarau iu anderer Hinsicht von ansehnlicher Äedentnng. Es ist nämlich dcr Pnnkt, wo die Straße von ^oggeue uud dem ganzen nordöstlichen Gebiet von Adamana mit der uon Ku-taull kommenden geraden Straße sich vereinigt; jene nordöstlichen Landschaften Adamaua's aber schließen mehrere bcdcntendc Mittelpunkte von Industrie nnd Handel ein, vor allen Fatanel, die Niederlage nnd den Hauptmarltplatz des ganzen Elfrnbeinhandels in diesen Gegenden. Diese Lage des Ortes scheint der Grund gewesen zn sein, weshalb eine Schaar ausgewanderter Bornu^cutc, als ihr Heünathlaud durch die Eroberung dcr Fulbe oder Fellata in einen Abgrnnd von Unglück gestürzt war, sich hier niedergelassen nnd eine kleine Stadt für sich gegründet hat. Es ist in der That auffallend, wie der gauze Aublick von Ssa-ran Vereberc, dem von Vornn-Lcutcn bewohnten nördlichen Dorfe dieses Namens, von demjenigen von Ssaran Fnlfnldc oder Fellani, dem von den ssulbe oder Fellani bewohnten gleichnamigen südlichen Dorfe, verschieden ist, sowohl in dein ganzen Eharakter dcr Ortschaft, als demjenigen ihrer Bewohner. Hier Alles düster nnd melancholisch, ') T>a ich bei meinen BcrgsliMn »mr dic Umrisse dcr Vrrge selbst darstellen wollte, ist der Vordergrund ganz flach und ohne Gliederung gehalten. ------ 42«------ mit kleinlicher Sorgfalt angelegt; höchst regelmäßige Hütten mit überaus sorgfältig geflochtenen Rohrdächcrn; wenige kümmerliche Bäume, ihren spärlichen Schatten ausbreitend; die männlichen Bewohner mit ihrer dunkel - schwarzen Hantfarbe, in dnnkcle Toben gekleidet, mit breiten Nüstern nnd düsteren Zügen; die Frauen wohlgenährt, mit kurzen, runden Formen — in der That sind sie die schönsten Bornanermnen, die ich je gesehen habe — mit vollem Busen, ihre Zuge Ucrnnstaltet dnrch eine Korallenperle im Nasenflügel nnd ihr Haar mit peinlichster Sorgfalt in Gestalt eines Helmes frisirt. Dort im Fnlbc-Dorfc leichte, lnftigc Hütten, die Gehöfte von reicher Vcgetationsfülle belebt, Alles sprossend nnd freundlich, Menschen nnd Vieh in tranlichster Geineinschaft; die Männer von geradem schlanken Wüchse und heller Hantfarbr, mit offenen, lebensvollen, intelligenten Zügen, weißen, sanbcr gewaschenen Hemden; Francn nnd Mädchen in den leichtesten, anmnthigsten Formen, das Haar leicht in Locken alls den schlanken Nacken herabfallend, den Hals mit Reihen bunter Perlenschnürc geschmückt, nm den Leib ein helles Gewand; — so ist Alles in diesen beiden so nahe zusammenliegenden Dörfern verschieden. Ich habe schon erwähnt, daß wir, ehe wir das nördliche Dorf betraten, eine Färberei passirten; eben so wird hier Baumwolle in gewisser Ausdehnung gebaut. Die Bewohner von Ssarau Bcrcbere sind Weber nnd Handelsleute, die von Ssarau Fellani Viehzüchter und Randbauer; dort ist die tägliche Kost der Bewohner der ewige „ngadji" (trockener Teig aus Sorghum, mit dem den Blättern der Kuta abgewonnenen armseligen Safte befeuchtet) nnd znr höchsten Festfeier eine etwas übelriechende Fischsauce; hier bilden Milch nud Erdmandclu die Hauptnahrnng. Bei aller Wichtigkeit aber ist Ssarau doch nur ein kleiner Ort und ich schätze die Bcvälkernng dcs nördlichen Dorfes auf höchstens 20N0, die des südlichen auf etwas mehr, zwischen 2000 und 3000 Seelen. Es ist, nm die politischen Znstände dieser Vändrr richtig zu beurtheilen, die Bemerkung nicht ohne Interesse, daß doch selbst diese Bornu Kolonie von eiuem Pnllo- oder Fellata-Amtmanu regiert wird; die Einwanderer werden aber übrigens nicht gedrückt, sondern gern gesehn. Adamana ist, wie gesagt, ein vielversprechendes Land der Kolonieen. Anch Ssaran übrigens hatte von Theuernng zu dulden, aus demselben Grunde, den ich schon oben bei anderen Ortschaften angegeben habe. ------ 429 ------ Man säet und erntet hier nämlich zweimal ill, Iahrc; die erste Aussaat geschieht gleich nach den erstell Regengüssen, die zweite am Ende der Regenzeit, nachdem die erstere bereits gereift und gecrntet war; die erste Ernte wird gewöhnlich im Monat Inli gewonnen. Die zweite Aussaat mm, welche gerade das Bedürfniß zn der Zeit des Jahres decken soll, in der wir uns jetzt befanden, das heißt, wenn das neue Korn gcsäet und der alte Vorrath zu Ende ist, war der Kricgsuntcrnehmungcn wegen im vergangenen Jahre ganz ansgefallen. Wir hatten daher nicht geringe Schwierigkeit, uus den nöthigen Bedarf, namentlich für unsere Pferde, zu verschaffen. Hätte ich für meine ärztliche Hülfe von den vielen Kranken, die hier Heilung ihrer Gebrechen bei mir snchtcn, auch uur einen t'lciuen ^ohn nehmen wollen, so wäre dies freilich etwas leichtes gewesen; allein dies wollte ich nicht, auch wenn wir nicht ausdrücklich von der englischen Regierung angewiesen worden wären, Arzneien ohne Bezahlung zu verabreichen. Da ich jetzt jede Mußestunde benutzte, nm mich in der Sftrache der Fulbc zu vervollkommnen, so verwendete ich auch den folgenden Morgen ganz zn diesem Studium; dann bestieg ich mein Pferd, um den Martt zu besuchen, welcher hier am Sonntag und Dunnerstag abgehalten wird. Er war keineswegs reichlich ausgestattet, doch muß mau in Betracht ziehen, daß während der Zeit, zn welcher die Felder bestellt werden, die Märkte des Sudaus überhaupt weniger bcdcutcud sind. Es ward ziemlich viel Rindvieh zum Verkauf ansgeboten, auch wnrdc frisch geschlachtetes Fleisch in kleinen Quantitäten verkauft. Dir hauptsächlichsten Artikel waren anßcrdem Erdmandeln, Butter, eine kleine Quantität Reis, Salz und Seife. Diese letztere ist ein Gegenstand von Bedeutung für den täglichen Verbrauch ill allen von Fnlbe bewohnten Vändern und wird iu jedem Haushalt bereitet, während es iu anderen Ländern des Sudans selbst in den größten Städten unmöglich ist, sich diesen so wünschenswerthen uud nothwendigen Artitcl zu verschaffen. Ein Beweis des großen Mangels im ganzen ^ande war, daß selbst auf diesem wichtigen Markte tein einheimisches Korn irgend welcher Art feilgeboten wnrdc. An Klciduugs-stücken waren einige wenige Turlcdi zn finde», und ich selbst lieferte ein Stück auf deu Martt, um mir > zum Einkauf der kleineren täglichen Bedürfnisse die gangbare ^andcsmünzc zn verschaffen. Diese besteht anch hier iu schmalen Streifen einheimischen Baumwollengewebes, bei den Fulbe „leftfti" genannt, etwa 2^ Zoll breit, wiewohl die ------ 430 — Breite nicht immer dieselbe ist; Muscheln, „tschede" auf Fulfulde, haben keine Geltung. Das kleinste Maaß ^uer Streifen ist die „na-nande", etwa 4 Klaftern; 7 Nanande machen cine „dura", das heißt ein kleines Hemd von gröbster Arbeit und mehr znm Tauschmittel als zum Gebranch bestimmt; 2 bis 5 Dora machen wieder eine Tobe, „gaffaleul", von sehr verschiedener Grüße nnd Güte. Für die Tm'-tedi, die ich in Kano für 1800 Muscheln getauft hatte, erhielt ich einen Preis, der 2800 Muscheln gleichkam, allerdings nach hiesigen Begriffen, nnd wenn man die Fährlicht'eit des Weges in Anschlag bringt, lein großer Gewinn; jedoch versteht es sich von selbst, daß Eingeborne billiger taufen nnd thenercr verkaufen, als Fremde. Ich war übrigens so glücklich, ein für mich sehr erwünschtes Tauschmittcl ausfindig zu machen; es waren dies Gewürznelken, die, wie ich fand, hier der einzige gesuchte Artikel waren und von denen ich einen zien^ lichen Vorrath besaß. Ich erhielt für 30 Stück, nnd als ich etwas zurückhaltender mit meiner Waare wnrdc, sogar für 25 Stück einen Streifen Äanmwollmzeug. Anch gelang es mir, für cm Paar englische Schceren mehrere Hühner nnd Korn für drei Pferde zu erhandeln, so daß wir trotz der Theuerung Alle, Roß nnd Mann, eine Hülle von Speise hatten. Ich besnchtc auch das ansschließlich von Fulbe bewohnte Dorf oder Ssarau sscllani. Hier erfreute mich besonders neben dem schönen Baumschmuck vcrschiedcucr Palmen und der I''ii«l», ^apa^a das stattliche Anssehen der Wohnnng des Ortsvorstehers im Vergleich mit der Armseligkeit der umherliegenden Wohnnngen. Ein sehr geräumiger, Monger Hofraum umgab mehrere Hütten; der Eingang in denselben wurde durch eine runde lnftige Hütte von etwa 25 Fuß Durchmesser gebildet, deren Thonwände von der Flur bis znm Rohrdach etwa 10 Fuß Höhe hatten; auch die Thüröffnungen waren geräumig, etwa 8 Fuß hoch, und die ganze Hütte bildete einen köstlichen kühlen Ruheplatz in der heißen Jahreszeit. Der Besitzer dieser anständigen, höchst sanbern Wohnung war ein unglücklicher blinder Mann, der auf die Schulteru seiner Diener gelehnt das Gemach betrat. Er ward geführt von einem Mallem oder Modibo, der entschieden einer der stattlichsten Männer war, die ich im Vande gesehen habe, und eher ciuem Enrupaer als einem Bewohner des Bandes der Schwarzen glich; auch derblinde Vorsteher war für einen Pullo hochgewachscu nnd stark gebant. Neberhaupt bewies das Aussehen der Bewohner beiderlei Geschlechts, daß Ssarau ein der physischen Entwickelung höchst günstiger, gesunder 431 Ort fein müsse. Auch von einem gewissen Grade geistiger Bildung legten diese Leute Zeugniß ab. Endlich giug es Äiontag den 16. Imu wieder weiter. Zu früher Stunde waren wir auf dem Marsch und zogen hart an der westlichen Seite des Dorfes der Fulbc hin. Der Boden bildete einen kleinen ilamm und der Paß war gewunden, so daß wir jeden Augenblick eine neue Ansicht der Berge um uns her hatten, und ehe wir von diesem höheren Boden abwärts stiegen, zeichnete ich die nebenstehende Ansicht der Landschaft hinter uns, wie sich der Höhenzug von N. 30 O. bis O. 3<» N. hinzog. Das ^aud blieb rauh und felsig, obgleich es gelegentlich von angebautem Boden uuterbro-chen war. Eine Berggruppe von interessanter Form, Namens Kont'cl, entwickelte sich ans uu> serer Rechten. Nachdem kür dann um 5, Uhr Ackcrlaud vuu auschnlichcr Ausdehnnug betreten hatten, erreichten wir eine Viertclstnnde später Bclcm, die Residenz des Mallem Dalili, eines Mannes, von den: ich in Ssarau viel Vobeus-werthes gehört hatte. Äillama wüuschte, den Tag hier zuzubringcu, aber mir lag am Herzen, mciuen Marsch fortzusetzen, da wir schou deu ganzen vorhergehenden Tag eingebüßt hatten; zngleich jedoch wünschte ich, die Belanntschaft jenes Mannes zn machen, den alle Welt seiner vortrefflichen Eige»ischaftcn halber gepriesen hatte. Ich machte daher mit meinen berittenen Beglei-teru einen Abstecher ill das Dorf, während der Troß weiter zog. Wir faudcu den Mallem in seinem Hofe im Schatten eines Baumes sitzrud. Er war ein ehrwürdig aussehcuder alter Maun, Wenn er gleich in ein altes, abgetragenes und verfärbtcs Hemd gekleidet war; sein Haupt war mit der cug anschließenden, alten beuten so kleidsamen grünen Kappe, dem sogenannten Wwemnaul, bedeckt. Nach de» ersteu Be^ ------ 432 ------ grüßungen und Fragen erklärte er, daß er sich beleidigt fühlen würde, wenn ich nicht den Nachmittag bei ihm bliebe; nnd so war ich zuletzt genöthigt, meine Kamcele und ^eute zurückhulcu zu lassen. Ich bedauerte zwar zuerst den Verlust eines weiteren Tages, da ich mit Ungeduld den eigentlicheu Zweck der Ncise nach Adamana, den langersehnten Strom, zu erreichen trachtete; doch söhnte manche interessante Beobachtung uud Begegnung mich bald mit diesem Aufenthalte in Belcm ans. — Neu, aber mit den fthysischen Verhältnissen der Äquatorialgegenden zusammenhängend war für mich der Anblick besonderer Stallungen für Pferde. In Bornu uud Haussa werden selbst die edelsten Pferde allen Wechseln des Wetters ausge-setzt, da diese letzteren in der That das ganze Jahr hindurch nicht von großer Bedeutuug sind. In den Landschaften der Aeqnatorial-zone aber machte die so viel länger anhaltende Regenzeit mit den bei weitem heftigeren Regengüssen den Schutz eines Obdachs für diese Thiere unentbehrlich. Die Ställe bestehen ans rnnden geränmigen Hütten mit ungewöhnlich hohen ^chmmauern. Auch für das Rindvieh werden hier wenigstens Schutzdächer auö Rohr erbaut. Der Pflauzenwuchs war besonders reich iu diesem Orte. Ich selbst lagerte im Schatten eines Niini oder Äentchi, des von Mungo Park so schön beschriebenen Bentangbamncs (ki-it!!'r )>,'is,' nach ^iimimim. — EnttiMülig l>«'« 5llomnn«n« ^enuo ulld öaro. — Uückkchr »ach 3s>ll«uln. Zu friiher Stunde verließen wir (18. Juni) das ungastliche Ssullcri, Es war ein herrlicher Morgen; nach dem nächtlichen Gewitter strahlte die Natur rings um mich her in erneuter Frische nnd stimmte so ganz zn den freudigen Emvfindnngeu, die auch mich heute neu belebten. Sollte ich dach nach mancher trüben Stunde, nach manchem Mühsal heute den Trinnwh feiern, an den Ufern des Stromes zu stehen, von dem ich so viel gehört, nach dem ich so lange geforscht hatte. Die Mhc des gewaltigen Flusses ward zuerst angezeigt durch eine große Menge Ameisenhügel von einer Höhe uud Größe, wie sie nnr in dcr Nachbarschaft von Flüssen auftreten. Im Gegensatz zn denselben Gebilden in andern Gegenden hatten sie nicht die Gestalt kleiner, im gothischen Styl aufgeführter Bauwerle, sondern bestanden in abgeflachten pyramidalen Anhöhen von gewaltigem Umfang, bis zu M Fnß Durchmesser und 3l) Fnsi Höhe. Sie waren in Parallelen Reihen aufgeführt, nnd offenbar durch unterirdische Gänge mit ciuauder verbunden, bildeten sie ganze Ketten systematischer Bauten. Wir waren noch nicht weit don Tsullcri entfernt, als Mo-hammedn, der Pullo unter den Boten von Adamana, dcr meinem Interesse an Vand uud Veuten stets mit großer Bereitwilligkeit zn dienen suchte, auf die dunkeln Umrisse eines fcruen Verges deutend, frohlockend ausrief, dies sei der AlauMa. Ich strengte mein Gesicht an und erblickte in großer Entfernung nach Südwesten hin eine bedeutende, aber vereinzelte Bcrgmasse, die mit der Ostseite steil nnd jäh aus dcr Ebene aufstieg, aber nach Westen in allmählichem Zuge sich absenkte. Dabei bildete sie einen ziemlich ebenen und breiten Gipfl-i, der gewiß einige Ausdehnung haben muß, da er die Gebiete bo £ C _ W •s, ■- x 1 gs. S «a 'S S "2 a r s; >H ____ 4>57 ____ sieben lleiuer unabhängiger heidnischer Häuptling' einschließt. Indem ich nach der Eutferuuug urtheilte, die mir ziemlich genau aus den eingezogeucu Nachrichten bekannt war, schätzte ich die >^öhe dcs Verses zu etwa M00 Fuß über der Ebene oder etwa 9000 Fuß absoluter Erhebung über dem Mceresuiveau; es mag etwas weniger sein, aber wohl nicht viel. Hier war noch etwas Ackerland, das gegcuwärtig die schönste Saat des „masr" oder von den Fulbe Adamaua's „butali" genannten Kornes zeigte; eiu wenig weiterhin aber betraten Wir eine sumpfige Ebeue, die Sawanne von Fumbiua, die sich bald iu engerem, bald iu breiterem Strciscu am Flußc entlang hinzieht. Mit hohem Snmpf-grase überwachsen und von einer Menge großer, mit Wasser gefüllter Vöcher unterbrochen, llalun sie bedeuteude Vorsicht beim weiteren Marsche in Anspruch. Diese gan;e grosse Thalebene ist alljährlich l^zwei Monate später iu der Regenzeit) gänzlich überschwemmt; jedoch liegt iu ihrer Mitte, auf einem etwas höheren Boden, der wie ein künstlicher Tchutthügel aussieht, eiu llriues Dorf, die Wohnstätte der Fährleute des Benne. Wahrend wir an ihm eutlang hinzogen, kamen die Buben hinter uus dreiu gelaufen, schlanke, wohlgewachsene Bursche, durch rastlose Thätigkeit uud tägliches Badeu gekräftigt, die jüngeren ganz nackt, die erwachseneren mit einem kleinen ^ederschurz um die Hüfteu. — (5iuc Viertelstunde später staudeu wir am Ufer des Benue. Es ereignet sich nur selteu, daß eiu Reisender sich nicht getäuscht fühlt, wenn er nach laugen fehlgeschlagencn Versuchen endlich die Züge eines neue» Bandes wirklich vor sich sieht, von dem ihm seine Vorstellung nach der Beschreibung der Eiugcbornen ein Gemälde entworfen hat. Mit dem Alantila war dies auch jetzt bei mir der Fall, da dessen Gestalt und Größe, wie er in abgeruudetcn Umrissen aus der flachen Ebene aufstieg, keineswegs der Vorstellung entsprach, die ich mir von ihm gemacht hatte; der Fluß dagegen, anstatt daß seine Erscheinung mich getäuscht hätte, übertraf meine lebhafteste Erwartung, iieiuer der Eiugrbm'nen, der mir Kunde vom Fluße gegebeu, hatte mir vorausgesagt, das; ich ihn gerade au der iuteressautesten Stelle überschreiten würde >— dem „Taepr" -, da, wo sich mit dem mäch tigereu Flusse riu anderer vou gleichfalls bedeutender Größe vereinigt. Wer je den schrauteuloseu Phantasircu eiues Iugeudtraumes sich überlassen hat und einem großeu Plane nachgegangen ist, wird sich leicht eine Vorstellung vou den Gefühlen macheu können, die mich bewege» mußte», als ich vom Ufer herab meine Blicke über die Fluß- 4'^ andschaft schweifen ließ. ^>on stummen Entzücken ergriffen, fchantc ich sprachlos in das Land hinein. Wie die Natur es geschaffen, ohne von der künstelnden Hand des Menschen berührt ;n sein, lag diese reiche Landschaft da, ein Feld der Thätigkeit tmnmendcr Geschlechter. Das ganze Land trng den Character wüster Wildniß, und kaum war das anders möglich in einer (legend, die alljährlich dnrch die ssluthen des hoch über seine Ufer tretenden Stromes Meilen weit unter Wasfcr gefetzt wird. Der Hanptstrom, der Be-nne oder Be-noe '), floß hier von Dst nach West, in majestätischer Breite, dnrch ein vollkommen offenes ^and, aus dem nur hie nnd da vereinzelte Berghohen aufstiegen. Die gegenwärtigen Ufer anf nnsrrer Seite stiegen bis N nnd an einigen Stellen bis H) Fnsi in die Höhe, während gerade meinem Standpunkte gegenüber, hinter einer Sandspitzc, der Faro hervorstnrzte und, vc>n hier gesehen, nicht viel kleiner schien, als der Hanptflnß selbst; er lam in schön gewundenem Vaufe von Südosten, wo er sich in der (5bene verlor, aber in Gedanken von mir bis an den steilen östlichen ssuß des Alantita verfolgt wurde. Der fo gebildete Doppelstrom hielt sich nntcrhalb des Znsammeuflnssrs in der Hanptrichtung des größeren Flusses, machte aber eine leichte Biegnng nach Norden und stoß am nördlichen ^nße des Berges Bagele entlang. Hier entzog er sich dem leiblichen Ange, indem Berge lion Norden her bis hart an sein Ufer herantraten nnd ihn abzudämmen schienen. Im Geiste aber folgte ich dem Vanfe des herrlichen Stromes durch die Gebirgslandschaft der Batschama nnd Sina nach Hamarrua, nnd weiter, wie er von dort, ans seiner westlichen Bahn etwas nach Süden ablenkend, dnrch das ?and des einst politisch bedcntenden nnd durch einen gewissen Grad von Indnstrie hervorragenden Kororofa dem größten Strom im Westen dieses Kontinents zneilt, nin mit ihm vereint seine Wasser in dem Atlantischen Ocean zn begraben. ^ange schaute ich in stillem (Entzücken anf den Flnß zu meinen ') ^ch hörte den Namen anf diese Weise anssprechen, aber weiter abwärts mag er „bi-nue" ausgusprochen werden. Daß Wort gehört der Batta-Sprache an, «n welcher „bee" oder ,.be" „Wasser" bedeutet, aber in verwandten Dialekten wlid es „bi" genamit, ^ „Nlie" bedeutet „Ätutter" uud der gauze Name Be-»ne demnach „Mntler der ^cN'ässci" und ist daher eigentlich weiblich. Die Gebriider Lander nannten ihn irrthiimlichcrwcisr Tschadda oder vielmehr Tsadda; sie wurden hierzu wohl nur durch die vorgefaßte Meinung bewogen, er sci ein Ausfluh des Tsad. ------439 Füßen; cö war einer der glücklichsten Augenblicke meines Bebens. Zwar hatte ich nach den in Kutaua erhaltenen deutlichen Angaben im leiste längst die Frage entschieden, daß der Fluß, von welchem die Reifenden in Aoamaua erzählten, die obere Fortsetzung des von den Engländern William Allen, ^aird und Oldfield in seinem untern Vanfe niedergelegten Stromes sei; nun aber tonnte ich auch mit der Bestimmtheit eines Augenzeugen von der Natur nud Richtung dieses großen Binnengewässers sprechen. Es war entschieden, baß der Benue mit dem Kuara eine ununterbrochene und herrliche natürliche Nasser> straße bilde, auf welcher einst die rüstigen, Alles überwältigenden Kräfte des Nordens in das Herz des tropischen Afrika Eingang finden werden, nm die Schätze dieser gesegneten Bänder zu heben uud die Keime menschlicher Glückseligkeit, die auch hier in dem einfachen Vcbcn der Eiugcborncn in reichem Maaße verborgen liegen, von dem Drucke der Sklaverei nnd der Jagd auf Menschen zn befreien uud zu voller Entfaltuug zn briugen. Wohl sah ich schon die Wimpel Europa's heranschwimmen, ahnte aber dennoch nicht, in wie kurzer Zeit ein Fahrzeug, wie es die jüngste Erfindungsgabe der Europäer geschaffen hat, bis nahe zu der Stelle vordringen sollte, wo man mich heute in einem ausgehöhlten Baumstamm über den Strom führte '). Das Ufer, auf welchem wir standen, war ganz entblößt von Banmwuchs mit der einzigen Ausnahme einer sehr armseligen Akazie etwa hundert Schritt weiter anfwärts am Flusse. Auf dem gegen-überlicgcnden Ufer aber, längs des Faro und unterhalb der Vereini-guug beider Ströme, waren einige schöne Vaumgrnppen in schwachen Umrissen zn scheu. Während im Süden der Alantifa eben sichtbar wurde, erhob sich im Westen, nördlich vom Flusse, ein anderer isolirter Berg Namens Taifc, nnd hinter ihm der Bengo, an den die Höhe des Furo sich anzuschließen schieu und in langer ^inie nach Nordwcst hinzog. Wir stiegen vom höheren Ufer an den sandigen Strand znm Punkte der Einschiffung hinab; dieser befand sich augenblicklich an der Mündung eines tief eingerisscnen, jetzt trockenen Wasserlaufes, der ') Die Benue-EMbition, welche in Aolge meiner Entdeckung unter der Leitnug Dr. ÄaiNe's ausgesandt war, gelangte im September 1854 mit dem Dampfer „Plejadc" den Äcuue hinanf bis nach Hurowl,'-, v^'u hier snhi Bailie in Booten noch ^ bis !1 deutsche Mcilcn weiter stromauswärt« und lam bis DuM, war somit nnr etwa 15> Meilen (1 Grad) von der Stelle entsernt, wo ich den Venue überschritt. 440 ------ von den Wiesengrüudeu nach dem Flllsse hinabführte uud mit hohem Riedgras nnd Buschwerk angefüllt war. Hier war auch das arm liche Arseual der Fährstelle; es bestand in drei Nachen, von dexeu noch dazn einer unbrauchbar war. Es war dies das erste Ntal auf meinen Reisen, daß ich diese kleinen, tnnstloscn, aus ciucm einzigen Baumstamm ausgehöhlten Nachen erblickte. Sie maßen 20 bis ^0 Fnß in der Länge, hatten nnr 1 bis 1^ Fuß Tiefe nnd 1U Zull in der Weite; einer derselben war so krnmm, daß ich mir nicht vorstellen tonnte, wie er im Stande sein sollte, die starte Strömung des Flusses zu durchbrechen. Am Ufer lag zwar ein größeres Fahrzeug, welches aus zwei durch Taue verbundenen gewaltigen Baumstämmen bestand; allein es war in dnrchans nnbranchdarem Znstand. Da dic Bootsleute, welche sich gerade auf dem Fluß befaudeu, aus irgend einer Ursache, vielleicht ans Furcht, zögerten, au das Ufer zu komme», konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ein Flußbad zu nehmeu; das kühle Bad tonnte zugleich dic symbolische Bedentnng haben, daß ich mir so die von mir gemachte wichtige Entdeckung in aller Form aneignete. Allerdings beherbergt der Fluß viele Krot'o dile, allein ich brauchte sie gegenwärtig wenig zu fürchten, da wir so viel gcschosscu hatteu uud eiue solche Auzahl Meuschen zu viel Geräusch machten. Die Gefahr der offeueu Flußbäder für die Ge suudheit der Europäer in einem tropischen ^tlima lannte ich damals noch nicht. So stieg ich de»n in das Wasser des Beuuc hinab. Das Bett seutte sich nach dem ersten Abfall von 1^ Fuß sehr gemach, so daß ich in der Entfernung von 40 — 5,0 Schritt vmn Ufer nur 3^ Fuß Wasser faud, dauu aber wurde es auf einmal tief. Die Strömung war so start, daß ich unfähig geweseil wäre, ihr zu wi» dersteheu, hätte ich mich deren ganzen Heftigteit ausgesetzt. Freilich hatte meine ursprüngliche ^raft damals schon bedcntend abgenommen. Der einzige Vortheil, den iä> von dieser Heldenthat zog, war der, baß ich erfuhr, der Flnß führe Gold mit sich; denn so oft ich untertauchte, ricfeu die Leute am User aus, daß ich uach diesem edleu Metalle suche, uud als ich aus dem Wasser heranslam, waren sie überzengt, daß ich eine Menge davon aufgefischt hätte. Endlich kamen die Kähne, die uns hinüberführeu sullteu, nud es entspann sich eine lange Verhandlung mit dem ältesten der Bouts^ leute, einem stämmigen, untersetzten Bnrschen, über den Fährlohn. Natürlich hatte ich als Hanptperson fiir die ganze Gesellschaft zu bezahlen, uud sämmtliche Personen mit drei Kameelen und fünf Pferden ____44 l ____ überzusetzen, war cbeu keiue kleine Aufgabe. Ich mußte fünf „dora" bezahlen, und das war gerade uicht übertrieben; iu Kukaua würdc dieser Preis zwei Ochscnladuugen Hirse gleichgckommeu sein. Nicht wenig Mühe uud Gefahr verursachte mein ungefüges Gepäck iu den elenden schwankenden Fahrzeugen, die mehr als Einmal nahe daran waren, umzuschlagen; doch brachte ich Alles trockeu hinüber. Nicht so glücklich war der Pullo-Wallfahrer, welcher sich uus iu Mabaui augeschlosscu hatte; deuu hier war es, wo seine sämmtlichen Bücher durchnäßt wurdeu. Ich konnte ihm meine Theilnahme nicht versagen, als ich ihn unter heißcu Thräueu seine verdorbenen Schätze alls dem gegeuüderliegendeu Ilfcr zum Trocknen ausbreiteu sah. Die Pferde schwammeil au der Seite der Kalme uicht ohne große Anstrengung hinüber; eine wahrhaft verzweifelte Arbeit aber war es, die Kameele durch dcu Fluß zu driugen. Diese halsstarrigen Thiere der Wüste wollten sich nicht durch die schwachen Fahrzeuge leiteu lassen- und mußten allein durchgebracht werden; dabei konnten sie nur durch die ernstlichsten Schläge bewogen werden, im Wasser vorwärts zu geheu, bis ihuen der Boden unter den Füßcu wich. Doch kamen endlich Menschen nnd Thiere wohlbehalten auf der sandigen Landspitze zwi^ schcn den beiden Flüssen au, deren höherer Theil jetzt 15) Fuß über das Niveau des Flusses emporragte, während sie zwei bis drei Monate des Jahres ganz mit Wasser bedeckt ist. Der Belme war an der Stelle, au welcher wir ihu passirt hatten, zum wenigsten 1200 Schritt breit und im Strome durch--schnitllich 1l Fuß tief. Nach gleich zn erwähnenden Anzeichen aber mußte er nnter gewöhnlichen Umständen noch H>, bei anßerordentli-cher Höhe noch 50 Fuß steigen, um den höchsten Wasserstand der Regenzeit zu erreichen. Sein oberer Vans war mir damals bis nach Grwe, der Übergangsstelle auf der Straße uach ^ogoue, eiuigermaßeu belauut; aber in Bezug ans seinen Vauf weiter aufwärts hatte ich uur im Allgemeinen gehört, daß er von Sildeu uud uoch weiter aufwärts vou Südwestru komme. Es war 12^ Uhr Mittags, als wir die schattenlose Vandspitze verließen, um nun auch den Far» zu überschreiten. Dieser Fluß soll vom Berge Vabul, rtwa siebeu Tagereisen nach Süden von seiner (5in> mündnug in den Benue, herkommen. Er war an dieser Stelle etwa R»<) Schritt breit, aber im Durchschnitt uicht über zwei Fuß tief; dabei war jodoch die Strömung uugleich reißender, als die des Hauptstroms, nnd verkündete in ihrer Starte ein aus bergiger Landschaft kommendes ------ 442------ Gewässer. Alis den eben genannte», Verhältnissen dcr Breite und Tiefe des Faro geht augenscheinlich hervor, daß er der kleinere der beiden Ströme ist. Dennoch hatten mir fast alle ^eute, von denen ich die ersten Nachrichten über dieses Stromgebiet erhalten, den Faru als den bedeutenderen der beiden Arme genannt. Der Grund dieses Irrthnms lag wohl, abgesehen von den: Einflüsse verschiedener Jahreszeiten, besonders in dem Umstände, daß alle meine Berichterstatter die beiden Ströme niemals an dem Tarpe gesehen hatten, demjenigen Punkte, wo man ihre Wassermenge, am besten mit einander vergleichen kann. Nachdem wir also das jenseitige Ufer glücklich erreicht hatten, betraten wir ein flaches, mit hohem Scknlfgras bewachsenes Wiesenland, das nm die Mitte des Juli ebenfalls überschwemmt zn sein pflegt. Hier zeigten unverkennbare Spnren, daß zur Zeit der größten ,vlnthhöhe — die natürlich in verschiedenen Jahren verschieden fein tann — nur die Kronen der höchsten Bänme alls dem Wasser hervorragen und dieses feinet» gegenwärtigen Stand alsdann noch um mindestens 5,0 Fuß übersteigen muß. Drei Viertelstunden von dem gegenwärtigen Rand des Wassers erstiegen wir eine terrassenförmige, etwa 30 Fuß hohe, Erhebung, welche als das eigentliche südliche User dcS ganzen Strombettes angeschen werden muß. Denn hier verläßt man erst znr Zeit der höchsten Ueberschwemmnng die Boote und muß auch dann noch oft eine bedeutende Strecke durch das ausgetretene Wasser des angeschwollenen Stromes Waden. Nach der Anssage meiner Reisegefährten von Ada-mana erhält sich dieser auf seinem höchsten Wasscrstandc 40 Tage lang oder etwa vom 20. Augnst bis Ende September. Diese Angabe sowohl als das, was ich über die größte mögliche Hlnthhöhe hier bemerkt habe, ist dnrch die Beobachtungen vollständig bestätigt worden, welche bei der in Folge meiner Entdeckung von der englischen Regierung im Jahre 1854 ausgcsandtcn Benne-Erpebition angestellt worden sind '). Das ^and, durch welches mm nnser Marsch führte, bildete eine schöne, parkähnlichc Ebene, die mit einzelnen Mimosen, aber ohne ') Das Schicksal der im Jahre 185? nach dem Niger gesandten englischen Expedition, deren Dampfer „Davfpling" am .'l)a scheiterte, hat den traurigen Vcwcls geliefert, wohin cö führt, wenn man solche von der Nalnr vorgeschriebene Gesetze unberücksichtigt läßt. ------ 443 ------ Unterholz, bestanden war. Weiterhin folgte augebanter Boden und bald erreichten wir die ersten Hüttengrnppcn des großen, weit ansge> breiteten Dorfes Tschabadjaure oder Tschabadjanle in einer höchst fruchtbaren, leicht gewellten Landschaft, sscist ^ Stunden zogen wir an dieser wohlhäbigen Stätte afrikanischen Bebens entlang; dann nahmen wir unser Quartier in einer vereinzelten Hüttengruppe, deren Insassen nnsere ganze Gesellschaft reichlich bewirtheten. Nochmals hatten wir am andern Murgen ^ Stunden weit zu gehen, ehe wir das Ende von Tschabadjaure erreichten, und zogen dann dnrch ein besonders reiches Land, welchem dicke Massen von Gebüsch nnd schönes Wiesenland, mit weiß und violett gestreiften Liliacecn geschmückt, lebendige Abwechselnng verliehen. So gelangten wir zu den bewaldeten, niedrigen nnd ranhen Vorhöhen des -Nagele, einer eigenthümlichen, mit einem etwa 2^ dentsche Meilen langen Nucken von Nordwcst nach Südost gestreckte!« inselartigen Bergmasfe, die für die ganze Landschaft nnd besonders für die Beschisfnng des Benne eine große Bedentnng hat. Mit ihrer nordwestlichen Ecke tritt sie nämlich da nahe an den Benue heran, wo auf dem nördlichen llfer der Berg Taifc diesen Flnß berührt, der sich hier zwischen den beiden sein Bett bedeutend einengenden Gcbirgsmassen him durchdrängen mnß. Fast anf allen Seiten wird der Bügele von dem niederen Sumpfgelände des Benne nmgcben, so daß er znr Zeit der größten Ueberschwemmuug wirtlich wie eine Insel ans dem Wasser hervorragt; nur sein östliches Ende hängt alsdann nach Süden hin noch mit dem trockenen Lande znsammen. Als wir nns später diesem Berge mehr genähert hatten, bemcrttc ich, das; sein Gipfel in Höhenrauch eingehüllt war. Dies soll gewöhnlich der Fall sein, nnd die onntle Bcschreibnng, die man mir früher von dieser Erschciunng gemacht, hatte mich zu der irrthümlicheu Annahme verleitet, daß dieser Berg einen vnlkamschen Charakter habe. Seine Erhebung über die Ebene scheint tanm 3l>00 Fuß zn betragen. Er scheint hauptsächlich aus Granit zn bestehen und hat eine sehr rauhe Oberfläche, bestreut mit großen, nnregelmüßigen Blöcken, zwischen denen Baun: uud Busch aufschießt und dem Ganzen einen wilden, romantischen Anstrich verleiht. Doch anch manche Stelle anbaufähigen Maudes findet sich auf dem Nucken nnd den Abhängen des Bagele, so daß er in 154 kleinen Weilern eine unabhängige heidnische Bevölkerung ernährt, die eine Abtheilung der Batta bildet. Durch die schwer zugängliche Lage ihrer bergigen Heimath )tnd ihre eigenthümlichen Mbstgcschmie- ____ 4<44____ dcten Doppelspeere beschützt, war es ihnen noch bis zur Zeit meiner Anwesenheit il< Adamana gcluugrn, nicht lnir alle Angriffe der Fnlbe zurückzllweiscn, sondern auch fast täglich Raubzüge gegen die Vieh. hecrdcn ihrer nnversühulichen Feinde auözuführcu. Aber im I. 1^53 glückte es dem Herrscher von Mola, Mohammed Loel, die kühnen Bergbewohner zu bezwingen nnd zu Sklaven zu machen. Die Unterbrechung des Frnchtlandes durch jene waldigen Vor> Hügel des Bagele war nur von kurzer Dauer, und bald folgte wieder eine offene, wohlbebaute und bevölkerte Landschaft, die namentlich bei dem Dorfe Gurorc ein Bild von großer Anmnth darbot. Der Ort war von einer Menge großer Adansonieu umgeben nnd gewährte von seiner erhöhten Lage ans eine frische Aussicht über das nordwärts nach dein Äcuue sich absenkende Wieseugclä'ndc; der etwa 2* Stnnden entfernte Fluß war jedoch nicht zu sehen. Je weiter wir vorrückten, desto mehr gewann das Vand an Interesse, indem der schölle frische Weideboden sich mit der lebendigsten Staffage von Rindvieh, Pferden, Eseln, Ziegen nnd Schaafen in buntester Mannichfaltigtcit der Farben nnd (Gestalten schmückte. So erreichten wir unseren heutigen Haltepunkt, das große Dorf Nibago oder Nibaö („Vandsitz des Statthalters"), nnfern eines großen todten Annes des Beuue, der sich zwischeu dem nordöstlichen Fuße des Bagelc und dem Dorfe hinzieht nnd sehr fischreich ist. Auch Ni-bago ist ein wohlhabender Ort, doch beschränkt sich sein ^andban auf eine einzige besondere Art von Sorghum, die hier „mciwa" oder „mciwari", in klanori „matea" genannt wird. Es war mir aufgefallen, daß in diesen reichen, alljährlich vom Flusse überschwemmten Nicdcrnngeu, die sich so vorzüglich zum Reisbau eignen würden, keine Spur von solcher Kultur zu finden war. Hier erfuhr ich denn anf meine deshalb angestellten Nachfragen, daß der Grund davon darin liege, daß die Fnlbe hiefigcr Gegend insgesammt von Bornu ans eingewandert wären, wo der Reisbau unbekannt ist. Ich habe schon bei Gele-genheit der Marktpreise von Klltana bemerkt, daß in den südlichen Landschaften Bornn's, Baghmni's und Wadai's bis hinauf nach El Haudl» nnd Vaghena am Rande der westlichen Wüste der Reis allerdings wild wächst; der künstliche Anban desselben ist sehr beschränkt. Auch in linguistischer Hinsicht wurde mir der Aufeulhalt in Ri-bago interessant. Ich hatte ein kleines Votabnlar der Batta-Sprachc niedergeschrieben nnd wurde bei der Vervollständignng desselben hier zuerst auf die verschiedenen Dialekte dieses Idioms aufmerksam, ------ 445------ welches unter den dielen andern Adamaua's die weiteste Ausdehuuug hat. Uebcrhaupt finden sich zwischen dein Batta, den verwandten Idiomen der Marghi nnd Sani, der Sprache der Mussgu und den Dialekten von Kotoko die wunderbarsten Beziehungen und ein Ineinandergreifen der Verwandtschaftsgrade, das eine vielfache Vermischung und Berührung dieser Stämme andentet. Ribagu mochte gewiß nicht weniger als 6(XX> Einwohner haben; die eingeborne Bevölternng war jedoch schon gänzlich unterdrückt nnd die Ortschaft fast ausschließliches Eigenthum der Eroberer geworden. — Auch hier bildeten Erdmandeln einen großen Theil der gewöhnlichen Nahrung, unsere Wirthe hatten ^'doch das daraus bereitete Gericht durch Milch nnd einen Znsatz von Reis ganz schmackhaft zu machen gewußt. Am andern Morgen brachen wir recht frühzeitig auf, denn wir wollten an diesem Tage, den A). Juni, die Hauptstadt erreichen, lind zwar wo möglich noch vor Mittag. Das Wetter war fencht und kühl, der Himmel trübe und der Pfad durch heftigen nächtlichen Regen erweicht. Wir passirteu mehrere noch zu Ribago gehörende Weiler; auf dem zu ihnen gehörenden Weideland traten hier nnd da Massen von Thonschiefer zu Tage. Die von diesem ansteigenden Boden und dem Berge Bagclc gebildete Einsenkung füllte sich mehr uud mehr mit den übertretcndeil Gewässern des Benue. Schön bevölkerte Gane nud Waldpartiecu wechselten mit einander ab; jenseits eines rauhen Spornes des Bagele erreichten wir eine Anzahl kleiner, in gewissen Abständen von einander liegender Weiler, die eine Reihe militärischer Vorposten gegen die räuberischen Bergbewohner zu bilden schienen. Abermals ans einer Waldpartie hervortretend, erblickten wir in einiger Entfernung vor uns einen Ort, malerisch auf einem von Süden her in die sumpfige Tiefebeue deö Benue vorspringenden Felsen gelegen. In Gedanken nur mit Jola beschäftigt, begrüßte ich ihn als die Hauptstadt, erfuhr aber, daß es nur ein Dorf Namens Iebboreo sei. Ehe wir dahin gelangten, mußten wir ein etwa 1W Fnß breites und fast fünf Fuß tiefes Wasser passireu, was uns große Mühe und Aufenthalt verursachte nud wobei fast mein ganzes Gepäck dnrchnäßt wnrdc. Meine Gefährten nannten es „mayo Bmti", ..Fluß von Biuti". Unsere Mmecle verfehlten auch hier nicht, großes Aufsehen zu erregen ; viele Weiber liefen uns nach uud unter dem Bauche der Thiere hinweg. Sie hielten dieselben für heilig uud glaubten auf diese Weise des Segens dieser sonderbaren Heiligen theilhaftig zu werden. ____ 446 ____ Wir zogen eine Zeit lang auf dem Plateau von Icbboreo hin, stiegen dann wieder abwärts, hatten noch einmal einige mit Affen-brodbäumen (Adansonien) geschmückte Weiler zur Seite, passirten einen Strich schwierigen sumpfigen Tieflandes und erreichten inrz vor Mittag deu Anfang der Hauptstadt, nicht ohne ängstliche Besorgniß über die zu erwartende Anfnahme. Auf der letzten Wegstrecke hafteten meine Blicke auf einer in der Ferne westlich von Zola aus der Ebene emporsteigenden sehr auf^ fallenden einzelnen Bcrgkuppc von etwa 1M0 Fuß Höhe. Es war der Takabcllo, vielleicht derselbe Berg, welchen I)i-. Baitie von Dnlti alls, dem fernsten Punkte seiner oben erwähnten Beschiffung des Benue, nach Osten hin erblickte und Monnt Gabriel nannte. So hatte ich denn endlich nach einer im Ganzen genommen höchst glücklichen Reise die Hauptstadt von Adamaua erreicht. Es war mir gelnngeu, vou l^ukaua aus ungefähr vier Breitengrade (W deutsche Meilen) weiter südlich vorzudringen, den oberen Vauf dcS an seiner Mündnng als Tschadda bekannten Flnsses zu entdecken, ja, diesen selbst zu überschreiten und als der erste Europäer meinen Fuß auf den Boden Adamaua'ö und in dessen Hauptstadt Aola zu setzen. Diese Erfolge hätten mir an und für sich hinreichende Genugthuung gcwähreu föunen; dennoch hegte ich die Hoffnung, das; es mir möglich sein würde, noch weiter südlich vorzudringen oder wenigstens einen Theil des oberen Flußbeckens zu uutersuchcu. Dies hing ganz und gar vou der Art der Aufnahme iu der Hauptstadt ab. Jola ist eiu großer offener Platz ohne irgend eine Avschließung nach Außen und macht keinen angenehmen Eindruck auf den Neuan-kommenden. Die einzelnen Gehöfte sind groß uud leer, der Bau der Hütten, ans ^ehmwänden und Strohdächern bestehend, ist meist nachlässig; lein Baum breitet seinen Schatten über sie aus; weder Dattelpalmen noch Gouda'ö erheben ihr stolzes, anmnthigcs Hanpt, höchstens sieht man hier und da einen unansehnlichen Eoruus-Baum, der dem Hofe, den er schmücken soll, eher einen nngemnthlichen Eharakter verleiht. Die Straßen oder vielmehr die Negc sind breit und mit Gras bewachsen, und etwa in der Mitte der Stadt zieht sich ein großer offener Weideplatz bis zum sumpfigen Rande des ausgetretenen Bcnue hiuab. Dazu war es Freitag, als wir ankamen, uud die heißeste Tageszeit. Die Straßen wareu also verödet und Memand bot uns freundlich einen Gruß zum Willkommen. So zogen wir ^ Stunden weit der Hauptstraße eutlaug, bis ------ 447 ------ wir endlich zur Residenz des Statthalters gelangten. Sie lag an der Westseite eines kleinen offenen Platzes, der an der Ostfeite dnrch die Moschee begrenzt wurde, nnd ließ von Außen nichts als eine nackte ^ehmmancr sehen. Auch die Moschee verdiente eher den Namen einer Bethalle und war weiter nichts, als ein länglicher, von niedern Vehm-Wänden eingeschlossener nnd mit einem flachen Rohrdach, das sich ein wenig nach Einer Seite hinabncigt, bedeckter Ncmm. Nach Nord nnd Süd war der Platz nicht ganz abgeschlossen und in seiner Mitte erhob sich ein dürftiger Gummibaum, „tschediü". — Wir zeigten unsere Ankunft durch das Abfeuern unserer Gewehre an nnd lockten damit anch einige Diener herbei. Nach kurzer Berathung erklärte das Hof-gesinde, daß der Herr, ehe er uns empfangen oder ein Qnartier anweisen könnte, znvor die Moschee besnchcn und sein Mittagsgebct abhalten müsse. Wir stiegen also von unsern Pferden und nahmen in den» spärlichen Schatten der Tschedia Platz. Bald uiugabcu mich Hunderte der Einwohner, unter denen nur Männer, aber keine Frauen oder Mädchen zu sehen waren. Alle drängten sich begierig heran, um mich zu begrüßen und mir die Hand zu drücken. Wiewohl Manche unter ihnen den bestimmten Charakter der Fulbe au sich trugen, so war doch die große Mischung der Gesichtsbildung und Kleidnng auffallend. Ich war froh, als der Statthalter aus dem Palast trat und zur Moschee ging, wohin die ganze Schaar ihm folgte; doch lehrten die Neugierigen in größerer Anzahl zurück und die Begrüßungen folgten auf's Neue. Der Herr war zweimal über den Platz geschritten, ohne von uns Notiz zn nehmen; endlich kam ein Diener, um uns ein Quartier anzuweisen. Aber anstatt unsern Wunsch zn erfüllen, uns in der Nähe unterzubringen, bestimmte man unser Quartier ganz am Ende der Stadt, im Hause Ardo Ghaminaua's '), des Bruders nnscres Reisegefährten Ibrahima, und wir mußtcu den langen Weg, den wir .gekommen waren, fast ganz wieder znrückkehren. Kamn hatte ich nach zwei Uhr Nachmittags mein Quartier erreicht, so fühlte ich mich sehr ermattet und unwohl. Der ganze Eintritt in die Stadt war so herabstimmend, daß die Elemente des Unwohlseins, welche das Reisen in diesen Gegenden und dieser Jahreszeit herbeigeführt hatte, mit dem ') Ardo Ghammaua ist lein Eisiemiamc, sondern ei» leerer Titel, den dieser Mann sührte, weil er einmal „Aeltester von Ghammaua" im südlichen Aornn gewesen war. ------ 448------ Aufhören der geistigen Anregung sich geltend machten. Es ist dies eine so natürliche Erscheinung, daß sie sich immer wiederholt. An demselben Tag, ja fast in derselben Stunde, als ich Timbuktu betrat, das Ziel meines eifrigsten sorgenvollen Strebend während cincs ganzen Jahres, wurde ich trank. » Gleich am andern Morgen ordnete ich mein Geschenk für den Statthalter oder Vamido; neben Sachen geringeren Werthes hatte ich einen schönen rothen Tnchbcrnus, so daß das Geschenk wenigstens für dieses abgelegene Vaud reich genug war. Doch gelang es mir nicht, meine Gabe noch an diesem Tage zu überreichen; denn erst hieß eö, der Statthalter sei ans seine Felder gegangen und deshalb nicht zu sprechen, uud als wir nach dessen Rückkehr nach dem Paläste ritten, ließ man uns auf fcnchtcr Erde eine Stuude in der Sonne sitzen uud am Ende dennoch nicht zur Audienz zu. — Ich war durch diese verletzende Behandlnng uatürlich auf das Unangenehmste berührt nnd fühlte meinen fieberhaften Zustand bedeuteud verschlimmert. Ein ebenfalls ungünstiger Umstand für mein Befinden war, daß die Vuft nach einem heftigen Gewitter sich so bedeutend abkühlte, daß mein Thermometer Nachmittags um 2 Uhr nur 18" (5. (14,z" R.) zeigte. Zum Glück dieutc ein interessanter Besuch dazn, mich zu zerstreuen uud aufzuhciteru. Ein Araber aus Mocha an der Küste des Rothen Meeres kam zu mir, meine Bekanntschaft zn machen. Dieser Mann war viele Jahre lang in der ganzen Ausdehnung der Ostküstc Afrika's zwischen Mombas uud Ssofala (vom4"^-20l'S.Br.) gereist, während ihm auf der andern Seite Bombay uud Madras vertraute Puntte waren. Ihm verdanke ich die erste Beschreibnng des berühmten See's Nyassa '). Am 22. Juni endlich erhielten wir durch unsern Wirth die bestimmte Versicherung, daß wir den Vamido heute seheu sollten. Auf dem Wege zu ihm begegneten wir seinem Bruder Maussur, der ebenfalls im Begriff war, sich znm Statthalter zn begeben. Manssnr war ein äußerst offenherziger, wohlwollender Mann, der mir während der trüben Tage in Ä)ola eine sehr wohlthuende Theilnahme schenkte ') oder vielmehr des südlichsten »euer interessanten Zeebeclen, die erst i>» vorigen Iahrc durch die Reise von Burton und Zpel'e a nssc fanden haden, in helleres Licht zu treten; Mer südlichste See aber ist cdcn der, aus dem nach Vivinssstone's Meinung der von ihm 20 Mcileu weit deschisste Schire seinen Abfllch hat. N« seinem Ostufrr liegt der bedenteude Handelsplatz Ngmnbo. __„_ 449 ____ und von meiner Seite das freundlichste Andeuken und die volllonuuenste Anerkennung verdient. Wir wechselten die üblichen Begrüßungen und setzten unsern Weg zusammeu fort. Im unifangrcichcu Hofe des Palastes angelangt, wurden wir nach kurzem Warten vor dcu Vamido bcschicdcu. Die Halle, iu die wir eintraten, war ganz aus Vehm gebaut, lag von der übrigen Wohnung getrennt und hatte ein etwas kastcllartiges Ansehen, wie die ucbeustehendc kleiue Skizze zeigt. Das Innere war geräumig und das Dach 16 Fuß hoch; letzteres wurde vou viereckigen, 2 Fnß dickeu Pfeilern getragen, da der heftigen Regengüsse wegen die flachen Dächer hier zu Lande eine starte Unterlage erfordern; doch störten diese Pfeiler den Eindruck des ganzen Baues. Hier saß der ^amido iu ciucr sehr einfacheu Meidnng, die nicht cimual die Neiu-licht'eit und Nettigkeit zeigte, welche dem Stamme der Fnlbe im Allgemeinen eigen ist. Er war in keiner Hinsicht ciue bcdcntcude Person lichkeit uud sein von einem schmutzigen Shawl halbvcrdccktes Antlitz war weder einuehmcnd uoch abstoßend. Außer ihm waren uur Aianssur uud ein Mallein anwesend. Ich begrüßte den Statthalter als der erste Enropäer, der sein ^and besuchte und dem Alles daran gelegen wäre, seine Betauntschaft zn machen und feine Freundschaft zu gewinnen; daun übergab ich meinen Empfehlmigsbricf des Scheich Omar. Diefcr Brief war in wenigen, aber gut geschriebenen Zeilen abgefaßt und stellt, mich dem Herrn von Adamaua als eineil gelehrten und frommen Christen dar, der umherwandere, um die Werke des allmächtigen Schöpfers aller Dinge zu bcwuuderu, und der aus diesem Grunde den lebhaften Wunsch hege, auch Adamana zu besuchen, von dessen, Wnndern er so viel gehört hätte, ^ocl las den Brief, dessen Inhalt ihm keineswegs ganz mißfiel, dem er aber doch nicht vollen Manben schenken mochte, und übergab ihn schweigend seinem Bruder nnd dem Mallem. Alles schien günstig, - aber nnn übergab Billama seine Briefe, und da änderte sich plötzlich die ganze Scene. Mir war nicht allein der Inhalt, sondern selbst das Vorhandensein dieser Briefe völlig unbekannt gewesen. Es waren ihrer drei, einer vom Scheich Omar selbst, eiu zweiter vom Mala Ibram, dein früheren Inspektor der südlichen Provinz Bornn's, nnd der dritte vom itaschella Ali Dendal oder ^adan, dem Heerführer, der durch seinen letzten Naubzng dcu (^rnnd zur Klage von Seiten des Herrn von Adamaua gegeben hatte. V.mh'« Neise», I, 2» ------ 450 ------ Es ergab sich, daß diese verschiedenen Briefe insgesammt Ansprüche von Seiten Burnu's anf das Gebiet von Kofa nnd Kobtschi erhuben. Kaum waren sie gelesen, so erhob sich ein Stnrm nnd in einem wüthenden Anfall von Zürn uiachte ^uel meinem Gefährten die hef^ tigsten Vorwürfe, daß er lnit solchen Ansprüchen auftrete, da er doch selbst völlige Kenntniß vom ^ande habe nnd wisse, wie es mit dem Gegenstand des Streites stehe. Wenn Scheich Omar Unfrieden Wunsche, wohl, so sei er bereit, nnd sie wollten ihre Grenzgebiet gegenseitig dnrch Ranbeinfällc verheeren. Nachdem er so seinen Gefühlen gegen Billama freien ^anf gelassen hatte, richtete er seinen Zorn gegen mich und ertlärte mir in's Gesicht, daß ich ganz andere Beweggründe gehabt hätte, in sein kano ;n kommen, als die in Scheich Omar's Briefe so wohlgefä'lligcrweise entwickelten, nnd nm diese Ansicht zn begründen, bezog er sich anf einige zweideutige, aber wahrscheinlich ganz nnver-fängliche Worte in Mala Ibram's Briefe, worin dieser Hofmann beilänfig, wie es schien, ertlärte, daß, was mich belräfe, die Gründe meiner Reise nach Adamana ihm ein vollkommenes Geheimnis; wären. Trotz allen Wohlwollens, das Hadj Beschir mir erwiesen hat, kann ich ihn nnd die andern Burnn-Diplmnaten allerdings nicht von dem Verdachte freisprechen, daß sie mich arglistigerweisc dazn be nutzten, den Herrn von Adamana einzuschüchtern, indem sie mich als den Abgesandten einer ihnen befreundeten mächtigen Nation darstellten. Vielleicht lagen ihrer Handlungsweise anch noch andere Absichteil zn Grnnde, genng, nach einem langen Streit in Bezng anf das Grenzgebiet hieß man mich nnd meine Begleiter einen Angenblick abtreten. Wieder mnßtcn wir zwei volle Stnnden anf dem fenchten Boden sitzen nnd erhielten dann die wenig befriedigende Mittheilnng, daß wir — nur wieder nach Hans gehen möchten. So mußte ich mit meinen Gescheuten ein zweites Mal abziehen. Man mochte mir wohl die innere Vewegnng ansehen, denn mehrere der Anwesenden tamen, mich zu trösten; anch Manssnr rief mich ;n sich nnd versicherte mir, seines Bruders Benehmen gälte nicht nur, sondern nnr meinem Begleiter Billama, dem Gesandten von Burnn. l5r nahm mich dann mit sich in seine sanbere, geränmigc Wolmnng, wo wir noch eine lange nnd lebhafte Unterhaltung hatten. Auf meine Bemerkungen, daß die erduldete Behandlung mich besonders in Bezng anf die Regiernng verletze, die mich gesandt habe, n. s. w., rntgegnete er, daß der Vamido allerdings nicht glanbe, diese habe feindliche Absichten gegen ihn, daß er aber nnznfricdeu sei, daß ich nnter dem ____ 45l Schutze seiner Feinde, der Boruauer, gekommen wäre; ein Brief des Sultans von Stambnl oder selbst meines eigenen Fiirstcn würde mich vortheilhafter empfohlen haben. Der folgende Tag ging hin, ohne dass mir die geringste Nachricht Com Hofe zukam; man mochte noch überlegen, was zu thun sei. Dennoch tonnte ich mich nicht völliger Ruhe überlassen, da cine Menge i?entc kamen und um Veia's (Zauberformeln) nnd Arznei baten. Tu kam der 24. Juni heran, an welchem ich das kaum betretene Vand wieder verlassen mußte. An diesem verhäugnißvollcn Tag stellten sich gegen 10 Uhr Morgens der Staatssekretär des Statthalters nnd mein Freund aus Mocha mit sehr wichtigen Amtsmienen ein und theilten mir mit, der Sultan habe ihnen befohlen, mir die Versicherung seiner höchsten Verehrnng darzubringen, aber er sei nichts als ein Sklave des Sultans von Tsokoto und ich sei ein weit größerer Mann als er selbst. So ein Mauu wie ich sei uie zuvor in ihr ^and ge kommen; er fürchte sich vor seinem Oberherrn und bäte mich, dahin zurückzukehren, woher ich gekommen sei. Wenn ich mich dann später mit einem Brief von Ssokoto einstellen würde, wolle er mich mit offenen Armen anfnehmen, mit mir ohne Rückhalt über uusere gauze Wissen schaft und unsere Instrumcute sprechen nnd mir sein ganzes Vand zeigen. Diese Botschaft war sicherlich sehr mild und dabei nicht ungeschickt abgefaßt. Ich bewies in meiner Antwort, wie abgeschmackt und nn wahr die Darstellung des Verhältnisses zu Ssokoto wäre, uud berief mich auf meinen Aufenthalt bei den Statthaltern von Katsena und Muo, die von demselben Oberhcrrn abhängig wären. «O> meinten die Abgesandten, „die Verhältnisse von Katscna und Kauo sind gänzlich verschieden von denen dieser Provinz; jeneS sind große, geschäftsreiche Verkehrsplätzc für alle Welt, Adamaua dagegen ein entferntes Gebiet im abgelegensten Winkel der Erde nnd eine noch junge, nicht hinreichend befestigte Erobernng." — (^cwiß lag etwas Wahns in dieser Be merlung; dazu kam noch der wichtige Punkt, daß gerade diese Provinz die zugäuglichste vom Meere ans ist — ein Pnnkt, den sie zwar nicht erwähnten, gewiß aber im Sinne hatten. Diesen Abgesandten folgte Manssur als eigentlicher n»d wirklicher Botschafter. Der freundliche Mann bestätigte in amtsmäßiger, aber duch sehr sanfter Weise Alles, was die beiden Andern gesagt hatten, uud drückte seiu Bcdaueru darüber aus, daß es mir nicht erlaubt sei, läuger in AM ^ verweilen. Als er sich entfernte. ------452 ------ übergab ich seinen Dienern das für ihn bestimmte Geschenk; es bestand in 25 Dra gestreisteiii Manchester, eineln Paar englischer Rasirmesser, Schcere, Spiegel nnd dergleichen. Eine kleine Weile, nachdem er fort war, ward mir angezeigt, daß der Statthalter selbst mir ein Pserd nnd zwei Sklaven znm Geschenk gesandt habe, mit der Andeutuug, daß auch ich ihm das für ihn mitgebrachte Geschenk übergeben möchte. Dies verweigerte ich entschieden nnd erklärte, abgesehen davon, daß die Sklaverei in unserem Vande verabschcnt würde nnd ich die Sklaven daher in keinem Falle annehmen könne, würde ich jetzt, wo er mich ans seinein Lande furtschicke, weder etwas von ihm annehmen, noch ihm meinerseits ein (beschenk verabreichen. ^ Diese Erklärung, bei der ich entschieden verharrte, brachte meinen Aufenthalt in Jola zu einem noch schleimigeren Ende; denn bald daranf erschien ein Reiter mit den, Befehl, die Stadt unverzüglich zn verlassen. Während dieser ganzen Verhandlnng hatte meine Schwäche den höchsten Grad erreicht nnd die Anfreguug einen heftigen Fieberanfall zur Folge gehabt. Dieser Znstand verschlimmerte sich dermaßen, daß ich mich für gänzlich unfähig hielt, zn Pferd zn sitzen nnd die mittägliche Sonnenhitze ertragen zn können. Dennoch ordnete ich mein Gepäck nnd wir machten uns ;nr Abreise bereit. Als ich aber, die Halle, in der ich gewohnt, ^n früh verlassend, einen Augenblick anf meine Begleiter warten mußte, nahm nieine Schwäche in der Art zu, daß ich mich, nnfähig, mich länger ans den Füßen zn halten, Platt niederlegen mußte. Sobald ich jedoch glücklich im Sattel saß, ließ ich das ganze (Gewicht meines Körpers in den breiten, becmemeu Bügeln ruhen und hielt mich mit den Händen am Sattelknopf fest. Zweimal ward ich unterwegs ohnmächtig, gewann aber endlich wieder etwas Kraft, besonders als ein leichter Wind die brennende Hitze milderte. Eine ansehnliche Menge Volks gab mir das Geleite nud drückte ihre Betrübniß über meine plötzliche Abreise aus — ein Beweis freundlicher Gesinnung, welcher bei meiner trüben Stimmung einen wohlthuenden Eindruck alls mich äußerte. Auch mit Billama hatte ich vollen Grund zufrieden zn sein; wie er mir besonders durch den Eharakter seiner Sendung den nngünstigen Empfang zugezogen hatte, so bewies er mir nun anch treue Anhänglichkeit. — Ich fühlte mich kräftig genng, den Marsch bis nach Ribao fortsetzen zu könucn, ein Ritt von sechs Stnndcn in mäßigem Schritt. Wir erreichten den Ort ohne besondern Unfall und ich nahm mein Quartier in dem wohlbekannten Gehöfte unseres früheren Wirthes. ____ 45H ____ Ehe ich mm etwas über meine loeitere Rückreife sage, will ich das zusammenfafsen, was ich über das Valid in Erfahrung bringen konnte, ans welchem ich so schnell nud su unerwartet wieder scheiden mußte. Das Wenigste berilht natürlich cmf eigenen Beobachtungen; in den meisten Fällen mnßte ich mich auf das Zeugniß Audercr verlassen; indessen glanbe ich altch einige Glaubwürdigkeit für diejenigen meiner ^iachrichteu in Anspruch nehmen zn dürfen, die ich nach den Aussagen der Eingebornen zusammengestellt habe. Im Verlanf dieser Erzählung ist schon mehrfach erwähnt worden, daß der alte Name des Gebietes, welches jetzt eme fast unabhängige Provinz des Reichs von Ssuloto unter dem Namen Adamaua bildet, Fnmbina war, eben so daß Adamaua ein noch neuer Name ist lind dem Vandc zu Ehren des Mallem Adama gegeben wurde, des Vaters des gegenwärtigen Statthalters. Dieser unternehmende Heerführer gründete znr Zeit dcs Sultans Vello (- - Bello bestieg den Thron von Ssutoto 1^17 —') ein nenes inohaunnedanisches Reich anf den Rninen mehrerer kleiner heidnischen Königreiche, deren bedeutendstes das von Kokomi war. Indes; ist der Name Adamana nicht ganz gleichbedeutend mit Fumbina, indem nur diejenigen Theile dieses letzteren so genannt werden können, welche wirklich nntcrworfen nnd von den Fulbe lolonisirt worden sind. Jola, die gegenwärtige Hauptstadt der Provinz Adamana, ist ebenfalls eine ganz neuc Ansiedelung nnd nach dem gleichnamigen Qnartier in Kano so benannt. Die frühere Hanptstadt war Gnrin, südöstlich von der jetzigen am Faro gelegen. Zola liegt in einer sumpfigen Ebene und wird anf der Nordseite von einem todten Arm des Bcuuc begrenzt, der zur Zeit der Urbcrschwemmung bis hart an das nordöstliche Qnartier herantritt. Die Sladt ist von Ost nach West sicherlich nicht weniger als 1^ Stnnden lang; ob sie dieselbe Ausdehnung von Nord nach Slid hat, kaun ich nicht sagen, glanbe es jedoch nicht. Meine Wohnnng lag anf der östlichen Seite eines großen, unregelmäßigen, freien Platzes, der sich nördlich bis an die überschwemmten Flnßufer hinabzog nnd mit reichem l^rase bewachsen war. Die Oehüftc sind, wie gesagt, meist groß nnd geräumig, enthalten aber oft nur eine einzige Hütte, indem der ganze Hofranm während der Regenzeit mit Korn besäet wird. Alle Hütten werden wegen der Gewalt der Regengüsse mit Lehmwänden geballt; sie sind ziemlich hoch nnd im Inneren oft mit großer Sorgsamkeit aufgeputzt, ja selbst mit Farbenschmnck geziert. In größeren Gehöften wird der Eingang fast ____ 454 ____ immer von einer höheren und geränmigcn runden Hütte gebildet, die als tägliches Geschäftszimmer des ^Diannes gilt, während die inneren Hütten meist niedriger und geschützter sind. Nnr der Lamido »üd feine älteren Brüder haben größere Wohnungen, die init hohen Vehm^ mauern eingefaßt sind nnd außer runden Hütten anch viereckige höhere Thongebäude enthalten. Ungeachtet seiner ansehnlichen Ansdehnung tann der Ort doch wohl nicht mehr als 12,000 (5inwohner haben. Offenbar fehlt eö der Stadt an aller Industrie; Schmiedearbeit ist fast die einzige Knnst, die geübt wirb. Der Markt war wenigstens während meiner Anwesenheit höchst unbedeutend nnd schlecht versehen; aber allerdings sind während der Zeit der Feldarbeiten, wie ich schon früher zn erwähnen Gelegenheit gehübt, alle Markte im Inneren Afrika's von geringerer Bedentnng, als zn anderen Jahreszeiten. Die gewöhnlichsten Gegenstände anf dem Marlte von Aola, dir leicht Absatz finden, sind Turtedi, die großen, in Kano gewebten nnd gefärbten Tücher für Frauen, Glasperlen nnd Salz >); dagegeil werden andere Artikel, wie bunter Manchester, gebleichter Kaliko, Tuchdenmsse und wohlriechende Sachen, gemeiniglich an die Wohlhabenderen unter der Hand verkauft. Die einzigen Ausfuhrartikel sind Sklaven nnd Elfenbein; vier gute Turtedi, die in >lano für je 2M0 Kurdi gekauft sind, bringen gewöhnlich einen Sklaven ein, und fnr eine einzelne Turtedi kauft man oft einen Elephantenzahn von ziemlicher Größe. Es giebt wohl kein ^and in Neutral Afrika, wu die Sklaverei in größerem Maaßstabe besteht, und es finden sich hier diele Privatleute, die mehr als !(>W Sklaven besitze». Dies ist bei einen» ncn eroberten Vande wie Adamaua nnr zn natürlich; denn die unterworfenen Stämme besitzen kanm etwas Anderes, als ihre eigenen Leiber. Muhammed Loel, welcher übrigens nicht der größte Sklavenbesitzer ist, soll, wie man mir gesagt hat, jedes Jahr außer Pferden uud Nindvich einen Tribut von nahe an 5090 Sklaven alls der gesammtcn Provinz erheben. Dies scheint eine große Anzahl nnd ich kann bei meinem kurzen Aufenthalte im ^ande die Nichtigkeit dieser Angabe nicht verbürgen. ') In Bezug auf das hicr verlauste Sal; bemerke lch, daß der größte Theil desselben vo» Bmmnida gebracht wird, da« heißt dein Orte dieses Nament« nahe bei Hamarrua. ,>ch glcutt'te, daß dieses Sal;, hier in derselben Weise erzeugt würbe, wie im Thale Fl'ga, nämlich durch Auskochen des Erdreiches selbst; aber in Nnmauda ist keine Thalbildung, nnb Nr. Vogel, der den Ort besucht hat, behauptet, daß das Salz ganz allein dnrch Verbrennen des dort wachsenden Grases gewonnen werbe und daß der Boden durchaus lein Salz enthalte. ------ 455 Das ganze ^aud Fumbiua, insofern es mit den: Begrifft Adamaua zusammenfällt, das heißt, so weit es in engerem oder weiterem Sinne nnter die Botmäßigkeit der Fnlbe gehört, bildet ein schiefes, nnregel-mäßiges Parallelograium, das wie ein Keil zwischen die umliegenden Bänder geschoben ist. mit der rastlosen Tendenz, sich stets weiter aus-zudehueu. To eingeschoben, erstreckt es sich zwischen Hamarrua, Aa-ntschi, Bornn, ^oggon, Baghirmi nnd einer Menge lleiner Heidenstaaten im Süden bis nach dem zerfallenden Königreich Kororofa in Westen. In seiner größten ^änge, das heißt von Südwest nach Nordost, zwischen Tibati nnd Fette, dehnt es sich mehr als 50 deutsche Meilen ans, wogegen seine Breite in der Richtung von Nordwest nach Sndost wohl nie über 17 bis 2!» nnd gewöhnlich tanm 15 Meilen beträgt. Das so eingeschlossene Gebiet aber ist noch weit entfernt, von den mohammedanischen Eindringlingen ganz und gar erobert zu sein; denn im Allgemeinen sind Vetztere nur im Besitz vereinzelter Niederlassungen, während das dazwischen liegende Vaud, besonders aber die gebirgigeren Landschaften noch iu den Händen der Heiden sind. Dies ist der eigenthümliche und höchst schwierige Znstand des Bandes nnd der Grund, weshalb ein nie rastender Krieg geführt wird. Wenn aber das angedeutete Gebiet uoch nicht gauz unterjocht ist, so haben dagegen die Eroberer an vielen Stellen ihre Waffen bis in viel größere Ferne getragen nnd viel weiter hinansgeschobene Landschaften in ein gewisses Abhängigteitsverhältniß gezogen. Während das Land zwischen Zola und Hamarrna gänzlich unabhängig und von einer heidnischen Nation mit sehr kriegerischer Gesinnung bevölkert ist, scheint der am vollständigsten unterworfene ?andestheil das Gebiet zwischen Wandala oder Mandara nnd dem Mnssgu^ande zu sein, wo die neuen Ansiedelungen der Eroberer allem 'Anscheine nach sehr dicht liegen und gut bevölkert sind. Jedoch muß ich bemerken, daß ich iu Bezug auf den größereu oder geringeren Grad von Abhängigkeit, in der diese fernen Ansiedelungen zum Herrn von Adamana stehen, nicht völlig im Klaren bin. Sicherlich ist Adamana eines der schönsten Bänder Central Afrika's, befrnchlel von einer Anzahl bedeutender Gewässer, unter denen der Benne n»d Faro die ansehnlichste» sind, »»d durch man-nichfaltige Gestaltung von Hügel nnd Thal ausgezeichnet, ^m Allge^ meinen ist das Vand flach, indent es von ^>l> bis RX) Hnß Erhebuna, im mittleren Vanfe des Be,me im Süden zn wohl 1500 Fuß oder 456 mehr ansteigt. Einzelne Hiigelletten oder alisgedehntere Berggrnftvcu uuterbreelie» dir fläche, aber so weit id, im Stande >^ar, es zu er-grüudeu, ist nicht ein einziges Beispiel dou größeren (^ebirgsmassen betannt. Dir HailvtgedivgSgruppe bildet den nordöstlichen Wi'ntel der Provinz gegen Mandara uud ans ihr erheben sich einzelne Berghohen, wic der Meudif, zu dielleicl,t liOW Fuß. Dagegen ist selbst der Berg Alantiw, iibcr d^i ich von lnrhrrroii Pilnttcu ans, freilich ans a>^ scl)>,lichcr ^ntfcrulin^. cincn lnibschen Bliä l,attc und dor doch einstimmig als dic lnassol,liaftrste luid höchste BeMrhcluma, im ^ali,^'l> Lande angesehen wird, ein gänzlich abqescoidevter ^^eni mit höchstens ;wlilf deutschen ^ieilei, Nmsmi^ »nd höchst Ivahrscheinlich nicht mehr aw ^!»>i> ^nß iilier die (ü'^eue erhaben, lw» der er enchorstcigt. (^elviß mnft der Bemie seiu ^ltell^el'itt in einer jiebir^Mil Vaudschast haben, aber über den obersten Vans dieses Flusses konnte ich durchaus leine genaue Nachricht ciu;ie.hcu, während ich seinen uutereu oder vielmehr mittleren Vauf, selbst an ^5> deutsche» Meileu über die ^ereiui.qnn^ mit dem ,oheln Ansel,cn stel,n. In Betreff des Reisbaues habe ich fchon er-" wähnt, das? er ill den östlichen ^indcsthcileu ganz zu fehlen fcheint. In Bezug auf die Fiille des Pflauzenwuchscs scheint Tibati an der andersten Südwestgreuze einer der bevorzugtesten Plätze des Vaudes zu seiu; denn hier finden sich beide Arten der Banane — „ayabadjc" —, die Gonda — „dukndjc" ((^,'icli 1^,^a) —, verschiedene Arten des Guro-Baumes ^t^rcui«^ ^oumin^t^), der I'^nännu^, die Kajilia unt ihren ungeheueren, weit herabhängenden Früchten, die Kuka (^clan8mn^ <1issjww) — hier „bokki" genannt — von ungeheuerer Größe, der I5om-dl^x — „rimi" — nnd zahlreiche andere Arten. Von der Familie der Palmcu sind die Delebpalme sttc»ra88U8 iiadoiiilormi^ ^«tlnci-1ii<'n^>, „gigiuua" — „dua,bi" von den Fulbe genannt - nnd die ^)elftallne sl^I.ii» (luinoLNl^) häufig, aber auf besondere Oertlichkeiten beschränkt, und die letztere ist von den nordöstlichen Distrikten des Vandcs ganz anögeschlossen, während die Dattelpalme sehr selten ist und mit Ausnahme weniger (^emjilare in ^)ola uud Bundang, sikb-östlich von Mola am rechten Ufer des Faro, tanm vorkonnut. Der vorherrschende Baum in den südlichen Distrikten des Bandes scheint die Platane zu sciu; der Vutterbaum ll^^ia I^rliü) scheint sich nicht so weit südlich zn erstrecken, wenigstens wohl nicht südlich vom neunten Grade. Unter den niedrigen Büschen ist die ?almn, lüliristi oder lln'inu« sehr gewöhnlich. Die Gebirgslandschaften Adamana's scheinen meistens aus Granit und rothem Sandstein zu bestehen, die kleineren Höhen aus dem letztereu, die größeren aus dem zuerst genannten Gestein; jedoch möchte sich, wie ich schon oben bemerkt habe, der Mcndif als eine vulkanische Erhebnng erweisen. Auch am Qnellgebcet des Faro scheint vul-tauisches Gestein vorzutommcu, nnd im ^aude der Batr Mcmyem, im Siidwesten des VandeS uud etwa drei Tagereisen südlich von Kontscha, sollen heiße O.uelleu sein, die au dem Westfuße einer von ^steu nach Westen sich erstreckenden Berghohe entspringen und gutes Wasser cnt> halten. Uutcr den einheimischen wilden Thieren ist der Elephant sehr häufig, nnd nicht allein die schwarze, sondern auch eine gelbe Species, Wie mir die Eingebornen versichert haben. Das Rhinoceros ist auch nicht selten, aber, wie es scheint, nur i» den östlichen Theilen, des Landes; der wilde Büffel — „mbauna" - dagegeu scheint iibcrall sehr häufig zu sein. Leoparden, zwei Species vou Hyäuen ------ 45tt ------ und ein anderes, „hammafurde" genanntes Thier sind die gewöhnliche stcn reißenden Thiere dor Waldnngen, der ^ülve dagegen ist seltener. Unter dem gefiederten (Geschlecht ist in den südlichen Provinzen der Papagei in großer Menge vorhanden. Dir Flüsse sind voll von Krokodilen »nd Flußpferdeu; ein eigcnthümlilher Bewohiler des Venne scheint der „ayu" zli sein, ein großes Thier, über dessen Natur ich nicht llar wurde, da ich es nicht selbst zu sehen bekommen tonnte, das aber in Folge der von Ii,'. Bogel eingesandten Bcschrribnng sich nun als eine dem ^llnilUiin 8mlieh vorzuwiegen scheiut, fiel es mir auf, daß ich hier lein einziges weißes Niud sah, so weuig wie später im Mussgli-Lande; aber die Thiere in Adamaua sind von ganz anderem Schlage, als im letzteren ?ande. Eine eigenthümliche Art Zweihufer ist in den südlichen Provinzen einheimisch uud wird „maturu" genannt; das Thier wird kaum drei Fuß hoch und ist von grauschwarzer Farbe. Das Pferd in Adamana, das höchst wahrscheinlich anch erst in verhältnismäßig juuger Zeit eingeführt wnrde, ist klein und schwach; die besten Pferde werden aus den nördlichen Distrikten gebracht, bcson^ ders von Nba. Die Provinz zerfällt in einzelne Distrikte, welche unter mehr oder minder mächtigen Häuptlingen stehen, die jetzt schon einzeln dahin streben, sich von Ssokoto, zum mindesten aber von ?)ola uuabhängig zu machen. Das ist deuu gegenwärtig dcm Herrn vou Änban djidda im südöstlichen Vandrstheil schon gelungen. Je mehr die Eroberer den Eingclwrneu gegenüber sich fester begründen, um so mehr werden diese Uuabhängigtcitsbestrebungeu der vcrschiedeueu Häuptlinge zu ____459 ____ Tage treten. Der mächtigste dieser Häuptlinge, der Herr von Tschamba, am Südfnste deS Alantita, hat in mehreren kühnen Hre^ reszügen den Einfluß lind gcwissermaaßen anch die Macht der Fulbe bis an die Mündung des Kuara nnd die Bucht von Benin ausgedehnt. Die letzten nnd bedeutendsten dieser Züge fielen in die Jahre 1850 nnd 1«l)1. Eine der ansehnlichsten Städte des Landes außer den erwähnten ist Kontscha, nach der Seite von Hamarrua hin gelegen. Es ist schwer zu sagen, wie start die Kriegsmacht ist, welche die sämmtlichen nnter dem Statthalter vun Aola stehenden Herrschaften znsammenbringen tonnten. Ihre grsammte Reiterei möchte ich nicht über 3- bis 40<.j() anschlagen. Die Fnßmannschaft ist sehr zahlreich und belauft sich gewiß anf das Zehnfache der angegebenen Zahl. Die Hanptwafsc der letzteren ist noch Pfeil nnd Bogen, während die Reiterei mit einem Speer nnd wo möglich mit Schwert nnd Schild aus Büfselhant, seltener ans dom Fell der ^Vntilopu I^(!ucoi')'x, bewaffnet ist. Feuerwaffen sind sehr selten nnd eS sind ihnen hierin aus leicht begreiflichen Gründen die Bewohner der Küsteugegendcu weit überlegen. Die Fulbc sind vorerst nur in einzelnen Ansiedelungen über das Vaud zerstreut. Diese sind verschiedener Art nnd zwar entweder größere Ortschaften ober Städte, von welchen Privatansicdelungeu ausgehen, wir die Landsitze des Statthalters, „ribago", ihrerseits wieder allmählich zu größeren Ortschaften anschwellend; oder Sihe kleiner Unterhäufttliuge, „djoro", die ihre Vergrößerung den glücklichen Unternehmungen ihrer Herren verdanken; endlich Landbandörfcr, „uro", wo der freie ^andeigenthümer mit seiner Familie wohnt, nnd Skla> Vendörfer „rumde", wo nnr Sklaven nnter der Anfsicht eines Obcr-stlaven wohnen. Obgleich die Herren im Vande, sind die Fnlbc Adamana's doch vorzugsweise noch geblieben, was sie waren, Viehzüchter. Rindviehs heerdcn sind nebst Sklaveu noch immer ihr Hanvtreichthnm; die Schaafzncht ist, wie es scheint, sehr gering. Von Industrie wissen sie noch gar nichts, uud so wuu Handelsverkehr bei ihnen nnr noch im Keime liegen; dafür aber findet man bei ihnen jene patriarchalische Reinheit und Einfachheit der Sitten, die man in den großen, von ihnen eroberten Vertchrsstätten Haussa's vergeblich sucht. Sie find riu rüstiges, an Strapazen nnd Entbehrungen gewöhntes Volt, Wenn sie anch an Ninth dem Europäer weit uachftehen; in ihrem religiösen Bewußtsein folgen sie instinttmäßig dem Triebe der Eroberung über — 460 ^— jene Hcidenvölter. In dcr That bin ich überzeugt, daß bei der Mehrzahl dieser Veute das religiöse Bewußtsein noch iiumcr stärler ist, als die Grwinnlnst, und daß sie sich nicht allem für berechtigt, sundern selbst für verpflichtet halten, ihre Herrschaft stets mehr nnd mehr auszubreiten. Das; sie sich dabei wenig darnm bemühen, den unterjochten Stämmen die Grundsätze lind die Vortheile des Islam mitzutheilen, ist allerdings wahr genug. Immerhin ist es höchst eigenthümlich, den Glauben und die Wissenschaft der Araber ans diese Weise im Herzen Afrika's stets neue Eroberungen macheu zu scheu, Währelid in ihren ursprünglichen Sitzen alles ?ebeu stockt. beider erlaubte mir mein kurzer Aufenthalt nicht, den Zustand der Äildnng unter diesen fern entlegenen Moslemin uähcr zu beobachten, aber dennoch fand ich schon auf meiner Durchreise wcuigstens das Vesen des Kuraus und einiger anderer Hauptbücher des Islam nnd eine ganz hübsche Kenntniß der arabischen Schriftsprache bei den Vornehmeren unter ihucn. Natürlich existircn hier leine Schnlen, aber es giebt doch in den größeren Ortschaften stets einen gelehrteren Mann, an den sich junge Leute, die nach weiterer Kenntniß streben, als dem bloßen Herleiern einzelner Gebete, wenden, um bei ihm zu lesen, uud je größer der Mangel an anderen Büchern ist, desto lebendiger ist natürlich die Erfassung des eiuru ihnen zugänglichen Buches, dessen großartige poetische Sprache sie in ihren Wildnissen um so tiefer ergreift. Hier träumen sie an den Ufern des Benue nnd Faro, des mayo Nclbi, mayo Kcbbi, und wie alle die vielen Zuflüsse Heisien, von dem heiligen Hause in Mekka uud schauen mit Verachtung ans die nackten, schon durch ihre dunklere Hautfarbe uud ihre mehr thierisch u Züge von ihucu geschiedenen Eingeborneu hinab. Die Nahrung der Fnlbe ist einfach, wie ihre Kleiduug; sie habeu weuig Bedürfnisse, und hier in Adamana scheint die große Leichtigkeit des Erwerbes von Sklavinnen noch nicht ihre Sitten beeinträchtigt zu habeu, sondern patriarchalisches Familienleben ist durchans noch vorwaltend. Es ist interessant, zu beobachten, wie in diesen Ländern die cingebornen halbnackten Heiden mit Leidenschaft dem Genusse des Tabakes nnd der beranschenden Gia ergeben sind, während die gebildeteren Eroberer sich beider Genüsse enthalten. Um eiu lebendiges Bild der eingcbornen Stämme Fumbiua's zu entwerfen, war leider mcin Anfenthalt im Lande zu kurz. Der zahlreichste derselben sind die oft erwähnten Batta, die wiederum in größere und kleinere Untcrabthciluugcn zerfallen. Sie zeichnen sich, ahn- ------ 46! ------ lich den verwandten Marghi, durch schönen, regelmäßigen Körperbau, nur wenig aufgeworfene Vippen und überhaupt durch Regelmäßigkeit ihrer Züge ans. Es fiel uiir auf, daß ich unter ihnen nicht jene rüchliche Färbung bcnierlte, die mir bei den Marghi so bemerkens-werth erschien; allerdings erstreckten sich meine Beobachtungen nur auf einen kleinen Theil des Stammes. Die Äatta bewohnen nicht allein alles Vand am mittleren Vans des Benne nnd am Faro entlang bis weit hinaus südlich vom Alantita, sondern anch den ganzen Strich nördlich von diesen Flüssen bis zu den südlichen Grenzen von Gornu, wenn Wir nämlich die stammverwandten Marghi hinznrcchncn. An Zahl nnd Wichtigkeit folgen ans die Batta die Fali, die gegenwärtig zwischen dem oberen ^auf des Aenue und den südlichen Provinzen Vaghirmi's angesessen sind. Nach den Fall sind die Mbnm zu nennen, welche südlich von den Batta nnd südwestlich von den Fali wohnen und zum Theil unterworfen sind, indem die Fulbe-Eroberer vorzugsweise in dem 5?rtc Ngaunderc einen Mittelpunkt ihrer Herrschaft begründet haben. Von den übrigen zahlreichen Stämmen ist mir znm Theil wenig mehr als der Name bekannt geworden. Was ich über dieselben noch in Erfahrung gebracht habe, habe ich in meinen» ausführlicheren Werte nnd namentlich in den hierher gehörigen Itincrarien im Anhange des zweiten Vandcs mitgetheilt. Wie groß die Zahl der ein-geborucn Stämme aber ist, kann man daraus schließen, daß mir zwischen 30 und 40 verschiedene Dialekte genannt wurden, die in dem ehemaligen Fnmbina geredet werden sollen. — Ich will hier nur noch bemerken, daß diese Gegenden sowohl vom Gefichtspuutte der Physikalische» Geographie, wie von dem der Ethnographie das höchste Interesse in Anspruch uehlncn. Denn hier sind nicht allein die Quell-gebiete einer Menge kleinerer nnd größerer Ströme, welche das bedeutende Ttrompaar des Benne uud Faro bildcu, bergige Landschaften mit vulkanischen Produtten und eine reiche Fülle des Pflan-zcuwuchses, sondern hier greifen anch die Gebiete der nord- nnd snd^afrikanischm Böllerfamilicn auf das Mannichfachste in einander über. Dazu kommt nun der merkwürdige Kampf zwischen dem Islam und Heidcnthnm, der hier ununterbrochen vor sich geht nnd das höchste Interesse der gebildeten europäischen nnd christlichen Welt in Anspruch nehmen muß. Nachdem ich diese wenigen Bemerkungen in Bezng auf das interessante Werk der Eroberung uud Kolonisation, welches in dem ------ 463 ------ neuen Adamaua vor sich geht, eingeschaltet habe, fchre ich in unser Quartier zu Ribago zurück, um deu ^cscr von dort nnt mir auf meiuer trübseligen Heilnreisc nach Kutana zurückzuführen. Da ichzum größten Theil derselben Straße folgte, welche ich gekonnueu war, uud ^and nud Leute auf dieser schon ausführlich geschildert habe, so wird es geuügen, die Heimreise iu allgemeinen Zügen wiederzugeben. Auf Befehl des Statthalters sollte Ibrahima, der frühere Führer der uach Knkaua gesendeten Voten, mich wieder zurück geleiten bis au die Grenze seines Landes gegeu Bornu. Dagegeu war der alte leutselige Mallem Katori iu ?)ola zurückgeblieben. Billama schien so langsaln als möglich reisen zn wollen, wie um deu Herrn von Adanmna zu verspotten, nnd da ich so traut uud schwach war, ließ ich mir die kurzen Tagereisen auch gern gefallen. So gelangten kür erst am 27. Juni wieder au den Tacpe oder das natürliche Koblenz des Bcune. Da die Regenzeit noch nicht in ihrer vollen Stärke ein-" getreten war, hatte der Faro seit den» 18. Iuui uur weuig mehr als 20 Zoll zugeuommeu, das heißt 2^ Zoll deu Tag; deuuoch war der Uebergang durch die stärker gewordene Strömnug ungleich schwieriger als das erste Mal. Der Benue war iu bcdeuteuderem Grade gewachsen nnd die sandige Vaudsftitze zwischen den beiden Flüssen stand fast ganz unter Wasser; das Gleiche galt von unserem früheren Einschifsnngspuntt, so daß wir hier nicht landen lonntcn, sondern an einer auderu Stelle das steile Ufer crlletteru mußten, was nur iu meinem fieberhaften Zustande unsägliche Mühe verursachte. Nur der fortwährende Gebrauch voll Chiuiu setzte mich in den Stand, der Hitze uud der Anstrengung nicht zu uuterliegen, uud ich war froh, als wir Ssulleri crreichtcu. Zu meinem Erstanneu wurden wir hier diesmal sehr freundlich aufgenommen und sogar genöthigt, anch noch den andern Tag zu blcibeu. Ungeachtet dieses Ruhetages war ich bei der Weiterreise am 29. Iuui so schwach uud eleud, daß ich mich uicht mehr in: Sattel halten konnte, soudcru mich wiederholt auf den Bodeu hinstrecken mußte. Leider verhinderte mich mein Zu stand, den Weg nut dcrselbeu Genauigkeit, wie ich dies sonst zn thun Pflegte, anf meiner Karte niederznlegcn; denn wir folgten von Ssnlleri an nicht der früheren Nichtnng, sondern schlugen für die nächsten Marschtagc eine mehr östliche ein. Wir betraten anf derselben eine gegen die flache Sawaunenlandschaft des Äenne in lebendigem Gegeusai? gezeichnete Gegend: erst ein rauhes Hügelland voll anf^ springender Höhen und itnPPeu, dauu eine reiche Vaudschaft mit dem .___ 4ßg ____ üppigsten Pflanzenwuchs und wohlhäbigeu Weileru. Die Ortschaft, in der wir Quartier nahmen, Demssa, in zwei verschiedenen Gruppen, Demssa-Poha und Demssa.Äiessu, war der Hauptort ein« gleichnaini' gen Abtheilung dcr Vatta und bildete mit seiner Umgebung ein überaus malerisches Vaudschaftsgcmälde. ^e wilder und eigenthümlicher der gauze Charakter des Vaudes war, mit seinen riugs aufsprin-gcudeu hohen Felsmassen, uin so tiefer war der Eindruck der Ordnung uud Nettigkeit, die überall in Landban und Häuslichkeit sich kmtdgabeu. Das schöne Bild ließ mich für einen Augenblick wirtlich (Ermüdung und Krankheit vergessen, aber iu meinem Quartier angelangt, machten beide sich desto fühlbarer und mein fieberhafter Znstand erreichte den höchsten Grad. Diese Verschlimmerung meines Znstandes nach jeder Anstrengung führte mich zu dem Schluß, daß ich damals den übleu Folgcu der Regenzeit unterlegen wäre, wenn es mir gelungen sein würde, meine Absicht zu erreichen, tiefer in jene wasserreichen Gegenden Adamaua's einzudringen; denn meine geringen ma? terielleu Mittel würden nur jede Erleichternng der Strapazen uud jegliche Erquickung versagt haben. So führte ich damals nicht das (Geringste mit mir, was mir als Bettnntcrlage hätte dienen nnd mich vor der Feuchtigkeit bewahren tönneu. Glücklicherweise blieben wir in Demssa bis zum 2. Juli, da wir die Rückkunft des Vamido, der auf einem Kriegszug abwesend war, abwarten wollten, und setzten erst dann die Reise nach Äelem fort, der Hcimath meines Freundes Mallem Delil. Der Tagcmarsch, der uns dahiu führte, war kurz, abcr von höchstem Interesse, da der Reichthum nnd die Schönheit der Landschaft sich gleich blieben. Das Ackerland war liberall von schönem Baumwuchs unterbrochen, der dein Feldarbciter hier zu Lande uicht fchleu darf, um während der Mittagszeit im kühlen Schatten ruheu zu tonnen. Auch an Wasser fehlte es der Gegend nicht. Die Ortschaft Demssa war im Nord-Westen von einem stehenden flachen Gewässer begrenzt, wie wir sie im MnssgU'Lande vorwiegend finden werden, und wenige Minuten jenseits desselben überschritte»! wir den breitcu, klareu Strom des Man,» Tiel, der jetzt auf Mesbodeu eilig dahinzog. K'aum hundert Schritt weiter gelaugteu wir schon wieder an ein Gewässer, einen lleinen See, wie es schien von ansehnlicher Tiefe nnd von zahlreichen Krokodilen belebt. Die Gegend wurde nun offener, bot aber immer nenen Reiz. Wir begegnctcl, hier einer höchst stattlichen kleine Gesellschaft ringe- 464 wanderter Boruaner, die in diesem reichen jungfränlichen ^ande cine neue Heimath gefunden hatten. Ihr Aussehen lvar ein genügender Beweis, daß die höheren Gegenden Adainana's keineswegs ungesund, sondern dem menschlichen Gedeihen sehr giinstig sind; denn die Äcänner waren breitschulterige, kernige Gestalten und die Frauen die schönsten Bertreterinnen des 5lanori Stannnes, die ich jemals gesehen hade, rnnd nnd wohlgenährt, init gefälligen Formm nnd eiinichinenden Zügen. Gar stattlich saßcn si^ anf lnciter, dc'qnciner lliitrrllu^' ans ihren Vastochsen und grnßten nni< sreilndlich. Bun Belem an), drei thönernc abgerundete Erhöhungen, in deren Höhlung der Kochtopf hineinpaßte. Davor stand zur Bequemlichkeit der Hausfrau ein lleiucr, aus sehr hartem einheimischen Eichenholz gefertigter, nett gezierter Schemel (i), und endlich in dem Naum der Hütte, welcher zunächst der Thür als Empfangszimmer dient, die große unbewegliche Wasserurne. Alles dieses haftete fest an seinem Platz; dagegen war der sämmtliche bewegliche HauSrath, wie die hölzernen Schüsseln, die Schalen, Trint-gcfäße und großen Büffel aus Kürbisschalen nnd der nie fehlende Ruhrtellcr, von der vorsichtigen Hansfrau vor meinem Eintritt entfernt worden. Auch hier siel es mir wieder anf, daß diese eiufachcn Wohn-statten gar keine Vorrichtung zum Aufbewahren lion Kleidungsstücken haben, außer daß gelegentlich ein Kleidungsstück, namentlich ein zweites Gewand der Frau, in die Kornurnc gestopft wird. Am 12. Juli, als wir Uba, die nördlichste Stadt Adamana's, verließen, nahm Ibrahima, mein Adamaua-Geleitsmann, vou mir Abschied. Bei dieser Gelegenheit ließ er sich noch einmal, wie er dies schon öfter gethan hatte, sehr tadelnd über die Thorheit seines Herrn aus, mich ans dem ^aude zu weisen; denn eine Art republikanischen Freimuthes gehört zu den charakteristischen Eigenschaften der Fnlbe. Fast aber schien es, als habe man nns nur die Grenze Adamana's in Sicherheit erreichen lassen, um nns in dem nun folgenden gesetzlosen Waldbezirt irgend einer Verrätherischen Hiuterlist preiszugeben. Man wehrte uns nicht nur ohne allen Grund den Dnrchgang zwischen einigen Ackerfeldern, die wir alls dem Hinmarsch ungestört passirt hatten, sondern versuchte auch einigen nnsercr Gefährten mit Gewalt zwei ihrer Sklaven zu entreißen. Als die Angreifenden Widerstand fanden, erhoben sie ein lautes Hülfsgeschrci, das schauerlich von Fels zn Fels durch die wilde Berglandschaft schallte. Wir Alle, so wie etwa dreißig bewaffnete Reisende, die sich uns angeschlossen hatten, Varth'« Rtis«n. 1. »0 ------ 466 ------ rüsteten uns zu ernsthaftem Streit; aber obgleich noch mehrere Male alarmirt, erreichten wir doch, ohne wirklich angegriffen zu werden, Vahanla, das in jenem merkwürdigen sselsenkessel gelegene Dorf, wo man uns auf der Hinreife des Nachts hate überfallen und plündern wollen. Diesmal aber wnrdc ich nicht nur dou dem alten guten Aifcha, sondern auch von dcsfeu wildem, leidenschaftlichem Sohn freund lich aufgenommen und schlief rnhig iu der lleineu sauberen Hütte am Gottespfahl. Eine eben so erfreuliche Siuuesäuderung faudeu wir bei den Bewohnern von Isfege, uuserein uächsteu Quartier. Mit der äußersten Nebe und Herzlichkeit ward ich im Hause einer wohlhabenden Familie aufgenommen. Dach und Wände meiner kleinen, aber netten Hütte waren von Rohr, letztere hatten aber eiuen Ueberzug vou Thou. Unter den Gerätheu und Waffen in derselben fiel mir besonders eil' ungeheuerer Schild anf; derselbe bestand aus eiucm dicken Flechtwerk von Rohr und war groß genug, um zwei bis drei Personen anf (M^ mal zu schützeu. Die Hütte war das Gemach des jüngsten Sohnes der Familie, ciues fchoucn, hoch nnd schlank gewachsenen jungen Mannes mit höchst eiuuehmenden Zügen. Sein Anzug war äußerst spärlich und doch wieder überaus gekünstelt; die eigentliche Kleidung bestaud in einem kleinen, um die Hüften gegürteten lederneu Schurz; dauu aber trug er erstlich nm feiuen Hals eine doppelte Reihe rother Glasperlen, etwas niedriger ein anderes Geschmeide lion drei Schnüren Korallen (oder vielmehr ruther Glasperlen) und noch niedriger, anf die Brust herabreichend, einen Schmuck vou zwei Reihen (^isen- oder, man möchte fast sagen, Stahlpcrleu. An seinem linken Oberarme trng er vier breite Menriuge, an seinem Glbogen zwei andere schmale Eiseuringc, sehr niedlich, wie aus Perleu zusammengesetzt, gearbeitet; an seinem Handgelenk hatte er zwei schmale nnd einen breiten Eisenring nnd darüber endlich einen Elfenbeinring. Der rechte Arm war nicht fo reich gefchmückt, sondern hatte nur vier Eiseuringe am oberen Theile und zwei am Handgelenk. Unterhalb des Knie's trug er eine von seiner Schwester höchst niedlich aus Baumwolle geflochteue Schnur — man möchte sie einem Strumpfbande vergleichen, nur daß uatürlich die Strümpfe fehlten. Außerdem hatte er noch au seinem Fußgelenk eineu schmalen Oisenring. Jedoch bemerkte ich iu der Folge, daß dieser junge Mann, obgleich so reich geschmückt, noch nicht einmal allen seinem Stamme eigenthümlichen nationalen Schmuck trug; denn ich sah Andere seiner Vandsleute, welche außerdem noch ein eisernes Kettchen ------ 467 ------ s„schnschu") um ihre^ Hüften hatten. Auch trug er keinen „sser" (d. i. eiu kleines, durch das Ohr gebohrtes Nohr); der Mangel dieses vermeintlichen Schmuckes war aber natürlich nur vortheilhaft für ihn. Alle diese eisernen Schmucksachen werden dun den Maudaraueru sehr niedlich verfertigt. Ich habe schon bemerkt, daß Mora, Welches von hier nur zwei Tagemärsche eutfernt ist, del' Hauptmarkt für die Marghi bildet, und ich bedauere es nur, daß ich uicht im Stande war, einige von diesen Gegenständen mitzubringen, da sie ebensowohl als Proben der vortrefflichen Art Eisens, welches die Eiugeborneu besitzen, dienen könnten, als auch als Zeugniß ihrer Industrie uud Kunstfertigkeit. Meine kleine Hütte wurde den gauzeu Nachmittag nicht leer von Besucheru, und alle betrugen sich höchst anständig. Beim Anblick dieser Leute mit ihrer einfachen, aber freien Natürlichkeit, ihren schönen männlichen Gestalten, ihren meist regelmäßigen Zügen, nicht entstellt durch barbarischen Schmuck - - abgesehen von dem leichten, federartigen Rohr, das Einige im Ohr trugcu - uud ihrem graziösen Gang drang sich mir von Neuem die Ueberzeugung auf, daß die Marghi in der That eiu überlegener Menschenschlag genannt werden müssen, beider war mein Aufeuthalt uuter ihnen zu tnrz, als daß ich Vieles von ihren Sitten und Gebräuche« hätte sehen können; Einiges habe ich bereits erwähnt— wie z. B. den höchst merkwürdigen Umstand, daß sie die Einimpfung der Pocken sehr allgemein zu üben scheinen —, eiu eigenthümliches Gottesgericht aber, welches auf dem heilig«: Granit-felsen dun Kobschi stattfindet, verdient noch genannt zu werden. Wenn nämlich zwei Marghi mit einander in Streit liegen, begeben sie sich nach jenem Felsen, Jeder mit einem Kampfhahn. An der heiligen Stätte angelangt, werden die beiden Hähne gegeu einander gehetzt, uud wessen Thier die Oberhand behält, der erhält auch Recht in dem ursprünglichen Streit. Aber nicht allein dies, sondern der erzürnte Gott soll den, dessen Uurecht durch die Vesiegung seines Hahnes erwiesen ist, dadurch strafen, daß derselbe bei der Rücklehr in's Dorf stets seine Hütte in Brand findet. Es kostete mich einige Mühe, meinen Bornu-Geleilsmaun am anderen Morgen zum verlassen dieses freuudlichen Ortes zu bewegen, wo wir höchst gastlich bewirthet worden waren. Äei unserem Aufbruch schlugen wir einen Pfad eil«, der etwas östlicher als der frühere verlief, im Ganzen aber von derselben Beschaffenheit war, voller Risse und Spalten und mit dichter Waldung bedeckt. Doch bot die nahrhafte 30» ------ 468 ------ Wurzel Katatirri den Gliedern unserer Karawane auch diesmal cine willkommene Beschäftigung. Nach einem Marsch von acht Stunden erreichten wir das nördliche Mulgheu, mit der Absicht, hier zu rasten. Aber auf das Entschiedenste abgewiesen, blieb uns nichts Anderes übrig, als den Marsch nach dem noch über drei deutsche Meilen entfernten Aerimari fortzusetzen. Ich mnßte meine Kräfte durch den reichlichen Genuß von Waldfrüchtcn, besonders der kleinen schwarzblaucn Pflaume, „birgim", und der angenehm saueren Waldtirsche, „tsada", aufrecht erhalten. —- Thiere und Menschen waren denn auch an: nächsten Morgen so erschöpft, daß wir den kleinen, armseligen Grenzort nicht verlassen tonnten. Erst nach ciuem Ruhetag zogen wir weiter nnd kamen am Abend des 16. Inli nach Udje Kassuknla. Der Anblick des Bandes unterwegs hatte nns recht deutlich merken lassen, wie weit wir bereits nördlich vorgerückt waren; denn während wir in den südlicheren Gcgendcu schon mannshohe Saaten durchzogen hatten, stand hier das GraS erst 1 bis 2 Zoll hoch und die Saat, wo sie am besten stand, erst 10 bis 12 Zoll hoch. Freilich war bis jetzt ausnahmsweise nnr spärlicher Regen gefallen. Ich hatte Kassukula im Znstand der äußersten Erschöpfung erreicht nnd war genöthigt, hier drei Tage liegen zu bleiben; zum Glück fand ich sehr freundliche Aufnahme und Pflege in dem Hanse des Amtmanns. Von ihm erfuhr ich denn auch zu meiner großen Freude, daß Dr. Overwcg sich wirklich auf dem Tfad eingeschifft habe, um die Inseln der Hedina zu besuchen. So traten wir denn am 20. Juli den letzten Abschnitt unserer Rückreise an, indem wir nun ohne weiteren Aufenthalt der Hauptstadt zueilten und del» Weg dahin in fünf Tagen zurücklegten. Anf dem Ausmarsch hatte« wir eiucu Umweg nach Westen über Udje Maiduguri und Udjc Mabani gemacht; wir schlugen daher jetzt einen mehr direkten, ästlicheren Pfad ein. Da derfelbe aber von dem früheren höchstens nur einige Meilen südwärts lag nnd wie dieser dnrch die gleichförmigen flachen Allnvialebencn des eigentlichen Vornu führte, so war im Allgemeinen der Charakter der berührten Landschaften derselbe, wie ich ihn anf dein Ausmarsch geschildert habe. Ackerland und Weidegründe wechselten mit einander ab; bald zogen wir durch dichtbevölkerte Distrikte, bald über öden Sand- oder Sumpfboden; auch die düsteren Firki traten wieder anf. In der Pflanzenwelt bildeten krüppelhafte Mimosen den vorherrschenden Zng; nnr die alls der ersten Hälfte des Wegs häufigen ------ 469 ------ Ansammlungen stehenden Wassers, oft voll ziemlicher Ausdehnung, waren mehrfach don Tamarinden uitd Eytomoren umgeben. Während der ersten Tagereisen war indessen Niederwald nicht sewn, und ich beobachtete dort zuerst den », kum-kum", einen Busch mit einander gegenüberstehenden oblougeu und scharf gespitzten Blättern, dessen Beeren einen dem Kaffee ähnlichen Geschmack haben sollen; in der That mag es eine der <üot?0k nahe Verwandte Pflanze sein. Mein diensteifriger Begleiter brachte mir and) die Beeren eines Busches, „bulle« genannt, deren Geschmack sehr angenehm und dem der Korinthen nicht unähnlich war; ferner eine sehr schöne Fiw, eine Frucht mit weicher, dünner Schale, die etwa aussieht wie rother Pfeffer, eine Unzahl kleiner Kerne in sich schließt und etwas säuerlich schmeckt. — Unter den natürlichen Produkten dieses Landstriches innß auch Eisenstein genannt werden, welcher in ziemlicher Menge in der Umgegend dun Muughono, eiuige Meilen südlich von Kukaua, gefunden wird; geschmolzen liefert er ein nur mittelmäßiges Eiseu. Abstoßend einförmig aber, im Gegensatz mit dein Reichthum natürlicher Formen, den ich in Adamaua vor Augen gehabt hatte, erschien mir die Vandschaft, als ich endlich die öde Umgebung der Hauptstadt betrat mit ihrem tödtlich ermüdenden Dnmgestrüpp und dcr langweiligen ^»cißpias, die in der That würdig wären, in das Wappen von Kutaua aufgenommen zu werden. An Erlebnissen von besonderem Interesse waren diese letzten fünf Märsche ziemlich arm. Am Abend des dritten Tages, als wir in einem Dorf unser Quartier aufgeschlagen hatten, welches dem Bruder des Scheichs, Abd e' Rahman, gehörte, vergnügte ich mich eine Weile sehr an dem geräuschvollcu Lärm einer Knabenschule, die ganz nahe bei meiner Hütte lag. Um ein Feuer herum lauerte» 6—7 Knaben und wiederholten ein Paar Verse aus den: Kuran, die der Schulmeister sie tagsüber hatte lrscu gelehrt, so laut sie nur immer schreien konnten und unter deu unsinnigsten Verdrehungen. Man glaubt ge-Wöhulich, daß ein Schultuabc in Europa zu sehr geplagt werde; diese armen afritauischen Bubeu aber werden bei dein Wenigen, was sie lernen, noch viel mehr gepeinigt. Wenigstens habe ich sic oft in der taltcn Jahreszeit, kaum mit ein paar Vumpeu bedeckt und um ein elendes Feuer hockend, schon mn 4 Uhr Morgens ihre Lektion lernen sehen; dabei lucrden sie vom Schulmeister zu allerhand Dienstleistungen gebraucht und uicht viel besser behandelt als Sklaven. — Am andcru Tage hatten wir bei dem Brunnen von Vieira auf der ------ 470------ sonst von allem Verkehr entblößten Straße ein sehr interessantes Schauspiel; es zog nämlich ein ganzes Schua-Dorf ans seiner Wanderung, um frische Weidegründc zu snchcn, an uns vorüber. Jede Familien-nmtter saß oben ans ihrer besten Habe, die in gnt gesäumten Lederschläuchen sorgsam zu einem bequemen Sitz auf deu breiten Rücken der Rinder gepackt nnd mit Fellen bedeckt war, während eine Sklavin auf dem weniger werthvollcu Gepäck mit den Stangen, Töpfen und übrigem Geräthe dieser Art in einiger Entfernung folgte. Bor Allen aber war die Frau des Häuptlings ausgezeichnet, sowohl durch das Geschirr ihres Rcitthiers, als auch durch die nette Anordnnng ihres Sitzes, durch eine zeltähnliche Bedachnng über ihrem Haupte und durch die abgerundete, wohlgenährte Form ihrer eigenen kleinen Person. Die stattliche Figur dieser kleinen Knhfürstin zeichnete sich um so mehr aus, als die meisten übrigen Frauen eher schlank waren. Diese Schua-Frauen verschleiern übrigens, so viel ich gesehen, ihr Gesicht nie, während wnnderbnrerwcise die eingebornen Manga diese Sitte noch heute beobachten; ihr Anzug ist einfach nud anständig uud ihr Haar fällt in reich gebutterten Ningcllocken über die Wangen herab; aber in der Reinlichkeit stehen sie den Fulfulde - Damen bei weitem nach. Der größte Theil der männlichen Bevölkerung des Dorfes folgte in großer Entfernung mit deu Schaaf- und Ziegenheerden. Als diese interessante Prozession vorüber war, machte sich die Einförmigkeit der Landschaft um so mehr fühlbar. Doch betraten kür bald die gnt angebaute nnd dichtbevölkerte Landschaft Jele. Es war etwas ganz Ungewohntes für uns, hier zuerst wieder aus einem Brunnen Wasser ziehen zu müsscu; denu seitdem wir auf unseren: Ausmarsch Udje erreicht hatten, fanden wir stets Wasserpfnhle oder kleine Bäche, ans denen wir den nöthigen Vorrath schöpfen konnten. Das Wasser dieser stehenden Pfützen ist aber weit davon entfernt, gesund zn sein, und ich hege keinen Zweifel, daß das Trinken desselben die hauptsächlichste, wcun nicht alleinige, Ursache jener weit verbreiteten abscheulichen Krankheit ist, des sogenannten Hant- oder Gninca> Wnrmcs, „farantit" oder „arug". Die Kanori nennen dieselbe sehr bezeichnend das „Elend", „ngidni", weil sie gerade zn der Zeit sich einstellt, in welcher allein der Mensch in diesen Gegenden arbeiten muß; so hindert sie denn den unglücklichen Kranken an der Arbeit nnd bringt ihn an den Bettelstab. Man darf wohl annehmen, daß uuter drei Personen in Central ^ Afrika eine mit dieser Krankheit behaftet ist, besonders nuter solcheu Leuten, die diel umherreiscn; auf- ------ 471 ------ fallend aber ist es, daß ich dieselbe nie an Frauen bemerkt hab?, und es will mir scheinen, als ob auch die heidnischen Stämme weniger an diesem Uebel litten, als die zum Islam übergegangenen. Endlich kam der letzte Reisetag, der 24. Inli 1^51. Schon bald nachdem wir den Marsch angetreten hatten, kündete ein Trupp Schua, Männer nnd Weiber, die mit ihren leeren Packochsen vom Montagsmartt zurückkehrten, die ^iähe der Hauptstadt an. Als wir nach einer knrzen Rast von dem Bruunen Kaine, etwa eine Meile von Kntaua, aufbrachen, kamen uns schon ^eute von dort entgegen, die von nnsercr Ankunft gehört hatten. Anch von Seiten der regierenden Herren wurde mir eiu ehrender Empfang zu Theil; denn als wir uus dem Südthore der Stadt näherten, kamen drei Reiter in gestreckten: Galopp auf mich zu geritten, begrüßten mich in kriegerischer Weise durch das Schwingen ihrer tanzen uud führten mich an der Spitze nnseres Znges in stattlicher Prozession mitten durch die Stadt nach meiner Wohnung. — Später sandte mir der Vezicr ein reiches Abendessen nnd ich konnt,', im sichern Hafen wieder angelangt, mich endlich der Ruhe ü^'rlasscn. Da ich noch vor dem zweiten Nachmittagsgebet dir Stadt betreten hatte, so hätte ich mich der Etikette gemäsi noch au demselben Tage dem Vezier vorstellen müssen. Allein ich fühlte mich zu augegriffen und verschob es auf den nächsten Tag. Mein hoher Gönner und Freund empfiug mich denn auch sehr leutselig in öffentlicher Audienz, sprach sich mit viel Theilnahme über meinen geschwächten Gesnndheitsznstand ans, erkundigte sich uach der Anfuahme in Ada-maua und unterhielt sich mit mir über meine nächsten Pläne. Meine nächste Sorge mnstte nuu sein, den siechen Körper wieder herzustellen nnd zu kräftigen, damit das Schiff, frisch kalfatert und neu ausgerüstet, zu weiteren Fahrten tüchtig sei. Dreizehntes Kapitel. Zmeiler ^nsi'nlhM in Uukaua. — Zug nach 3l'a«em. Als ich nach Kutaua zurücklehrte, hatte die 3tegenzeit, welche da-mals in« Gebiete des Beuue schon ihren Höhepunkt erreicht haben mußte, für die llmgegend der Hauptstadt Bornu's lallm begonnen, ^as ganze ^and war noch versengt und dürr; man harrte noch des Segens, der „ans der Wolke quillt", um mit dem Anbau des Boden« zu beginnen. Erst im Anfang des August stellte sich der regelmäßige Negenfall ein und mit ihm gewann die Stadt urplötzlich ein anderes Ansehen; überall sproßte junges Gras und frisches Lanb, überall entfaltete sich ein neues reges Vebcu auf den Fluren. So begannen uuter Trommclschall am ^. August die Feldarbeiten auf den benach. bartcn Gütern des Scheichs und eine grosse Menge Menschen arbeiteten hier täglich bei dem Schalle ihres nationalen Instruments. Kaum einen Monat später, am 5. September, erhielten wir die erste Probe von neuer weisirr Negcrhirse, freilich nur als Leckerbissen. In be> trächtlicher Menge wird das neue Getreide erst Ende Novembers oder Anfang Dezembers zn Markte gebracht. So lange läßt man es auf dem Felde in großcu, hütteuflirmig aufgerichteten Haufen liegen, bis man dann mit höchst einfachen Dreschflegeln die Saat oum Rohre trennt und die Kolben ill Mörsern ausstampft. Kommt mm so reicher ^orrath von Korn auf den Martt, da belebt sich auch der Hausstand des Städters und Sandmanns, doppelte Portionen werden ausgetheilt uud Heirathen geschlossen. Doch nicht blos auf das Reich der Pflanzen erstreckten sich die Veränderungen dieser neu bclebeudcu Zeit, auch die Welt der Thiere nahm daran Theil. Die jnngr Vrnt der Vögel ward jetzt flügge, und ich beobachtete mit vielen« Vergnügen den lleinen Haushalt einer befiederten Familie mit fünf neuen Sprossen, die sich in meinem Gemache eingenistet halte. Das älteste und tühnstc der tleinen Geschöpfe _— 473 ------ begann am 12. August, seine jungen Kräfte zu erproben, und die vier anderen entflohen am 14. in geschwisterlicher Gemeinschaft dem Neste. Die großen ausgewachsenen Termiten, die so lange von unserem Zucker und audereu Borräthen gezehrt hatten, verschwanden nach einigen ergiebigen Regengüssen alle auf Einmal au Einem Tage, den ö.Augnst, und erfüllten die Luft als vergängliche geflügelte Geschöpfe. In diesem Zustande ereilt die Rache der Menschen diese lästigen Plagegeister — in großer Menge werden sie eingefangen, geröstet und verzehrt. Hierzu ist das neno Insekt selbst bchülflich durch die Hinfälligkeit und Schwäche seiucr Natur; dcuu nicht start genug, um sich lauge m der Luft zu halten, fällt es in jeder Richtung auf Alles herab und wird so zur ncueu Plage, ehe es eines gewaltsamen Todes stirbt. Nur der fremde Wanderer aus dem fernen Norden — wenn rings um ihn Alles grünt und sproßt und im üppigsten Gedeihen steht — fühlt sich schwach nud trant'haft - hinfällig in der Zeit des afrikanischen Frühlings. Für ihn steigen Fieber und Siechthnm statt frischer rüstiger Kraft ans dem Ucbcrfluß des befruchtenden Elemcuts empor und drohen den letzten Nest von Mannhaftigkeit zu verzehren, welchen die erschlaffende Sonne der heißen Jahreszeit ihm uoch nicht geraubt hat. Es war meine erste Regenzeit in den Tropen, wenigstens war ich zum erstell Mal der vollen llimatischen Einwirkung einer solchen ausgesetzt; denn die Regenzeit in dem Alpenlande Air, am Nande der Wüste, kann in dieser Hinsicht keine Gefahr für den Europäer mit sich bringen. Ganz besonders aber ist Kntaua zn dieser Zeit deö Jahres ein höchst ungesunder Aufenthalt. Uebcrall nämlich bilden sich, auch innerhalb der Stadt, in jeder Bertiefnng des Bodens dachen stehenden Wassers, welche die Sorglosigkeit der Einwohner noch dazn benutzte, todtes Vieh und Abfall aller Art hineinznwcrfen. Neben dem allgemeinen Einfluß der Jahreszeit glanbe ich ganz besonders diesen verpesteten dachen es zuschreiben zu müssen, wenn meine Krankheit sich verschlimmerte, so sehr ich auch dagegen ankämpfte und durch kleine Ausritte mich in Beweguug zu rrhaltm suchte. Gewiß würde eS ersprießlicher für mich gewesen seiu, wcun ich mich nnverwcilt nach einem gesüudereu Orte hätte begeben können; allein allerlei anscheinend nnbrdeutende, jedoch znr Zeit höchst Wichtige Geschäfte hielten mich in der Hauptstadt zurück. Der Rcgeufall war im Jahre 1^51 sehr reichlich, und ill) bin sicher, daß er die von Herrn Dr. Vogel im Jahre l^54 gefundene ____ 474 ____ Regenmenge bei weitem übertraf, wenn auch im Durchschnitt dic Hauptstadt Bornu's sich mehr der mittleren Regenmenge Europa's anschließen mag. Es fielen allein während des Monats August zwölf sehr bedeutende Regengüsse, die zusammen wahrscheinlich schon 3<1 Zull überstiegen. Auch darf man nicht vergessen, daß der Regenfall in Kulaua nicht die Regel für eine weite Landschaft, sondern eine Ausnahine bildet, was dem gänzlichen Mangel an Vänmen nnd an Anhöhen in der Umgegend zuzuschreiben ist. Ich bin daher der Ansicht, daß Herrn vi-. Vogel's Angabe '), die ^inie tropischer Regen beginne erst südlich von Knkana, mit einigem Vorbehalt zu verstehen sei; denn wenn er den Regen il» der bewaldeten Landschaft in einiger Entfernung nördlich von der Hanptstadt, zwischen Dau erghu und Kalilna, gemessen hätte, so würde cr wahrscheinlich schon ein verschiedenes Resultat gefunden haben. Gewiß versteht Herr I>i-. Vogel hier unter tropischem Regen eine tropische Negenfiille nnd nicht den regelmäßig wiederlehrenden Regen^ fall, der dnrch die anfsteigenden Strömungen erhitzter Vnft verilrsacht wird, nnd schließt in dieser Beziehung Kukana von der Zone tropischer Regen aus. Man mnß sich aber meiner Meinung nach wohl hüten, dies zn verallgemeinern, und eine '^inie südlich von Kntaua dnrch den Sudan oder selbst nnr dnrch Bornu zu ziehen. Wie gauz anders muß der Regenfall auf dem Tsad sein und wie ganz anders selbst in den waldigen nnd sumpfigen Gegenden am Kumadngu! Während meiner Abwesenheit auf der Reise nach Adamaua war endlich Mohammed el Mngharbi, jener Araber, welcher mich anf dem Wege von Kano nach Knlana in Bummel traf und mir eiu Brief-packet von Europa einhändigte, mit den für die Expedition bcstimmteu Waaren von Kano in Knkaua eingetroffen. Es fand fich Waare im Belauf vou 100 Pfund Sterling; da ich aber gezwnngeu war, die Artikel für baares Geld loszuschlagen, ergab sich für mich ein bedeutender Verlust, und ich konnte mit der übrigbleibenden Summe voraussichtlich nur eine kurze Zeit ausreichen. Um so erfreulicher mußte es daher für mich sein, daß ich am 6. August abermals ein Packet von Briefen aus Europa erhielt, ans denen ich ersah, das; man unseren Forschnngen mit Interesse folge und daß uns die Mittel gewährt werden würden, dieselben ohuc zu große Eutbchruugcn fortfetzen zu können. ') I»l einem seiner Briefe, der im .l'mnml ul' tlio U^al Noußr. 8ov., Bd. XXV, 1855, S. 241, abgedruckt worden ist. ____475 __— Mit crucutem Eifer ging ich mm an die Abfassung meines Berichts über die Rcisc nach Adamana und die Entdeckung des Benuc, und so gering diese Arbeit auch an fich war, vernrsachte sie mir doch in meinem krankhaften Zustande große Mühe und Schwierigkeit. Kaum hatte ich am 8. August einen Boten mit diesem Bericht abgesendet, als am 9. Dr. Overweg don seiner interessanten Beschiffuug des Tsad zurückkehrte. Es ward mm ein zweiter Bote mit der Nachricht hiervon dem ersten nachgesandt, welcher diesen auch glücklich noch einholte. In Hinsicht auf diese Fahrt meines verewigten Reisegefährten muß Jeder cS schmerzlich bedauern, daß der kühne Reisende dnrch frühzeitigen Tod verhindert wurde, einen vollständigen Bericht über dieselbe auszuarbeiten. Die von ihm hinterlassenen Materialien aber gestatten kann», mehr davon zn sagen, als was schon Dr. A. Peter-mann ') in einem Bericht über unsere Expedition auS ihnen zusammengestellt hat. Der Verabredung gemäß, die ich vor meiner Abreise nach Adamaua mit ihm getroffen, hatte er sich ans dem Boot, welches wir mit unsäglicher Mühe von der Nordküste dnrch Sand- und Steinwüsten hierher gebracht hatten, eingeschifft und auf eiucr Fahrt über das seichte Wasserbecken des Tsad einen großen Theil der Inseln besncht, welche in ihm zerstreut liegen, zum Theil bloße Sanddüueu, zum Theil zu weiten grasreichen Niederuugen sich ausdehnend. Auf dieser zweimonatlicheu Wasferfahrt war Herr Dr. Ovcrweg vielfach mit dem eigenthümlichen Volksstamm in Berührung gekommen, welcher auf jenen Inseln seine Nationaluuabhängigkeit fristet und eine kleine, in sich abgeschlossene Welt bildet. Dr. Overweg's Gesundheit war bei dessen Rückkehr vortrefflich, viel besser als zur Zeit, wo ich zuletzt mit ihm in Kukaua zusammengetroffen war; dennoch wünschte der Vezier, daß er so wenig als ich selbst währeud des letzteu Theils der Regcuzeit in den sumpfigen Niederungen der Hauptstadt verweilen möge. Er willigte daher ein, sich mir auf dem gewagten Zuge uach Kauen» anzuschließen, dessen Ausführung ich zunächst beabsichtigte. Das Ländcrgcbiet rings um den Tsad zu erforschen uud wo möglich bis zu dem berühmten, mit vielen blühenden Ortschaften be. setzten Thal „Bahr el (Yhasal" vorzudringen, war ein Plan, den wir beide schon seit dem Beginn uuscrcö Uutcrnehmcus mit Vorliebe ge- ') Account of the Progress of tho Expedition to Central Africa performed by order of H. M'* Foreign Office under Mess"-» Richardson, Barth, Ovcrwcg and Vogel. London & Gotha, 1854. ------ 476 ------ hegt halten. Ich nahm denselben mit erneutem Eifer wieder auf, nachdem ich die Ucberzengnng gewonnen, daß es mir unmöglich sein würde, nach Süden vorzudringen. Der Ausführung des Planes waren aber die inneren Zustände jener Landschaften und namentlich die Don Kanem bisher nicht günstig gewesen, so daß auch der Vezier noch bei meiner Rückkehr ans Adamana es für mtthunlich erklärt hatte, dahin vorzudringen. Es wird dem ^escr ans der Uebersicht über die beschichte Bornn's, die ich mitgetheilt habe, erinnerlich sei», das; nach der Vertreibnng der alten Ktauori-Dynastie ans dem Stammlande Kanem dnrch die Bnlala — die Herren des Seelandes von Fittri— es den Herrschern von Bornu unbeachtet aller spätern Siege nicht gelang, Kanem danernd und vollständig wieder zn erobern, N'anientlich lvar es der Sultan von Wa-dai, welcher als gegenwärtiger Herr des Bandes Fittri Ansprüche an dasselbe »nachte, denen schon der glückliche Mohammed cl Kanemi vergeblich entgegengetreten war. Dies war der Feind, der es fortwährend von Osten her bedrohte. Die westlicheren Landschaften Knnems aber, besonders jene, welche die Verbindung mit dem eigentlichen Burnu bildeten, waren den steten Einfällen der räuberischen Tuareg (Imo-scharl,) ausgesetzt und einzelne Städte waren ihnen sogar tribnt-ftftichtig. Kurz, ganz Kanem war znm wilden Jagdgebiet abenteuerlicher Raubzüge von allen Seiten her geworden. Statt nun mit eigener Kraft das alte Stammland von Räubern zu befreien und den königlichen Nebenbuhler aus dcu östlichen Marten desselben zn verjagen, hatte es der Vezier vorgezogen, den kriegerischen nnd heimathlosen Araberstamm der Uölad Sslimau zn diesem Kriege zu verweudeu. Er versah diese Araber mit Pferden, Flinten und Schieschedarf nud überlies; es ihuen, sich weiter für ihre Mühe durch die gemachte Beute schadlos zu halten, erhob jedoch auch von dieser cincn Antheil. Als nun Anfang Angnsts die Nachricht eines erfolgreichen Ranbzngs jener afrikanischen Landsknechte nach Kukaua gelangt war, lies; mir der Vc-zicr melden, ich könne nun den Versuch machen, den Bahr el Ghasal zu erreichen. Natürlich mnßlen wir, nm jene ungastlichen Gegenden besuchen zu können, unsere friedlichen Bestrebungen mit den weniger heilsamen jener Horde vereinigen. Ich zeigte demnach schon in der Mitte des August dem Vezier an, das; ich bereit sei, mich nach Borgn, einer Landschaft der Tebu nordöstlich von Kanem, dem damaligen Standquartier der Ui-lad Ssliman, zu begeben; doch verzögerte sich unsere Abreise bis gegen die Mitte des folgenden Monats. ------- 47? ------- Ich benutzte die Zwischenzeit, mich zu diesem neuen Zuge zu rüsten, miethete neue Diener, von deueu zwei eben zn jenem Araberstamm gehörten, und taufte eiu paar andere Kamcclc nebst dem nöthigen Mnndvorrath. Dies Alles erschöpfte meine Mittel wieder der Art, daß es mir unmöglich war, auch noch eiu gutes, starkes Pferd zu beschaffen. Da erinnerte ich mich eines früheren Versprechens mcincS Gönners Hadj Äeschir und ließ ihn wissen, daß er mich durch das Geschenk eines Pferdes unendlich verbinden würde. (5r war denn auch so freundlich, mir vier Thiere zur Auswahl zuführen zu lassen, keines aber entsprach meinem Geschmack und meinen Bedürf-nissen, und ich crlanbte mir daher, alle vier mit der Bemerkung zurückzusenden, es sei mir unmöglich, unter diesen vier „Gäulen" ein ..Pferd" auszuwählen. Bei einiger Nachhülfe verstand denn auch mein edler Freuud diesen Wiut und schickte mir ein ausgezeichnetes Thier aus seinem eigenen Stall, welches mir auf allen meinen folgenden Reifen ein treuer Gefährte war, bis es im Dezember 1854 auf meiner Heimreise mm Timbuktu in Kano von einer Krankheit dahin gerafft wurde. Seine Farbe war ciu eigenthümliches Gran, schön leopardenartig gefleckt. (5s liebte, seine schöne Figur auf das Vortheilhaftcste zu zeigen, und war feurig und lebhaft, wie alle Bornu-Pferdc. Dabei war es ein vortrefflicher „teri-ssa", d. h. es hatte eine», sehr schnellen Schritt, nnd der beste Beweis für seine Kraft nnd Ausdauer sind die weiteu ^ändcrstreckeu, durch welche es mich trug, zumal ich stets Waffen und Munition, meine wissenschaftlichen Apparate und einen Theil des Mundvorrathes auf seinem Rücken mit mir führte. Ueberall, wohin ich mit diesem edlen, treueu Thiere kam, war es ein Gegenstand der Bewunderung und des Neides. Aus diesem meinem zweiten Anfenthalt in der Hauptstadt Voruu's will ich noch des Festes gedenken, welches die große jährliche Fastenzeit abschließt und „Aid el Fotr" oder »»Ngnmeri ascham" genannt wird. Die Fcstfeicr bestand darin, daß der Scheich mit seinem Hofe in militärisch-pomphaften: Anfznge auf das freie Feld im Norden der Stadt hinauszog, nm dort fein Gebet zu verrichten. Die Leute ans dem Volk betheiligten sich wenig und eigentlich nnr als Zuschauer an der Feier; doch hatten die Meisten ihre besten Kleider angelegt, wie es denn auch iu größeren Haushaltcu au diesem Tage Sitte ist, den Dienern ein neues Hemd zn schenken. An andern Orten, wie z. B. in Kano, scheint die Feier eine mehr volksthümliche zn sein; die Kinder der Schlächter führen dort an diesen« Feste eigens dazu gemästete ------ 478 ------ mid festlich geschmückte Rinder, zwischen deren Hörnern sitzend, in der Stadt umher. Ich begab mich am Morgen des festes ebenfalls w meiner besten Meidung nach der Oststadt. Die dahin führende Hauptstraße war gedrängt voll Menschen zn Faß und zu Pferd. Von verschiedenen Seiten her zogen mehrere Abthrilnngen Reiterei nach dem Nordthore, in Schwadronen von je 100 bis WO Manu, jede von ihrem Haupt» mann, „Kaschella", geführt. Die ganze Mannschaft, besonders die schwere Reiterei, war in den prachtvollsten Anzügen. Die Reiter trugen meistens einen langen, dick wattirten Rack, darüber mehrere Toben von verschiedener Farbe und mit allerlei Zierath, und ihre ilopfbedccknng bestand in einem Helme, dein uuserer mittelalterlichen Ritter sehr ähnlich, aber von leichterein Metalle nnd mit den prah lendsten Federn geschmückt. Ihre Streitrosse waren insgesammt in Kriegszeug gekleidet, nämlich in dicke Decken, welche aus verschieden-artig gestreiftem Zenge gefertigt waren uud alls drei Theilen bestan-den; die Füße der Thiere blieben unbedeckt, während der Kopf vorn mit einer Metallftlatte sowohl beschützt, als anch geschmückt war. Andere trugen Panzer, deren es zwei verschiedene Arten giebt. Die leichte Reiterei trug nur je zwei oder drei hell-schimmernde Toben nnd kleine Mützeu von weißer oder anderer Farbe; die Offi^ ziere nnd begüustigteren Diener jedoch waren mit Äcrnnsen von feinerem ober gröberem Zeuge angethan, die malerisch so über die Schultern geworfen waren, daß man das reiche Seidenfutter in seiner ganzen Pracht zu sehen bekam. Alle diese stolzen Schwadronen, in welchen gar diele herrliche Pferde Prunkten, zogen nach dem Nordthore der Villa gedibc, während die Reiterbcdcckung des Scheichs selbst, welcher noch in der Wrststadt geblieben war, von Südwcst herkam. Diese letztere Truppe gewährte, wenigstens aus der Ferne gesehen, einen wahrhaft großartigen Anblick. Den Zug eröffnete eine Anzahl Reiter; daun folgten die ^ivr^e-Sklaven des Scheichs, mit Flinten bewaffnet, und zuletzt kam der Scheich selbst, als Zeichen feines priesterlichen Standes mit einem weißen Beruus augcthan, welcher sehr schön gegen seine Kopfbellci^ dung, einen dnnkelrothen Shawl, abstach. Hinter ihm folgten vier Prächtige Schlachtrosse, mit seidenen Decken von verschiedenen Farben behängen, das erste Streitroß mit Weiß und Gelb, das zweite mit Weiß und Brann, das dritte mit Weiß und Hellgrün und das vierte mit Weiß und Kirschroth. Dies war unstreitig der iutcressanteste uud be- — 479 —- merkenswertheste Theil des Auszuges. Nach den Pferden folgten die vier großen Fahnen — „alam" — des Scheichs uebst den vier kleineren der Musketiere, und eine zahlreiche Schwadron Nciterci fchloß das Ganze. Mit dem Zuge des Scheichs vereinigten sich nun die anderen Kords, und daS ganze Heer zog in der Richtung von Dau-crghu ungefähr eine Meile weit vor die Stadt hinaus. Hier schlug man das Zelt des Scheichs auf, welches aus einer sehr weiten, blau und weiß gestreiften Kuppel und aus zur Hälfte weißen, zur Hälfte rothen Vorhängen bestand; die letztereu blieben halbgeöffnet und gestatteten einen Blick über das Gauze. In diesem Zelte verrichteten der Scheich, der sezier uud die Großwürdenträger ihre Gebete, während die zahlreiche Mannschaft zn Pferde und zu Fuß sich höchst großartig uud malerisch im Felde umher gruppirte. Ich umwanderte indessen die interessanten Gruppen uud suchte die Stärke der verschiedeneu Abtheiluugcu zu zähleu. Das Resultat befrie^ digte zwar nicht die hoch gespauutc (5rwartung, welche man in mir erregt hatte; doch wareu mindestens 3000 Mann Reiterei nnd 6- bis 7000 M. Fußvolk, das letztere znm Theil nur mit Pfeil uud Bogen bewaffnet, alls dem Platze. Die Menge der Zuschauer war ebenfalls sehr groß. Die Feierlichkeit dauerte nicht lange; bereits um 9 Uhr rief die „ganga" die Anführer zum Aufsitzeu, und die dichte Menscheumasse zertheilte und schaarte sich in verschiedene Abtheilungen. Der Zug nahm seinen Weg um die Nordwcstecke der Oststadt uud betrat dieselbe durch das Westthor. Auch das »,Aid cl Kebir" oder „Rgumeri laiabe", das, obgleich ursprünglich das wirtlich „große" oder größte moslemische Fest, doch bei den Mohammedanern dieser Gegenden im Allgemeinen etwas an Glanz verloren hat, wird in der Hanptstadt Bornn's mit bedcuteudcm Gepränge gefeiert, uud zu ihm findet sich besonders die einheimifche arabische Aevölkeruug iu großer Auzahl ein. Während so die Angelegenheiten der Stadt ihren gewohnten ^auf uahmcn, nahte endlich für mich der Tag, an welchem ich nach einer vierzigtägigen Ruhe meine Thätigkeit nach einer nenen Richtung hin beginnen sollte. — Um meinen geschwächten Körper nach nud nach in kleinen Tagemärschen wieder an die Strapazen der Reise zn gewöhnen, brach ich am 11. Septbr. 1K51 allein auf, nnr von meinen Dienern mit den beiden Kameelen begleitet. l)i'. Ovcrweg mit dem übrigen Troß sollte in Gesellschaft eines Trupps der U^lad Ssliman, der sich gerade zur Zeit in Kukaua befand, nachfolgen. ------ 480------ Die Sonne ging eben unter, als ich zum Nordthor der Wcst-stadt hinausritt; der Abschied von dem Vezier und die Erledigung mancherlei lästiger Geschäfte hatten mich so lange aufgehalten. Es war mir überhaupt heute mehr darum zu thun, der Einförmigkeit und Enge der Stadt zu enteilen, als eine große Strecke Wegs zurückzulegen, und so schlug ich dcnu schon I2 Stunden nördlich von Kntana an einem bequemen Platz ans etwas ansteigendem sandigen Voden mein Zelt zur nächtlichen Ruhc auf. Mit frohen« Herzen erwachte ich am andern Morgen nnd lies; mich vor meinem Zelte nieder, mich meiner Freiheit und der ersten schönen Stunden des jungen Tags zu erfreuen; denn nichts tann mich fo glücklich machen, als eine weite offene Kundschaft, ein bequemes Zelt nnd ein schönes Pferd, nnd fühlte ich mich anch schwach nnd tränt, so war ich doch wieder den engen Maueru der Stadt entflohen und es standen mir die Elemente eines freien Rciselebcns zu Gebote. Mein edles Roß freilich halle heute Ruhetag, denn ich saß stundenlang in ruhigem Anschauen und Genießen der einfachsten Landschaft, deren ungebrochene, tiefe Stille solche Heiterkeit und Zufriedenheit athmete, daß ich mich eben so glücklich als gestärkt fühlte. So verträumte ich den ganzen Tag. Selbst die sonst so öde Umgebung von Kut'aua war jetzt, gegen das Ende der Regenzeit, mit einer reichen Pflanzendecke überzogen, deren Fülle jedoch noch größer wurde, als wir am folgenden Tage die Hirfeugefilde der Landschaft Dauerghn erreichten. Hier erstiegen wir bald den ersten jener Sandhügel, welche das ganze Ansehen der Landschaft ändern; das ermüdende Dumgestrüpp hört nun fast gänzlich auf und Retem (kMi'tiuin ^un Fuß, eine Höhe, die ich später in den üppigen Thälern von Kebbi noch weit übertroffcn fand. Ich hatte mich eben am Rande eines mit Wasser gefüllten ssirki im Schatten einiger Akazien hingestreckt, als mir mitgetheilt wnrde, — 4«: — es sei ein Bute von Nhet, dem Hanptling der Uelad Ssliman, mit der Nachricht vorübergekommcn, daß sich dieser unstete Stamm von Borgn wieder nach Kanem zurückgezogen habe. Dies war eine gar unangenehme Nachricht für mich, da mir nach Allein, was man mir über dessen Bodenbildung und natürliche Erzeugnisse gesagt hatte, Borgu als ein Land von großein Interesse erschienen war. Seine tief in den Felsboden eingeschuitteuen Thäler und Schluchten, sagten die Berichte, seien von lebendigen Duellen bewässert nnd erzeugten außer einer Fülle vortrefflicher Datteln an einzelnen begünstigten Stellen fogar Trauben nnd Feigen. So hatte ich denn gehofft, ein Land von wenigstens gleich großer geographischer Bedeutung wie Air oder Assben zu finden; die Aussicht, dasselbe zn erreichen, war aber durch jenen Rückzug der Uölad Ssliman zunichte geworden. Die nächsten drei Tagereisen bis zur Stadt Io brachten eben keine besonders bemerkenswerthen Erlebnisse; ich zog mit möglichster Schonung meiner Kräfte vorwärts. Nachdem man Dau-erghu durchwandert hat, gelangt man in die Landschaft Ngurutua. Außer Sorghum ward hier auch Karafs (Nidisous ckouisnw«) gebaut, ein Gemüse, welches in diesen Gegenden zur Würze der Suppen benutzt wird, wo die Blätter des Haojilidj (Zala,niw8 ^o^^tiacm») oder des Affcnbrodbaums, der Kuka, fehlen. Obgleich nun die nahe Haupt-stadt nach dem letzteren Baume genannt worden ist, so kommt der« selbe dennoch in einem Umtreis von einigen Stnnden kaum in einzelnen verkrüppelten Exemplaren vor. Im Ganzen waren die Gefilde weniger sorgfältig bestellt, aber doch in weiteren Zwischenränmen mit Bäumen mannichfachcr Art bepflanzt. Anßcr dornigem Talhagcstrüpp kamen besonders vor der eben genannte Hadjilidj oder Bito, der Sselim, Kurna, Sscrrach nnd Gherred (Mmo«K Xi1<,t,ic-a). Die Frncht der Ghcrrcd — oder vielmehr die Gherred selbst, denn dieser Name kommt eigentlich nnr der Frucht zu nnd ist von dieser auf den Bauin selbst übertragen — ist im änßeren Ansehen der Frucht des Tamarindeubanms sehr ähnlich und bildet namentlich bei der Nuhr eine wichtige einheimische Arznei. Ich selbst verdanke derselben wahrscheinlich meine Genesung, als ich bei meinem zweiten Aufenthalt in Ssokoto (im September 1854) von dieser gefährlichen Krankheit befallen wurde. Auch für Gerber und Tischler ist dieser Baum vom größten Nutzen. Der Kabjidji ist gleichfalls sehr häufig hier; von der nngcfähr nnßgroßen Wurzel dieser kleinen Pflanze macken die Einwohner einen- sehr ausgedehnten Gebrauch als Nä'ucherwert. Narth's Reisen. I. »I ------ 482 ------ Ferner kommen hier mehrere Arten einer eßbaren ?nn, dor, „kreb" oder »kascha" genannt, und ich sah ein Weib die Samen derselben einsammeln, indem sie einen leichten Korb über ein mit dieser etwa drei Fuß hohen Gramiuee bestandenes Stück Land hinschleifte. Die Samen dieser Gräser werden von den Bewohnern Bornu's, Baghir-mi's und Wadai's in großer Menge als Nahrungsmittel benutzt; bei den arabischen Ansiedlern dieser Länder, den Schua, bilden sie sogar einen Hanptbestandtheil der Nahrung. Jenseits Ngurntua führte mein Pfad durch eine freundlich gehü-gelte Landschaft, die mit lichter, oft unterbrochener Waldung bedeckt war und zahlreichen Heerden von Rindvieh und Schaafen uuter der Obhut von Kauembu-Hirten zur Weide diente; unser Weg führte uns an mehreren Hürdelagern der Letzteren vorüber. Weiterhin sah ich auch Pferde in großer Anzahl unter den weidenden Thieren. — Eine charakteristische Erscheinung dieser Waldregion waren eine Menge Lachen stehenden Wassers. Mehrere Stunden vom Komadugu, an dessen Südufer die Stadt Vo liegt, ward die Gegend wieder sehr einförmig und der Boden kahl. Einzelne Gruvften der Dumvalme, welche in dieser Landschaft Wieder der vorherrschende Baum ist, dienten dazu, dieselbe einiger-maaßen zu heben. Sehr ermüdet erreichte ich mit dem mich begleitenden Geleitsmann die Stadt Io (etwa zehn deutsche Meilen von Knkana) am Vormittag des 16. September, Die eigentliche Stadt besteht aus sehr engen Gassen, in denen eine drückende Hitze herrschte und ein so unangenehmer Geruch von getrockneten Fischen verbreitet war, daß mir der Aufenthalt in ihr ganz unerträglich vorlam. Da Nur jedoch einmal hier waren, ritten wir nach der Wohnung des Statthalters oder Schitima Ioma. Derselbe war gerade mit den Borbereitungen zu einer neuen Hochzeit beschäftigt und eine große Masse Getreide war als Vorrath für den neuen Haushalt vor dem dazu bestimmten Theile eines ansehnlichen Lehmgebäudes aufgehäuft'). Es war mir ') Die Hochzeitsfeierlichkeiten, „niga", dauern in Bornu eine ganze Woche. Am ersten Tag schmaust man „nakia", eine Art Kuchen auö Neiö, Butter und Honig; am zweiten „tiggra", einen trocknen, sehr stark mit Pfeffer gewürzten Vrei; am dritten „ngadji", das gewöhnliche aus Sorghum bereitete Gericht, wo möglich mit Fischsau«. Der vierte Tag ist der „liktere", wie ich glaube, so benannt, weil an demselben der Vraut, „larussa", die Zierahten, welche sie bisher als Zeichen der Iungsrauschaft getragen hat, abgenommen werden; am ------483 ------ jedoch nicht möglich, mich iu dem angewiesenen Quartier behaglich zu fühlen. Ich eilte also wieder aus der Stadt hinaus und schlug mein Zelt etwa WO Schritt von derselben entfernt unter einem schattigen Tamarindenbcmm auf, wo ich denn, als ich meine matten Glieder auf dem Boden ausstreckte, einige Stunden lang in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit versant. Der scharfe Murgenritt hatte mich so ermüdet, daß ich mit Vesorgniß daran dachte, was daraus werden sollte, wenn die eigentlichen Anstrengungen der Reise nach der Vereinigung mit den zurückgebliebenen Reisegefährten beginnen würden. Sobald ich mich hinreichend erholt hatte, um von meinem Lager aufstehen zu können, machte ich einen Gang, um eine Ansicht des Komadngu zn gewinnen. Dieser viel besprochene Flnßlauf bildete jetzt eiuc schöue Wasserfläche, da seiu Bett ganz voll war, und eilte mit reißender Strömnng dem Tsad zu. Dennoch haben europäische Theoretiker ihn zu einem ^unstkanal ihrer Einbildungslraft gemacht, nm die überflüssigen Gewässer des Tsad in den Kuara zu leiten. Was die Richtung seines Laufs anbetrifft, so stießt er hier im Allgemeinen von Nest nach Ost; ungefähr eiue Meile unterhalb Io, von dem ummauerten Städtchen Fatfe an, wendet er sich nach Nordosten und mündet etwa drei Meilen von M, bei der beträchtlichen Kancmbu-Stadt Bosso, in den Tsad. Nur auf dem Nordufer führt ein Weg nach der eben genannten Stadt; auf dem Südufer gelaug es uns nicht weiter als bis Fatse vorzudringen. Die Ufer des Komadugu, da wo er bei Z)o vorüberftießt, sind sehr malerisch, indem sie von herrlichen Tamarinden und Dumftalmen beschattet werden, wozu sich am nördlichen Ufer noch mancherlei schön belaubte Akazien gesellen. Im Schatten der Tamarinden zieht man eine sehr gnte Baumwolle uud etwas weiter unterhalb am Flusse erzeugt man um diese Jahreszeit Weizen in regelmäßigen, künstlich bewässerten Anlagen. Baumwolle und eine mäßige Menge Weizen sind fünften wirb die Braut auf eiue Matte. ..buschi", gesetzt, von welcher sie sich siebenmal erhebt und eben so oft niederkuiet (diese Ceremonie heißt „bnschiro" »der „bulschiro qenatfsin"); am folgenden Tag, welcher ciu Freitag sein muh, findet daß Kopfwäschen der Braut statt; diese Ceremonie wirb vcn ihren Freun« dinnen vollzogen, und am Abend wird sie dann aus ein Pferd gesetzt und in bas Haus des Bräutigams gebracht, wo nun der Schluß der Hochzeit begangen wirb. Die Kanori unterscheiden sehr genau die Hochzeit mit einer Jungfrau, „sero", „fero luyanga", von einer solchen mit einer Witwe, „kamo sauar", unb haben auch noch einige andere feine Unterscheidungen. »i» ------ 484 ------ die einzigen Erzeugnisse dieser Gegend, außer den Fischen nnd der Frucht der Dumpalme, welche letztere einc wesentliche Würze deS „kunu", eines ans Negcrhirse bereiteten Breies, bildet. Hirse nnd Sorghum werden hier nnr wenig gebant und andere Eerealicn fehlen ganz. Auch Bieh ist nicht eben viel in Io vorhanden, so daß nur wenig Milch zn haben ist. Fische, von denen der Fluß inehrere sehr schmackhafte Arten führt, sind hier die hauptsächlichste Speise. Anf den stachen Landspitzen am Ufer unterhalb der Stadt liegen mehrere kleine Fischerdörfer, bei welchen sich lange Reihen von Stangen zum Trocknen der Fische hinzogen, die zur Zeit nnscrer Anwesenheit sehr reichlich, namentlich mit Barben, behängen waren. Ich sah hier anch ein Exemplar des elektrischen Fisches. Er war gegen 10 Zoll lang, sehr fett, nnd tonnte den Arm eines Mannes auf mehrere Minnten gefühllos machen; sein Rücken war aschgrau und sein Banch ganz weiß, Schwanz nnd hintere Flossen roth. Während der Nacht erhob sich ein heftiger Sturm, eö fiel jedoch kein Tropfen Regen, denn die Regenzeit war für Bornu so gut wie vorüber. Ich genoß am Morgen die Ansicht des Flusses und schwelgte in der frischen Kühle, welche an seinen Ufern herrschte. Männer badeten, Weiber holten Wasser, Reisende setzten über, indem sie entweder mit ihren Kleidern auf dem Kopfc hinnberschwammen odcr anf ein paar großen ausgehöhlten Kürbissen, die durch ein Joch mit einander verbunden waren, mit dem halben ^eibe nnter Wasser hinüberstenerten. Eine am vorherigen Tage angekommene Kaf!a Tebn aus ^ancm war jenseits gelagert; denn dieselbe durfte den Fluß nicht eher überschreiten, als bis Erlaubniß für sie eingeholt war, da mehrere Monate im Jahre dieser Flnß oder dieses Thal eine Art Quarantaine bildet, während sonst wenigstens lleine Karawanen nach Belieben hinüber und herüber ftassiren tonnen. Das einzige Fahrzeng auf dem Flnsse, anf welchen: auch wir selbst übersetzen sollten, war eine Matara, gebildet von mehreren Paaren jener Kürbisjoche und von der gebrechlichen Art, wie sie bereits schon früher von mir beschrieben worden ist. Leider war cö unmöglich, den schönen Schatten der herrlichen Tamarinden ungestört zu genießen, wegen der Menge von Pelikanen uud sonstigen« Wassergeflügel, welche deren Zweige bewohnten. Einc andere Plage Waren die weißen Termiten, welche in dieser Gegend sehr zahlreich vorkommen, obwohl ihre Anlagen nnr von mäßiger Größe und durch- -----485 ------ aus nicht mit den großartigen Bauten zu vergleichen sind, welche ich später in Baghirmi fand. Den 18. September, ungefähr zwei Stunden nach Mitternacht, kam Herr s)i', Overweg mit einem der Angesehenstell unter den Uölab Sslnuan, Namens Chalcf-Allah, an und meldete, daß unsere kleine Truppe heranrücke. Dieselbe erschien jedoch erst um 10 Uhr Morgens. Es waren ihrer im Ganzen 25 Mann zn Pferde, etwa zwölf Mann zu Kamecl und gegen acht Mann zu Fuß, außer den Kindern. Sie schlugen ihre Zelte etwas östlich von den unserigen auf und bildeten ein reges ?agrr, dessen Eintracht jedoch, wie es bei solchen beuten natürlich ist, bald durch Zank und Streit gestört wurde. Bereits am folgenden Tage sollten wir ein schönes Prübchcn von dem Charakter der Freibeuter erhalten, die unsere künftigen Gefährten fein sollten. Die kleine Tebn-Karawane hatte endlich Erlaubniß erhalten, den Fluß zu überschreiten. Es waren harmlose Leute, welche einige ^astthiere mit geringem Gut, hauptsächlich Dattclu, beladen hatten; laum waren sie nun an das diesseitige Ufer herübergekommen, so wurde beschlossen, sie zu überfallen und zu plündern, so daß die armen Tcbn wirklich all' ihrer Datteln beraubt wurden. Erst als die Beute größtentheils verzehrt und verschleppt war, wurde auf die Vorstellungen eines bejahrten Vliabcrs der Rest gesammelt und den Eigenthümern zurückgegeben. Da wir die Autunft eines Boten vom Vezier abzuwarten hatten, ehe wir über den Fluß gehen konnten, so fand der Uebcrgang erst am 21. September statt. Etwa um 9 Uhr Morgens befand ich mich im Fluß auf einer Makara ans drei Kürbisjochcn und durchschnitt das Wasser mit sehr nngleichmäßiger Beweguug, je nachdem die beiden vorn angespannten schwarzen Schwimmer der gebrechlichen Fähre einen Ruck gaben. Der Fluß war in der Nähe des Sndufers 10 bis 11, in der Mitte 6 bis 7 Fuß tief. — Wir kamen Alle, Menschen und Thiere, glücklich hinüber nud setztcu, nachdem die Hitze etwas nachgelassen hatte, nnsern Marsch fort. Er kam jedoch bald zn Ende; eine uus begegnende Echaafherrde gab den ritterlichen Arabern Gelegenheit, einen fetten Widder zn stehlen, worauf sofort beschlossen wurde, zn lagern und den Raub zu verzehren. Die Gegend nördlich vom Komadugu hatte etwa dieselbe Beschaffenheit wie in der Nähe der Hauptstadt; der Boden war harter, schwarzer Hmnus, mit kurzem Gras nnd einzelnen Talhabäumen bewachsen. Etwas Ackerbau fand ich erst in der Nähe der Stadt ____ 486 ____ Barrua, 4 bis 5 Meilen von Ho, einem unter den steten räuberischen Anfällen der Tuareg verkommenen Ort. Die Macht des Scheichs von Vorn» hört thatsächlich am Komadugu auf, so daß die Bewohner von Barrua sich nnr durch die Entrichtung eines Tributs an die Tuareg schützen können. Sie bestehen aus Kanembn nnd einigen Jedina und leben hauptsächlich von der Fischerei auf dem Tsad, dessen nächste Buchten je uach der Jahreszeit 1 bis iz Stuudrn von der Stadt entfernt sind. Will mau durch die Wüste über Bilma reisen, so versorgt man sich hier mit einem Vurrath getrockneter Fische. Jenseits Varrua erreichten wir ciu sandiges, von Siwak-Büschcu (Oapparis Foäkta) bestandenes Hügelland uud gewauucu vuu dem Kamm eines niedern Saudhügels zum erftcu Mal eiueu Anblick des Tsad oder wenigstens des von ihm überschwemmten Wiesenlandes. — Diese Reihe niederer Sandhügel, die wir hier betreten hatten, zieht sich eine ansehnliche Strecke weit um die Nordwestecke des Tsad herum und läßt, desseu eigentliches Becken begrenzend, einen schmalen, an einigen Stellen ein paar Stuudcn breiten Streifen Ticflaud zwischen sich und dem Rande des Wassers. Zu diesem tiefern Theil des Seegestades stiegen auch wir bald wieder hinab, um für eiue Reihe von Tagen uusern Marsch immer am äußcrstcu Ncmde des Tsad fort-zusetzeu. Es fehlte hier nicht an einer üppigen Pflanzendecke uud schöne Weidcgründe wechselten mit dichtem Niederwald. Den Naud umsäumte meist die erwähnte (^Mn,i'i8 LoclntH iu dichter Menge, und wir ftassirten manche Stelle, wo diese Pflanze gerodet uud zur Salzgewinnung verwendet war. Auch au einer in Thätigkeit befindlichen Salzsiederei kamen wir vorüber, iu welcher wcuigstens 20 irdene Pfannen iu Betrieb warcu. Mau erhält die Soole durch das Auslaugen der Asche; jene wird dann Weiler versotten und in irdene Formen abgegossen, aus denen das feste Salz in großen dreieckigen Stücken herausgenommen wird. Die Kauembu verführen es so nach Kulaua. — So schwach und geschmacklos dieses Salz auch sein mag, so ist es doch jedenfalls vorzüglicher als das von den Bewohuern Kotoko's (am Südufer des Tsad) aus Ninderkoth bereitete. Iu Miltu am obern Schari oder Ba-busso wird ziemlich gutes Salz aus einem in diesem Flusse wachseudeu Gras hergestellt, uud die Mussgu gewinnen diese den Menschen aller Zonen so unentbehrliche Waare — oder wenigstens eine ihr ähnliche Snbstauz — aus der Asche von Hirsen- uud Sorghumstroh. to a: < UJ ? * •'■'■ v. 1 ------487 ------ So zogen wir dm-ch dies grüne Weideland, bis wir die Ortschaft Ngegimi erreichten. Wir hatten den Namen oft nennen hören und erwarteten einen stattlichen Ort; statt dessen aber trafen wir ein offenes armseliges Dorf. Zwei Jahre später sollte es Kon der Stelle, die es jetzt einnahm, ganz verschwinden. Im Jahr 1^53 zwang cine hohe Ucberflnthung des Tsad die unglücklichen Bewohner des kurz znvor von den freibeuterischcn Tuareg ausgeplünderten Dorfes, ihre Heimath ganz anfzngebcn nnd sie nach der höheren sandigen Hügelkette zu verlegen. Damals wnrde anch der größte Theil des Marschlands, welches wir seit Barrna durchlogen hatten, von den Gewässern deS Tsad verschlungen. Jenseits Ngegimi zeigte die völlig flache Ebene, die jedenfalls einst Seeboden gewesen ist nnd es bald wieder werden sollte, nicht mehr ununterbrochen jenen dichten Pstanzcnwnchs, sondern dürre und kahle Stellen traten oft dazwischen. Ein vorspringender Sporn der immer noch zur Linken uusern Gesichtskreis begrenzenden Hügelreihe gewährte uns an diesem Abend eine herrliche Uebersicht über die Uferlandschaft des nahen Flachsee's. Vor uus nach Südosten erstreckte sich das sumpfige Gestade, ein — wenigstens seiner Bestimmung nach — unabsehbares Reisfeld, bis zum fernsten Horizont; jedoch war kein offenes Wasfer zu erkennen, nicht einmal zusammenhängende Sccarmc, nichts als eine unermeßliche, von unbestimmt begrenzten Kanälen durchzogene Marschfläche, so weit nur immer das Auge reichte. Südwärts dehnte sich das grüne Weideland, durch das wir gekommen, bis weit jenseits Ngegimi aus. Es war hier vor meinem Vlicke ein Gemälde einer der fruchtbarsten, dabei aber der Verödung gänzlich preisgegebenen Landschaften der Erde aufgerollt. Wir waren den andern Morgen noch nicht lange unterwegs, als Wir das Glück hatteu, eines der anziehendsten Schauspiele zu genießen, welche diese Gegenden in ihrer jetzigen Verödnng darzubieten vermögen. Rechts in der Ferne rückte eine ganze Heerde Elephanten in regelmäßigem Aufzuge langsam heran zur Tränke, einer Hcerschaar vernünftiger Wesen nicht unähnlich. Den Vortrab bildeten die Männchen, deutlich an ihrer Grösse erkennbar, in regelmäßiger Schlachtordnung; in einem kleinen Abstände folgten die Jungen, in einem dritten Zuge die Weibchen, nnd den Nachtrab des ganzen Zuges bildeten fünf Männchen von ungeheuerer Größe. Die letzteren bemerkten uns, obgleich wir in ziemlicher Entfernung waren und uns ganz ruhig verhielten; einige von ihnen warfen Staub in die Luft, wir störten sie ------- 45tt ------- jedoch nicht. Es waren ihrer zusammen 96 Stück. Wir hatten bis dahin nur die Spuren von Elephanten und van anderem Wild außer zahlreichen Wasscrvögeln einige Exemplare der großen rehfarbenen Antilope Kelara ^iZQcc>ru8 rllipki^i'^niim»?) gesehen. An die Stelle des schönen frischen Wcidegrundcs trat nun bald minder ergiebiger Bodcn, indem dürre, nur mit Haide bewachsene Strecken sich einschoben. Die Einförmigkeit der Landschaft wurde noch durch die dollständige Baumlosigkeit erhöht. Fast hätte ich auch gewünscht, daß uns keine lebenden Wesen begegnet wären; denn was wir immer antrafen, Viehheerdcn oder friedliche Händler, Alles wurde auf das Schamloseste von meinen Begleitern beraubt, und als ich mir einmal erlaubte, ihr Benehmen gegen die mißhandelten Unterthanen des Scheichs von Bornu, in dessen Sold sie doch standen, mit dem rechten Namen zu benennen, scheute Einer der Wildesten sich nicht, mein Leben zu bedrohen. Gegen Mittag am 26. September erreichten wir die ersten Hütten^ gruppcu Don Veri, einem großen Dorf an der äußersten Nordecke des Tsad. Der Ort ist in der Geschichte Voruu's von Bedeutung und seiner Lage nach ein wichtiger Posten; denn hier verließen die von HZornu nach Kanem ziehenden Heere das Seeufer und machten zuvor eine Zeit lang Halt, nm sich zu sammeln und für den Weitermarsch vorzubereiten. In ähnlicher Weise dient anch heute noch Beri allen Reisenden als eine Art Stationsplatz. Bis vor wenigen Jahren hatte hier auch ein Bornauischer Statthalter seineu Sitz, er zog es jedoch Vor, seinen Aufenthalt in der Residenz zu nehmen. — Der Ort besteht eigentlich aus drei getrennten Dorfschaften, „Beri-kura" (Groß Beri), „Beri'futebe" (West-Beri) und ,,Beri-gedibe"(Ost-Beri); er wirdgro-ßcntheils von Kanembn aus der Sippschaft der Ssugurti uud von vielen Aedina bewohnt, die zusammen t'aum mehr als 2000 Köpfe betragen mögen. — Der Name des Ortes, „Viehhürde", deutet auf den Haupt-nahrungszweig der Bewohner hin, und in der That sah ich hier eine der schönsten und größten Viehheerden, die ich überhaupt in InnerAfrika getroffen habe. Getreide wird fast gar nicht gebaut. — Die Entfernung Bcri's vom See ist wechselnd; am Tage unserer Ankuuft war der nächste Punkt desselben eine in das ^and einschneidende Bucht, die wir eine ziemliche Strecke vor dem Ort durchreiten mußten; bei unserer Rückkehr, den 5. November, war das Wasser bis hart an das Dorf getreten. Freilich stand zu dieser Zeit der größte Theil des Wegs, den Wir so eben von Ngegimi her durchschritten hatten, tief unter Wasser. ----489 — Wir verließen nun das Seenfer, indem wir ganz gemach ein wenig aufwärts stiren, hatten aber am Morgen einen schwierigen Marsch, um die vielen vom See gebildeten nnd sich zwischen den Saudhügcln hindurchwindcndcn sumpfigen Buchten nnb Natronbecken zn vermeiden. In Bezng auf letztere erinnere ich noch einmal daran, daß das Natron nicht in dem Wasser des Tsad, sondern im Boden enthalten ist, alls welchem es dnrch das Wasser erst ausgelangt wird. -— Da wir keinen Führer hatten — denn wer hätte sich als solcher der zügellosen Bande unserer Begleiter preisgeben wollen? — war es eitle gar schwierige Aufgabe, aus diesen: Labyrinth von Sümpfen und dachen herauszukommen. So erreichten wir nach einigen Stunden eine schmale, aber sehr morastige Lache, über welche wir, wie es schien, setzen mußten. Ich hatte drei Reiter vor mir; als das Pferd des vordersten in den Morast gerieth, stürzte es wiederholt und gelangte nur nach großer Anstrengung hindurch auf festen Boden; hierdurch stutzig gemacht, wandten die beiden andern, die unmittelbar vor nur waren, Plötzlich ihre Pferde, wodurch das meiuigc, ohnehin feurig uud unruhig, in den Morast gedrängt wurde. Es stürzte mm ebenfalls auf die Kniee, raffte sich zwar wieder empor, fiel aber nach einigen vergeblichen wilden Ausätzen, sich herauszuarbeiten, anf die Seite, mich unter sich in den 4 Fuß tiefeu Morast drückend. Ich erhielt von den Vorderhufen meines Pferdes auf Kopf und Schultern einige empfindliche Schläge, doch gelang es mir endlich nach vieler Anstrengnng, mich aus dieser gefährlichen Lage zu befreien. Ich hatte — ehe ich in den Sumpf fiel -— eiuen weißen Bernus nnd eine Nyffi-Tobe an; man kaun sich also leicht vorstellen, wie ich aussah, als ich wieder herauskam! — Ueberdies kostete es noch harte Arbeit, mein Pferd aus dem Morast zu bringen, wobei die Herren Araber ruhig zusahen, ohne ein (Wed zn meinem Beistand zu rühren. — Dieses nnfrei-willige Schlammbad war bei meinem fieberhafte»' Znstand doppelt unangenehm; zum Glück schicu die Sonne warm uud wir bezogen in geringer Entfernuug uuser Lager, so daß ich mciue durchnäßten Sachen zum Trocknen ausbreiten konnte. Noch vier Tage lang zogen wir in ziemlich kurzen Märschen nnd im Allgemeinen in nordöstlicher Richtung, bis wir zum Standquartier der Mlad Ssliman gelaugten. Die Landschaft war im Ganzen leicht gewellt, bald ebener, bald ;u nicht unbedeutenden Hügelreihen sich erhebend. (5inc der letzteren, etwa 6 deutsche Meileu vom nächsten Ufer des Tsad oder 7 bis 8 Meilen nordöstlich vou Bcri gelegen, erwies ------ 495» ------ sich als der Kuliuinationöpuntt der ganzen Landschaft, obgleich sie sich nicht mehr als nngefähr 7()l) Faß über den Spiegel des See's oder zu N)5>» Fnß absoluter Höhe erheben mochte. Zu ihr gehörten mehrere Thalkesfel von großer Lieblichkeit; in einem derselben, welcher von hohen dehnen eingeschlossen wurde, fand ich emc auffällige Terrasse von Kaltstein. Die größte landschaftliche Anmuth aber bot das Thal Foio oder Foyo, dessen Sohle mit einem ununterbrochenen, fast ganz undurchdringlichen Pflanzenwuchs bekleidet war; die größeren Ba'ume gehörten meist zu denselben verschiedenen Species der Acacia, welche in allen diesen Landschaften vorwalten, nämlich die Kurna (tüm'nuk), die Sserrach, die Um el barka 5) hatte der Rest der kleinen Bande sich in zwei gesonderte Vager gespalten, so daß ihre gänzliche Auflösung bevorstand. Dies waren die Vente, mit deren Geschick wir das unsere für die nächste Znknnft verknüpft hatten. — Die Zelte und Mattcnhiitten der Araber bedeckten einen ausgedehnten Platz auf einer sandigen, offenen, aber doch leicht gewellten Fläche, die mit einzelnen Mimosen bestanden war; au, Fnsic derselben zog sich ein Thal mit einer Fülle des reichsten, aber einföriuigsteu Pflanzenwnchses hin, der von zwei dort befindlichen Brnnuen genährt wurde. Bald nach nnserer Anknnft machten wir dem jnngen Häuptling, einem ziemlich hübschen, aber noch nicht mit der Würde eines Mannes sich benehmenden Jüngling, nnd seinem Oheim einen Befnch und überreichten an, anderen Tag unsere Geschenke nebst einem Brief des Herrn Frederic Warrington in Tripolis, welcher durch die Stellung seines Baters — seit langen Jahren englischer Consul an jenem Platze — und dnrch seinen eigenen halb oricntalisirten Charakter noch ans früherer Zeit den angesehensten Venten im Stamme bekannt war. Beide Häuptlinge aber, der Neffe sowohl wie der Onkel, erklärten einen Besnch des Bahr cl Ghasal fiir nnansführbar. Sahen wir dnrch diese mit großer Bestimmtheit allsgesprochene Erklärung den Hanptzweck unserer Neise vereitelt, so warm schon die ersten Tage nnseres Anfenthalts im Vager der Araber ganz geeignet, nns einen Borgeschmack von den, unrnhigen Vebcn zu geben, das wir fortan führen sollten. Fast kein Tag verging ohne eine aufregende Nachricht oder einen Vorfall, der den leicht erregbaren Haufen in Bewegung brachte. Bald war es der nächtliche Einbruch einiger frecher Ränder ill das Vager, um Vieh nnd Vastthiere zu stehlen, bald die Flucht einer Sklavin von großer Schönheit, einer schlanken Tochter der Medina, die für des Vezicrs Harem bestimmt gewesen war, bald Streit und Zwistigkeit im Innern der Bande. Als Hadj Abbass, der Bote des Veziers, der uns hierher begleitet halle, sich anschickte, wieder nach Kukana zurückzukehren, brachen 150 Mann mit 7l) Pferden ebenfalls dahin auf, znm großen Aerger ihres Häuptlings. Fiir die Ausführung nnscrcr Pläne war diese Schwächung der Bande natürlich ------493 - — höchst ungünstig, zumal auch der erfahrene Omar unter den Abzielenden sich befand; so war das Geschenk, das wir ihn: gegeben, eine für uusere Verhältnisse nickt unbedeutende nutzlose Ausgabe gewesen. Am ü. Oktober wurde das Lager einige Meilen weiter uach Osten verlegt. Ehe wir den vorangegangenen klameclcu uud dem Fußvolk folgtcu, ritteu wir noch einmal zu den Bruuueu in der Einsentung am Fuße unseres bisherigen Lagerplatzes, die Pferde zu träukeu. Ich hatte das dou nnsern Zelten etwas entfernte Thal bisher noch nicht besucht. (5s zeigte in: Allgemeinen jenen wild üppigen Charakter, welcher den Thalsentnngen Kaneins eigenthümlich ist, und übertraf sogar die meisten derselben an malerischer Wildheit; ein fröstelnder Luftzug kam uns ans den: für Sonnenstrahlen undurchdringlichen Walde entgegen, welcher die Thalsohle in tropischer Fülle bedeckte. — Neber leicht gewellten, schön bewaldeten Sandboden erreichten wir den neuen Lagervlatz, für welchen abermals der Rücken eines Sandhngels gewählt war; unterhalb desselben zog sich ein anderer Thaltcssel hin. Er war namentlich mit ^nrnabämnen üppig bewachsen, woher die dortige Quelle den Namen »Äir ei Kurna" empfangen hat. Hier blieben wir fünf Tage. Da ich so manches nicht eben Rühmliche von uuseru neuen Freunden habe anführen muffen, so verlangt es die Gerechtigkeit, daß ich wenigstens der gastfreundlichen Bcwirthung gebührend gcdcnlc, welche fie uns angedcihen ließen. Wir lernten ganz besonders die Milch ihrer Kameele schätzen, die wir schmackhafter uud gesünder fanden, als Kuhmilch, uud ich schreibe die Wiederherstellung meiuer Gesundheit hauptsächlich ihrem Geuusse zu. Auch au Speisen, die in dem civilifirteu Europa als Leckerbissen gelten, fehlte es nns nicht, indem Schildkröten häufig in dieser Gegend vorkommen, obwohl sie meisteus sehr klein sind. Ehe wir weiter nach Osten anfbrachen, vereinigte sich eine kleine Schaar der Fngabu, eiues der weuigeu mit deu U<>lad Ssliman befreundeten Tcbu^Stännnc, mit diefen. Es war der kriegerische Häuptling Hallnf mit 17 Reitern, deren Anfritt vor dem Zelte des Scheichs Nhet ihrer Reitkunst alle Ehre machte. So verstärkt rüsteten wir uns endlich zum Aufbruch. Es war nämlich die Nachricht eingelaufen, der Chalifa vou Wadai sei aus Furcht vor dem beabsichtigten Angriff der Araber ans seinem Sitze Mao entflohen und Niemand sei znm Schutze dieses Ortes zurückgeblieben. Den Arabern eröffnete sich also eine Aussicht zu leichter Plüuderuug; zu gleicher Zeit aber richteten sich ihre Blicke mit Sehn- ------ 494------ sucht nach Bateli, den berühmten Weidegrüuden im Nordlaufe des Bahr el l^hasal, wo dermalen große Kameelheerden versammelt sein sollten. Um ihr eigentliches Ziel geheim zu halten, sprachen sie jedoch bald von diesem, bald von jenem Puntte, welchem der Raubzug gelte. Während die älteren Leute zur Vertheidigung des Lagers, der Angehörigen und des Eigenthumes zurückgelassen wurden, machten wir selbst uns am 11. Ottobcr auf, um den rüstigeren Theil der Horde auf seinem Heereszugc zu begleiten. Wir nahmen dazu nur je ein Kameel und zwei unserer keilte mit. Die Landschaft, durch welche unser Wcg führte, war von dem^ selben Charakter, wie ich ihn schou bei früher durchzogenen Gegenden Kanems beschrieben habe: eine saudige Ebene, mit Bäumen mittlerer Größe — fast dnrchgehends Mimosen - geschmückt nnd in günstigen Jahreszeiten zum Aubau von Sorghum wohlgeeignet, hie uud da durch tiefe Einscntuugen von bald größerer, bald geringerer Ausdehnung uutcrbrocheu. Diese sind meist hiureichend mit Wasser versehen, um schöne Pflauzungen oder Weizenfelder hervorzubringen, uud jetzt bei dem verwahrlosten Znstande, in den dieses Land versunken ist, mit üppigeni Waidwuchse bedeckt, der nur den Thieren der Wildnis; zur sicheren Zufluchtsstätte dient. Zur Blüthezeit des Landes aber bildeten diese Eiusenlungeu die Auziehungspuntte größerer nnd kleinerer städtischer Niederlassungen, deren berühmteste neben der Hauptstadt Nojimiu besonders Agho und Aghafi warcu. Einen solchen unregelmäßigen Thalt'esscl dnrchschnitten wir etwa zwei Meilen von unserem Hauptquartier uud wählten unseren Lagerplatz auf dem höhcreu Terrain, das den „Bir el Ftaim" beherrscht. Der Thaltessel, welcher deu ebeu genannten Brunnen enthalt, unterscheidet sich jedoch von den meisten der bereits erwähnten Ein-sentungen durch seine beschräutto Ausdehnullg, welche teineu Ailbau des Bodeus gestattet, und dadurch, daß die umgebenden Thalwäude, wenigstens auf der Nordseite, höher sind, als das Vand ringsnmhcr, mithin als ansehnliche Hügel über dasselbe emporsteigen. Sicherlich lag auf der das Thal überragcudeu Anhöhe in alter Zeit ein bedeutender Ort, gegeuwärtig aber war sie uur von einem lleinen Dorf der Fngabu-Kobber getrönt. Di'. Overweg nnd ich stiegen in einiger Entfernuug von den leichten Hütten ab nnd machten den Bewohnern einen Besuch, der frcnndlich anfgenommen wurde. Die gutcu Veute erkundigten sich naiv nach den politischen Beziehungen unseres Vater lands zu Dar For und Wadai — womit für sie die Welt abschloß ------495 ------ — und bewirtheten uns mit verschiedenen Gerichten, von denen eins ans Weizen bestand, mit Datteln gewürzt und mit wohlschmeckender Gutter Übergossen war. Zum Schluß beschenkten sie uns sogar noch mit einem Löwenfcll. Ein Paar Stunden weiterhin war abermals ein tiefes romantisches Thal in das Plateau emgcschnitten. Ein tiefer Kessel von bedeutendem Umfang, die geeignetste Stätte für künstlichen Anbau, war mit der üppigst wuchernden Fülle wilder Pflanzen so gänzlich durchwachsen, daß er nicht mehr zn Passiren war. Nur mit Mühe tonnte man zu der dort befindlichen Ourlle gelangen, aber ihr Wasser war schlecht, indem schwcfrligc Gase ans demselben emporstiegen. Die Kamcclr fanden eine reiche Weide an diesem selten betretenen Ort, der eben deshalb nnch die Zufluchtsstätte zahlreicher wilder Thiere war; selbst Elephanten mußten dcu gefundenen Spureu nach in nicht geringer Zahl hier Hansen. Große Schwärme wilder Tanbcn trieben ihr Spiel in dem üppigen Dickicht. Auf der Hochebene östlich über diesem reiche» Thaltessel, da wo diese in einem tiefen Gehänge von 3- bis 400 Fuß in denselben abfiel, schlugen die Araber ihr Vager auf uud bliebeu drei Tage hier liegeu. — Währcud dieser Zeit erbot sich Halluf, der oben geuauute Häuptliug der Fugabu-Tebu, uns nach Karka oder Kargha zu geleiten, dem sumpfigen Insellande im südöstlichen Winkel des Tsad, das einen vollständigen, in seinen Umrifsen schwankenden, ewig wandelbaren Archipel kleiner Inseln bildet. Anfangs widersetzte sich Scheich Nhct diesem Vorhaben, gab aber nach vielem verhandeln, und nachdem wir reichliche Geschenke für den Fall des Gelingens unseres Planes in Aussicht gestellt hatteu, seiue Zustimmung. Schon war der Tag des Aufbruchs nach jener ersehnten Vandschaft, in welcher wir anch in den Theil des Vahr cl Ghasal, der znnächst an den Tsad stößt, zn gelangen hofften, bestimmt, als Plötzlich Halluf sein Versprechen zurücknahm, beider waren wir nicht im Stande, angeublicklich durch werth-volle Gabeu vielleicht eiuc Aenderung seines Sinnes hervorzurufen. So war denn abermals eine Hoffnung zuuichte gewordeu, den Wuusch der englischen Regierung, das östliche Ufer des Tsad zu erforschen, znr Ausführung zu bringen; anch die Möglichkeit, jeue wunderbaren Angaben, welche mir über das viel genannte Bahr el Ghasal gemacht worden waren, geuauer zu Prüfen, war mir geuommeu. Alle bezüglich dieses Thales