Samuel Hahnemann, M. tfcb. d.io .April, i7öö. Organ on 1er Heilkunst Samuel Hahnemann. Aude sapere. Vierte verbesserte und vermehrte Auflage. Mit dem Bildnisse des Verfassers. Dresden und Leipzig, in der Arnoldischen Buchhandlung. 1829. Vorrede zur vierten Ausgabe. äre diejenige Natur, deren Selbsthülfe in Krankheiten von der bisherigen Arzneischule als unübertreffliche Heilart angenommen ward, deren Nachahmung des Arztes höchster Zweck sey, die grolse Natur selbst, d. i. die Stimme der Allweisheit des grofsen Agens im unendlichen Naturganzen, so müfs-ten wir dieser untrüglichen Stimme folgen, wiewohl dann nicht abzusehen wäre, warum wir nun als Aerzte diese angeblich unübertrefflichen Veranstaltungen der (zweideutig sogenannten) Naturhülfe in Krankheiten durch unsre künstlichen Eingriffe mit Arzneien stören oder zweckwidrig erhöhen sollten; aber es ist ganz anders! Jene Natur, * 2 W IV deren Selbsthülfe von der bisherigen Arzneischule als unübertreffliche und einzig nach-ahmungswerthe Heilart angegeben ward, ist blofs die individuelle Natur des organischen Menschen, ist nichts als die instinktartige, verstandlose, keiner Ueberlegung fähige, an die organischen Gesetze unsers Körpers gebundene Lebenskraft, welche vom Schöpfer nur dazu bestimmt, beim Wohlbefinden des Menschen die Thätigkeit und die Gefühle seines Organisms in wunderbar yollkomm-nem, gesundem Gange zu erhalten, nicht aber geschaffen ward, noch auch geeignet ist zur besten Wiederherstellung der gestörten oder verlornen Gesundheit. Denn wird so unsre Lebenskraft durch widrige Einwirkungen von der Aufsenwelt in ihrer Integrität abgeändert, so bestrebt sich dieses Kraftwesen, instinktmäfsig und automatisch, sich durch revolutionäre Veranstaltungen von der entstandnen Verstimmung (Krankheit) zu retten; ihre Bestrebungen sind aber selbst Krankheit, sind ein zweites anderes Uebel an der Stelle des ursprünglichen; sie macht v nach den Gesetzen der Einrichtung des Organisms, auf denen sie beruht, eine andersartige Krankheit, um die in ihr erregte von sich zu treiben, was sie durch Schmerz, Metastasen u. s. w., am meisten aber durch Ausleerungen und Aufopferung vieler flüssigen und festen Theile des Körpers zu bewirken strebt, mit schwierigem, oft zweideutigem, widrigem, oft auch betrübtem Ausgange. Hätten die Menschen nicht von jeher diese Unvollkommenheit und die nicht seltne Zweckwidrigkeit jener blinden Bestrebungen der instinktartigen, verstandlosen Lebenskraft zur Selbsthülfe in Krankheiten eingesehn, so würden sie sich nicht so sehr gesehnt, noch sich beeifert haben, durch Anbringung besserer Hülfsmittel der leidenden Lebenskraft, die sich selbst so wenig zu helfen wufste, beizustehn, den Krankheitsprocefs auf einem kürzern und sichrem Wege zu beendigen und so baldigst die gewünschte Gesundheit herzustellen — sie würden, mit einem "Worte, sich nicht beeifert haben, eine Heilkunst zu erfinden. VI Da aber, was man bisher Heilkunst hiefs, in einem blofsen (unvollkommnen) Nachahmen jener unhülfreichen, zweckwidrigen, nicht selten verderblichen Bestrebungen und Veranstaltungen der sich in Krankheit selbst überlassenen, instinktartigen, verstandlosen Lebenskraft bestand (die man mit dem mifs-deutlichen Namen: Natur belegte), so wird man mir zugeben, dafs die wahre Heilkunst vor mir noch nicht gefunden war. Dafs aber die Homöopathik diese bisher vergeblich gesuchte Heilkunst sey, lehren ihre Grundsätze, beweisen ihre Leistungen. Köthen, im Januar 1829. Samuel Hahnemann. Inhalt. Einleitung. I. Hinblick auf die Allopathie der bisherigen Arzneischule. II. Beispiele unwillkürlicher, homöopathischer Heilungen bisheriger Aerzte der alten Schule. Auch unärztliche Personen fanden die Heilungen durch Wirkungs-Aehnlichkeit als die einzig hülfreichsten. i Selbst Aerzte älterer Zeit ahneten, dafs diefs die vorzüglichste Heilart sey. Text des Organons. §. 1. 2. Der einzige Beruf des Arztes ist schnelles, sanftes, dauerhaftes Heilen; Anrn. nicht das Schmieden theoretischer Systeme und Erklärungs -Versuche. 3. 4. Er mufs das an Krankheiten zu Heilende aufsuchen und das Heilende in den verschierlnen Arzneien kennen, um dieses jenem anpassen zu können, auch die Gesundheit der Menschen zu erhallen verstehen. 5. 6. Die Krankheiten sind an sich unerkennbar im innerlich Veränderten, aber deutlich erkennbar in den Symptomen. Anm. Erklärung des Gesagten. Vili §. 7. Zur Heilung beihiilfliches Achten auf Veranlassung, Grundursache und andre Umstände. 8. Die Krankheit besteht für den Arzt blofs in der Gesammtheit ihrer Symptome. 9. Unter Achtung auf jene Umstände (§. 7.) braucht der Arzt blofs die Gesammtheit der Symptome hinwegzunehmen, um die Krankheit zu heilen. Anni. a. Die offenbar die Krankheit veranlassende und unterhaltende Ursache ist hinwegzuräumen. Anm. b. Verwerflichkeit der symptomatischen, auf ein einziges Symptom gerichteten, palliativen Curart. 10. 11. 12. Sind alle Symptome getilgt, so ist. jederzeit die Krankheit auch in ihrem Innern geheilt. 13. Die Gesammtheit der Symptome ist die einzige Indication, die einzige Hinweisung auf ein zu wählendes Heilmittel. 14. Die Befindens - Veränderung in Krankheiten (die Krankheits-Symptome) kann von den Arzneien nicht anders geheilt werden, als in sofern diese die Kraft haben, ebenfalls Befindens-Veränderungen im Menschen zuwege zu bringen. 15. Diese Befindens-Veränderungs-Kraft der Arzneien kann blofs bei ihrer Einwirkung auf (gesunde) Menschen wahrgenommen werden. 16. Die krankhaften Symptome, welche die Arzneien im gesunden Menschen erzeugen, sind das Einzige, woraus wir ihre Krankheit-Heilungs-Kraft erkennen lernen. 17. Zeigt die Erfahrung, dafs durch Arzneien, welche ähnliche Symptome, als die Krankheit, haben, diese am gewissesten und dauerhaftesten geheilt werde, so hat man zum Heilen Arzneien von ähnlichen Symptomen — zeigt sie, dafs die Krankheit am gewissesten und dauerhaftesten durch entgegengesetzte IX Arznei-Symptome geheilt werde, so hat man Arzneien von entgegengesetzten Symptomen zum Heilen zu wählen. Anm. Der Gebrauch der Arzneien, deren Symptome leinen eigentlichen (pathischen) Bezug auf die Krank-heits- Symptome haben, den Körper aber andersartig angreifen, ist die allopathische, verwerfliche Curmethode. §. 18. Durch entgegengesetzte Arznei-Symptome (anti-pathische Cur) werden anhaltende Krankheits-Symptome nicht geheilt. 19.'20. Nur die noch übrige homöopathische Heilmethode durch Arzneien von ähnlichen Symptomen zeigt sich in der Erfahrung durchaus hülfreich. 21. Diefs beruht auf dem Natur-Heilgesetze, dafs eine schwächere dynamische Affection im lebenden Menschen von einer ihr sehr ähnlichen, stärkern, blofs der Art nach abweichenden, dauerhaft ausgelöscht wird. Anm. Diefs geschieht auch bei physischen Affectionen, wie bei moralischen Uebeln. 22. Das Heil - Vermögen der Arzneien beruht daher auf ihren der Krankheit ähnlichen Symptomen. 23 — 27. Versuch einer Erklärung dieses Natur-Heilgesetzes. 28. Der menschliche Körper ist weit geneigter, sich durch Arzneikräfte in seinem Befinden umstimmen zu lassen, als durcb natürliche Krankheit. 29. 30. Des homöopathischen Heilgesetzes Richtigkeit zeigt sich an dem Nicht-Gelingen jeder unhomöopathischen Cur eines altern Uehels und daran, dafs auch zwei im Körper zusammentreffende, natürliche Krankheiten, sobald sie einander unähnlich sind, einander nicht aufheben und nicht heilen. *# 2 X 31. I. Die ältere, im Körper wohnende Krankheit hält, wenn sie gleich stark, oder stärker ist, eine neue, unähnliche Krankheit vom Menschen ab. 32. So bleiben auch bei unhomöopathischen Curen, die nicht heftig sind, die chronischen Krankheiten, wie sie waren. 33. IL Oder eine den schon kranken Menschen befallende, neue, stärkere Krankheit unterdrückt nur, so lange sie dauert, die alte, im Körper wohnende, ihr unähnliche Krankheit, hebt diese aber nie auf. 34. Eben so heilen starke Curen mit allopathischen Arzneien keine chronische Krankheit, sondern unterdrücken sie nur so lange,' als der Angriff mit heftigen Arzneien dauert, welche keine der Krankheit ähnliche Symptome für sich erregen können; hernach kommt die chronische Krankheit eben so schlimm und schlimmer wieder hervor. 35. III. Oder die neue Krankheit tritt nach langer Einwirkung auf den Körper zu der altern, ihr unähnlichen, und es entsteht eine doppelte (complicirte) Krankheit; keine dieser beiden sich unähnlichen hebt die andre auf. 36. Noch weit öfterer, als im Laufe der Natur, gesellt sich eine durch langwierig angewendete, heftige, unpassende (allopathische) Arznei erzeugte Kunst-Krankheit beim gewöhnlichen Cur-Verfahren zu der ihr unähnlichen (folglich nicht durch jene heilbaren) alten, natürlichen Krankheit, und der chronisch Kranke ist nun doppelt krank. 37. Die sich so complicirenden Krankheiten nehmen, ihrer Unähnlichkeit wegen, jede den ihr im Organism gehörigen Platz ein. 38. 39. Aber ganz anders ist's beim Zutritt einer stärkern Krankheit zu der ihr ähnlichen, allen; denn diese wird dann von jener aufgehoben und geheilt. XI 40. Erklärung dieser Erscheinung. 41. Beispiele chronischer Krankheiten, durch zufälligen Zutritt einer andern, ähnlichen, stärkern geheilt. 42 — 44. Selbst von den im Laufe der Natur selbst zusammentreffenden Krankheiten kann nur die von ähnlichen Symptomen die andre aufheben und heilen, die unähnliche Krankheit aber kann es nie, zur Belehrung für den Arzt, mit welcher Art Arzneien er gewifs heilen könne, nämlich einzig mit den homöopathischen. 45. Die Natur hat nur wenige Krankheiten andern Krankheiten zur homöopathischen Hülfe zuzuschik-ken, und diese ihre Hülfsmittel sind mit vielen Unbequemlichkeiten verbunden. 46. Dagegen hat der Arzt unzählige Heilpotenzen mit grofsen Vorzügen vor jenen. 47. 48. Aus jenem Vorgange in der Natur wird der Arzt fortan die Lehre ziehen, Krankheiten nie anders als mit homöopathisch gewählten Arzneien zu behandeln und sie so zu heilen, nie aber mit andersartigen (allopathischen), welche nie heilen, sondern blofs den Kranken verderben. 49. 50. Es giebt nur drei mögliche Arten von Anwendung der Arzneien gegen Krankheiten: 1) die allein hülfreiche, homöopathische, 51. 2) die allopathische oder heteropathische, 52. 3) die antipathische (enantiopathische), palliative. 53. Auf welchem Cur-Wege gegen ein einzelnes Symptom der Krankheit eine Arznei von entgegengesetzter Wirkungs-Aeufserung {contraria contrarias) verordnet wird. Beispiele. 54. Dieses antipathische Verfahren ist nicht blofs fehlerhaft, weil es nur gegen ein einzelnes Krankheits-Symptom gerichtet ist, sondern auch, weil in anhal- XII tenden Beschwerden, nach kurzer Schein-Erleichterung, wahre Verschlimmerung erfolgt. déntri. Zeugnisse der Schriftsteller. §. 55. Schädliche Erfolge einiger antipalhischen Curen. 56. Die gesteigerten Gaben bei Wiederholung eines Palliativs heilen auch nie chronische Uebel, richten aber desto gröfseres Unglück an, 57. woraus die Aerzte auf die Hülfreichheit des gegen-theiligen, allein guten Heilwegs hätten schliefsen sollen, nämlich des homöopathischen. 58. Der Grund von der Schädlichkeit der palliativen und von der alleinigen Heilsamkeit der homöopathischen Arznei-Anwendung 59. beruht auf dem Unterschiede der bei Einwirkung einer jeden Arznei statt findenden Erstwirkung und der hierauf vom lebenden Organism (der Lebenskraft) veranstalteten Gegenwirkung oder Nachwirkung. 60. Erklärung der Erstwirkung und der Nachwirkung. 61. Beispiele von beiden. 62. Blofs bei den kleinsten homöopathischen Arzneigaben im Heilgeschäfte wird die Nachwirkung der Lebenskraft einzig durch die Herstellung des Gleichgewichts der Gesundheit kund. 63. Aus diesen Wahrheiten geht die Heilsamkcit der homöopathischen, so wie die Verkehrtheit der anti-pathischen (palliativen) Verfahrungsart hervor. Anm. Fälle, in denen die antipathische Anwendung der Arzneimittel noch einzig brauchbar ist. 64. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Heilsamkeit der homöpathischen Heilart? 65. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Schädlichkeit des antipathischen Verfahrens? Anm. ^Entgegengesetzte Empfindungen ncutralisiren sich im menschlichen Scnsorium nicht, also nicht wie entgegengesetzte Substanzen in der Chemie. XIII §. 66. Kurzer Inbegriff der homöopathischen Heilart. 67. Die drei zum Heilen nöthigen Punkte: 1) die Erforschung der Krankheit, 2) die Erforschung der "Wirkung der Arzneien, und 3) ihre zweckmäfsige Anwendung. 68. Allgemeine Uebersicht der Krankheiten — acute chronische. 69. Acute Krankheiten Einzelner, sporadische, epidemische, acute Miasmen. 70. Uneigentliche chronische Krankheiten. 71. Eigentliche chronische Krankheiten; sie entstehen alle aus chronischen Miasmen. 72. Syphilis und Sykosis. 73. 74. Psora; sie ist die Mutter aller eigentlichen chronischen Krankheiten, die syphilitischen und sy-kosischen ausgenommen. Anm. Krankheitsnamen der gewöhnlichen Pathologie. 75. Unter den für diese chronischen Miasmen, namentlich für die Psora, gefundenen, specifischeren Heilmitteln ist für jeden einzelnen Fall von chronischer Krankheit eine um so sorgfältigere "Wahl zur Heilung zu treffen. 76. Erfordernisse zur Auffassung des Krankheitshildes. 77 — 92. Vorschrift, wie der Arzt das Krankheitsbild zu erkundigen und aufzuzeichnen hat. 93 — 95. Erforschung der epidemischen Krankheiten insbesondre. 96. Auf gleiche Weise mufste die Grundursache der (unsyphililischen) chronischen Krankheiten ausgemit-telt und das grofse Gesammt-Bild der Psora aufgestellt werden. 97. Nutzen des schriftlich aufgezeichneten Krankheitsbildes zum Heilen und beim Verfolg der Cur. XIV §. 98 — 107. "Vorerinnerung zur Erforschung der reinen Arznei - Wirkungen an gesunden Menschen. Erstwirkung. Nachwirkung. 108. Wechselwirkungen der Arzneien. 109. 110. Idiosyncrasien. 111. 112. Jede Arznei hat von der andern abweichende Wirkungen. Anm. Es kann keine Surrogate geben. 113. Jede Arznei mufs daher auf die Eigenheit ihrer besondern Wirkungen sorgfältig geprüft werden. 114 — 134. Verfahren dabei, wenn man sie an andern Personen versuchen läfst. 135. Die Versuche des gesunden Arztes mit Arzneien an sich selbst bleiben die vorzüglichsten. 136. Die Erforschung der reinen Arzneiwirkungen in Krankheiten ist schwierig. 137 — 139. Aus solcher Erforschung der reinen Wirkungen der Arzneien an Gesunden entsteht erst eine wahre materia medica. 140. Die zweckmäfsigste Anwendung der nach ihrer eigenthümlichen Wirkung gekannten Arzneien zum Heilen. 141. Die homöopathisch passendste Arznei ist die hülfreichste, ist' das specifische Heilmittel. ' 142. Andeutung, wie die homöopathische Heilung zugehen mag. 143. Die homöopathische Heilung schnell entstandner Krankheit erfolgt schnell; die der chronischen Siech-thume aber erfordert verhältnifsmäfsig mehr Zeit. 144. Geringe Unpässlichkeiten. 145. Die bedeutenden Krankheiten haben mehre Symptome. 146. Für die mit mehren, auffallenden Symptomen läfst sich desto gewisser ein homöopathisches Heilmittel finden. §. 147. XV §. 147. Auf welche Art von Symptomen man hiebei vorzüglich zu achten habe? 148. Ein möglichst homöopathisches Mittel heilt ohne bedeutende Beschwerde. 149. Ursache der Beschwerdelosigkeit solcher Heilung. 150. Ursache der kleinen Ausnahmen hievon. 151 — 154. Die die ursprüngliche Krankheit etwas an Stärke übertreffende, sehr ähnliche Arzneikrankheit, auch homöopathische Verschlimmerung genannt. 155. In chronischen (psorischen) Krankheiten erfolgen die homöopathischen Verschlimmerungen von den (antipsorischen) homöopathischen Arzneien im Verlaufe mehrer Tage, von Zeit zu Zeit. 156 — 168. Mafsregeln bei der Heilung, wenn der Vorrath gekannter Arzneien zur Findung eines vollkommen homöopathischen Mittels zu klein ist. 169 — 181. Mafsregeln hei Heilung der Krankheiten mit allzuwenigen Symptomen: einseitige Krankheiten. 182 — 200. Behandlung der Krankheiten mit Local-Symptomen; ihre äufsere Behandlung ist stets verderblich. 201. 202. Alle eigentliche (nicht blofs von übler Lebensart entstandene und unterhaltene) chronische Uebel und Siechthume müssen mit den, ihrem zum Grunde liegenden Miasm angemessenen, homöopathischen Arzneien blofs von innen geheilt werden. 203. Vorgängige Erkundigung nach dem zum Grunde liegenden Miasm, dem einfachen oder dessen Complication mit einem zweiten (oder wohl auch dritten) Miasm. 204. Erkundigung der vorher gebrauchten Curen. 205. 206. Uebrige, nöthige, vorgängige Erkundigungen vor Auffassung des Krankheitsbildes des chronischen Uebels. *** XVI §. 207 — 227. Behandlung der sogenannten Geistes- oder Gemüths-Krankheiten.. 228. 229. Die Wechselkrankheiten. Die alternirenden. 230. 231. Die typischen Wechselkrankheiten. 232 — 239. Die Wechselfieber. 240 — 251. Gebrauchsart der Heilmittel. 252 — 256. Zeichen der anfangenden Besserung. 257. 258. Falsche Vorliebe für Lieblings-Mittel und ungerechter Hafs gegen andre Arzneien. 259 — 261. Lebensordnung in chronischen Krankheiten. Anm. Schadliehe Dinge in der Lebensweise. 262. 263. Diät in acuten Krankheiten. 264 — 266. Wahl der vollkräftigsten, ächtesten Arzneien. Anm. Aenderung einiger Stoffe durch Zubereitung zu Nahrungsmitteln. 267. Zubereitung der kräftigsten und haltbarsten Arzneiform aus frisch zu erlangenden Kräutern. 268. Trockne Gewächssubstanzen. Anm. Pulver-Zubereitung zum Aufbewahren. 269. Die beste Form der Arzneien zum Gebrauche bei Kranken ist die in Auflösung. 270 — 272. Nur eine einzige, einfache Arznei ist auf einmal dem Kranken zu geben. 273 — 285. Gaben-Gröfse zu homöopathischem Behufs — wodurch sie verstärkt oder verkleinert wer-v den. Ihre Potenzirung. 286 — 290. Welche Theile des Körpers sind mehr oder minder empfänglich für die Einwirkung der Arzneien? 291. 292. Thicrischer Magnetismus (Mesmerismus). Die positive und die negative Anwendung desselben. Einleitung, I. Hinblick auf die Allopathie der bisherigen Arzneischule. Ohne die Verdienste zu verkennen, welche viele Aerzte um die Hülfswissenschaften der Medicin, um die Naturkenntnisse in der Physik und der Chemie, um die Naturgeschichte in ihren verschiedenen Zweigen und der des Menschen im Besondern, um die Anthropologie, Physiologie und Anatomie u. s. vv. sich erwarben, habe ich es hier nur mit dem praktischen Theile der Medicin zu thun, um zu zeigen, wie die Krankheiten bisher so unvollkommen behandelt wurden. Tief jedoch liegt unter meinem Vorhaben jener handwerksmäfsige Schlendrian, das kostbare Menschenleben nach Recepttaschenbüchern zu kuriren, deren noch fortwährende Erscheinung im Publikum, leider, noch immer ihren häufigen Gebrauch erweiset. Ich lasse sie als Skandale der Hefe des gemeinen Arztvolkes ganz unberücksichtigt. Ich rede blofs von der bisherigen Arzneikunst, die sich wissenschaftlich dünkt, eingebildet auf ihre Al-tcrthümlichkeit. A 2 Diese alte Arzneischule bildete sich viel darauf ein, vorgeben zu können, dafs sie allein den Namen „rationelle Heilkunsl" verdiene, weil sie allein die Ursache der Krankheit aufsuche und hinwegzuräumen sich bemühe, auch nach dem Vorgange der Natur in Krankheiten verfahre. Tolle causam! ruft sie wiederholt. Aber bei diesem leeren Rufe blieb es gewöhnlich. Sie wähnten nur, die Krankheits-Ursache finden zu können, fanden sie aber nicht. Denn da die meisten, ja die allermeisten Krankheiten dynamischen Ursprungs und dynamischer Natur sind, ihre Ursache also nicht sinnlich zu erkennen ist, so waren sie beflissen, sich eine zu erdenken, und aus der Ansicht der Theile des normalen, todten, menschlichen Körpers (Anatomie), verglichen mit den sichtbaren Veränderungen dieser innern Theile an Krankheiten verstorbener Menschen (pathologische Anatomie), so wie aus dem, was aus der Vcrgleichnng der Erscheinungen und Funktionen im gesunden Leben (Physiologie) mit den unendlichen Abweichungen derselben in den unzähligen Krankheitszuständen (Pathologie, Scmiotik) sich zu ergeben schien, Schlüsse auf den unsichtbaren Vorgang der Veränderungen im innern Wesen des Menschen bei Krankheilen zu ziehen — ein dunkles Phantasiebild, was die theoretische Medicin für ihre prima causa morbi hielt, die dann die nächste Ursache der Krankheit und auch zugleich das innere Wesen der Krankheit, die Krankheit selbst, seyn sollte — obgleich, 3 nach dem gesunden Menschenverstände, die Ursache eines Dinges nie zugleich das Ding selbst seyn kann. Wie konnten sie nan, ohne Selbsttäuschung, diefs unerkennbare, innere Wesen zum Heilgegenstande machen und dagegen Arzneien verordnen, deren Heiltendenz ihnen ebenfalls gröfstentheils unbekannt war, und zwar mehre solche ungekannte Arzneien zusammen gemischt in sogenannten Recepten? Doch lösete sich diefs sublime Projekt, eine innere,. unsichtbare, apriorische Krankheitsursache za finden, wenigstens bei den verständigern Aerzten, in ein freilich auch von den Symptomen geleitetes anf, in ein Aufsuchen, was etwa muthmafslich als der generelle Charakter des gegenwärtigen Krankheitsfalles anzunehmen sey? ob Krampf? oder Schwäche? oder Lähmung? oder Fieber? oder Entzündung? oder Verhärtung? oc!er Infarkten dieses oder jenes Theils? oder Blat-Uebermenge (Plethora)? Mangel oder Uebermafs an Sauer-, Kohlen-, Wasser- oder Stickstoff in den Säften? gesteigerte oder gesunkene Arteriellität, oder Venosilät, oder Capillarität? relatives Verhältnifs der Faktoren der Sensibilität, Irritabilität, oder Reproduktion? — Muthmafsungen, welche, von der bisherigen Schule mit dem Namen: Causal-Indication beehrt und für die einzig mögliche Rationalität in der Medicin gehalten, allzu trüg-liche, hypothetische Annahmen waren, als dafs sie sich praktisch brauchbar hätten bewähren können — unfähig, selbst wenn sie gegründet hätten seyn können, oder gewesen wären, das treffendste Heilmittel À 2 4 für den Krankheits-Fall anzuzeigen, zwar der Eigenliebe des gelehrten Erdenkers wohl schmeichelnd, im darnach Handeln aber meist irre führend, und womit es mehr auf Ostentation, als auf ernstliche Findung der Heil-Indication angelegt war. Und wie oft schien nicht in dem einen Theile des Organisms Krampf oder Lähmung zu seyn, während in einem andern Theile anscheinend Entzündung statt fand! Oder wo sollten, auf der andern Seite, die für jeden dieser angeblichen, allgemeinen Charaktere sicher helfenden Arzneien herkommen? Die sicher helfenden hätten doch wohl keine andern als die speeifischen seyn können, d. i. dem Krankheits-Reize in ihrer Wirkung homogene *) Arzneien, deren Gebrauch aber von der alten Schule als höchst schädlich verboten 2) und verpönt war, weil die Beobachtung gelehrt halte, dafs, hei der in Krankheiten so hoch gesteigerten Receptivität für homogene Reize, solche Arzneien in den hergebrachten, grofsen Ga- 1) Homöopathische jetzt genannt. 2) „Wo die Erfahrung uns die Heilkraft homöopathisch „wirkender Arzneien kennen gelehrt hatte, deren Wir-„kungsart man sich nicht erklären konnte, da half man „sich damit, sie für speci fi seh zu erklären, und mit die-„seni eigentlich nichts sagenden Worte ward das Nachden-„ken darüber eingeschläfert. Man hat aber längst schon „die homogenen Reizmittel die speeifischen, homöopathischen) als höchst schädliche Einflüsse verboten." Rau, Ueb. d. homöop. Heilverf. Heidelb. 1824. S. 101. 102. 5 ben lebensgefährlich sich erwiesen hatten. Von kleinem Gaben aber und höchst kleinen hatte die alte Schule keine Ahnung. Also auf geradem (natürlichsten) Wege durch homogene, specifische Arz-. neien durfte nicht geheilt werden, konnte auch nicht, da die meisten "Wirkungen der Arzneien unbekannt waren und blieben. Doch glaubte die bisherige Arzneischule, weil's ihr doch wohl verständiger deachtete, wo möglich einen andern, geraden Weg zu suchen, als Umwege einzuschlagen, noch dadurch Krankheiten direkt aufzuheben, theils indem sie bedeutende Symptome durch entgegengesetzt wirkende Arzneien unterdrückte, das ist, durch das antipathische (palliative) Verfahren (welches im Texte des Organons d. H. gewürdigt wird), theils durch Wegschaffung der (angeblichen) materiellen Krank* heits-Ursache — denn der gewöhnlichen Arzt-Schule war es fast unmöglich, sich bei Ansicht und Beurtheilung einer Krankheit und eben so wenig bei Aufsuchung der Cur-Indication von diesen materiellen Begriffen loszumachen und die Natur des geistig-körperlichen Organisms für ein so hoch poten-zirtes Wesen anzuerkennen, dafs die Abänderungen seines Lebens in Gefühlen und Thätigkeiten, die man Krankheiten nennt, hauptsächlich, ja fast einzig durch dynamische Einwirkungen bedingt und bewirkt werden müfsten und gar nicht anders bewirkt werden könnten. 6 Durchaus sah die bisherige Schule jene durch die Krankheit veränderten Stoffe, die turgescirenden sowohl, als die sich absondernden, innormalen Stoffe für Krankheils-Erreger, wenigstens, wegen ihrer angeblichen Rückwirkung, als Krankheits - Unterhalter an und thut letzteres bis auf diese Stunde noch. Daher wähnte sie Causal - Curen zu verrichten, indem sie diese eingebildeten nnd vorausgesetzten, materiellen Ursachen der Krankheit hinwegzuschaffen sich bemühte. Daher ihr emsiges Fortschaffen der Galle durch Erbrechen bei gallichten Fiebern '), ihre Brechmittel bei sogenannten Magen-Verderbnissen 2), ihr fleifsiges Auspurgiren des Schleims, 1) Der achtungswerthe Hofrath Rau (üb. d. Werth des homöop. Heilverfahrens. Heidelb. 1824. S. 176 u. f.), damals noch nicht völlig in die Homöopathie eingeweiht, heilte gleichwohl, aus inniger Ueberzeugung von der dynamischen Ursache seihst dieser Fieber, dieselben ohne das mindeste Ausleerungsmittel durch eine oder zwei kleine Gaben homöopathischer Arznei, wovon er da zwei merkwürdige Cur-Geschichten erzählt. 2) Bei einer schnellen Magen-Verderbnifs, mit stetem, widerlichem Aufstoßen nach verdorbenen Speisen, gewöhnlich mit Niedergeschlagenheit des Gemüths, bei kalten Füfsen und Händen, u. s. w. ging der gewöhnliche Arzt bisher nur auf den entarteten Mageu-Inhalt los: ein tüchtiges Brechmittel soll ihn rein herausschaffen. Gewöhnlich erreicht er diese Absicht mit weinsteinsauerm Spiefs-glanze, mit oder ohne Ipecacuanha. Ist denn aber der Kranke darauf sogleich gesund, munter und heiter? O nein! Gewöhnlich ist eine solche Magen-Verderbnifs dynamischen Ursprungs, durch Gemüths-Störungen (Gram, 7 der Spul- und Madenwürmer bei der Gesichts-Blässe, der Eis-Gier, dem Leibweh und den dicken Bäu- Schreck, Aerger), Verkältung, Anstrengung des Geistes oder Körpers unmittelbar aufs Essen, — selbst oft nach mäfsigem Speise-Genufe erzeugt. Diese dynamische Verstimmung zu heben, sind diese beiden Arzneien nicht geeignet, und eben so wenig das dadurch hervorgebrachte revolutionäre Erbrechen. Und Brecbweinslein und Ipecacuanha haben noch überdiefs aus ihren anderweiten eigenthümlichen Krankheit-Erregungs-Symptomen Nachtheile für das Befinden des Kranken hinzugefügt, und die Gall Abscheidung ist in Unordnung gekommen, so dafs, wenn der Leidende nicht ganz robust war, er noch mehre Tage sich auf diese angebliche Causal-Cur übel befinden mufs, trotz aller dieser gewaltsamen Herausschaffung des vollständigen Magen-Inhalts. — Wenn aber der Leidende, statt solcher heftigen und oft nachtheiligen Ausleerungs-Arzneien, nur ein einziges Mal in hochverdünnten Pulsatille-Saft (an ein Senfsamen grofses, damit befeuchtetes Streukügelchen) riecht, wodurch die Verstimmung seines Befindens im Allgemeinen und seines Magens insbesondre gewifs aufgehoben wird, so ist er in zwei Stunden genesen, und hat er dann ja noch einmal Aufslofsen, so ist es geschniack- und geruchlose Luft — der Magen-Inhalt ist nicht mehr verdorben, uud bei der nächsten Mahlzeit hat er wieder seinen vollen, gehörigen Appetit; er ist gesund und munter. Diefs ist wahre Causal - Cur, jenes aber eine eingebildete, ist nur eine schädliche Strapaze für den Kranken. Ein selbst mit schwer verdaulichen Speisen überfüll 1er Magen erfordert wohl nie ein arzneiliches Brechmittel. Die Natur weifs hier den Ueberflufs am besten durch Ekel, Uebelkeit und Selbst-Erbrechen, allenfalls mit Beihülfe ine* chanischer Reizung des Gaumen-Vorhangs und Rachens, durch den Schlund wieder von sich zu geben, und dann werden die arzneilichen Nebenwirkungen der medicinischen 8 chen der Kinder 1), ihr Aderlassen bei Blatflüs- Brechmittel vermieden — etwas Kaffee-Trank befördert den Rest im Magen vollends nach unten hin. Wäre aber nach arger Ueberfüllung des Magens die Reizbarkeit des Magens zum Selbsterbrechen nicht zureichend oder verschwunden, so dafs alle Neigung dazu, unter grofsen Schmerzen des Epigastriums, erlöschte, so wird in diesem gelähmten Zustande des Magens ein solches Brechmittel blofs eine gefährliche oder tödtliche Eingeweide-Entzündung zur Folge haben, während eine öfter gereichte kleine Menge starken Kaffee-Tranks die gesunkene Reizbarkeit des Magens dynamisch erhoben und ihn allein in den Stand würde gesetzt haben, seinen, auch noch so über-mäfsigen Inhalt von oben oder unten auszufördern. Auch hier ist jene vorgebliche Causal-Cur am unrechten Orte. Selbst die in chronischen Krankheiten nicht selten auf-schwulkende, ätzende Magensäure wird, mit grofser Beschwerde und dennoch vergeblich, heute mit einem Brechmittel gewaltsam ausgeleert und morgen, oder doch die nächsten Tage durch gleich ätzende Magensäure, und dann gewöhnlich noch in gröfserer Menge, ersetzt, während sie von selbst weicht, wenn ihr dynamischer Ursprung durch eine sehr kleine Gabe hochverdünnter Schwefel-Säure, oder, besser, eines, auch den übrigen Symptomen in Aehnh'chkeit angemessenen, antipsorischen Mittels in feinster Gabe heilkräftig aufgehoben wird. Und so giebt es mehre angebliche Causal-Curen der alten Schule, deren Lieblings-Bestreben ist, das materielle Produkt der dynamischen Verstimmung mit beschwerlichen Vorkehrungen mühsam und mit Nachtheil hinwegzuräumen, ohne die dynamische Quelle des Uebels zu erkennen und sie homöopathisch sammt ihren Ausflüssen zu vernichten, und so verständig zu heilen. 1) Umstände, welche blofs auf Psora-Siechthum beruhen und durch (dynamische) milde, antipsorische Mittel leicht geheilt werden, ohne Brechen oder Laxiren. 9 sen '), und vorzüglich alle Arten der Blut-Entziehungen 2) als ihres Haupt-Indikats hei Entzündun- 1) Ungeachtet fast allen krankhaften Blutflüssen blofs eine dynamische Verstimmung der Lebenskraft (des Befindens) zum Grunde liegt, hält dennoch die alte Schule eine Blut-Uebermenge für ihre Ursache und kann sich nicht enthalten, Aderlässe vorzunehmen, um den vermeinten Ueberflufs dieses Lebenssaftes fortzuschaffen; den ganz gewöhnlich Übeln Erfolg aber, das Sinken der Kräfte und die Hinneigung oder gar den Uebergang zum Typhösen sucht sie auf die Bösartigkeit der Krankheit zu schieben, mit der sie dann oft nicht fertig werden kann — genug sie glaubt, wenn auch nun der Kranke nicht aufkommt, eine Cur nach ihrem Wahlspruche, causam tolle, vollführt zu haben, es erfolge nun, was da wolle. 2) Ungeachtet es vielleicht nie einen Tropfen Blut zu viel im lebenden menschlichen Körper gegeben hat, so hält dennoch die alte Schule eine angebliche Blut-Uebermenge für die materielle Hauptursache der Entzündungen, die sie durch Ader-Oeffnungen (blutige Schröpfköpfe) und Blutegel zu entfernen und auszuleeren habe. Diefs hält sie für ein rationelles Verfahren, für Causal-Cur. In allgemeinen Entzündungs-Fiebern, im hitzigen Seitenstiche sieht sie sogar die coagulable Lymphe im Blute, die sogenannte Speckhaut für die materia peccans an, welche sie durch wiederholte Ader-Oeffnungen möglichst fortzuschaffen strebt, ungeachtet diese nicht selten bei erneuertem Blutlassen noch zäher und dicker zum Vorschein kommt. So vergiefst sie Blut, wenn das Entzündungs-Fieber sich nicht legen will, oft bis zum nahen Tode, um diese Speckhaut oder die vermeintliche Plethora wegzubringen', ohne zu ahnen, dafs das entzündete Blut nur Produkt des akuten Fiebers, nur des krankhaften, immateriellen (dynamischen) Entzündungs-Reizes und letzterer die einzige Ursache dieses grofsen Sturmes in dem Ader-System sey, durch die kleinste Gabe 10 gen. Auf diese Weise glaubt sie ächte Causal-In-dicationen zu befolgen und rationell zu kuriren. Fer- einer homogenen (homöopathischen) Arznei aufzuheben (z.B. durch ein feines Streukügelchen zur Gabe, mit decillion-fach verdünntem Akonit-Safte befeuchtet, unter Vermeidung vegetabilischer Säuren, so dafs das heftigste Seitenstich-Fieber mit allen seinen drohenden Zufällen, ohne Blut-Verminderung und ohne die mindesten Kühlmittel schon in wenigen, höchstens in 24 Stunden in Gesundheit übergegangen und geheilt ist (eine Probe seines Blutes dann aus der Ader gelassen zeigt nun keine Spur von Speckhaut mehr), während ein sehr ähnlicher Kranker, nach jener Rationalität der alten Schule behandelt, nach mehrmaligem Blutlassen, wenn er ja noch mühsam, nach unsäglichen Leiden, dem Tode entrinnt, dann oft noch viele Monate durchzusiechen hat, ehe er, abgezehrt, wieder auf die Beine kommt, wenn ihn nicht in-defs ( die öftere Folge einer solchen Mifshandlung ) ein typhöses Fieber, oder Leukophlegmasie hinrafft. Wer den ruhigen Puls des Mannes eine Stunde vor Antritt des dem hitzigen Seitenstiche stets vorangehenden Frostschauders gefühlt hat, kann sich unmöglich des Erstaunens erwehren, wenn man ihn zwei Stunden drauf, nach Ausbruch der Hitze, bereden will, die vorhandene ungeheure Plethora mache ein vielmaliges Aderlassen dringend nothwendig, und fragt sich, welches Wunder die vielen Pfunde Blut, die nun weggelassen werden sollen, binnen dieser zwei Stunden in die Adern des Mannes gezaubert haben möchte, die er vor diesen zwei Stunden in so ruhigem Gange gefühlt habe? Nicht ein Quentchen Blut kann mehr in seinen Adern nun rollen, als er in gesunden Zeiten, und so auch vor zwei Stunden hatte! Der Allopathikcr entzieht also mit seinen Aderlässen den am hitzigen Fieber Erkrankten keine lästige Blut-Ue-bermenge, weil dergleichen gar nicht vorhanden seyn konnte, 11 ner glaubt auch die alte, bisherige Arzneischule durch Abbindung von Polypen, Ausschneidung, oder, durch erhitzende Local-Mittel erkünstelte Vereiterung der kalten Drüsen-Geschwülste, durch Ausschälung der sondern beraubt ihn der zum Leben und Gesundwerden unentbehrlichen, normalen Blutmenge — ein grofser Verlust, den Arztes-Macht nicht wieder zu ersetzen vermag!— und steht dennoch in dem Wahne, eine Cur nach seinem (mifs-verstandenen) Wahlspruche: Causam tolle, vollführt zu haben, während doch hier die causa morbi am wenigsten eine, nicht existirende, BIut-TJebermenge seyn konnte, sondern die einzige, wahre Causa morbi ein krankhafter, dynamischer Entzündungs-Reiz des Blut-Umlaufs war, wie die schnelle und dauerhafte Heilung des gedachten, allgemeinen Entzündungs-Fiebers durch eine oder zwei, unglaublich feine und kleine Gaben des diesen Reiz homöopathisch aufbebenden Akonit-Saftes beweist und in jedem solchen Falle beweist. So schiefst auch die alte Schule bei Behandlung der Lokal-Entzündungen fehl mit ihrem örtlichen Blutlassen, vorzüglich durch die jetzt mit Broussaisischer Wuth angesetzte Menge Blutegel. Die anfänglich davon erfolgende, palliative Erleichterung wird durch schnellen und vollkommenen Heil-Erfolg keineswegs gekrönt, sondern die stets zurückbleibende Schwache und Kränklichkeit des so behandelten Theiles (auch oft des übrigen Körpers) zeigt genugsam, wie fälschlich man die örtliche Entzündung in einer örtlichen Plethora suchte und wie traurig die Folgen solcher Blutentziehungen sind, — während dieser blofs dynamische, örtlich scheinende Entzündungs-Reiz durch eine gleich kleine Gabe Akonit, oder, nach den Umständen, von Belladonna schnell und dauerhaft getilgt und das ganze Uebel, ohne solch unmotivirtes Blut-Vergiefsen, gehoben und geheilt werden kann. 12 Balg- (Speck- Honig-) Geschwülste, durch Operationen der Pulsader-Geschwülste, der Thränen-und Mastdarm-Fisteln, durch Entfernung der skir-rhösen Brust mittels des Schnitts, der Amputation eines knochenfräfsigen Gliedes, u. s. w., den Kranken gründlich geheilt und Causal-Curen verrichtet zu haben, und glaubt es auch, wenn sie ihre Repel-lentia in Anwendung bringt: die alten, jauchenden Schenkel-Geschwüre (allenfalls bei gleichzeitigen, das Grnnd-Siechthum nicht mindernden, blofs schwächenden, Abführungs-Mitteln) durch adstringende Umschläge, durch Blei-, Kupfer- und Zink-Oxyde austrocknet, den Schanker wegbeizt, die Feigwarzen örtlich zerstört, die Krätze mit Salben von Schwefel, Blei-, Quecksilber- oder Zink-Oxyden von der Haut vertreibt, die Augen-Entzündungen mit Auflösungen von Blei oder Zink unterdrückt und durch Opodeldok, flüchtige Salbe, oder Räuchernngen mit Zinnober oder Bernstein die ziehenden Schmerzen aus den Gliedmafsen verjagt; sie glaubt da überall das Uebel gehoben, die Krankheit besiegt und rationelle Causal-Curen ausgeführt zu haben; aber der Erfolg! die darauf, bald oder spät, doch unausbleiblich erscheinenden Metaschematismen, die sie dadurch veranlafst (doch dann für neue Krankheiten ausgiebt), welche allemal schlimmer, als das erstere Uebel sind, widerlegen sie zur Gnüge und könnten und sollten ihr die Augen öffnen über die tiefer liegende, immaterielle Natur des Uebels und seinen dynamischen, blofs dynamisch zu hebenden Ursprung. 13 Ueberhaupt setzte die gewöhnliche Schule bis in die neuern (möchte ich doch nicht sagen dürfen, neuesten!) Zeiten bei Krankheiten am liebsten, wenn auch noch so fein gedachte, Krankheits-Stoffe (und Schärfen) voraus, welche durch Ausdünstung und Schweifs, durch die Harn-Werkzeuge, oder auch durch die Speichel-Drüsen aus den Blut- und Lymph-Gefäfsen, durch die Luftröhr- und Bronchial-Drüsen als Brust-Auswurf, aus dem Magen und dem Darm-kanale durch Erbrechungen und Abführungen fortgeschafft werden müfstcn, damit der Körper von der materiellen, Krankheit erregenden Ursache gereinigt und so eine gründliche Causal - Cur (nach dem Grundsatze: tolle causam!) vollführt werden könne. Ich gehe zu, dafs es der menschlichen Schwäche bequemer war, bei den zu heilenden Krankheiten einen sinnlich denkbaren KrankheitsStoff anzunehmen (zumal da auch die Patienten selbst sich leicht einer solchen Vorstellung hingaben), weil man dann auf nichts weiter Bedacht zu nehmen hatte, als wo man genug, Blut und Säfte reinigende, Harn und Schweifs treibende, Brust-Auswurf befördernde und Magen und Darm ausscheuernde Mittel hernähme. Daher steht vom Dioscorides an, in allen materiis media's bis auf die neuem Bücher dieser Art, fast nichts von den einzelnen Arzneien angemerkt, was jeder ihre sonstige, spccielle, eigentliche Wirkung sey, sondern, ausser den Angaben von ihrem vermeintlichen Nutzen gegen diesen oder jenen Krank- 14 faeîts-Namen der Pathologie, hlofs: ob sie Harn, Schweifs, Brust-Auswurf oder Monat-Reinigung befördere, und vorzüglich, ob sie Ausleerung aus dem Speise- und Darm-Kanale von oben oder unten bewirke, weil alles Dichten und Trachten der praktischen Aerzte von jeher vorzüglich auf Ausleerung eines materiellen Krankheits-Stoffs und mehrer, den Krankheiten zum Grunde liegen sollender, (fingir-ter) Schärfen gerichtet war. Diefs waren aber alles eitel Träume, ungegrün-tlete Voraussetzungen und Hypothesen, klüglich ersonnen zur Bequemlichkeit der Therapie, welche am leichtesten mit der Heilung durch Hinwegschaffung materieller Krankheits-Stoffe (si modo essenti)-fertig zu werden hoffte. Nun kann sich aber das "Wesen der Krankheiten und ihre Heilang nicht nach unsern Träumen oder nach unsrer Bequemlichkeit richten; die Krankheiten können unsrer Thorheit zn gefallen nicht aufhören, (geistige) dynamische Verstimmungen unseres geistartigen Lebens in Gefühlen und Thätigkeiten, das ist, immaterielle Verstimmungen unsers Befindens za seyn. Materiell können die Ursachen unsrer Krankheiten nicht seyn, da die mindeste fremdartige materielle Substanz '), sie scheine uns auch noch so 1) Das Leben stand auf dem Spiele, als etwas reines Wasser in eine Vene eingespritzt ward (m. s. Mullen hei Birch in history of the royal society. ' Vol. IV.). 15 mild, in unsre Blutgefäfse gebracht, plötzlich, wie ein Gift, von der Lebenskraft ansgestofsen wird, oder, wo diefs nicht angeht, der Tod erfolgt. Selbst wenn der mindeste Splitter in unsre empfindlichen Theile geräth, so ruht das in nnserm Körper allgegenwärtige Lebensprincip nicht eher, bis er durch Schmerz, Fieber, Eiternng oder Brand wieder herausgeschafft worden ist. Und diefs unermüdlich thä-tige Lebensprincip sollte, e. B. bei einer zwanzig Jahr alten Ausschlags-Krankheit zwanzig Jahre lang einen fremdartigen, so feindseligen, materiellen Ausschlags-Stoff, eine Flechten-, eine Skrophel-, eine Gicht-Schärfe, n. s. w. in den Säften gulmii-thig dulden? Welcher Nosologe sah je mit leiblichen Augen einen solchen Krankheits- Stoff, dafs er so zuversichtlich davon sprechen und ein medi-cinisches Verfahren darauf bauen will? "Wer hat je einen Gicht-Stoff, ein Skrofel-Gift den Augen darlegen können? Auch wenn die Anbringung einer materiellen Substanz an die Haut oder in eine Wunde Krankheiten durch Ansteckung fortgepflanzt hat, wer kann (wie so oft in unsern Pathogenien behauptet worden) beweisen, dafs von dieser Substan* etwas Main die Adern gespritzte atmosphärische Luft tödtete (m. s. J. H. Voigt, Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde, I. m. S. 25.). Auch die mildesten in die Venen gebrachten Flüssigkeiten erregten Lebensgefahr (m. s. Autenrieth, Physiologie, II. §. 784.). 16 terielles in unsere Säfte eingedrungen oder eingesaugt worden sey *)? Kein, auch noch so sorgfältiges , alsbaldiges Abwaschen der Zeugungstheile schützt vor der Ansteckung mit der venerischen Schanker-Krankheit. Schon ein Lüftchen3 was von einem Menschenpocken-Kranken herüberweht, kann in dem gesunden Kinde diese fürchterliche Krankheit hervorbringen. "Wie viel materieller Stoff an Gewichte mag wohl auf diese Weise in die Säfte eingesaugt worden seyn, um im erstem Falle ein angeheilt, erst mit dem entferntesten Lebensende, erst mit dom Tode erlöschendes, peinliches Siechthum (Lustseuche), im letztern Falle aber eine mit fast allgemeiner Vereiterung 2) oft schnell tödtende Krankheit --------------- (Men- 1) Dem von einem tollen Hunde gebissenen, achtjährigen Mädchen in Glasgow schnitt der Wundarzt die Stelle sogleich rein aus, und dennoch bekam sie nach 36 Tagen die Wasserscheu, woran sie nach zwei Tagen starb. (Med. Comment, of Edinb. Dec. IL Vol. II. 1793.) 2) Um die Entstehung der oft grofsen Menge faulich-ten Unraths und stinkender Geschwür-Jauche in Krankheiten zu erklären und ihn für Krankheit erzeugenden und unterhaltenden Stoff ausgeben zu können, da doch bei der Ansteckung nichts Merkbares von Miasm, nichts Materielles in den Körper eingedrungen seyn konnte, nahm man zu der Hypothese seine Zuflucht, dafs der auch noch so feine Ansteckungs-Stoff im Körper als Ferment wirke, die Säfte in gleiche Verderbnifs bringe und sie auf diese Art selbst in ein solches Krankheit«-Ferment umwandle, was immerdar während der Krankheit wuchere und die Krankheit un- 17 (Menschen-Pocken) hervorzubringen? Ist hier und in allen diesen Fällen wohl an einen materiellen, in das Blat übergegangenen Krankheits - Stoff zu denken? Ein im Krankenzimmer geschriebener Brief aus weiter Entfernung theilte schon oft dem Lesenden dieselbe miasmatische Krankheit mit. Ist wohl hier an einen materiellen, in die Säfte eingedrungenen Krankheits-Stoff zu denken? Doch, wozu alle diese Beweise? Wie oft hat nicht schon ein kränkendes Wort ein gefährliches Gallenfieber, eine abergläubige Todes-Prophezeihung ein Absterben zur angekündigten Zeit, und eine jählinge, traurige oder höchst freudige Nachricht den plötzlichen Tod zuwege gebracht? "Wo ist hier der materielle Krankheits-Stoff, der in terhalte. Durch welche allmächtigen und allweisen Reini-gungs-Tränke wolltet Ihr aber dann wohl dieses sich immer wieder erzeugende Ferment, diese Masse angeblichen Krankheits-Stoffs so rein aus den menschlichen Säften aussondern und aussäubern lassen, dafs nicht noch ein Stäub-chen eines solchen Krankheits-Ferments drin bliebe, was die Säfte immer wieder, wie zuerst, zum neuen Krankheits-Stoffe, nach dieser Hypothese, umbilden und verderben müfste? Dann würde es ja unmöglich, diese Krankheiten auf Eure Art zu heilen! — Man sieht, wie alle, auch noch so fein ausgesprochenen Hypothesen auf die handgreiflichsten Inconsequenzen führen, wenn Unwahrheit zum Grunde liegt! — Die weit gediehenste Lustseuche heilt, wenn die oft damit koniplicirte Psora beseitigt ist, von einer oder zwei ganz kleinen Gaben quintillionfach verdünnter Auflösung des Quecksilber-Oxyduls, und die allgemeine syphilitische Säfte-Verderbnifs ist auf immer (dynamisch) vernichtet und verschwunden. B 18 den Körper Leibhaftig übergegangen seyn, die Krankheit erzeugt und unterhalten haben und ohne dessen arzneiliche, materielle Hinwegschaffnng und Ausführung keine gründliche Cur möglich seyn sollte? Die Verfechter so grobsinnlich angenommener Krankheits - Stoffe mögen sich schämen, die geistige Natur unseres Lebens und die geistig dynamische Kraft Krankheit erregender Ursachen so unüberlegt übersehen und verkannt zu haben. Sind denn die übelartigen, oft sehr ekelhaften Auswürfe in Krankheiten gerade der sie erzeugende und unterhaltende Stoff1), und nicht dagegen jederzeit Auswürfe und Prodncte der Krankheit, des blofs dynamisch gestörten und verstimmten Lebens? Bei solchen falschen, materiellen Ansichten von der Entstehung und dem Wesen der Krankheiten war es freilich nicht zu verwundern, dafs in allen Jahrhunderten von den geringen, wie von den vornehmen Praktikern, ja selbst von den Erdichtern der sublimsten, medicinischen Systeme immer hauptsächlich nur auf Ausscheidung und Abführung einer eingebildeten, krankmachenden Materie hingearbeitet und die häufigste Indication gestellet ward auf Zer-theilung und Beweglich-Machung des Krankheits-Sloffs und seine Ausführung durch Speichel, Luft- 1) Dann müfste jeder Schnupfen, auch der langwierigste, blofs durch sorgfältiges Schneuzen und Säubern der Nase unfehlbar und schnell geheilt werden können. 19 röhr-Drüsen, Schweifs und Harn, auf eine durch die Verständigkeit der Wurzel- und Holztränke treu-gehorsam zu bewirkende Pieinigung des Blutes von (Schärfen und Unreinigkeilen) Krankheits-Stoffen, die es nie gab, auf mechanische Abzapfung der erdichteten Krankheits-Materie durch Haarseile, Fontanelle, durch von immerwährendem Canthariden-Pflaster oder Seidelbast-Rinde offen und triefend erhaltene Haut-Stellen, vorzüglich aber auf Abführung und Auspurgirung der materia peccans, oder der schadhaften Stoffe, wie sie sie nannten, durch den Darmkanal mittels laxirender und purgirender Arzneien, die sie gern, um ihnen eine tiefsinnigere Bedeutung und ein schmeichelhafteres Ansehn zu geben (die Infarkten?), auflösende und gelind eröffnende benannten — lauter Veranstaltungen zur Fortschaffung feindseliger Krankheits-Stoffe, die es nie geben konnte und nie gegeben hat bei Erzeugung und Unterhaltung der Krankheiten des durch ein geistiges Princip lebenden, menschlichen Orga-, nisms — der Krankheiten, welche nie etwas Anderes waren, als geistig dynamische Verstimmungen seines an Gefühl und Thätigkeit geänderten Lebens. Vorausgesetzt nun, wie nicht zu zweifeln ist, dafs keine der Krankheiten — wenn sie nicht von verschluckten, gänzlich unverdaulichen oder sonst sehr schädlichen, in die ersten Wege oder in andre Ocffnungen und Höhlungen des Körpers gera-thenen Substanzen, von durch die Haut gedrungenen, fremden Körpern, u. s. w. herrühren — irgend B2 20 einen materiellen Stoff znm Grunde hat, sondern dafs jede blofs und stets eine besondre virtuelle, dynamische Verstimmung des Befindens ist, wie zweckwidrig mufs da nicht ein auf Ausführung *) jener 1) Einen Anschein von Notwendigkeit hat die Aus-purgirung der Würmer bei sogenannten Wurmkrankhei-ten. Aber auch dieser Anschein ist falsch. Einige wenige Spulwürmer findet man vielleicht bei mehren Kindern, bei nicht wenigen auch einige Madenwürmer. Aber wenigstens eine Uebermenge von einer oder der andern Art rührt stets von einem allgemeinen Siechthume (dem psori-schen) her, gepaart mit ungesunder Lebensart. Man bessere letztere und heile das psorische Siechthum homöopathisch, was in diesem Alter am leichtesten Hülfe annimmt, so bleiben wenig oder keine dieser "Würmer übrig, wenigstens werden die Kinder, wenn sie auf diefe Art gesund geworden sind, nicht mehr davon belästigt, während sie sich nach blofsen Purganzen, selbst mit Cinasamen verbunden, doch bald wieder in Menge erzeugen, „Aber der Bandwurm," höre ich sprechen, „dieses „zur Qual der Menschen geschaffene Ungeheuer, mufs doch „wohl mit aller Macht ausgetrieben werden." Ja, er wird zuweilen abgetrieben, aber mit welchen Nachwehen und mit welcher Lebensgefahr! Ich mag den Tod so vieler Hunderte von Menschen nicht auf meinem Gewissen haben, die durch die angreifendsten, schrecklichsten Purganzen, gegen den Bandwurm gerichtet, ihr Leben haben einbüfsen müssen, oder das Jahre lange Siechthum derer, welche dem Purgir-Tode noch entrannen. Und wie oft wird er durch alle diese, oft mehrjährigen, Gesundheit und Leben zerstörenden Purgir-Curen doch nicht abgetrieben; oder er erzeugt sich wieder! Wie nun, wenn diese gewaltsame, nicht selten grau- 21 erdichteten Stoffe gerichtetes Cur - Verfahren in den Augen jedes verständigen Mannes erscheinen, da same und oft lebensgefährliche Forttreibung und Tödtung dieser Thiere gar nicht nöthig wäre? Die verschiedenen Gattungen Bandwürmer finden sich blofs beim Psora-Siechthume, und verschwinden jederzeit, wenn dieses geheilt wird. Ehe diese Heilung aber vollführet wird, leben sie, bei erträglichem Wohlbefinden des Menschen, nicht unmittelbar in den Gedärmen, sondern in den Ueberbleibseln der Speisen, dem Unrathe der Gedärme, wie in ihrer eigenen Welt, ganz ruhig und ohne uns im mindesten zu belästigen und finden in dem Darm-Unrathe, was sie zu ihrer Nahrung bedürfen; da berühren sie die Wände unserer Gedärme nicht und sind uns unschädlich. Wird aber der Mensch auf irgend eine Art acut krank, dann wird der Inhalt der Gedärme dem Thiere unleidlich, es windet sich dann und berührt und beleidigt in seinem Uebelbehagen die empfindlichen Wände der Gedärme, da dann die Beschwerden des kranken Menschen nicht wenig durch diese besondre Art von krampfhafter Kolik vermehrt werden. (So wird auch die Frucht im Mutterleibe unruhig, windet sich und stöfst, doch nur wenn die Mutter krank ist, schwimmt aber ruhig in seinem Wasser, ohne der Mutter weh zu thun, wenn diese gesund ist.) Es ist bemerkenswerth, dafs die Krankheits-Zeichen des* sich zu dieser Zeit übel befindenden Menschen gröfs-tcntheils von der Art sind, dafs sie an der Tinktur der männlichen Farrnkraut-Wurzel, und zwar in der kleinsten Gabe, ihr (homöopathisches) schnelles Beschwichtigungs-Mittel finden, indem, was da in dem Uebelbefiuden des Menschen von dem unruhig gewordenen Thiere herrührt, dadurch vor der Hand gehoben wird; der Bandwurm befindet sich dann wieder wohl und lebt ruhig fort im Darm-Unrathe, ohne den Kranken oder seine Gedärme sonderlich 22 nichts in den Hauptkrankheiten des Menschen, den chronischen, damit gewonnen werden kann, sondern allemal geschadet wird. Die in Krankheiten sichtbar werdenden, entarteten Stoffe nnd Unreinigkeiten sind, mit einem "Worte, wie nicht zu leugnen ist, nichts Anderes, als Erzeugnisse der Krankheit des in innormale Verstimmung gesetzten Organisms selbst, welche von diesem selbst oft heftig genug — oft allzu heftig — fortgeschafft werden, ohne der Hülfe der Auslee-rungs -Kunst zu bedürfen, deren er auch immer wieder neue erzeugt, so lange er an dieser Krankheit leidet. Diese Stoffe bieten sich dem ächten Arzte oft selbst als Krankheits - Symptome dar und helfen ihm, die Beschaffenheit und das Bild der Krankheit erkennen, um sie mit einer ähnlichen, arzneilichen Krankheits-Potenz heilen zu können. Doch die neuen und bessern Anhänger der alten Schule wollen nicht mehr dafür angesehen seyn, als ob sie bei ihren Curen auf Abführung von materiellen Krankheits-Stoffen ausgingen. Sie erklären ihre vielen und mancherlei Ausleerungen für eine durch Ableitung helfende Cur-Methode, worin zu belästigen, bis die antipsorische Cur so weit gediehen ist, daJGs der Wurm, nach ausgetilgter Psora, den Darm-Inhalt nicht mehr zu seiner Nahrung geeignet findet und er so von selbst aus dem Genesenen auf immer verschwindet, ohne die mindeste Purganz. 23 ihnen die Natur des kranken Organisms in ihren Bestrebungen, sich zu helfen, mit ihrem Beispiele vorangehe, Fieber durch Schweifs und Urin entscheide, Seitenstiche durch Nasenbluten, Schweifs und Schleim-Auswurf — andre Krankheiten durch Erbrechen, Durchfälle und After-Blutflufs, Gelenk-Schmerzen durch jauchende Schenkel-Geschwüre, Hals-Entzündung durch Speichelflufs, u. s. w. oder durch Metastasen und Abscesse, die die Natur in, vom Sitze des Uebels entfernten Theilen veranstalte. — Sie glaubten daher am besten zu thun, wenn sie dieselbe nachahmten, indem auch sie in der Cur der meisten Krankheiten auf Umwegen zu TVerke gingen und daher indirect l), wie die kranke, sich selbst überlassene Lebenskraft, durch Anbringung stärkerer, heterogener Reize in dem vom Krank-heits-Sitze entfernten, und den kranken Gebilden am wenigsten verwandten (dissimilaren) Organen Ausleerungen veranstalteten, gewöhnlich auch unterhielten, um das Uebel gleichsam dahin abzuleiten. Diese sogenannte Ableitung war und blieb eine der Haupt-Curm ethoden der bisherigen Arzneischule. Sie suchten bei dieser Nachahmung der sich selbst helfenden Natur, wie sich Andre ausdrücken, 1) Statt mit direct gegen die kranken Punkte im Organism selbst gerichteten, homogenen, dynamischen Arznei-Potenzen, wie die Honiöouathie thut, das Uebel schnell, und ohne Uinschwcif auszulöschen. 24 in den Gebilden, welche am wenigsten krank sind und am besten die Arznei-Krankheit vertragen können, gewaltsam neue Symptome rege zu machen, welche unter dem Scheine von Crisen und unter der Form von Abscheidungen die erste Krankheit übertäuben una ableiteu, um so den Heilkräften der Natur eine allmälige Lysis zu erlauben 1). Diefs führten sie aus durch Schweifs und Harn treibende Mittel, durch Blut-Entziehungen, durch Haarseile und Fontanelle, am meisten jedoch durch Aus-leerungs-Reizungen des Speise- und Darm-Kanals, theils von oben durch Brechmittel, theils aber, und am liebsten, durch Abführungen von nnten, die man auch eröffnende und auflösende 2) Mittel nannte. 1 ) Nur die mäfsigen acuten Krankheiten pflegen, wenn ihre natürliche Verlaufs-Zeit zu Ende geht, ohne und bei Anwendung nicht allzu angreifender, allopathischer Arzneien, sich, wie man sagt, zu indifferenziren und sich ruhig zu beendigen; die sich ermannende Lebenskraft setzt nun an die Stelle der ausgetobten Befindens-Veränderungen allrnälig ihre Norm wieder ein. Aber in den hoch acuten und in dem bei weitem gröfsten Theile allerjfmensch-lichen Krankheiten, den chronischen, mufs diefs die rohe Natur und die alte Schule bleiben lassen; da kann weder die Lebenskraft durch ihre Selbsthülfe, noch die sie nachahmende Allopathie eine Lysis herbeiführen — höchstens einigen Waffen-Stillstand, während dessen der Feind sich verstärkt, um desto stärker auszubrechen bald oder spät. 2) Ein Namen, welcher verräth, dafs man dennoch eine aufzulösende und fortzuschaffende Krankheits-Materie voraussetze. 25 Dieser Ableitungs-Methode zur Beihiilfe wurden die mit ihr verschwisterten, antagonistischen Reizmittel in Anwendung gesetzt: Schaafwolle auf blofser Haut, Fufsbäder, Ekel-Cur, durch Hunger gepeinigter Magen und Darm (Hunger-Cur), Schmerz, Entzündung und Eiterung in nahen und entfernten Theilen bewirkende Mittel, wie aufgelegter Märrettig, Senf-Teig, Kanthariden-Pflaster, Seidelbast, Haarseile (Fontanelle), Autenriethsche Salbe, Moxa, glühendes Eisen, Akupunktur, u. s. w., ebenfalls nach dem Vorgange der in Krankheiten sich zur Hülfe selbst überlassenen, rohen Natur, welche sich durch Schmerz-Erregung an entfernten Körperteilen, durch Metastasen und Abscesse, durch erregte Aussehläge und jauchende Geschwüre von der dynamischen Krankheit (und ist diese eine chronische, vergeblich) loszuwinden sucht. Offenbar also nicht verständige Gründe, sondern einzig Nach'ahmung verleitete die alte Schule zu diesen unhülfreichen, indireclen Curmethoden, der ableitenden sowohl, als der antagonistischen — bewogen sie zu dieser so wenig dienlichen, so schwächenden, und so angreifenden Verfahrungsart, Krankheiten zu mindern oder zu beseitigen; denn Heilung kann man so etwas nicht nennen. Sie folgte blofs dem Vorgange der rohen Natur in ihren, blofs in mäfsigen, acuten Krankheits-Anfällen nothdürftig 1) durchkommenden Bestrebungen 1) Man sah in der gewöhnlichen Medicin die Selbst- 26 — sie machte es blofs der sich in Krankheiten selbst überlassenen Lebens-Erhaltungs-Kraft nach, welche, hülfe der Natur des Organisms bei Krankheiten, wo keine Arznei angewendet ward, als nachahmungswürdige Muster-Curen an. Aber man irrte sich sehr. Die jammervolle, höchst unvollkommne Anstrengung der Lebenskraft zur Selbsthülfe in acuten Krankheiten ist ein Schauspiel, was die Menschheit zum thätigen Mitleid und zur Aufbietung aller Kräfte unsers verständigen Geistes auffordert, um dieser Selbstqual durch ächte Heilung ein Ende zu machen. Kann die Natur eine im Organism schon bestehende Krankheit nicht durch Anbringung einer neuen, andern, ähnlichen Krankheit (§. 38. 39. 41.), dergleichen ihr äufserst selten zu Gebote steht (§. 45.), homöopathisch heilen, und bleibt es dem Organism allein überlassen, aus eignen Kräften, ohne Hülfe von aussen, eine neu entstandene Krankheit zu überwinden (bei chronischen Miasmen ist ohnehin sein Widerstand unmächtig), so sehen wir nichts als qualvolle, oft gefährliche Anstrengungen der Natur des Individuums, sich zu retten, es koste, was es wolle, nicht selten mit Auflösung des irdischen Daseyns, mit dem Tode, geendigt. So wenig wir Sterbliche den Vorgang im Haushalte des gesunden Lebens einsehen, so gewifs er uns, den Geschöpfen, eben so verborgen bleiben mufs, als er dem Auge des allsehenden Schöpfers und Erhalters seiner Geschöpfe offen da liegt, so wenig können wir auch den Vorgang im Innern beim gestörten Leben, bei Krankheiten, einsehen. Der innere Vorgang in Krankheiten wird nur durch die wahrnehmbaren Veränderungen, Beschwerden und Symptome kund, wodurch unser Leben die innern Störungen einzig laut werden läfst, so dafs wir in jedem vorliegenden Falle nicht einmal erfahren, welche von den Krankheits-Symptomen Primärwirkung der krankhaften Schädlichkeit, 27 einzig auf den organischen Gesetzen des Körpers beruhend, einzig nur nach diesen organischen Ge- oder welche Reaction der Lebenskraft zur Selbsthülfe seyen. Beide fliefsen vor ünsern Augen in einander und stellen uns blofs ein nach aufsen reflectirtes Bild des innern Ge-sammtleidens dar, indem die unhülfreichen Bestrebungen des sich selbst überlassenen Lebens, das Leiden zu enden, selbst Leiden des ganzen Organisms sind. Daher liegt auch in den, durch die Natur zu Ende schnell entstandener Krankheiten gewöhnlich veranstalteten Ausleerungen, die man Crisen nennt, oft mehr Leiden, als heilsame Hülfe. Was die Lebenskraft in diesen sogenannten Crisen und wie sie es veranstaltet, bleibt uns, wie aller innere Vorgang des organischen Haushaltes des Lebens, verborgen. So vici ist indefs sicher, dafs sie in dieser ganzen Anstrengung Mehr oder Weniger von den leidenden Thei-len aufopfert und vernichtet, um das Uebrige zu retten. Diese Selbsthülfe der blofs nach der organischen Einrichtung unsers Körpers, nicht nach geistiger Ueberle-gung bei Beseitigung der acuten Krankheit zu Werke gehenden Lebenskraft ist meist nur eine Art Allopathie; sie erregt, um die primär leidenden Organe durch Crise zu befreien, eine vermehrte, oft stürmische Thätigkeit in den Absonderungs-Organen, um das Uebel jener auf diese abzuleiten; es erfolgen Erbrechungen, Durchfalle, Harnflufs, Schweifse, Abscesse u. s. w., um durch diese Aufreizung entfernter Theile eine Art Ableitung von den ursprünglich kranken Theilen zu erzielen, da dann die dynamisch angegriffene Nervenkraft im materiellen Producte sich gleichsam zu entladen scheint. Nur durch Zerstörung und Aufopferung eines Theils des Organisms selbst vermag die sich allein überlassene Natur des Menschen sich aus acuten Krankheiten zu retten, und, wenn der Tod nicht erfolgt, doch nur langsam und 28 setzen wirket, nicht nach Verstand und Ueberlegung zu handeln fähig ist — der rohen Natur y welche klaffende Wundlefzen nicht wie ein verständiger Wundarzt an einander zn bringen und durch Vereinigung zu heilen vermag, welche schief von einander abstehende Knochen-Bruch-Enden, so viel sie auch Knochen-Gallerte (oft zum Ueberflufs) ausschwitzen läfst, nicht gerade zu richten und auf einander zu passen weifs, keine verletzte Arterie unterbinden kann, sondern den Verletzten in ihrer Energie zu Tode bluten macht, welche nicht versteht, einen ausgefallenen Schulter-Kopf wieder einzurenken, wohl aber durch bald umher zuwege gebrachte Geschwulst die Kunst am Einrenken hindert — die, um einen in die Hornhaut eingestochenen Splitter zu entfernen, das ganze Auge durch Vereiterung zerstört und einen eingeklemmten Leisten-Bruch mit aller Anstrengung doch nur durch Brand der Gedärme und Tod zu lösen weifs, auch oft in dynamischen Krankheiten durch ihre Metaschematismen die unvollkommen die Harmonie des Lebens, Gesundheit, wieder herzustellen. Die bei Selbstgenesungen zurückbleibende, grofse Schwäche der dem Leiden ausgesetzt gewesenen Theile, ja des ganzen Körpers, die Magerkeit, u. s. w., geben uns diefs zu verstehen. Mit einem Worte: der ganze Vorgang der Selbsthülfe des Organisms bei ihm zugestofsenen Krankheiten zeigt, dem Beobachter nichts als Leiden, nichts, was er, um acht heil-künstlerisch zu verfahren, nachahmen könnte und dürfte. 29 Kranken weit unglücklicher macht, als sie vorher waren. Noch mehr; die gröfsten Peiniger misers irdischen Daseyns, die Zunder zu den unzähligen Krankheiten, unter denen seit Jahrhunderten und Jahrtausenden die gepeinigte Menschheit seufzt, die chronischen Miasmen (Psora, Syphilis, Sykosis), nimmt die verstandlose Lebenskraft im Körper ohne Bedenken auf, vermag aber keins derselben nicht einmal zu mindern, geschweige denn eigenthätig wieder aus dem Organism zu entfernen; vielmehr läfst sie dieselben darin wuchern, bis der Tod oft nach einer langen, traurigen Lebenszeit dem Leidenden die Augen schliefst. "Wie konnte wohl die alte Schule, die sich die rationelle nennt, jene verstandlose Lebenskraft in einer so viel Verstand, Nachdenken und Urtheils-kraft erfordernden, hochwichtigen Verrichtung, als das Heil-Geschäft ist, zur einzig besten Lehrerin, zur blinden Führerin wählen, ihre indirecten und revolutionären Veranstaltungen in Krankheiten ohne Bedenken nachahmen, sie allein, als das non plus ultra, das ersinnlich Beste, nachahmen, da do^h, um sie, zum Wohle der Menschheit, an Hülfslei-stung unendlich übertreffen zu können, uns jene gröfste Gabe Gottes, nachdenklicher Verstand und ungebundene Ueberlegungskraft, verliehen war? Wenn so, bei ihrer unbedenklichen Nachahmung jener rohen, verstandlosen, automatischen Lebens-Energie, die bisherige Arzneikunst in ihren antagonistischen und ableitenden Cur-Methoden — ih- 30 ren allgewöhnlichen Unternehmungen — die unschuldigen Theile und Organe angreift und sie entweder mit überwiegendem Schmerze afficirt, oder sie, wie meistens, zu Ausleerungen, unter Verschwendung der Kräfte und Säfte, nöthigt, will sie die krankhafte Thä-tigkeit des Lehens in den ursprünglich leidenden Thei-len ab- und auf die künstlich angegriffenen hinlenken, und so, indirect, durch Hervorbringung einer weit gröfsern, andersartigen Krankheit in den gesundem Theilen, also durch einen Kräfte raubenden, meist schmerzhaften Umweg das Entweichen der natürlichen Krankheit erzwingen *). 1) Mit welchem traurigen Erfolge dieses Manöver in chronischen Krankheiten ausgeführt wird, zeigt die tägliche Erfahrung. Am wenigsten erfolgt Heilung. Wer wollte es aber auch Besiegung nennen, wenn, statt den Feind unmittelbar beim Kopfe zu ergreifen und, Waffe gegen Waffe gekehrt, ihn zu vertilgen, um so dem feindlichen Einfalle auf einmal ein Ende zu machen, man feig, hinter seinem Rücken nur brandschatzt, ihm alle Zufuhr abschneidet, alles weit um ihn her aufzehrt, sengt und brennt; da wird man dem Feinde wohl endlich allen Muth benehmen, zu widerstehen, aber der Zweck ist nicht erreicht, der Feind keineswegs vernichtet — er ist noch da, und wenn er sich wieder Nahrung und Vorrath verschafft hat, hebt er sein Haupt nur noch erbitterter wieder empor — der Feind, sage ich, ist keineswegs vernichtet, das arme, unschuldige Land aber so ruinirt, dafs es sich in langer Zeit kaum wieder erholen kann. So die Allopathie in chronischen Krankheiten, wenn sie den Organism durch ihre indirecten Angriffe auf die unschuldigen, vom Krankheits- 31 Die Krankheit entweichet freilich, wenn sie acut und also ihr Verlauf ohnehin nur zu kurzer Dauer geartet war, auch unter diesen heterogenen Angriffen auf entfernte, dissimilare Theile — sie ward aber nicht geheilt. Es liegt nichts in dieser revolutionären Behandlung, welche keine gerade, unmittelbare, pathische Richtung auf die ursprünglich leidenden Gebilde hat, was den Ehren-Namen, Heilung verdiente. Oft würde, ohne diese bedenklichen Angriffe auf das übrige Leben, die akute Krankheit für sich schon, auch wohl noch eher; verflossen seyn, und mit weniger Nachwehen, weniger Aufopferung von Kräften. Mit, einer, die Kräfte erhaltenden, die Krankheit unmittelbar und schnell auslöschenden, directen, dynamischen (homöopathischen) Behandlung halten ohnehin beide, weder die von der rohen Naturkraft ausgehende, noch die allopathische Copie der letztern, keine Vergleichung aus. In der bei weitem gröfsten Zahl von Krankheits-Fällen aber, in den chronischen, richten diese stürmischen , schwächenden, indirecten Behandlungen der alten Schule fast nie das mindeste Gute aus. Nur auf wenige Tage hin suspendiren sie diese oder jene lästige Krankheits-Aeusserung, welche jedoch wiederkehrt, wenn die Natur des entfernten Reizes gewohnt ist, und schlimmer kehrt die Krankheit wie- Sitzc entfernten Theile, ohne die Krankheit zu heilen, zu Grunde richtet. Diefs sind ihre unwohlthätigen Künste! 32 der zurück, weil durch die antagonistischen Schmerzen *) und die unzweckmäfsigen Ausleerungen die Lebenskräfte zum Sinken gebracht worden sind. Wahrend so die meisten Allopathen, die Hülfs-Bestrebungen der sich selbst überlassenen, rohen Natur im Allgemeinen nachahmend, nach Gutdünken (wo eine ihren Gedanken vorschwebende Indication sie dazu leitete) dergleichen angeblich nützliche Ableitungen in ihrer Praxis ausführten, unternahmen Andre, welche sich ein noch höheres Ziel vorsteckten, die in Krankheiten sich eben zeigenden Anstrengungen der Lebenskraft, sich durch Ausleerungen und antagonistische Metastasen zu helfen, mit Fleifs zu befördern und, um ihr gleichsam unter die Arme zu greifen, diese Ableitungen und Ausleerungen noch zu verstärken, und glaubten bei diesem nachtheiligen --------------- Ver- 1) Welchen günstigen Erfolg hatten wohl die so oft angewendeten, künstlich unterhaltenen, Übeln Geruch verbreitenden Geschwüre, die man Fontanelle nennt? Wenn sie ja in den ersten paar Wochen, so lange sie noch viel Schmerz verursachen, antagonistisch ein chronisches Uebel etwas zu hemmen scheinen, so haben sie doch nachgehends, wenn der Körper sich an den Schmerz gewöhnt hat, keinen andern Erfolg, als den Kranken zu schwächen und so dem chronischen Siechthume weitern Spielraum zu verschaffen. Oder wähnt man etwa, noch im 19ten Jahrhunderte, hiedurch ein Zapfloch für die herauszulassende materia peccans offen zu erhalten? Fast scheint es so! 33 Verfahren duce natura zu handeln und sich mit dem Namen ministri naturae beehren zu können. Da in langwierigen Krankheiten die von der Natur des Kranken veranstalteten Ausleerungen sich nicht selten als Erleichterungen beschwerlicher Zustände arger Schmerzen, Lähmungen, Krämpfe, u. s. w. ankündigen, so hielt die alte Schule diese Ableitungen für den wahren Weg, die Krankheiten zu heilen, wenn sie solche Ausleerungen beförderte, unterhielt, oder gar vermehrte. Sie sah aber nicht ein, dafs alle jene durch die sich selbst überlassene Natnr veranstalteten Auswürfe und Ausscheidungen (anscheinende Crisen) in chronischen Krankheiten nur palliative, kurz dauernde Erleichterungen seyen, welche so wenig zur wahren Heilung beitragen, dafs sie vielmehr im Gegentheile das ursprüngliche, innere Siech-thum mittels der dadurch erfolgenden Verschwendung der Kräfte und Säfle nur verschlimmern. Nie sah man durch solche Bestrebungen der rohen Natur irgend einen langwierig Kranken zur dauerhaften Gesundheit herstellen, nie durch solche vom Organism bewerkstelligte *) Ausleerungen irgend eine chronische Krankheit heilen. Vielmehr verschlimmert sich in solchen Fällen stets, nach kurzer, und immer kürzere und kürzere Zeit dauernde Erleichterung, das ursprüngliche Siechthum offenbar, die schlimmen Anfälle kommen öfterer wieder und stärker, trotz der 1) Und eben so wenig durch die künstlich veranstalteten. C 34 fortdanernden Ausleerungen. — So auch, wenn die sich selbst überlassene Natur, bei den dem Leben von einem innern chronischen Uebel drohenden Be-fährdungen, sich nicht anders eu helfen weifs, als durch Hervorbringung änfserer Localsymptome, um die Gefahr von den sum Leben unentbehrlichen Theilen abzulenken und auf diese für das Leben nicht unentbehrlichen Gebilde durch Metastase hinzuleiten, so führen diese Veranstaltungen der energischen, aber verstandlosen und keiner Ueberlegung oder Fürsicht fähigen Lebenskraft, doch zu nichts weniger, als zu wahrer Hülfe oder Heilung; sie sind blofs palliative, kurze Beschwichtigungen für das gefährliche, innere Leiden, unter Vergeudung eines grofsen Theils der Säfte und Kräfte, ohne das Ur-Uebel auch nur um ein Haar zu verkleinern; sie können den, ohne ächte, homöopathische Heilung unausbleiblichen Untergang höchstens verzögern. Die Allopathie der alten Schule überschätzte bei weitem diese Anstrengungen der rohen Naturkraft, hielt sie fälschlich für acht heilsam, und suchte sie tu erhöhen und zu befördern, in dem Wahne, dadurch vielleicht das ganze Uebel vernichten und gründlich heilen zu können. Wenn die Lebenskraft bei chronischen Krankheiten dieses oder jenes beschwerliche Symptom des innern Befindens, z. ß. durch einen feuchtenden Haut-Ausschlag zu beschwichtigen schien, da legte der Diener der rohen Naturkraft {jrdnister naturae) auf die entstandene jauchende Fläche ein Kanthariden-Pflaster oder ein Exulorium 35 (Seidelbast), um duce natura noch mehr Feuchtigkeit aus der Haut zu ziehen und so den Zweck der Natur, die Heilung (durch Entfernung der Krank-heits - Materie aus dem Körper?) zu befördern und zu unterstützen — ; aber entweder, wenn die Einwirkung des Mittels zu heftig, die feuchtende Flechte schon alt und der Körper zu reizbar war, vergrö-. fserte er, nutzlos für das Ur-Ucbel, das äufsere Leiden um Vieles, erhöhete die Schmerzen, welche dem Kranken den Schlaf raubten und seine Kräfte herabsetzten (auch wohl einen fieberhaften bösartigen Rothlauf (erysipelas-) herbeiführten), oder, bei milderer Einwirkung auf das vielleicht noch neue Localübel, vertrieb er damit durch eine Art übel angebrachten, äufsern Homöopathisms das von der Natur zur Erleichterung des innern Leidens auf der Haut bewerkstelligte Localsymptom von der Stelle und erneuerte so das innere, gefährlichere Uebel, und verleitete durch diese Vertreibung des Localsym-ptoms die Lebenskraft zur Bereitung eines schlimmeren Metaschematisms auf andere, edlere Theile; der Kranke bekam gefährliche Augen-Entzündung, oder Taubhörigkeit, oder Magen-Krämpfe, oder epileptische Zucknngen, oder Erstickungs- oder Schlagflufs-Anfälle, oder Geistes- oder Gemüths-Krankheit, u. s. w. dafür l). 1) Natürliche Folgen der Vertreibung solcher Local-symptome — Folgen, die oft vom allopathischen Arzte für ganz andre, neu entstandene Krankheiten ausgegeben wurden. C 2 36 In demselben Wahne, die Lebenskraft in ihren Heil-Bestrebungen unterstützen za wollen^ legte, wenn die kranke Nalurkraft Blut in die Venen des Mastdarms oder des Afters drängte (blinde Hämorrhoiden), der minister naturae Blutegel an, nm dem Blute da Ausgang zu verschaffen, oft in Menge — mit kurzer, oft kaum nennensWerther Erleichterung, aber unter Schwächung des Körpers, und Veranlassung zu noch stärkeren Congestionen nach diesen Theilen, ohne das Ur-Uebel auch nur im Geringsten zu vermindern. Fast in allen Fällen, wo die kranke Lebenskraft zur Beschwichtigung eines innern, gefährlichen Leidens etwas Blut auszuleeren suchte durch Erbrechen, durch Husten u. s. w., beeiferte er sich, duce natura, diese vermeintlich heilsamen Natur-Bestrebungen zu befördern und liefs reichlich Blut aus der Ader, nie ohne Nachtheil für die Folge und mit offenbarer Schwächung des Körpers. Bei öftern, chronischen Uebelkeiten erregte er, in der Meinung, die Absichten der Natur zu befördern, starke Ausleerung aus dem Magen und gab tüchtig zu Brechen — nie mit gutem Erfolge, oft mit übeln, zuweilen fürchterlichen und gefährlichen Folgen. Zuweilen erregt die Lebenskraft, um das innere Siechthum zu erleichtern, kalte Geschwülste äufserer Drüsen, und er glaubt, die Absichten der Natur, als ihr angeblicher Diener, zu befördern, wenn er sie durch allerlei erhitzende Einreibungen und Pflaster 37 in Entzündung setzt, um dann die reife Eiterbeule mit dem Schnitte zu öffnen und die böse Krankheits-Materie herauszulassen. Welches langwierige Unheil aber dadurch, fast ohne Ausnahme, veranlasset wird, lehrt die Erfahrung hundertfältig. Und da er öfters kleine Erleichterungen grofser Uebel in langwierigen Krankheiten durch von selbst entstandenen Nacht - Schweifs oder durch manche dünne Stuhl-Ausleerungen bemerkt hatte, so wähnt er sich berufen, diesen Natur-Winken (duce natura) zu folgen und sie befördern zu müssen durch Veranstaltung und Unterhaltung vollständiger Schwitz-Curen, oder Jahre lang fortgesetzter, sogenannter gelinder Abführungen, um jene, wie er meint, zur Heilung des ganzen chronischen Leidens führende Bestrebungen der Natur (der Lebenskraft des verstandlosen Organisms) zu fördern und zu vermehren und so den Kranken desto eher und gewisser von seiner Krankheit zu befreien. Aber er bewirkt dadurch stets nur das Gegentheil im Erfolge: Verschlimmerung des ursprünglichen Leidens. Dieser seiner vorgefafsten, obgleich grundlosen Meinung zufolge setzt der Allopathiker jene Beförderung *) der Triebe der kranken Lebenskraft fort 1) Mit diesem Verfahren im Widerspruche erlaubte sich auch die alte Schule das Gegentheil hievon nicht selten, nämlich die Bestrebungen der Lebenskraft in Beschwichtigung des innern Siechthums durch Ausleerungen und an den Aufseiitheilen des Körpers veranstaltete Local- 38 nnd vermehrt jene nie zum gedeihlichen Ziele, blofs zum Ruine führenden Ableitungen und Ausleerungen bei dem Kranken, ohne inne zu werden, dafs alle die zur Beschwichtigung des ursprünglichen, chronischen Leidens von der sich selbst überlassenen Lebenskraft veranstalteten und unterhaltenen Local-übel, Ausleerungen und anscheinende Ableitungs-Bestrebnngen selbst zu den Zeichen der ganzen Krankheit gehören, gegen welche zusammen eigentlich ein nach Aehnlichkeits- Wirkung gewähltes, homöopathisches Arzneimittel das einzig hülfrejche Heilmittel gewesen seyn würde. Symptome, wenn sie beschwerlich wurden, durch ihre re-percutientia und repellentia nach Gutdünken zu unterdrücken, die chronischen Schmerzen, die Schlaflosigkeiten und alten Durchfalle mit waghalsig gesteigerten Gaben Mohnsaft, die Erbrechungen mit der brausenden Salz-Mixtur, die stinkenden Fufs-Schweifse mit kalten Fufsbädern und adstringirenden Umschlägen, die Haut-Ausschläge mit Blei-und Zink-Präparaten zu vertreiben, die Bährmütter-Blutflüsse mit Essig-Einspritzungen, die colliquativen Schweifse mit Alaun-Molken, die nächtlichen Samen-Ergiefsungen mit vielem Kampher-Gebrauch, die öftern Anfälle fliegender Körper- und Gesichts-Hitze mit Salpeter und Gewächs- und Schwefel-Säure, das Nasen-Bluten durch Tamponiren der Nasenlöcher mit Pfropfen, in "Weingeist oder adstringirende Flüssigkeiten getaucht, zu hemmen, und mit Blei- und Zink-Oxyden die, grofse innere Leiden zu beschwichtigen von der Lebenskraft veranstalteten, jauchenden Schenkel-Geschwüre auszutrocknen, u. s. w. — aber mit welchen traurigen Folgen meistentheils, zeigen tausend Erfahrungen. 39 Da schon was die rohe Natnr thnt, um sich in Krankheiten zu helfen, in acuten sowohl als vielmehr in chronischen, höchst unvollkommen ist, so läfst sich leicht ermessen, dafs die künstliche Beförderung dieser Unvollkommcnheit noch mehr schaden, wenigstens selbst bei acuten Uebeln nichts an der Natur-Hülfe verbessern konnte, da die ArBneikunst die verborgnen W^ege, auf welchen die Lebenskraft ihre Crisen veranstaltet, nicht zn betreten im Stande war, sondern nur durch angreifende Mittel von au-fsen, welche noch weniger wohlthätig, als was die sich selbst überlassene Lebenskraft auf ihre Weise thut, aber dagegen noch störender sind und noch mehr die Kräfte rauben. Denn auch die unvollkommene Erleichterung, welche die Natur durch ihre Ableitungen nnd Crisen bewirkt, kann die Allopathie auf ähnlichem YVege nicht erreichen, sie bleibt noch tief unter der jämmerlichen Hülfe, welche die sich allein überlassene Lebenskraft za verschaffen vermag, mit ihren Bemühungen zurück. Man hat durch ritzende YVerkzeuge ein dem natürlichen nachgemachtes Nasenbluten hervorzubringen gesucht, um die Anfalle z. B. eines chronischen Kopfschmerzes zu erleichtern. Da konnte man wohl Blut in Menge aus den Nasenhöhlen rinnen machen und den Menschen schwächen, aber die Erleichterung davon war weit geringer, als wenn su andrer Zeit die instinktartige Lebenskraft ans eigenem Triebe auch nur wenige Tropfen ausfliefsen liefs. Ein sogenannter kritischer Schweifs oder Durch- 40 fall von der stets thätigen Lebenskraft nach schneller Erkrankung von Aergernifs, Schreck, Verheben oder Verkälten veranlafst, wird weit erfolgreicher, wenigstens vor der Hand, die acuten Leiden beseitigen, als alle Schwitzmittel oder Abführungs-Arzneien aus der Apotheke, wie die tägliche Erfahrung lehrt. Doch ward die, für sich, nur nach körperlicher Einrichtung unsers Organisms zu wirken fähige, nicht nach Verstand, Einsicht und Ueberlegung zu handeln (geeignete) Lebenskraft dem Menschen nicht dazu verliehen, dafs wir sie für die bestmöglichste Krank-heits-Heilerin annehmen sollten, um jene traurigen Abweichungen von Gesundheit in ihr normales Ver-hältnifs, gleichsam auf ihre eigne Hand, wieder zurück zu führen, und noch weniger dazu, dafs die Aerzte ihre nnvollkommnen Bestrebungen (sich selbst aus Krankheiten zu retten), sklavisch, und mit, freilich noch zweckwidrigem, und angreifendem Veranstaltungen, als sie selbst vermag, nachahmen und dadurch sich (ihrer Bequemlichkeit?) den zur Erfindung und Ausführung der edelsten aller menschlichen Künste — der wahren Heilkunst — erforderlichen Aufwand von Verstand, Nachdenken und Ueberlegung ersparen sollten — eine schlechte Copie jener, wenig wohlthätigen Selbsthülfe der rohen Naturkraft für Heilkunst ausgebend! Nein! jene dem Menschen angeborne, das Leben auf die vollkommenste W^eise während dessen Gesundheit zu führen bestimmte, herrliche Kraft, gleich gegenwärtig in allen Theilen des Or- 41 ganîsms, in der sensibeln wie in der irritabeln Faser und unermüdete Triebfeder aller normalen, natürlichen Körper-Verrichtungen, ward gar nicht dazu erschaffen, um sich in Krankheiten selbst zu helfen, nicht, um eine nachahmungswürdige Heilkunst auszuüben — Heilkunst, jenes ein nachdenkliches Geschäft, was dem hohem Menschen-Geiste, der freien Ueberlegung, und dem wählenden, nach Gründen entscheidenden Verstände obliegt, um jene instinktartige und verstand- und bewnfstlose, aber automatisch energische Lebenskraft, wenn sie durch Krankheit zu innormaler Thätigkeit verstimmt worden, mittels einer, dieser ähnlichen Affection, von homöopathisch ausgewählter Arznei erzeugt, dergestalt arzneikrank umzustimmen, dafs die natürliche Krankheits-Affec-tion nicht mehr auf sie wirken könne und sie so derselben quitt werde und fähig, nach baldiger Verschwindung der neuen (Arznei-) Affection, wieder zur Norm der Gesundheit und zu ihrer eigentlichen Bestimmung, „der Belebung und Gesund-Erhaltung des Organisms" zurückzukehren, ohne bei dieser Umwandlung schmerzhafte oder schwächende Angriffe erlitten zu haben. Diefs zu bewirken, lehrt die homöopathische Heilkunst. Bei den angeführten Cur-Methoden der alten Schule entrannen zwar allerdings nicht wenige Kranke ihren Krankheiten, doch nicht den chronischen (nn-venerischen); nur den acuten, ungefährlichen, und 42 doch nur auf beschwerlichen Umwegen, und oft so unvollkommen, dafs man die Curen nicht durch milde Kunst vollführte Heilungen nennen konnte. Die acuten Krankheilen wurden von ihr in den nicht sehr gefährlichen Fällen mittels Blutentziehungen oder Unterdrückung eines der Hauptsymptome durch ein enantiopathisches Palliativmittel (contraria contrarüs') so lange niedergehalten, oder mittels auf andern, als den kranken Punkten, gegenreizender und ableitender ( antagonistischer und revellirender) Mittel bis zu dem Zeitpunkte suspendirt, wo die natürliche Verlaufs-Zeit des kurzen Uebels vorüber war — also auf Kräfte und Säfte raubenden Umwegen, und dergestalt, dafs der eignen Natur des so Behandelten das Meiste nnd Beste zur vollständigen Beseitigung der Krankheit und Wiederersetzung der verlornen Kräfte und Säfte zu thun übrig blieb — der Lebens-Erhaltungs-Kraft, welche nächst der Beseitigung des natürlichen, acuten Uebels, auch die Folgen unzweck-mäfsiger Behandlung zu besiegen hatte und so in den ungefährlichen Fällen mittels ihrer eignen Energie, doch oft mühsam, unvollkommen und unter mancherlei Beschwerde die Functionen in ihr normales Verhältnifs allmälig wieder einzusetzen pflegte. Es bleibt zweifelhaft, ob der Genesungs-Procefs der Natur durch dieses Eingreifen der bisherigen Arzneikunst bei acuten Krankheiten wirklich in Etwas abgekürzt oder erleichtert werde, indem diese gleichfalls nicht anders, als indirect, wie jene zu Werke gehen konnte, ihr ableitendes und antago- 43 nistisches Verfahren aher noch angreifender ist und noch mehr Kräfte raubt. Noch hat die alte Schule ein Cur-Verfahren, die sogenannte erregende und stärkende Cur- Methode 1) (durch excitantia, nervina, tonica, con- fortantia, roborantia). Es ist zu verwundern, wie sie sich derselben rühmen konnte. Hat sie wohl je die so häufige, von einem chronischen Siechthum erzeugte und unterhaltene, oder vermehrte Schwäche des Körpers durch Verordnung ätherischen Rheinweins, oder feurigen Tokayers, wie sie unzählige Mal versuchte, heben können? Die Kräfte sanken dabei (weil die Erzeugerin der Schwäche, die chronische Krankheit von ihr nicht geheilt werden konnte) allmälig nur desto tiefer, je mehr des Weins dem Kranken aufgeredet worden war, weil künstlichen Aufregungen die Lebenskraft Erschlaffung in der Nachwirkung entgegen setzt. Oder gaben die Chinarinde, oder ihre mifsvcr-standenen, vieldeutigen Amara in diesen so häufigen Fällen Kräfte? Setzten diese unter allen Verhältnissen für tonisch und stärkend ausgegebenen Gewächs-Substanzen sammt den Eisenmitteln nicht oft noch neue Leiden aus ihren eigenthümlichen, krank machenden Wirkungen zu den alten hinzu, ohne die 1) Sie ist recht eigentlich enantiopathisch, und ich werde ihrer noch im Texte des Organons (§. 55.) gedenken. 44 auf nngekannter, alter Krankheit beruhende Schwäche beseitigen zu können? Hat man wohl die von einem chronischen Siech-thume, wie so allgewöhnlich, entsprossene, anfangende Lähmung eines Armes oder Beines, ohne Heilung des Siechthums selbst, durch die sogenannten unguenta nervina oder die andern geistigen, balsamischen Einreibungen auf die Dauer jemals auch nur um Etwas mindern können? Oder haben in diesen Fällen elektrische oder Voltaische Schläge je etwas Anderes in solchen Gliedern als nach und nach voll-kommnere, ja vollkommne Lähmung und Ertödtnng aller Muskel - Erregbarkeit und Nerven-Reizbarkeit zur Folge gehabt *)? Brachten die gerühmten exciiantia und aphrodi-siaca, die Ambra, der Meer-Stinz, die Kanthariden-Tinktur, die Trüffeln, Cardemomen, Zimmt und Vanille das allmälig geschwächte Begattnngs-Vermögen (wobei jederzeit ein unbeachtetes, chronisches Miasm zum Grunde lag) nicht stets zur völligen Impotenz herunter? Wie kann man sich einer, etliche Stunden 1) Die Schwachhörigen besserten sich von der Vol-taischen Säule des Jeverschen Apothekers bei mäfsfgen Schlägen nur auf einige Stunden — bald thaten diese nichts mehr; er mufste, um ein Gleiches zu bewirken, mit den Schlägen steigen, bis auch diese nichts mehr halfen, da dann die stärksten zwar anfänglich das Gehör der Kranken noch auf kurze Zeit aufreizten, sie aber zuletzt stocktaub hinterliefsen. 45 dauernden Aufregung und Bekräftigung rühmen, wenn der nachbleibende Erfolg das dauernde Gegentheil — nach den Gesetzen der Natur aller Palliative — bewirkt? Das wenige Gute, was die excitantia und robo-rantia bei der Erholung aus (auf alte Art behandelten) acuten Krankheiten hervorbrachten, ward tausendfach von dem ISachtheile derselben in chronischen Uebeln überwogen. So curirte der Allopathiker. Die Kranken aber mufsten sich in diese traurige Notwendigkeit fügen, weil sie keine bessere Hülfe bei den übrigen Allopathikern fanden, welche aus denselben trugvollen Büchern waren gelehrt worden. Die Grund-Ursache der chronischen (nicht venerischen) Krankheiten blieb diesen, mit Causal-Cu-ren vergeblich sich brüstenden Praktikern, sammt den Heilmitteln derselben nnbekannt; wie hätten sie wohl jene ungeheure Ueberzahl langwieriger Krankheiten mit ihren indirecten Curen heben wollen, welche von der, nicht zum Vorbilde im Heilen bestimmten Selbsthiilfe der verstandlosen Lebenskraft noch unvollkommnere Nachahmungen waren? Den vermeintlichen Charakter des Uebels hielten sie für die Krankheits-Ursache und richteten daher ihre angeblichen Causal-Curen gegen Krampf, Entzündung (Plethora), Fieber, allgemeine und partielle Schwäche, Schleim, Fäulnifs, Infarkten, u. s. w. 46 die sie durch ihre (ihnen nnr oberflächlich bekannten) krampfstillenden, antiphlogistischen, stärkenden, erregenden, antiseptischen, auflösenden, zertheilen-den, ableitenden, ausleerenden, antagonistischen Mittel hinwegzuräumen wähnten. Nach so allgemeinen Indicationen aber lassen die Arzneien sich nicht zur Hülfe finden, am allerwenigsten in der allen Schule, bisherigen Materia medica, die, wie ich anderswo ') zeigte, meist nur auf Vermuthnng beruhte und auf falschen Schlüssen ab usu in morbis. Und eben so gewagt gingen sie gegen die noch hypothetischeren — gegen Mangel oder Uebermafs an Sauer-, Stick-, Kohlen- oder Wasserstoff in den Säften, gegen Steigerung oder Minderung der Irritabilität, Sensibilität, Reproduction, Arteriellität, Vc-nosilät, Capillarität, Asthenie n. s. w., zu Felde, ohne Hiilfsmittel zur Erreichung so phantastischer Zwecke zu kennen. Es war Ostentation. Es waren Curen — nicht zum Wohle der Kranken. Jeder Anschein von zweckmäfsiger Behandlung der Krankheiteu verschwand jedoch vollends ganz durch die von den ältesten Zeiten her eingeführte, und sogar zum Gesetz gemachte Vermischung der in ihrer Wirkung stets und ohne Ausnahme von einander so abweichenden Arznei-Substanzen znm Recepte. Man setzte darin eine (nach 1) Vor dem dritten Theile der reipen Arzneimittellehre: Quellen d. bish. Materia Medica. 47 dem Umfange ihrer Arznei - Wirkungen nicht gekannte) Arznei zum Hanptmittel (basis) vorne an, welche den vom Arzte angenommenen Haupt-Charakter der Krankheit besiegen sollte, fügte noch dieses oder jenes (ebenfalls nach dem Umfange seiner arzneilichen Wirkungen nicht gekannte) Mittel zur Beseitigung dieser oder jener Neben-Indication oder als Verstärkuugs-Mittel (adjuvantia') hinzu, auch wohl noch ein angebliches (ebenfalls nach dem Umfange seiner Arznei-Kräfte nicht gekanntes) Verbes-serungs-Mittel (corrigens), liefs das alles (kochen, ausziehen) mischen — auch wohl mit einem, wieder anders arzneilichen Sirupe oder destillirten, arzneilichen Wasser in die Form bringen, und wähnte nun, jeder dieser Mischungs-Theile (Ingredienzen) werde die ihm in Gedanken zugetheilten Verrichtungen im kranken Körper zur Ausführung bringen, ohne sich von den übrigen, dazu gemischten Dingen stören, oder irre machen zu lassen, was doch verständiger Weise gar nicht zu erwarten ist. Eins hob ja das andre in seiner Wirkung ganz oder zum Theil auf, oder gab ihm und den übrigen eine andre, nicht geahndte, nicht zu vermuthende Thätig-keits - Beschaffenheit und Wirkungs-Richtung, so dafs die erwartete Wirkung unmöglich erreicht werden konnte; es erfolgte, was man von dem unerklärlichen Räthsel von Mischung nicht erwartet hatte, noch erwarten konnte, oft eine im Tumulte der Krankheits-Symptome nicht bemerkbare, neue Krankheits-Verstimmung, welche bleibend ward 48 bei langem Fortgebrauche des Recepts — also, eine hinzugesetzte, mit der ursprünglichen sich komplici-rende Kunst-Krankheit, eine Verschlimmerung der ursprünglichen Krankheit — oder, wenn das Recept nicht oft wiederholt, sondern von einem oder mehren, neu verschriebnen, aus andern Ingredienzen, bald nach einander, verdrängt ward, so entstand doch, zum allerwenigsten, ein vermehrtes Sinken der Kräfte, weil die in solchem Sinne verordneten Substanzen wenig oder gar keinen direc-ten, pathischen Bezug auf das ursprüngliche Leiden weder hatten, noch haben sollten, sondern nur die von der Krankheit am wenigsten befallenen Punkte angriffen nutzloser und schädlicher "Weise. Mehrerlei Arzneien, selbst wenn man die Wirkungen jeder einzelnen auf den menschlichen Körper genau gekannt hätte (— der Receptschreiber kennt aber oft nicht den tausendsten Theil derselben —), mehrerlei solche Ingredienzen, sage ich, deren manche schon selbst vielfach componirt waren, und deren einzelner genaue Wirkung so gut als nicht bekannt, gleichwohl im Grunde doch immer sehr von der der übrigen verschieden ist, zusammen in Eine Formel mischen zu lassen, damit diefs unbegreifliche Gemisch von dem Kranken in grofsen Gaben, oft wiederholt, eingenommen werde, und dennoch irgend eine beabsichtigte, gewisse Heilwirkung bei ihm damit erzielen zu wollen; diese Unverständigkeit empört jeden nachdenkenden Unbefangenen x). -------------- Der 1) Die Widersinnigkeit der Arzneigemische haben selbst 49 Der Erfolg widerspricht natürlich jeder bestimmten Erwartung. Es entstehen allerdings Veränderun- Männer aus der gewöhnlichen Arzneischule eingesehen, ob sie gleich in der Praxis selbst diesem ewigen Schlendriane, ¦wider ihre Einsicht, folgten. So drückt Marcus Herz (in Hufel. Journ. d. pr. A. II. S. 33.) seine Gewissensregung durch folgende Worte aus: „WoRen wir den Entzündungszustand heben, so bedienen wir uns weder des Salpeters, noch des Salmiaks, noch der Manzensäure allein, sondern wir vermischen gewöhnlich mehrere, und öfters nur zu viele, sogenannte antiphlogistische Mittel zusammen, oder lassen sie zu gleicher Zeit neben einander gebrauchen. Haben wir der Fäulnifs Widerstand zu thun, so genügt es uns nicht, von einer der bekannten antiseptischen Arzneien, von der Chinarinde, den Mineralsäuren, der Wohlverleih, der Schlangenwurz u. s. w. allein, in grofser Menge gegeben, unsern Endzweck zu erwarten; wir setzen lieber mehrere derselben zusammen, und rechnen auf das Gemeinschaftliche ihrer Wirkung, oder werfen wohl gar, aus Unwissenheit, wessen Thätigkeit in dem vorhandenen Falle die angemessenste sey, mannigfaltige Dinge unter einander, und übergeben es gleichsam dem Zufalle, eins von ihnen die beabsichtigte Veränderung hervorbringen zu lassen. So erregen wir Schweifs, verbessern Blut (?), lösen Stockungen (?), befördern Auswurf und entleeren sogar die ersten Wege so selten durch einzelne Mittel; immer sind unsere Vorschriften zu diesem Endzwecke zusammengesetzt, fast nie einfach und rein, folglich (sind es) auch nicht die Erfahrungen in Rücksicht auf die Wirkungen ihrer einzelnen, enthaltenen Stoffe. Zwar stiften wir unter den Mitteln in unsern Formeln nach schulgerechter Weise eine Art von Rangordnung, und nennen dasjenige, dem wir eigentlich die Wirkung auftragen, die Grundlage (basis) und die übrigen die Helfer, Unter- D 50 gen und Erfolge, aber keine zweckmässigen, keine guten. Ich möchte den Sehen, welclaer dergleichen blindes Hineinarbeiten in den kranken menschlichen Körper Heilung nennen wollte! Stutzer (adjuvanliaU Verbesserer (corri'gentia) u. s. w. Allein offenbar liegt bei dieser Charakterisirung gröfsten-theils blofse Willkür zum Grunde. Die Helfer und Unterstützer haben eben so gut Antheil an der ganzen Wirkung, als das Hauptmittel, wiewohl wir aus Mangel eines Maafsstabes den Grad desselben nicht bestimmen können. Gleichergestalt kann der Einâufs der Verbesserer auf die Kräfte der übrigen Mittel nicht ganz gleichgültig seyn; sie müssen sie erhöhen, herunterstimmen oder ihnen eine andre Richtung geben, und wir müssen daher die heilsame (?) Veränderung, die wir durch eine solche Formel bewirken, immer als das Resultat ihres ganzen, zusammengesetzten Inhalts ansehen, und können nie daraus eine reine Erfahrung von der alleinigen Wirksamkeit eines einzigen Stücks desselben gewinnen. In der That ist doch unsre Einsicht in dasjenige, worauf eigentlich bei allen unsern Mitteln das Wesentliche ihrer Kenntnifs beruht, so wie die Kennt-nifs der vielleicht noch hundertfältigen Verwandtschaften, in welche sie bei ihrer Vermischung unter einander treten, viel zu gebrechlich, als dafs wir mit Gewifsheit anzugeben vermögen, wie grofs und mannigfaltig die Thätig-keit eines an sich noch so unbedeutend scheinenden Stoffs seyn kann, wenn er, verbunden mit andern Stoffen, in den menschlichen Körper gebracht wird." 51 II. Beispiele unwillkürlicher, homöopathischer Heilungen bisheriger Aerzte der alten Schule. So curirte man bisher die Krankheiten der Menschen nicht nach Gründen, die anf Natur und Erfahrung fest standen, nicht mit den geeigneten Mitteln, sondern theils nach willkürlich erdachten Heilzwecken, theils in Nachahmung der indirecten Ver-. anstaltungen der sich zur Selbsthülfe allein überlas-senen, nur nach den Gesetzen der organischen Einrichtung unseres Körpers in Krankheiten zu wirken gezwungenen, nicht nach Ueberlegung das Beste zu erdenken und zu wählen fähigen, verstandlosen, blofs animalischen Lebenskraft, die man, leider, für. die weiseste Lehrmeisterin der Heilkunst hielt, und sogar ihr instinktmäfsiges Verlangen in Krankheiten nach opponirt wirkenden Erleichternngs - Mitteln und Palliativen durch die Curart contraria contrariis nachahmte. Durch Beobachtung, Nachdenken und Erfahrung fand ich, dafs im Gegentheile von letztern die wahre, richtige, beste Heilung zu finden sey in dem Satze simüia similibus curentur : Wähle, um sanft, schnell, gewifs und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden {ofioiov jratfoc) für sich erregen kann, als sie heilen soll! Diesen homöopathischen Heilweg lehrte bisher niemand, niemand führte ihn aus. Liegt aber die D 2 52 "Wahrheit einzig in diesem Verfahren, wie man mit mir finden wird, so läfst sich erwarten, dafs, gesetzt, sie wäre auch Jahrtausende hindurch nicht anerkannt worden, sich dennoch thätliche Spuren von ihr in allen Zeitaltern werden auffinden lassen? *) Und so ist es auch. In allen Zeitaltern sind die Kranken, welche wirklich, schnell, dauerhaft und sichtbar dnreh Arznei geheilt wurden, und nicht etwa durch ein anderes wohlthätiges Ereignifs, oder durch Selbstverlauf der acuten Krankheit, oder in der Länge der Zeit durch allmäliges Uebergewicht der Körperkräfte mittels allopathischer und antagonistischer Curen endlich genasen — denn das direct Geheiltwerden weicht gar sehr ab vom Genesen auf indirectem Wege —, blofs (obgleich ohne Wissen des Arztes) durch ein (homöopathisches) Arzneimittel geheilt worden, was für sich einen ähnlichen Krankheits - Zustand hervorzubringen die Kraft hatte.. Selbst bei den wirklichen Heilungen mit vielerlei zusammengesetzten Arzneien, — welche äufserst selten waren, — findet man, dafs das vorwirkende Mittel jederzeit von homöopathischer Art war. 1) Denn Wahrheit ist gleich ewigen Ursprungs mit der allweisen, gütigen Gottheit. Menschen können sie lange unbeachtet lassen, bis der Zeitpunkt kommt, wo ihr Strahl, nach dem Beschlüsse der Fürsehung, den Nebel der Vor-urtheile unaufhaltbar durchbrechen soll, als Morgenröthe und anbrechender Tag, um dann dem Menschengeschlechte zu seinem Wohle zu leuchten hell und unauslöschlich. 53 Doch noch auffallend überzeugender findet man diefs, wo Aerzte wider die Observanz, — die bisher blofs Arzneimischungen, in Recepte geformt, zuliefs, — zuweilen mit einem einfachen Arzneistoffe die Heilung schnell zu Stande brachten. Da siehet man, zum Erstaunen, dafs es stets durch eine Arznei geschah, die geeignet ist, ein ähnliches Leiden, als der Krankheitsfall enthielt, selbst zu erzeugen, ob diese Aerzte gleich, was sie da thaten, selbst nicht wufs-ten, und es in einem Anfalle von Vergessenheit der gegentheiligen Lehren ihrer Schule thaten. Sie verordneten eine Arznei, wovon sie nach der hergebrachten Therapie gerade das Gegentheil hätten brauchen sollen, und nur so wurden die Kranken schnell geheilt. Hier einige Beispiele solcher homöopathischen Heilungen, die ihre unleugbare Deutung erhalten durch die nun gefundene und ins Leben getretene Homöopathie, nicht aber zur Stütze für letztere dienen sollen, da sie ohne fremde Stütze fest steht *). 1) Wenn die in folgenden Fällen angewendeten Arzneigaben gröfser waren, als die sichrere, homöopathische Heilkunst vorschreibt, so geschahen sie freilich mit der Gefahr, die in der Regel von grofsen Gaben homöopathischer Heilmittel zu erwarten ist. Doch ereignet es sich auch nicht gar selten durch manche, nicht allemal ausfindig zu machende Umstände, dafs auch gröfsere Gaben homöopathischer Arznei, ohne sonderlichen Nachtheil, den Zweck der Heilung erreichen, z. B. dadurch, dafs die vegetabilische Substanz durch lange Aufbewahrung unkräfliger geworden war, oder dafs viel Ausleerungen darauf erfolgten, welche 54 Schon der Verfasser des angeblich hippokrali-schcn Buchs èTudq/uâiv (hb. 5. zu Anfange) heilte eine Cholera, die sich durch nichts heilen lassen wollte, einzig durch Weifsniefswurzel, welche doch für sich eine Cholera erregt, wie Forestus, Xedelius, Reimann und mehrere Andre *) von ihr sahen. Das englische Schweifsfieber, was im Jahre 1485 zuerst erschien, und, mörderischer als jede Pest, anfänglich, wie Willis bezeugt, von 100 Kränzen 99 tödtete, konnte nicht eher gebändigt werden, bis man den Kranken Schweifs treibende Mittel zu geben lernte j von der Zeit an starben nur Wenige, wie Sennert 2) bemerkt. Ein jahrelanger, den unvermeidlichen Tod drohender Bauchflufs, wo alle andre Arzneien ganz ohne Erfolg waren, ward, wie Fischer 3) zu seiner den gröfsten Theil der Wirkung des Mittels vernichteten, oder auch dadurch, dafs zugleich andre Substanzen in den Magen kamen, -welche antidotisch die Stärke der Gabe um Vieles minderten. 1) M. s. die Stellen hiezu in meiner reinen Arzneimittellehre, III. Th. zweite Ausgabe, Dresden 1825. — Mit Bedacht habe ich in diesem und in allen folgenden Beispielen nicht meine und meiner Schüler Beobachtungen von den eigenthümlirlien Wirkungen der jedesmaligen Arznei angeführt, sondern blofs diq älterer Aerzte, um anzudeuten, dafs man schon vor meiner Zeit die homöopathische Heilkunst hätte finden können. 2) De febrib. IV. Cap. 15. 3) In Hufel. Journ. f. pr. A. Vol. X. IV. S. 127. 55 (nicht meiner) Verwunderung wahrnahm, von einem ungelehrten Curirer mit einem Purgirmittel schnell und dauerhaft gehoben. Murray (statt vieler andern Zeugen) und die tägliche Erfahrung zählt unter die Symptome, welche der Gebrauch des Tabaks hervorbringt, vorzüglich Schwindel, Uebelkeit und Aengstlichkeit. Und gerade Schwindel, Uebelkeit und Aengstlichkeit waren es, von denen sich Diemerbroek *) durch Tabakrauchen befreite, wenn er unter der ärztlichen Behandlung der epidemischen Krankheiten in Holland von diesen Beschwerden befallen ward. Die schädlichen Wirkungen, welche einige Schriftsteller, und unter ihnen Georgi 2), vom Genüsse des Fliegenschwamm.es bei den Kamtscha-dalen anmerken, Zittern, Convulsionen, Fallsucht, wurden wohlthätig unter den Händen Ch. G. Whistling's s), der sich des Fliegenschwamm.es mit Erfolg gegen Convulsionen mit Zittern begleitet, und unter J. Chk Bernhardts *) Händen, der sich desselben hülfreich in einer Art Fallsucht bediente. Die bei Murray 5) zu findende Wahrnehmung, 1) Tract, de Peste, Amstel. 1665. S. 273. 2) Beschreibuug aller Nat. des russischen Reichs, S. 78. 267. 28L 321. 329. 352. 3) Diss, de virt. Agar. musc. Jen. 1718. S. 13. 4) Chym. Vers, und Erfahr., Leipz. 1754. obs. 5. S. 324. Auch Grüner, Diss, de virib. agar. musc. Jen. 1778. S. 13. 5) Appar. Medicam. edit, seeund. 1. S. 429. 430. 56 dafs Anies-Oel von Purganzen erregtes Leibweh und Blähnngs - Coliken stillt, setzt uns nicht in Verwunderung, wenn wir wissen, dafs J. P. Albrecht1) Magenschmerzen und P. Forest 2) heftige Coliken vom Anies-Oele beobachtet hatte. Wenn Fr. Hoffmann die Schaafgarbe in mehreren Blutflüssen rühmte, G. E. Stahl, Buchwald und Löseke sie im übermäfsigen Flusse der Goldader sehr dienlich fanden, die Breslauer Sammlungen und Quarin Heilungen des Blutspeiens durch Schaafgarbe anführen, und Thomasius, bei Haller, sie mit Glück in Mutterblutflüssen anwendete, so beziehen sich diese Heilungen offenbar auf die ursprüngliche Neigung dieses Krautes, für sich Blutflüsse und Blutharnen, wie Casp. Hoffmann 3) beobachtete, und eigenthümlich Nasenbluten zu erzeugen, wie Boeder 4) von demselben wahrnahm. Scovolo s), nächst Andern, heilte schmerzhaften1 Abgang eiterigen Harns mit Bärentraube, welche diefs nicht vermocht hätte, wenn sie nicht für sich schon Harnbrennen mit Abgang eines schleimigen Urins erzeugen könnte, wie wirklich Sauvages 6) von der Bärentraube entstehen sah. 1) Mise. Nat. Cur. Dec. II. ann. 8. Obs. 169. 2) Observât, et Curationes, Hb. 21. 3) De Medicam. officia* Lugd. Bat. 1738. 4) Cynosura Mat. med. cont. S. 552. 5) Bei Girardi, de Uva ursi, Patavii 1764. 6) Nosol. III. S. 200. 57 Wenn es auch die vielen Erfahrungen von Stoerck, Marges, Planchon, du Monceau, F. Ch. Junker, Schinz, Ehrmann und Andern nicht bestätigten, dafs die Herbst-Zeitlose eine Art Wassersucht geheilt habe, so würde diese Kraft schon aus ihrer eigenthümlichen Wirkung, verminderte Harnabsonderung mit stetem Drange dazu und Abgang wenigen feuerrothen Harns für sich zu erregen, wie, nächst Stoerck *), auch de Berge 2) sah, leicht zu erwarten seyn. — Sehr sichtbar aber ist das von Göritz 3) durch die Zeitlose geheilte hypochondrische Asthma, und die von Stoerck *) durch sie gehobene Engbrüstigkeit, mit einer anscheinenden Brustwassersucht verbunden, in der homöopathischen Kraft dieser Wurzel, Schwerath-migkeit und Asthma für sich hervorzubringen, gegründet, dergleichen de Berge 5) von ihr wahrnahm. Muralto 6) sah, was man noch täglich sehen kann, dafs die Jalappe, aufser Bauchweh, auch eine grofse Unruhe und Umherwerfen zuwege bringt, aus welcher Eigenschaft (ganz begreiflich für 1) Libellus de Colchico, Vien. 1763. S. 12. 2) Journ. de Médec. XXII. 3) Andr. Elias Büchner, Misceli, pliys. med. malhem. ann. 1728, Jul. S. 1212. 1213. Erfurt 1732. 4) Ebend. Cas. 11. 13. Contili. Cas. 4. 9. 5) Ebend. a. a. O. 6) Misc. Nat. Cur. Dec. II. a. 7. obs. 112. 58 jeden, mit der homöopathischen Wahrheit vertrauten Arzt), jene wohlthätige Kraft derselben herrührt, kleinen Kindern in Leibweh, Unruhe und Schreien oft zu helfen und ihnen einen ruhigen Schlaf zu verschaffen, wie G. TV. Wedel J) ihr mit Recht nachrühmt. Bekanntlich — wie auch Murray, Hillary nnd Spielmann zum Ueberflusse bezeugen, — machen die Sensblätter eine Art Leibschmerzen, erzeugen nach Caspar 2) und Friedrich Hoffmann 3) viel Flatulenz und bringen das Blut in Wallung 4), (die gewöhnliche Ursache der Schlaflosigkeit), und eben dieser ihrer natürlichen (homöopathischen) Eigenschaft wegen konnte Dethar-ding 5) heftige Colikschmerzen mit ihnen heilen und den Kranken die unruhigen Nachte benehmen. Ganz nahe lag es dem sonst scharfsinnigen Stoerck, einzusehen, dafs der beim Gebrauch der Diptamwurzel von ihm selbst 6) bemerkte Nachtheil , zuweilen einen Scheideflufs zähen Schleims zu erzeugen, eben die Kraft sey, wodurch er mit dieser Wurzel einen langwierigen Weifsflufs bezwang 7). 1) Opiol. lib. I. S. 1. Cap. 11. S. 38. 2) De Medic, offic. lib. I. Cap. 36. 3) Diss, de Manna, §. 16. 4) Murray, a. a. 0. II. edit. sec. S. 507. 5) Eph. Nat. Cur. Cent. 10. obs. 76. 6) Libell. de Flamin. Jovis. Viennae 1769. Cap. 2. 7) Ebend. Cap. 9. 59 Eben so wenig durfte es Stoerck auffallen, wenn er mit der Brenn- Waldrebe eine Art langwierigen, feuchten; fressenden, allgemeinen, krätzartigen Ausschlags beseitigte *), da er selbst von diesem Kraute wahrgenommen hatte 2), dafs es krätzartige Ausschlagsblüthen über den ganzen Körper für sich schon erzeugen könne. Wenn nach Murray 3) die Euphrasia das Triefauge und eine Art Augenentzündung geheilt hat; wodurch sonst vermochte sie diefs, als durch ihre von Lobelius *) beobachtete Kraft, für sich selbst schon eine Art Augenentzündung erzeugen zu können? Nach J. H. Lange 5) hat sich die Mus k at-nufs sehr hülfreich in hysterischen Ohnmächten erwiesen. Doch wohl aus keinem andern natürlichen Grunde, als dem homöopathischen, dafs sie in gro-fser Gabe nach J. Schmid 6) und Cutten 7) ein Verschwinden der Sinne und allgemeine Unem-pfindlichkeit bei Gesunden zu erregen fähig ist! Die uralte Wahl des Ros en was sers zum äufser-lichen Gebrauche bei Augenentzündungen scheint stillschweigend eine Heilkraft dieser Art in den Blättern 1) Libell. de Flamm. Jovis. Viennae 1769. Cap. 13. 2) Ebend. S. 33. 3) Appar. Medi'cam. II. Edit sec. S. 221. 4) Stirp. Advers. S. 219. 5) Dornest. Brunsvic. S. 136. 6) Misceli. Nat. Cur. Dec. II. arni. 2. obs. 120. 7) Arzneimitteil. II. S. 233. 60 der Rosen anzuerkennen. Sie beruht auf der homöopathischen Kraft derselben, für sich eine Art Augenentzündung bei gesunden Menschen zn erzeugen, dergleichen wirklich Echtius 1), Ledelius 2) und Rau 3) von ihnen in Erfahrung gebracht haben. Wenn der Gift- und Wurzel-Sumach, nach Pet. Rossi 4), vari Wons 5), Jos. Monti 6), Sybel 7) und Andern, die Kraft besitzt, den Körper all-mälig mit Ausschlagsblüthen zu überziehen, so sieht ein verständiger Mann leicht ein, wie er homöopathisch einige Arten von Herpes bei Dufres-noy und van Mons heilen konnte. — Was nöthigt diese Pflanze, bei Alderson 8), Lähmung der Unter-gliedmafsen mit Verstandes-Schwäche begleitet zu heilen, wenn es nicht die deutlich zu Tage liegende Kraft dieses Gewächses thut, gänzliche Abspannung der Muskelkräfte mit einer zu sterben befürchtenden Verstandes-Verwirrung für sich erzeugen zu können, wie Zadig 9) sah. 1) In Adami vita Med. S. 72. 2) Misc. Nat. Curios. Dec. II. ann. 2. obs. 140. 3) Rau, über den Werth des homeopath. Heilverfahrens. S. 73. 4) Observ. de nonnullis plantis, quae pro venenatis habentur. Pisis 1767. 5) Bei Dufresnoy, über den wurzelnden Sumacb, S.20G. 6) Acta Instit. Bonon. se. et art. III. S. 165. 7) In Med. Annalen, 1811, Juli. 8) In Samml. a. Abh. f. pr. Aerzte. XVIII, 1. 9) Hufeland, Journal d. pr. Arzneik. V. S. 3. 61 Hat der Bittersüfs - Nachtschatten hei Correre die heftigsten Verkältnngskrankheiten geheilt *), so kam es einzig daher, weil diefs Kraut vorzüglich geneigt ist, hei feuchtkalter Luft mancherlei Verkältungsheschwerden hervorzubringen, wie ebenfalls Correre 2) und Starcke 3) beobachteten. — Fritze 4) sah Convulsioaen und de Jlaen 5) sah Convnisionen mit Delirien von Bittersüfs entstehen, und mit kleinen Gaben heilte Letzterer 6) dergleichen Convulsionen mit Delirien. — Vergeblich würde man den innern Grund, warum gerade Bittersüfs so wirksam eine Art Flechten oder Herpes unter den Augen eines Correre 7), Fouauet 8) und Poupart9) geheilt hat, in dem Reiche der Vermu-thungen aufsnehen, da er uns von der einfachen Natur, welche Homöopathie zur sichern Heilung ver- 1) Correre (und Starcke), Abhandlung über die Eigenschaften des Nachtschattens oder Bittersüfses. Jena 1786. p. 20—23. 2) Ebendaselbst. 3) Bei Correre, ebend. S. 140. 249. 4) Annalen des klinischen Instituts. III. S. 45. 5) Ratio medendi, Tom. IV. S. 228. 6) Ratio medendi, Tom. IV. S. 228., wo er sagt: Dulco-amarae stipiles majori dosi convulsiones et deliria excitant, moderata cero spasmos, connilsionesque solvunt. Wie nahe war de Haen an Erkennung des naturgemäfse-sten Heil-Gesetzes! 7) Ebend. S. 92. und ferner. 8) Bei Razouz, tables nosologiques, S. 275. 9) Traité des dartres. Paris 1782. S. 184. 192. 62 langt, 'so nahe gelegt worden ist, nämlich: das Biitersüfs erregt von selbst eine Art von Flechten, und Correre sah von seinem Gebrauche einen Herpes zwei Wochen hindurch sich über den ganzen Körper verbreiten 1), und bei andrer Gelegenheit davon Flechten auf den Händen 2), und in einem andern Falle, an den Schamlippen 3) davon entstehen. Vom Schwarz-Nachtschatten sah Rucker 4) eine Geschwulst des ganzen Körpers entstehen, und Gatacker 5) konnte defshalb, so wie Cirillo 6), eine Art Wassersucht mit diesem Kraute (homöopathisch) heilen. Eine andre Art Wassersucht konnten Boerhaave7), Sydenham6) nnü Radcliff9) nur mit Schwarzholder heilen, eben weil, wie Haller 10) berichtet, der Schwarzholder schon bei äufserer Auflegung Geschwulst (Oedem) erzeugt. 1) Traité des dartres. Paris 1782. S. 96. 2) Ebend. S. 149. 3) Ebend. S. 164. 4) Commerc. liter. Noric. 1731. S. 372. 5) Versuche u. Bemerk, der Edinb. Gesellschaft. Al-tenb. 1762. VIL S. 95. 98. 6) Consulti medichi, Tom. III. in Napoli 1738. 4. 7) Hist. Plant. P. I. S. 207. 8) Opera, S. 496. 9) Bei Haller, Arzneimittel!. S. 349. 10) Bei Ficai, plantes vénéneuses, S. 125. 63 De Haen 1), Sar cone 2) nnd Pringle 3) huldigten der Wahrheit und Erfahrung, da sie freimüthig versicherten, den Seitenstich mit Squille geheilt zu haben, einer Wurzel, die das (in solchem Falle blofs schmeidigende, abspannende und kühlende Mittel verlangende) System, der grofsen Schärfe derselben wegen, durchaus widerrathen mufste; er wich dennoch der Squille, und zwar nach dem homöopathischen Naturgesetze, indem schon J. C. Wagner 4) von der freien Wirkung der Meerzwiebel eine Art Pleuritis und Lungenentzündung entstehen gesehen hatte. Die durch Viele 5), Dan. Crüger, Ray, Kellner, Kaaw, Boerhaave und Andre, vom Genüsse des Stechapfels beobachtete Wirkung, wunderliche Phantasien und Convulsionen zu erregen, setzte die Aerzte in Stand, die Dämonie 6) (abenteuerliche Phantasien in Begleitung von krampfhaften Gliederbewegungen) und andre Convulsionen, wie Sidrén 7) und Wederiberg 8) thaten, mit Stech- 1) Ratio medendi, P. I. S. 13. 2 ) Geschichte der Krankheiten in Neapel, Vol. I. §¦ 175. 3) Obs. on the diseases of the army, Edit. 7. §. 143. 4) Observationes clinicae, Lubec. 1737. 5) Man sehe die Stellen nach in meiner rejnen Arzneimittellehre, Th. IH. 6) Veckoskrift for Läkare, IV. S. 40 u. s. w. 7) Diss, de stramoni! usu in malis convulsivis. Ups. 1773. 8) Diss, de stramon. usu in morb. convuls. Ups. 1773. 64 apfel zu heilen, — so wie eine von Quecksilber-dampf und eine andre, von Schreck entstandene Art Veitstanz von Sidrén *) mit diesem Kraute geheilt ward, eigentlich mittels seiner Eigenschaft, schon für sich dergleichen unwillkürliche Gliederbe-wegungen erzeugen zu können, wie man von Kaaw Boerhaave und Lobstein 2) beobachtet findet; — und weil auch der Stechapfel nach vielen Wahrnehmungen 3), auch denen des P. Schenk, sehr schnell alle Besinnung und Rückerinnerung hinwegnimmt, so ist er auch fähig, Gedächtnifsschwäche, nach den Erfahrungen von Sauvages und Schinz, zu heben; — und eben so konnte auch Schmalz 4) eine mit Manie abwechselnde Melancholie durch dieses Kraut heilen, weil es, wie a Costa 5) erzählt, solche alternirende Geistes- und Gemüths-Verwirrungen von sich selbst zuwege zu bringen im Stande ist. Vom Gebrauche der Chinarinde beobachteten Mehre 6) (Percival, Stahl und Quarin) Magendrücken, Andre (Morton, Friborg, Bauer und __________ Qua- i) Diss. Morborum casus, Spec. I. Ups. 1785. 2) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre a. a. O. 3) Man sehe die Stellen ebendaselbst. 4) Chir. und medic. Vorfalle, Leipz. 1784. S. 178. 5) Bei Pel. Sehend, lib. I. obs. 139. 6) Man sehe alle diese Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre, III. 65 Quarirì) Erbrechen und Durchfall, Andre ÇDan. Crüger und Morton) Ohnmächten, Mehre einen grofsen Schwächezustand, Viele (Thomson, Richard, Stahl und C. E. Fischer) eine Art Gelbsucht, Andre (Quarin und Fischer) Bitterkeit des MundeS und mehre Andre Anspannung des Unterleibes; und eben 'diese vereinigten Beschwerden und Krankheitszustände sind es, bei'deren ursprünglicher Gegenwart in Wechselfießern Torti und Cleghorn so angelegentlich auf den alleinigen Gebrauch der Chinarinde dringen, — so wie die hülfreiche Anwendung derselben in dem erschöpften Zustande, der Unverdaulichkeit und 'Appetitlosigkeit nach acuten, besonders mit Blutabzapfen' und Kräfte raubenden Ausleernngsmitteln behandelten Fiebern, blofs auf der Eigenschaft dieser Rinde beruht: ein ungemeines Sinken der Kräfte, erschlafften Zustand Leibes und der Seele, Unverdaulichkeit und Efslust-M an gel erregen zu können, wie Cleghorn, Friborg, Crüger, Romberg, Stahl, Thomson 1) und Andre von ihr beobachtet haben. Wie hätte man wohl mit Ipecacuanha mehre Blutflüsse stillen können, wie von Baglio, Barbei-rac, Gianella, Dalberg, Bergius und Andern geschah, wenn sie nicht homöopathisch selbst Blutflüsse zu erregen im Stande wäre, wie auch wirk- 1) Man sehe die Stellen ebend. E 66 lieh ¦ Murray, Scott und Geoffroy ') von ihr beobachteten^ — wie könnte sie in Engbrüstigkeit und besonders in krampfhaften Engbrüstigkeiten so hülfreich seyn, wie Akenside 2), Meyer 3), Bang *), Stoll 5), Fouçuet6), Ranoë 7) bezeugen, wenn sie nicht, auch ohne Ausleerung zu bewirken, schon für sich die Kraft besäfse, Engbrüstigkeit überhaupt Tind krampfhafte Engbrüstigkeit insbesondere zu verursachen,~ dergleichen Murray 8), Geoffroy9) und, W. Scott10) von dieser Wurzel wahrgenommen haben? Kann es deutlichere "Winke geben, dafs wir die Arzneien nach ihren krankmachenden Wirkungen zur Heilung der Krankheiten anwenden sollen? Eben so würde es nicht einzusehen seyn, wie Ignatzbohne in einer Art Convulsionen, nach dem was Herrmann ll), Valentin 12) und ein Ungenann- J) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre, III. S. 184—185. 2) Medical. Transact. I. No. 7. S. 39 u. f. 3) Diss, de Ipecacuanhae réfracta dosi usu, S. 34. 4) Praxis medica, S. 346. 5) Praelectiones, 221. 6) Journal de Médecine, Tom. 62. S. 137. 7) In Act. reg. soc. med. havn. II, S. 163 u. Ill, S. 361 8) Medicin, pract. Biblioth. S. 237. 9) Traité de la mat. méd. II, S. 157. 10) In Medic. Comment, von Edinburg. IV, S. 74. 11) Cynosura Mat. med. H, S. 231. 12) Hisl. SJmplic. reform. S. 194. §. 4. 67 ter *) versichern, so wohlthätig hätte seyn können, wenn sie nicht selbst dergleichen ähnliche Convulsi on en hervorzubringen im Stande wäre, wie Sergios 2), Camelli 3) und Durius *) auch wirklich von ihr sahen. Durch Stofs und Quetschungen beschädigte Personen bekommen Seitenstiche, Brech-Reiz, krampfhafte, stechende und brennende Schmerzen in den Hypochondern, mit Aengstlichkeit und Zittern begleitet, ein unwillkürliches Zusammenfahren, wie von elektrischen Stöfsen, wachend und im Schlafe, ein Kriebeln in den beschädigten Theilen u. s. w. Da nun Wohlverleih eben diese Zustände in Aehnlichkeit selbst erregen kann, wie Meza, Vicat, Crichton, Collin, Aaskow, Stoll und J. Chr. Lange von ihr beobachteten 5), so wird es leicht begreiflich, wie dieses Kraut die Zufalle von Stofs, Quetschung und Fall, folglich die Quetschungskrankheit selbst heilen kann, wie eine namenlose Menge von Aerzten und ganze Völkerschaften seit Jahrhunderten in Erfahrung gebracht haben. Die Belladonne erzeugt unter den Beschwerden, die sie bei gesunden Menschen eigentümlich erregt, unter andern auch Symptome, welche, zu- 1) In Act. Berolin. Dec. II. Vol. 10. S. 12. 2) Mat.' medica. S. 150. 3) Philos. Transact. Vol. XXI. No. 250. 4) Misceli. Nat. Cur. Dec. III. arni. 9. 10. 5) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre. L zw. Ausg. S. 487—504. E2 68 sammengenommen, ein sehr ähnliches Bild darstellen von derjenigen Art von Was s ersehen und Hundswuth, welche Th. de Mayerne 1), Münch 2), Suchholz 8) und Neimike 4) wirklich und vollständig mit diesem Kraute (homöopathisch) geheilt haben s). Das vergebliche Haschen nach Schlaf, das ängstliche Athemholen, der ängstliche, brennende Durst nach Getränke, welches diePer-son kaum erhält, als sie es schon wieder von sich stöfst, bei rothem Gesichte, stieren und funkelnden Augen, wie F. C. Grimmvon Belladonne beobachtete; das Ersticken erregende 1) Praxeos in morbis internis syntagma alteram, Aug. Vindel. 1697. S. 136. 2) Beobachtungen bei angewendeter Belladonne bei den Menschen. Stendal 1789. 3) Heilsame Wirkungen der Belladonne in ausgebrochener Wuth. Erfurt 1785. 4) In J. H. Münch's Beobachtungen. I. Th. S. 74. 5) Hat die Belladonne in ausgebrochener Hundswuth oft nicht geholfen, so mufs man bedenken, dafs sie hier nur durch Wirkungs-Aehnlichkeit helfen kann, folglich nur in den kleinst möglichen Gaben, wie alle homöopathische Mittel, hätte gegeben werden müssen (wie man im Organon §. 273—281. dargethan findet). Sie ward aber meistens in den ungeheuersten, gröfsten Gaben gereicht, und so mufsten die Kranken nothwendig sterben an der Arznei, nicht an der Krankheit. — Doch mag es auch mehr als Eine Stufe oder Art von Wasserscheu und Hundswuth geben, und also, je nach den Zufallen, zuweilen Bilsenkraut, zuweilen hingegen Stechapfel das passendste homöopathische Heilmittel seyn. 69 Niederschlingen des Getränks bei übermä-fsigem Durste, wie El. Camerarius und Sauter; überhaupt das Unvermögen zu schlucken, wie May, Lottinger, Sicelius, Buchave, d'Hermont, Marietti, Vicat, Cullen; die mit Furchtsamkeit abwechselnde Begierde, nach den Umstehenden zu schnappen, wie Sauter, Dumoulin, Buchave, Mardorf'y und umher zu spucken, wie Sauterj auch wohl zu entfliehen, wie Dumoulin, Eb. Gmelin, Buchoz; und die beständige Regsamkeit des Körpers, wie Boucher, Eb. Gmelin und Sauter *) von Belladonne beobachtet haben. — Die Belladonne heilte auch Arten von Manie und Melancholie, bei Evers, Schmucker, Schmalz, Münch Vater und Sohn, und Andern, nämlich blofs mittels ihrer Kraft, besondre Arten von Wahnsinn erzeugen zu können, dergleichen Belladonne-Gei-steskrankheiten Rau, Grimm, Hasenest, Mar-dorf, Hoy er, Dillenius und Andre aufgezeichnet haben 2). -j- Henning 8) brauchte eine Menge vergeblicher Arzneien gegen eine Amaurosis mit vielfarbigen Flecken vor den Augen, drei Monate lang, bis er aus willkürlicher Vermuthung etwaniger Gicht (die der Kranke gleichwohl nicht hatte) endlich, wie durch Zufall, auf Belladonne 4) verfiel und ihn damit 1) Man sehe die Stellen von allen diesen Beobachtern in meiner reinen Arzneimittellehre. I. Th. 2) Ebend. 3) Hufeland, Journ. XXV. iv. S. 70 — 74. 4) Belladonne ist blofs durch Vermuthung 70 schnell nnd ohne Beschwerde heilte; er würde sie wohl gleich Anfangs zum Heilmittel gewählt haben, wenn er gewnfst hätte, dafs nur die mittels TVir-kungs-Aehnlichkeit (homöopathisch) auf den Krankheitsfall passenden Arzneien gewifs und dauerhaft heilen können, und wenn er zugleich gevvufst hätte, dafs Belladonne, vermöge dieses untrüglichen Natur-Heilgesetzes, hier homöopathisch helfen müsse, da sie selbst eine Art Amaurosis mit vielfarbigen Flecken vor den Augen erzeugt, wie Sauter *) und Buchholz 2) von ihr bewirken sahen. Bilsenkraut hat Krämpfe, welche viel Aehn-lichkeit mit Fallsucht hatten, auch wohl dafür gehalten wurden, bei de Mayerne s), Stoerck, Collin und Andern gehoben, aus dem Grunde, weil es der Fallsucht sehr ähnliche Zuckungen erregen kann, wie man *) bei El. Camerariüs, Chph. Seliger, Hünerwolf, A. Hamilton, Planchon, a Costa und Andern findet. — In gewissen Arten von Wahnsinn haben Fo-thergill 5), Stoerck, Hellçvig und Ofterdinger das zur Ehre, ein Gicht-Heilmittel seyn zu sollen, gekommen. Die Krankheit, die noch mit einigem Recht den feststehenden Namen Gicht sich anmafsen könnte, -wird nie und kann nie durch Belladonne geheilt werden. 1) Huf e land, Journal der pract. Arzneik. XI. 2) Ebend. V. i. S. 252. 3) Prax. med. S. 23. 4) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre. Th. IV. 5) Memoirs of the med, soc. of London, I. S. 310. 314. 71 Bilsenkraut mît Erfolge gebraucht; doch würden noch weit mehre Aerate hierin glücklich gewesen seyn, wenn sie keinen andern Wahnsinn damit zu heilen unternommen hätten, als den Bilsenkraut in seiner Erstwirkung selbst in Aehnlichkeit zu erzeugen vermag, nämlich jene Art stupider Geistesverwirrung, wie sie Helmont, Wedel, J. G. Gme-lin, la Serre, Hünerivolf, A. Hamilton, Kiernander, J. Stedmann, Tozzetti, J. Faber nnd Wendt von diesem Kraute haben erfolgen sehen '). — Ans den von diesem Kraute erfahrnen TVirkungen, die man bei letztern Beobachtern nachsehen kann, läfst sich auch das Bild von einer hohen Art Hysterie zusammensetzen, und eine sehr ähnliche wird von diesem Kraute geheilt, wie man bei J. A. P. Gessner, Stoerck und in den Act. Nat. Cur. 2) findet. — Unmöglich hätte Schenkbecher 3) einen zwanzigjährigen Schwindel mit dem Bilsenkraute heben können, wenn diefs Kraut nicht so allgemein und in so hohem Grade einen ähnlichen Schwindel zu erzeugen von Natur geeignet wäre, wie Hünerivolf, Blorn, Navier, Planchon, Sloane, Stedmann, Gre-ding, Wepfer, Vicat, Bernigau bezeugen 4). — Meyer Abramson s) plagte seinen eifersüchtigen 1) Man s. meine r. Arzneimitteil. IV. S. 52—57. 2) IV. obs. 8. 3) Von der Kinkina, Schierling, Bilsenkraut u. s. w. Riga und MItau 1769, im Anhang S. 162. 4) Siehe meine reine Arzneimitteil. a. a. O. 5) Hufeland, Journ. XIX. II. S. 60. 72 Wahnsinnigen lange mit vergeblichen, andern Arzneien, ehe er zafallsweise, als ein schlafmachen sollendes Mittel, das Bilsenkraut ihm gab, was natürlich schnell half; hätte er die Eifersüchtigkeit und die Manie en gekannt, die Bilsenkraut bei Gesunden erregt 1), und hätte er das einzige Natur-Heilgesetz durch Homöopathie gekannt, so würde er gleich Anfangs diefs Heilmittel mit Zuverlässigkeit haben wählen können, ohne den Kranken so lange mit Arzneien zu quälen, die als unhomöopathisch tier nicht helfen konnten. — Die gemischten Arzneistoffe, die Hecker 2) in einer krampfhaften Verscbliefsung der Augenlider mit dem sichtbarsten Erfolge brauchte, wären vergeblich gewesen, war nicht das hier homöopathische Bilsenkraut zufälligerweise darunter, welches nach Wepfer 3) eine ganz ähnliche Beschwerde am gesunden Menschen zu erregen pflegt. — So konnte auch Withering 4) eine krampfhafte Verschliefsnng des Schlundes, mit Unmöglichkeit zu schlingen, durch keine Arznei bezwingen, bis er Bilsenkraut gab, dessen eigenthümliche Wirkung ist, eine krampfhafte Zuschnürung des Schlundes mit Unvermögen zu schlingen selbst zu erzeugen, wie Toz-zetti, Hamilton, Bernigau, Sauvages und Iliiner- 1) Siehe m. reine Arzneimittell. IV. S. 31. 55. 56. 2) Hufeland, Journ. d. pr. Arzneik. I. S. 354. 3) De cicuta aquatica, Basil. 1716. S. 320. 4) Edinb. med. Comment. Dec. 11. E. VI. S. 263. 73 wolf l) unzweideutig und in hohem Grade von diesem Kraute haben entstehen sehen. "Wie wäre es> möglich, dafs der. Campher in sogenannten schleichenden Nervenfiebern mit verminderter Körperwärme, verminderter Empfindung und gesunkenen Kräften so ausnehmende Hülfe leisten konnte, wie uns der wahrheitliebende Huxham 2) versichert, wenn der Campher nicht in seiner Erstwirkung einen ganz ähnlichen Zustand zu erzeugen vermöchte, wie Will. Alexander, Cullen und Fr. Hoffmann von ihm sahen 3)? — Feuriger Wein heilt homöopathisch in kleinen Gaben reine Entzündungsfieber, wie C. Crivellati 4), H. Augenius 5), Al. Mund ella 6) und ein Paar Ungenannte 7) erfahren haben. — Schon Askle-piades heilte 8) eine Hirn-Entzündung mit einer kleinen Gabe ^^Vein. Ein fieberhaftes Delirium, wie eine vernunftlose Trunkenheit, mit laut schnar- 1) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre, IV. S. 38. 39. 2) Opera, Tom. I. S. 172 und Tom. II. S. 84. 3) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre, IV. 4) Trattato dell' uso e modo di dare il vino nelle febri acute, Rom. 1600. 5) Epist. Tom. II. lib. 2. ep. 8. 6) Epist. 14. Basil. 1538. 7) Febris ardens spirituosis curata, Eph. Nat. Cur. Dec. II. ann. 2. obs. 53., und Gazette de santé, 1788. 8) Caelius Aurelianus, Acut. lib. I. C. 16. 74 chendem Athem, eine Krankheit dem Zustande einer heftigen Berauschung in Weine ähnlich, heilte Rademacher ') in einer einzigen Nacht hlofs durch Weintrinken. Ist hier die Macht des analogen Arzneireizes (similia similibus) wohl zu verkennen? • Ein starker Aufgufs von chinesischem Thee verursacht Personen, die nicht daran gewöhnt sind, Herzklopfen und Beängstigung, und ist, in kleiner Menge genossen, ein treffliches Heilmittel dieser, von andern Ursachen entstandenen Zufälle, wie G. L. Rau 2) bezeugt. Ein Zustand von Convulsionen ohne Bewufst-seyn, dem Todeskampfe ähnlich, abwechselnd mit Anfällen von krampfhaftem und stofsweisem Athem, welches auch schluchzend und röchelnd, mit Eiskälte des Gesichts und Körpers und Bläue der Hände und Füfse, bei schwachem Pulse, erfolgte (ganz" ähnlich so, wie Schiveikert und Andre die Zufalle von Mohn s aft e beobachtet hatten) 3), ward von Stütz 4) vergeblich mit Laagensalz behandelt, nach-gehends aber sehr glücklich, schnell und dauerhaft durch Mohnsaft gehoben. Wer erkennt hier nicht das, unwissender Weise ausgeübte, homöopathische Verfahren? — Eben diesen (nach Vicat, J. C. 1 ) In Huf eland's Journ. der pr. Arzneik. XVI. I. S. 92. 2) Ueber den Werth des homöopathischen Heilverf. Heidelb. 1824. S. 7$- 3) Siehe reine Arzneimittellehre, Th. I. 4) In Huf eland's Journal der pr. Arzneik. X. IV. 75 Grimm und Andern) *) so grofse Neigung zum fast unüberwindlichen Schlafe mit heftigem Schweifse und Delirien erregenden Mohnsaft fürchtete sich Osthoff *} in einem epidemischen Fieber, was sehr ähnliche Symptome hatte, anzuwenden, weil das System (o! da.s arme System!) in solchen Zuständen ihn zu geben verbiete. Nur da er nach vergeblichem Gebrauche aller bekannten Arzneien den Tod vor Augen sah, entschlofs er sich, ihn auf gut Glück zu probiren,, und, siehe! er war allgemein hülfreich — mufste es seyn nach dem ewigen homöopathischen Heilgesetze. — So gesteht auch J. Lind 8): „Die Beschwerden des Kopfsund das Brennen der Haut bei dem in der Hitze des Körpers mühsam hervorkommenden Schweifse nimmt der Mohnsaft weg, der Kopf wird frei, die brennende Hitze des Fiebers yerschwindet, die Haut wird erweicht und der Schweifs kommt leicht und reichlich hervor»" Lind weifs aber nicht, dafs Mohnsaft, ganz wider die Satzungen der Arzneischule, hier defshalb so wunderbar hilft, weil er sehr ähnliche Krankheits-Zustände bei Gesunden hervorbringt. — Indefs gab es noch hie und da Einen, dem diese ^Wahrheit wie ein Blitzstrahl durch den Kopf ging, doch ohne das homöopathische Natur-Heilgesetz zu 1) Siebe reine Arzneimittellehre, Th. I. 2) In Salzburger medic, chirurg. Zeitung, 1805. III. S. 110. 3). "Versuch über die Krankheiten, denen die Europäer iü heifsen Klimaten unterworfen sind. Riga u. Leipz. 1773. 76 ahnen. So sagt Aiston '): Mohnsaft sey freilich ein Hitze erregendes Mittel, doch sey es gewifs, dafs er auch die schon anwesende Hitze mindere. — De la Guérène 2) gab Mohnsaft in einem Fieber mit heftigem Kopfweh, hartem, gespanntem Pulse, spröder, trockner Haut, brennender Hitze, daher schwierig durchdringendem, ermattendem Schweifse, beständig durch die grofse Unruhe des Körpers gestört, nnd half damit, erkannte aber nicht, dafs Mohnsaft defshalb hier so wohlthätig wirkte, weil er einen ganz ähnlichen fieberhaften Zustand für sich, das ist bei Gesunden, zu erregen vermag, wie die Beobachter 3) von ihm bezeugen. — In einem Fieber, wo die Kranken sprachlos waren, bei offenen Augen, starren Gliedern, kleinem, aussetzendem Pulse und schwerem Athem, mit Schnarchen und Röcheln, und in Schlafsucht versunken, Zustände, die Mohnsaft ganz ähnlich zu bewirken für sich vermag, wie De la Croix, Rademacher, Crumpe, Pyl, Vicat, Sauvages und viele Andre beobachtet haben *), da sah Chr. Lud. Hoffmann 5) blofs den Mohnsaft helfen; wie ganz natürlich, homöopathisch! — Eben so half Wirthenson 6) 1) In Edinb. Versuchen, V. P. I, art. 12. 2) In Römers Annalen der Arzneimittellehre I. II. S. 6. 3) Siehe meine reine Arzneimittellehre, Th. I. 4) Siehe ebendaselbst. 5) Von Scharbock, Lustseuche u. s. w. Münster 1787. S. 295. 6) Opii vires fibras cordis debilitare etc. Monast. 1775. 77 mit Mohn s aft in ähnlichen schlnmmersüchtigen Fiebern, — und Sydenham *) in ähnlichen schlafsüch-tigen Fiebern, so wie in einem gleichen Krankheitsznstande Marcus 2). — Die Schlafsucht, welche de Meza 3) heilte, konnte er mit nichts Anderm bezwingen, als mit dem hier homöopathischen, Schlafsucht selbst erzeugenden Mohnsafte. —- Nach langer Qual mit einer Menge nicht passender (unhomöopathischer) Arzneien hob C. C. MatthSi 4) eine hartnäckige Nervenkrankheit, deren Hauptzeichen Unempfindlichkeit, Taubheit und Eingeschlafenheit in den Armen, an den Schenkeln und am Unter-Jeibe waren, mit Mohnsaft, welcher nach Stütz, J. Young und Andern 5) dergleichen Zustände in vorzüglichem Grade von selbst erregen kann, folglich, wie Jeder sieht, einzig homöopathisch heilt. — Hufelands 6) Heilung einer tagelangen Lethargie mit Mohnsaft, nach welchem andern Gesetze erfolgte sie, als nach dem bisher verkannten homöopathischen?— Eine Epilepsie kam stets nur im Scblafej de Haen fand, dafs es kein natürlicher Schlaf scy, in welchem die Anfalle kamen, sondern eine Schlafbetäubung mit Schnarchen (wie sie ganz ähnlich 1) Opera, S. 654. 2) Magazin für Therapie, I. i. S. 7. 3) Acta reg. soc. med. havn. III. S. 202. 4) In Slruves Triumph der Heilk. III. 5) Siehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre. I. 6) HufelancVs Journal der pr. Arzneik. XII. I. 78 ¦Mohnsaft bei Gesunden erzeugt), und konnte sie daher blofs durch Mohnsaft in gesunden Schlaf umwandeln und dadurch zugleich die ganze Fallsucht mit hinweg nehmen *). — ~SN\& wäre es wohl möglich, dafs Mohnsaft, welcher, wie alle TVelt weifs, unter allen Gewächs-Substanzen die stärkste und anhaltendste Leibverstopfung in seiner Erstwirkung verursacht (in kleiner Gabe), eins der gewissesten Hülfsmittel in den gefährlichsten Leibesverstopfungen seyn könnte, wenn es nicht vermöge des so lange verkannten, homöopathischen Heil-Gesetzes geschähe, das ist, wenn die Arzneien nicht durch eine, ähnliches Uebel erzeugende, eigne Wirkung, die ihr ähnlichen natürlichen Krankheiten zu besiegen nnd zu heilen, von der Natur bestimmt wären. Diesen in seiner Erstwirkung so mächtig den Stuhl hemmenden und Leib verstopfenden Mohnsaft fand Trolles 2) als das noch einzige Rettungsmittel im Ileus, nachdem er den Kranken vergeblich mit Abführungs- und andern unpassenden Mitteln bebandelt hatte. — Eben so haben Lentilius 3) und G. W. Wedel*) den Mohnsaft, auch ganz allein gegeben, hülfreich in solchen Fällen befunden, so wie auch Wirthenson, Bell, Heister und 1) Ratio medendi. V. S. 126. 2) Opii usus et abusus, Sect. IL S. 260. 3) Eph. Nat. Cur. Dec. 111. ann. 1. App. S. 131. 4) Opiologia. S. 120. 79 Richter *). — Den redlichen JBohn ?) überzeugte ebenfalls die Erfahrung, dafs die Opiate den Inhalt der Gedärme im Miserere allein entladen können, so wie den grofsen Fr. Hoffmann 3), welcher in den gefährlichsten Fällen dieser Art sich hlofs auf Mohnsaft, mit liquor anodynus gegeben, verlassen konnte. Können wohl alle in den 200000 medicinischen Büchern, welche die Erde belasten, enthaltenen Theorien über diese und die vielen andern, ähnlichen Thatsachen eine vernünftige Auskunft geben , da sie vom homöopathischen Heil - Gesetze nichts wissen? Haben wohl ihre Lehrsätze uns auf diefs, in allen wahren, schnellen und dauerhaften Heilungen durchgängig waltende Naturgesetz hingeführt, dafs die Arzneien nach ihrer (an gesunden Menschen erspäheten) ^Virkungs-Aehnlichkeit zur Heilung der Krankheiten anzuwenden sind? Rave 4) und Wedekind 5) heilten schlimme Mut-ter-Blatflüsse mit Sadebaum, welcher, wie jede gewissenlose Dirne weifs, Bärmutter-Blutflüsse und, mit ihnen, Früh-Geburten bei Gesunden cr- 1) Anfangsgr. d. Wundarzneik. V. §. 328., und Chron. Krankh. Beri. 1816. II. S. 220. 2) De officio medici. 3) Medic«, rat. system. Tom. IV. P. II. S. 297. 4) Beobachtungen und Schlüsse, II. S. 7. 5) In Hufeland's Journal d. pr. Arzneik. X. I. S. 77., und in seinen Aufsätzen, S. 278. 80 regt. Wer will hier das Heilgesetz durch Aehnlich-keit (die Homöopathie) verkennen? Wie könnte wohl àev'Biesam in den Arten krampfhafter Engbrüstigkeit, die man nach Miliar benannt hat, fast specifisch helfen, wenn er nicht für sich selbst Paroxysmen von hustenloser, Jcrampfhaft erstickender Zusammenschnü-rung der Brust zuwege bringen könnte, wie Fr. Hoffmann *) von ihm beobachtete? Kann die Kuhpocke anders gegen Menschenpocken schützen, als homöopathisch? Sie, welche aufs er andern grofsen Aehnlichkeiien mit ihnen, und ihrem im Ganzen ebenfalls nur einmal im Leben möglichen Erscheinen, auch ähnlich tiefe Narben, so wie nicht weniger Achseldrüscngeschwülste, ein ähnliches Fieber, Entzündungsröthe um jede Pocke und selbst Augenentzündung und Convulsionen, wie die Menschenblatter erzeugt! Die Kuhpocke würde gleich nach ihrem Ausbruche selbst die Menschenpockenansteckung aufheben, also die letztere auch bei ihrer wirklichen Anwesenheit heilen, wenn die Menschenpocke nicht überwiegend stärker, als die Kuhpocke wäre; der letztern also fehlt hiezu nichts, als die gröfsere Stärke, welche nach dem Naturgesetze noch aufser der homöopathischen Aehnlichkeit zum Heilen gehört (§. 152.)- Wir können also dieses homöopathische Mittel nur im Voraus anwenden, ehe die stärkere Menschenpocke den Körper befällt. --------------- So 1) Med. ration, system. III. S. 92. 81 So bringt die Kuhpocke eine der Menschenpocke sehr ähnliche (homöopathische) Krankheit hervor, nach deren Verflufs, da der menschliche Körper in der Regel nur einer im Leben einmaligen Krankheit dieser Art (der Kuhpocke, oder der Menschenpocke) fähig ist, alle Ansteckbarkeit desselben durch (Kuhoder) Menschenpocke auf Lebenszeit gehoben ist *). Bekanntlich ist Harnverhaltung mit Harnzwang eins der häufigsten und beschwerlichsten Symptome der spanischen Fliegen, wie zum Ueberflusse Joh. Camerarius, Baccius, van Hilden, Forest, J. Lanzoni, van der Wiel und JVerlhoff2) bestätigen. Ein behutsamer innerer Gebrauch der Canthariden mufste daher in ähnlichen, schmerzhaften Dysurien stva. hülfreiches und homöopathisches Haupt-Heilmittel seyn. Und so ist es auch. Aufsei* fast allen griechischen Aerzten (deren Cantharide meloë cichorii war) haben Fabr. ab Aquapen-dente, Capivaccius, Riedlin, Th. Bartholin 8), 1) Dieses homöopathische Heilen in antecessum (was man auch Präcaviren und Schützen nennt) scheint uns auch in einigen andern Fällen möglich, z. B. durch Tragen gepulverten Schwefels in unsern Kleidern gegen Ansteckung von Wollarbeiter-Krätze und durch eine im Voraus eingenommene, möglichst kleine Gabe Belladonne» wenn das (jetzt seltene) glatte Scharlachfieber des Sydenham, Withering und Plencitz epidemisch in der Nähe herrscht. 2) Man sehe die Stellen in meinen Fragmenta de viribus medicamentorum positivis, Lipsiae 1805. I. S. 83. 83. 3) Epist. 4. S. 345. F 82 üToung 1), Smith 2) , Raymond 3), de Meza 4), 'Brisbane 5) nnd Andre die schmerzhaftesten, obne mechanische Hinderung entstandenen Ischiiricn mit Canthariden vollkommen geheilt. Iluxham sah selbst die vortrefflichsten ^Wirkungen davon in solchen Fällen; er rühmt sie sehr und hätte sie gar gern gebraucht; aber die hergebrachten Satzungen der alten Arzneischule, welche, den Lehren der Natur und Erfahrung entgegen (sich weiser dünkend) hier schmeidigende, erschlaffende Mittel anbefiehlt, hielt ihn von diesem, in gedachtem Falle speeifi-schen (homöopathischen) Heilmitlei ab, wider seine Ueberzeugung 6). — Im frischen, entzündlichen Tripper selbst, wo Sachs von Lewenheim, Ilannaeus, Bartholin, Lister, Mead und vor allen Werlhoff die Canthariden in den kleinsten Gaben mit dem besten Erfolge anwendeten, hoben sie die dringendsten, anfänglichen Zufälle augenscheinlich, eben mittels der eigentümlichen Kraft derselben, wodurch sie, nach fast allen Beobachtern, schmerzhafte Ischnrie, Harnbrennen, ja selbst Entzündung der Harnröhre (Wendt) und sogar bei blofs äu-fscrlicher Anwendung eine Art entzündungsarti- 1) Philos, transact. No. 280. 2) Medic. Communications, IL S. 505. 3) In auserlesene Abh. für pr. Aerzte. III. S. 460. 4) Acta reg. soc. med. havn. II. S. 302. 5) Auserlesene Falle d. ausübenden Arz. Altenb. 1777. 6) Opera, Edit. Reiche/. Tom. II. S. 124. 83 gen Tripper (wie Wîchrnann *) sah) für sich selbst zu erzeugen vermögen 2). Bei empfindlichen Personen erregt der innere Gebranch des Schwefels nicht selten Stuhlzwang, zuweilen sogar bei Stuhl zwange Leibweh und Erbrechen, wie Walther3') bezeugt, und dieser seiner eigentümlichen Kraft wegen, hat man 4) mit demselben ruhrartige Zufälle, und nach Werlhoff*) Hämorrhoidal-Stuhlzwang, so wie nach Rave 6) Hä-morrhoidal-Koliken heilen können. — Bekanntlich erzengt das Töplitzer Bad, so wie alle andern lauen und warmen, Schwefel enthaltenden Mineral-Wasser, oft einen sogenannten Bade-Ausschlag, welcher anscheinend grofse Aehnlichkeil mit Wollarbeiter-Krätze hat; und eben dieser homöopathi- 1) Auswahl aus den Nürnberger gelehrten Unterhaltungen. I. S. 249. Anmerk. 2) Ich sage: „die dringendsten, anfänglichen Zufälle;" denn die übrige Heilung erfordert andre Rücksichten. Denn wenn es auch so gelinde Arten von Trippern giebt, die, fast ohne Hülfe, bald von selbst verschwinden, so giebt es dagegen andre von höherer Bedeutung, vorzüglich den seit den französischen Feldzügen häufiger gewordenen, den man Feigwarzentripper nennen könnte, welcher ebenfalls durch Beischlaf-Ansteckung erfolgt, wie die venerische Schanker-Krankheit, obgleich von dieser ganz verschiedener Natur (siehe unten Anmerk. zu §. 220.). 3) Progr. de Sulphure et Marte, Lips. 1743. S. 5. 4) Medicin. National-Zeitung, 1798. S. 153. 5) Observât, de febribus, S. 3. §. 6. 6) In Huf eland's Journal der pr. Arzneik. VII. II. S. 168. 84 sehen Kraft wegen beben auch diese Bäder manchen krätzartigen Ausschlag. — Was giebt es Erstickenderes als Schwefeldampfi Und eben den Dampf von angezündetem Schwefel fand Bucquet l) als das beste Erweckungsmittel im Scheintode von andersartiger Erstickung. Die englischen Aerzte haben in Beddoes Schriften und anderwärts die Salpetersäure als ein sehr hülfreiches Mittel in dem Speichelflüsse von Quecksilber und den daher entstandenen Mundgeschwüren befunden, welches diese Säure nicht hätte ausrichten können, wenn sie nicht schon für sich, selbst wo sie nicht durch den Mund eingenommen ward, blofs im Bade an die Haut des Körpers gebracht, wie Scott 5) und Blair 3) bezengen, die Eigenschaft besäfse, Speichelflufs und Rachen-Geschwüre zu erzeugen, wie auch von der innerlich eingenommenen Salpetersäure Alojn *), Luhe 5), J. Ferriar 6) und G. Kellie 7) gesehen haben. Fritze 8) hat von einem Bade, mit kaustischem Kali geschwängert, eine Art Tetanus er- 1) Edinb. med. Comment. IX. 2) In Huf eland's Journal f. d. pr. Arzneik. IV. S. 353. 3) Neueste Erfahrungen, Glogau 1801. 4) In Mémoires de la soc. d'émulation. I. S. 195. 5) Bei Beddoes. 6) In Samml. a. Abhandl. f. pr. Aerzte. XIX. II. 7) Ebend. XIX. i. 8) In Hu/eland's Journ. f. pr. Arzneik. XII. I. S. 116. 85 folgen sehen, und Alex, von Humboldt l) hat die Reizbarkeit der Muskeln durch zerflossenes Weinsteinsalz (eine Art halbkaustisches Kali) bis zum Tetanus zu erregen vermocht; kann wohl eine einfachere und wahrere Quelle für die Heilkraft des (ätzenden) Laugensalzes in jener Art von Tetanus, worin es Stütz nebst Andern so hülfreich fand, nachgewiesen werden, als in seiner homöopathischen Wir-kungs - Aehnlichkeit ? Der durch seine ungeheure Kraft, das Befinden der Menschen zu verändern, man weifs nicht, ob in verwegnen Händen mehr fürchterlich, oder in der Hand des Weisen eher verehrungswürdig au nennende Arsenik würde im Gesichtskrebse unter den Augen sehr vieler Aerzte, von denen ich hier blofs G. Fattopius 2), Bernhardi 3) und Roennòw *) nennen will, nicht so grofse Heilungen haben vollbringen können, wenn dieses Metall-Oxyd nicht die homöopathische Kraft besäfse, schon für sich im gesunden Körper sehr schmerzhafte, und sehr schwer heilbare Knoten nach Arnatus dein Portugiesen 6), und tief eindringende bösartige Ge- 1) Versuch über die gereizte Muskel- und Nervenfaser. Posen und Berlin 1797. 2) De ulceribus et tumoribus, lib. 2. Venet. 1563. 3) In Journal de médecine, chirurg. et pharm. LV1I. 1782. Mars. 4) Konjgl. Vctensk. acad. Handl. f. a. 1776. 5) Obs. et Cur. Cent. 11. Cur. 34. 86 schwüre nach Heìrnreìch *) nnd Knape 2), nnd krebsartige Geschwüre nach Heinze s) zu erzengen. — Die Alten würden das Arsenik enthaltende, sogenannte magnetische Pflaster des Angelus Sala *) hei Pestbeulen nnd Carbnnkeln nicht so einstimmig wohlthätig haben finden können, wenn der Arsenik nicht für sich (wie Degner 5) und Knape 6) bezeugen) die Neigung besäfse, schnell in Brand übergehende Entzündungsgeschwülste und schwarze Blattern (wie Verzascha '') und PJann 8) von ihm beobachteten) hervorzubringen.— Und wo käme seine so tausendfach bestätigte (nur noch nicht behutsam genug angewendete) Heilkraft in einigen Arten von "Wechselfiebern her, die seit Jahrhunderten, schon von Nicol. Myrepsus, nachge-hends vou Slevogt, Molitor, Jacobi, J. C. Bernhardt, Jüngken, Fauve, Brera, Darwin, May, Jackson und Fowler unzweideutig gepriesen worden ist, wenn sie nicht in der eigenthümlichen Fieber 1) In Acta Nat. Cur. II. obs. 10. 2) Annalen der Staatsarzneik. I. i. 3) Bei Ebers in Huf eland?s Journal der pr. Arzneikunde. 1813. Sept. S. 48. 4) Anatom, vitrioli Tr. II. in Opera med. cliym. Frft. 1647. S. 381. 463. 5) Acta Nat. Cur. VI. 6) Annalen der Staatsarzneik. a. a. 0. 7) Observ. medic. Cent. Bas. 1677. obs. 66. 8) Samml. merkwürd. Fälle, Nürnb. 1750. S. 119. 130. 87 erregenden Kraft des Arseniks gegründet wäre, welche fast alle Beobachter der Nachtheile dieser Substanz deutlich bemerkten, insbesondre Arnatus der Portugiese, Degner, Buchholz, Heun und Knape l). — Ganz wohl läfst sich's Edw. Alexander'n 2) glauben, dafs der Arsenik ein Hauptmittel in (einigen Arten) der Brustbräune sey, da schon Otto Tache-nius, Guilbert, Preussius, Thilcnius und Pyl Beklemmung des Athemholens, Greiselius 3) eine fast erstickende Schwcrathmigkeit, und vorzüglich Majault 4) ein beim Gehen plötzlich entstehendes Asthma mit Sinken der Kräfte von Arsenik wahrgenommen haben. Die Convulsionen, welche Kupfer, und nach Tondi, Ramsay, F abas, Pyl und Cosrnier der Genufs kupferiger Dinge, so wie die wiederholten epileptischen Anfälle, die eine verschluckte Kupfermünze unter Jac. Lazerme's s) und der Kup-fersalmiak unter Pfündels 6) Augen erregt haben, erklären dem nachdenkenden Arzte deutlich genug, woher die Heilung einer Art Veitstanzes durch Kup- 1) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arzneimittellehre. II. 2) Medic. Comment, of Edinb. Dec. II. T. I. S. 85. 3) Misc. Nat. Cur. Dec. I. ann. 2. S. 149. 4) In Samml. a. Abhandl. f. Aerzte, VII. I. 5) De morbis internis capitis, Amstel. 1748. S. 253. 6) In Huf eland's Journal der pr. Arzneik. II. S. 264. und nach Biirdach's Zeugnifs, s. System d. Arzneien. I. Lcipz. 1807. S. 284. 88 fer, wovon R. Willem *), Walcker 2), a Thues-sink 3) und Delarive 4), und die vielen Heilungen einer Art Fallsucht durch Kupferbereitungen kennen, wovon Ratty, Raumes, Rierling, Roerhaave, Cauziona1, Cullen, Duncan, Feuerstein, Helvetius, Lieb, Magennis, C. Fr. Michaelis, Reil, Rüssel, Stisser, Thilenius, Weifsmann, Weizenbreyer, Whi-ihers und Andre so glückliche Erfahrungen aufzeichneten. Haben Poterius, Wepfer, Wedel, Fr. Hoffmann, R. A. Vogel, Thiery und Albrecht mit Zinn eine Art Schwindsucht, hectisches Fieber, langwierige Catarrhe und feuchte Engbrüstigkeit geheilt, so geschah es mittels der eigenthümlichen Kraft des Zinnes, eine Art Schwindsucht selbst erzeugen au können, welches schon G. E. Stahl 5) beobachtet hatte. — Und wie wäre es wohl möglich, dafs Zinn, wie Geischläger berichtet, Magenschmerzen heilen könnte, wenn es nicht für sich schon dergleichen zu erregen im Stande wäre. Und diefs kann es allerdings, wie Geischläger selbst 6) sah und ehedem Stahl 7). Sollte die schädliche Kraft des Rleies, die 1) In Samml. a. Abliandl. f. pr. Aerzte, XII. S. 62. 2) Ebend. XI. m. S. 672. 3) Waarnemingen, No. 18. 4) In Kuhns Phys. med. Journ. 1800. Jan. S. 58. 5) Mat. med. Cap. 6. S. 83. 6) In Hufeland's Journ. d. pr. Arzneik. X. III. S. 165. 7) Mat. med. a. a. 0. 89 hartnäckigste Leibverstopfung und selbst Ileus zu erzeugen (wie Thunberg, Wilson, Luzuriaga und Andre sahen), nicht eine ähnliche Heilkraft zu verr stehen geben? Sollte Blei nicht so gewifs, wie alle andre Arzneien in der Welt, gerade mittels seiner Krankheit erregenden Kraft, ähnliche natürliche Uebel (homöopathisch) zu besiegen und dauerhaft zu hei-len fähig seyn? Allerdings! Angelus Sala *) heilte durch den innern Gebrauch dieses Metalls eine Art Ileus, und J. Agricola 2) eine andre gefährliche Leihesverstopfung. Die bleiernen Pillen, mit denen viele Aerzte eine Art Ileus und andre hartnäckige Leibesverstopfungen so glücklich heilten ( Chirac, Helmont, Naudeau, Pererius, Ricinus, Sydenham, Z acutus der Portugiese, Bloch und Andre), wirkten nicht blofs mechanisch und dnrch ihre Schwere (sonst würde man das weit schwerere Gold dazu vorzüglicher gefunden haben); sondern am meisten als innere Blei-Arznei, homöopathisch heilkräftig. — Wenn Otto Tachenius und Saxtorph ehemals hartnäckige hypochondrische Beschwerden mit Blei heilten, so erinnere man sich der diesem Metalle anerschaffenen Neigung, hypochondrische Beschwerden für sich zu erzeugen, wie in Luzuriaga's 3) Beschreibung der schädlichen "Wirkungen dieses Metalls zu Sehen ist. 1) Opera. S. 213. 2) Comment, iu J. Poppii chym. Med., Lips. 1638. S. 223. 3) Recueil périodique de littéral. 1. S. 20. 00 Man darf sich nicht wundern, dafs Marcus *) eine Entzündnngs-Geschwulst der Zunge und des Rachens mit einem Mittel (Quecksilber) schnell geheilt hat, welches nach den täglichen, tausendfachen Erfahrungen aller Aerzte ganz specifisch Entzündung und Geschwulst der innern Theile des Mundes erzengt und dergleichen schon bei äufserer Auflegung (der Mercurial-Salben, der Mercurial-Pflaster) auf die Haut des übrigen Körpers thut, wie Degner2), Friese 3), Alberti*) und Engel6) nebst Andern erfuhren. Die Verstandesschwäche, die Swedjaur 6), die Verstandlosig-keit, die Degner 7), und der Wahnsinn, den Larrey 8) vom Quecksilber-Gebräuche beobachteten, vereint mit der bekannten, fast specifischen Kraft dieses Metalls, Speie h elfi ufs zu erregen, erklärt sehr einleuchtend, wie Will. Perfect 9) mit Speichelflufs abwechselnde Melancholie mittels Quecksilber dauerhaft heben konnte. — Warum war See- 1) Magazin, II. II. 2) Acta Nat. Curios. VI. App. 3) Geschichte und Versuche einer chirurg. Gesellschaft, Kopenhagen, 1774. 4) Jurisprudentia med. V. S. 600. 5) Specimina medica, Berol. 1781. S. 99. 6) Traité des malad, vénér. II. S. 3C8. 7) A. a. O. 8) Mémoires et Observât., in Description de l'Egypte, Tom. I. 9) Annalen einer Anstalt f. Wahnsinnige, Hanno v. 1804. 91 lig *) in der vom Pnrpurfriesel begleiteten Bräonc, und Hamilton 2), Hoffmann 3), Marcus 4), Rush 5), Colden 6), Bailey und Michaelis 7) in andern bösartigen Bräunen so glücklich mit dem Gebrauche des Quecksilbers? Offenbar defshalb, weil dieses Metall selbst eine Art der schlimmsten Bräune zuwege bringt 8)! — Heilte Sauter 9) jene geschwürige Mundentzündung mit Schwämmchen und Spei-chelflufsgestanke durch Gurgeln mit Sublimat-Auflösung, oder Bloch 10) die Mundschwämmchen wohl auf andre als homöopathische ^Veise mit Quecksilber? da letzteres, aufser andern Mundgeschwüren, namentlich auch eine Art Mundschwämm- 1) In Hufeland's Journ. d. pr. Arzneik. XVI. i. S. 24. 2) In Edinb. Comment. IX. I. S. 8. 3) Medic. Wochenblatt, 1787. No. 1. 4) Magaz. f. spec. Therapie, II. S. 334. 5) Medic, inquir. and observ. No. 6. 6) Medic, observât, and inquir. I. No. 19. S. 211. 7) In Richters chirurg. Biblioth. V, S. 737—739. 8) Auch häutige Bräune hat man mit Quecksilber zu heilen versucht, wiewohl fast immer vergeblich, weil dieses Metall jene eigenartige Umänderung in der Schleimhaut der Luftröhre, die in dieser Krankheit vorherrscht, nicht in Aehnlichkeit selbst hervorbringen kann, wogegen die kalkartige Schtvefelleber, welche Husten aus Alhem-beengung entstehen läfst, noch mehr aber, wie ich fand, die Tinktur von Rost - Schwamm in ihren eigentümlichen Wirkungen (siehe reine Arzneimittell. VI. zweite Ausg. Sympt. r_143—145-3) weit homöopathischer und daher weit hülfreicher, am besten in kleinster Gabe, ist. 9) In Hufeland's Journ. der pr. Arzneik. XII. II. 10) Medic. Bemerkungen, S. 161. 92 eh en selbst hervorbringt, wie Schlegel *) nnd Thom. Acrey 2) bezeugen. — Mehrer Gemische von Arzneien bediente sich Hecker 3) im Beinfrafse von Pocken mit sichtbarem Erfolge; zum Glücke, dafs in allen diesen Mischungen Quecksilber mit befindlich war, von welchem hegreiflich diefs Uebel besiegt werden konnte, homöopathisch, weil Quecksilber eine von den wenigen Arzneien ist,, welche Knochenfrafs selbst erzeugen können, wie so viele übertriebne Mercurial-Curen gegen Lustseuche, nnd so auch nnvenerische Curen bezeugen, wie z. B. die von G. Ph. Michae-' lis 4). Eben so wird auch dieses bei seinem langwierigen Gebrauche durch Erzeugung des Beinfra-fses so fürchterliche Metall homöopathisch höchst wohlthätig in Heilung der Caries nach Verwundungen der Knochen, wovon uns Justus Schlegel s), Joerdens 6) und J. Matih. Müller 7) sehr merkwürdige Heilungen geliefert haben, und wie uns Heilungen unvenerischer Beinfrafse andrer Art, ebenfalls mit Quecksilber (von J. F. W. Neu 8) und J. D. Metzger) 9) dieselbe homöopathische Heilkraft des Quecksilbers bezeugen. 1) In Huf eland's Journ. der pr. Arzneik. VII. rv. 2) London medic. Journ. 1788. 3) In Huf eland1 s Journ. der pr. Arzneik. I. S. 362.1 4) Ebend. 1809. VI. Jun. S. 57. 5) In Huf eland's Journ. d. pr. Arzneik. V. S. 605. 610. 6) Ebend. X. n. 7) Obs. med. chir. II. cas. 10. 8) Diss, med. pract., Goettingae 1776. 9) Adversaria. P. II. Sect. 4. 93 Bei Lesung der Schriften über die medicinische Electrisität mufs man über die nahe Beziehuns er-staunen, mit welcher die von ihr hie nnd da erzeugten Körperbeschwerden und Krankheitszufàlle den aus ganz ähnlichen Symptomen bestehenden, natürlichen Krankheiten entsprechen, welche sie glücklich und dauerhaft durch Homöopathie geheilt hat. Unzählig sind die Schriftsteller, welche von der positiven Electrisität in ihrer Erstwirkung, Beschleunigung des Pulses wahrnahmen; vollständig fieberhafte Anfälle aber, blofs durch Electrisität erzeugt, sahen Sauvages '), Delas 2) und carillon 8). Diese ihre fieberhafte Kraft war Ursache, dafs Gardini*), Wilkinson s), Syme 6) und Wesley 7), eine Art Tertianfieber einzig mit Electrisität heilen konnten, Zetzel 8) aber und Willermoz 9) sogar Qnartanfieher. — Die Electrisität erzeugt ferner, wie bekannt, eine den Zuckungen ähnliche Verkürzung der Muskeln, und de Sans 10) 1) Bei Bertholon de St. Lazare, medicinische Electrisität, von Kühn. Weifsenfeis und Leipzig 1788. I. Th. S. 239. 240. 2) Ebend. S. 232. 3) Ebend. S. 233. 4) Ebend. S. 232. 5) Ebend. S. 251. 6) Ebend. S. 250. 7) Ebend. S. 249. 8) Ebend. S. 52. 9) Ebend. S. 250. 10) Ebend. S. 274. 94 konnte durch sie, so oft er wollte, sogar anhaltende Convulsionen am Arme eines Mädchens erregen ; und eben mittels dieser convulsivischen Kraft der Electrisität konnten de Sans ') und Franklin 2) krankhafte Convulsionen, so wie Theden 3) ein zehnjähriges Mädchen durch Electrisität heilen, welches durch Blitz sprachlos und am linken Arm fast lahm geworden war, doch mit beständiger, unwillkürlicher Bewegung der Arme und Beine und steter krampfhafter .Zusammenziehung der linken Finger. — Auch eine Art Hüftweh erregte die Electrisität (wie Jallobert *) und ein Andrer 5) beobachteten) und konnte also auch leicht durch Wir-kungs-Aehnlichkeit und Homöopathie eine ähnliche Art Hüftweh heilen, wie Hiortberg, Lovet, Arrigoni, Daboueix, Manduyt, Sjme und Wesley durch ihre Erfahrungen bewährt haben. — Eine Menge Aerzte haben eine Art Augenentzündung durch Electrisität geheilt, nämlich mittels eben der Kraft derselben, selbst ähnliche Augenentzündungen (wie Patrih Dickson 6) und Bertholon T) von ihr sahen) zu erzeugen. — Fushel heilte Aderkröpfe (varices) mit Electrisität, welche diese Heilkraft blofs ihrer 1) Bei Bertholon de St. Lazare, medicinische Electrisität, von Kühn, Weifsenfeis u. Leipz. 1788. I. Th. S. 274. 2) Recueil sur l'électricité medic. II. S. 386. 3) Neue Bemerkungen und Erfahrungen, III. 4) Expériences et observations sur l'électricité. 5) Philos. Transact. Vol. 63. 6) Bei Bertholon, I, S. 406. 7) A. a. O. II. S. 296. 95 von Jallobert 1) beobachteten Eigenschaft, Venengeschwülste erregen zn können, verdankt. Starke Hitze eines acuten Fiebers mit 130 Pulsschlägen in der Minute ward von einem heifsen Bade von 100 Grad Fahr, sehr gemildert, und der Puls bis zu 110 Schlägen herabgestimmt, wie Albers berichtet. Bei Hirnentzündung von brennendem Sonnenscheine, oder wenn man den Kopf der Ofenhitze ausgesetzt hatte, fand in beiden Fällen Löffler 2) heifse Umschläge ungemein hülfreich, so wie Callisen 3) in der Hirnentzündung Umschläge von heifsem Wasser auf den Kopf unter allen Mitteln am hlilfreichsten fand. Wenn man die Fälle wegrechnet, wo den gewöhnlichen Aerzten (nicht ihre Erfindungs-Kunst, sondern) die Empirie des gemeinen Mannes das für eine sich gleichbleibende Krankheit specifiche Mittel 4) in die Hände gegeben hatte, womit sie daher direct heilen konnten, z. B. die venerische Schanker-Krankheit mit Quecksilber, die Quetschungs-Krankheit mit Arnica, die Sumpf- Wcchselfieber mit Chinarinde, die frisch entstandene Krätze mit Schwefelpulver, u. s. w. — wenn man diese wegrechnet, finden wir, dafs nur in dem Verhältnisse 1) A. a. 0. 2) In Huf eland's Journal d. pr. Arzneik. III. S. 690. 3) Acta soe. med. Havn. IV. S. 419. 4) Was dann stets ein homöopathisches war. 96 von mehren Hunderten ihrer übrigen, nnaweckraä-fsigen Curen zu einer einzigen, es durch die allgütige Fürsehung sich ereignete, dafs eine schnelle, dauerhafte Heilung mitunter lief. Auch führte sie zuweilen eine blinde Erfahrung auf homöopathische Krankheits-Behandlung 2), und ___________ den- 2) So glaubten sie die nach Erkältung angeblich in cer Haut stockende Ausdünstungs-Materie durch die Haut fortzutreiben, wenn sie im Froste des Erkältungs-Fiebers Holderblüthen-Aufgufs trinken liefsen, welcher durch eigen-thümliche Wirkungs-Aehnlichkeit (homöopathisch) ein solches Fieber heben und den Kranken herstellen kann, am schnellsten und besten ohne Schweifs, wenn er dieses Trankes wenig und sonst nichts weiter zu sich nahm. — Die harten, acuten Geschwülste, deren überheftige Entzündung, unter unerträglichen Schmerzen, ihren Uebergang zur Eiterung hindert, belegen sie mit oft erneuertem, sehr warmem Brei, und, siehe! die Entzündung und die Schmerzen mindern sich schnell unter baldiger Bildung des Abscesses, wie sie an der gilblichen, glänzenden Erhabenheit und deren fühlbaren Weiche gewahr werden ; da wähnen sie dann, sie hätten durch die Nässe des Breies die Härte erweicht, da sie doch vorzüglich durch die stärkere Wärme des Brei-Umschlages das TJebermafs der Entzündung homöopathisch gestillt und so die baldigste Bildung der Eiterung möglich gemacht haben. — Warum wenden sie das rothe Quecksilber-Oxyd, welches, wenn sonst irgend etwas, die Augen entzünden kann, in der St. Yves-Salbe mit Vor-theil in manchen Augen-Entzündungen an? Ist es schwer cinzusehn, dafs sie hier homöopathisch verfahren? — Oder warum sollte bei dem (nicht seltnen) vergeblichen, ängstlichen Drängen auf den Urin bei kleinen Kindern und bei dem gemeinen, vorzüglich durch sehr schmerzhaftes, oftes und fast vergebliches Harndrängen kennbaren Tripper ein 97 dennoch gewahrten sie nicht das Naturgesetz, nach welchem diese Heilungen erfolgten und erfolgen mufsten. Es ist daher äufserst wichtig für das Wohl der Menschheit, zu untersuchen, wie diese so äufserst seltenen, als ausgezeichnet heilbringenden Curen eigentlich zugingen. Der Aufschlufs, den wir hievon finden, ist von der höchsten Bedeutsamkeit. Sie erfolgten näm- wenig Saft von Petersilie so augenscheinlich helfen, wenn dieser frische Saft bei Gesunden nicht schon für sich ein schmerzhaftes, fast vergebliches Nöthigen zum Uriniren zuwege brächte, also homöopathisch hülfe. — Mit der Pim-pinell-Wurzel, welche viel Schleim-Absonderung in den Bronchien und dem Rachen erregt, bestritten sie glücklich die sogenannte Schleim-Bräune — und stillten einige Mut-ter-BIutilüsse mit etwas von den Blättern des für sich Mutter-Blutsturz hervorbringenden Sadebaums, ohne das homöopathische Heil-Gesetz zu erkennen. — Bei der Verstopfung von eingeklemmten Brüchen und im Ileus befanden mehre Aerzte den die Darm-Ausleerung zurückhaltenden Mohnsaft in kleiner Gabe als eins der vorzüglichsten und sichersten Hülfsmittel und ahneten dennoch das hier waltende homöopathische Heil-Gesetz nicht. — Sie heilten unvenerische Rachen-Geschwüre durch kleine Gaben des hier homöopathischen Quecksilbers — stillten mehre Durchfälle durch kleine Gaben der Darm ausleerenden Rhabarber — heilten die Hundswuth mit der ein ähnliches Uebel hervorbringenden Belladonne und entfernten den in hitzigen Fiebern nahe Gefahr drohenden comatösen Zustand mit einer kleinen Gabe des erhitzend betäubenden Mohnsaftes wie durch einen Zauberschlag und schimpfen dennoch auf die Homöopathie! Was soll man von ihnen denken? G 98 lieh, wie die in obiger Einleitung angeführten Beispiele lehren, nie und auf keine Art anders, denn durch Arzneien von homöopathischer, das ist, ähnliche Krankheit erregender Kraft, als der zu heilende Krankheitsznstand war; sie erfolgten schnell nnd dauerhaft durch Arzneien, deren ärztliche Ver-ordner sie, selbst im Widerspruche mit den Lehren aller bisherigen Systeme und Therapien, wie durch ein Ungefähr ergriffen (oft ohne selbst recht zu wissen, was sie thaten und warum sie es thaten), und so, wider ihren ^Willen, die Notwendigkeit des einzig naturgemäfsen Heilgesetzes, der Homöopathie, thätlich bestätigen mufsten, eines Heilgesetzes, welches kein ärztliches Zeitalter bisher, von medici-nischen Vorurtheilen geblendet, aufzufinden sich bemühte, so viele Thatsachen und so unzählige TVinke sie auch dazu hinleiteten. Denn sogar die Hausmittel-Praxis der mit gesundem Beobachtongssinn begabten, unärztlichen, Classe von Menschen hatte diese Heilart vielfältig als die sicherste, gründlichste und untrüglichste in der Erfahrung befunden. Auf frisch erfrorne Glieder legt man gefrornes Sauerkraut oder reibt sie mit Schnee. Eine mit kochender Brühe begossene Hand hält der erfahrne Koch dem Feuer in einiger Entfernung nahe und achtet den dadurch anfänglich vermehrten Schmerz nicht, da er aus Erfahrung weifs, dafs er hiemit in kurzer Zeit, oft in wenigen Minuten, die 99 verbrannte Stelle zur gesunden, schmerzlosen Hant wieder herstellen kann l). Andre verständige Nichtärztc, zum Beispiel die Lackirer, legen auf die verbrannte Stelle ein ähnliches, Brennen erregendes Mittel, starken, wohl erwärmten Weingeist*), oder Terb entin - 1 ) So hält auch schon Fernelius (Therap. lib. VI. Cap. 20.) die Annäherung des verbrannten Theils ans Feuer für das geeignetste Hülfsmittel, wodurch der Schmerz aufhöre. John Hunter (On the blood, inflammation etc. S. 218.) führt die grofsen Nachtheile von Behandlung der Verbrennungen mit kaltem Wasser an, und zieht die Annäherung ans Feuer bei weitem vor, — nicht nach den hergebrachten medicinischen Lehren, welche {contraria contrariis) kältende Binge für Entzündung gebieten, sondern durch Erfahrung belehrt, dafs eine ähnliche Erhitzung (similia similibus) das heilsamste sey. 2) Sydenham (Opera, S. 271.) sagt: „Weingeist sey gegen Verbrennungen jedem andern Mittel vorzuziehen, wiederholentlich aufgelegt." Auch Ben/. Bell (System of surgery, third, edit. 1789.) mufs der Erfahrung die Ehre geben, welche nur homöopathische Mittel als die einzig heilbringenden zeigt. Er sagt: „Eins der besten Mittel für alle Verbrennungen ist Weingeist. Beim Auflegen scheint er auf einen Augenblick den Schmerz zu vermehren (m. s. unten §. 164.), aber diefs läfst bald nach und es erfolgt eine angenehme, beruhigende Empfindung darauf. Am kräftigsten ist es, wenn man die Theile in den Weingeist eintaucht; wo diefs aber nicht angeht, müssen sie ununterbrochen bedeckt von leinenen Lappen, mit Weingeist angefeuchtet, erhalten werden." Ich aber setze hinzu: der warme und zwar sehr warme Weingeist ist hier noch weit schneller und weit ge- G 2 100 O el ') und stellen sich binnen wenigen Stunden damit wieder her, während die kühlenden Salben, wie wisser hülfreich, weil er noch weit homöopathischer ist, als der unerwärmte. Und diefs bestätigt jede Erfahrung zum Erstaunen. 1) Edw. Kentish, welcher die in den Steinkohlengru-ben so oft gräfslich von dem entzündlichen Schwaden verbrannten Arbeiter zu behandeln hatte, „läfst h e if s gemachtes Terbentinöl oder "Weingeist auflegen, als das vorzüglichste Rettungsmittel bei den gröfsten und schwersten Verbrennungen" (Essay on Burns, London 1798. Second. Essay). Keine Behandlung kann homöopathischer seyn, als diese, aber es giebt auch keine heilsamere. Der ehrliche und hocherfahrne Heister (Institut. Chirurg. Tom. I. S. 333.) bestätigt diefs aus seiner Erfahrung und rühmt „die Auflegung des Tcrbentinöls, des Weingeistes und möglichst heifser Breie zu dieser Absicht, so heifs man sie nur erleiden könne." Am unwiderlcglichsten aber sieht man den erstaunlichen Vorzug dieser, Brenn-Empfindung und Hitze für sich erregenden (also hier homöopathischen) Mittel auf die durch Verbrennung entzündeten Theüe gelegt, vor den palliativen, kühlenden und kältenden Mitteln, bei reinen Versuchen, wo beide entgegengesetzte Curmethoden an demselben Körper und bei gleichem Verbrennungsgrade zur Ver-gleichung angewendet wurden. So liefs John Bell (in Kuhns phys. med. Journale, Leipz. 18C1. Jun. S. 428.) einer verbrühe ten Dame den einen Arm mit Terbentinöl benetzen, den andern aber in kaltes Wasser tauchen. Der erstere Arm befand sich schon in einer halben Stunde wohl, der andre aber fuhr sechs Stunden fort zu schmerzen; wenn er nur einen Augenblick aus dem Wasser gezogen ward, empfand sie daran weit gröfsere Schmerzen, und er bedurfte weit längere Zeit, als ersterer, zum Heilen. 101 sie wissen, diefs in eben so vielen Monaten nicht ausrichten, kaltes Wasser *) aber Uebel ärger macht. Der alte, erfahrne Schnitter wird, wenn er auch So behandelte auch John Anderson (bei Kentish, am angef. Orte S. 43.) ein Frauenzimmer, das sich Gesicht und Arm mit kochendem Fette verbrannt hatte. „Das Gesicht, welches sehr roth und verbrannt war, und ihr heftig schmerzte, ward nach einigen Minuten mit Terbentinöl belegt, den Arm aber hatte sie selbst schon in kaltes Wasser gesteckt und wünschte ihn einige Stunden damit zu be-\ handeln. Nach sieben Stunden sah ihr Gesicht schon wei$ besser aus und war erleichtert. Das kalte Wasser für den. Arm hatte sie oft erneuert; wenn sie ihn aber herausnahm, so klagte sie sehr über Schmerz, und in der That hatte die Entzündung daran zugenommen. Den Morgen darauf fand ich, dafs sie die Nacht grofse Schmerzen am Arme gehabt hatte; die Entzündung ging über den Ellbogen herauf; verschiedne grofse Blasen waren aufgegangen und dicke Schorfe hatten sich auf Arm und Hand angesetzt, worauf nun warmer Brei gelegt ward. Das Gesicht aber war vollkommen schmerzlos; der Arm hingegen mufste 14 Tage lang mit erweichenden Dingen verbunden werden, ehe er heilte." Wer erkennt hier nicht den unendlichen Vorzug der (homöopathischen) Behandlung durch Mittel von ähnlicher Einwirkung vor dem elenden Verfahren durch Gegensatz (contraria contra-riis) nach der uralten, gemeinen Arzneikunst? 1) Nicht nur J. Hunter führt (ain gedachten Orte) die grofsen Nachtheile von der Behandlung der Verbrennungen1 mit kaltem Wasser an, sondern auch W. Fabric, con Hilden (De combustionibus libellus, Basil. 1607. Cap. 5. S.U.) versichert: „Kalte Umschläge sind bei Verbrennungen höchst nachtheilig und bringen die schlimmsten Zustände hervor; fes erfolgt davon Entzündung, Eiterung und zuweilen Brand." 102 sonst keinen Branntwein trinkt, doch in dem Falle, wenn er in der Sonnengluth sich his zum hitzigen Fieber, angestrengt hat, nie kaltes Wasser [contraria contrariis) trinken — er kennt das Verderbliche dieses Verfahrens — sondern er nimmt etwas Weniges einer, Hitze hervorbringenden Flüssigkeit, einen mäfsigen Schluck Branntwein zu sich; die Lehrerin der Wahrheit, die Erfahrung, überzeugte ihn von dem grofsen Vorzüge und der Heilsamkeit dieses homöopathischen Verfahrens; seine Hitze wird schnell hinweggenommen, so wie seine Ermüdung *). Ja, es gab -sogar von Zeit zu Zeit Aerzte, welche ahneten, dafs die Arzneien durch ihre Kraft, analoge Krankheits-Symptome zu erregen, analoge Krankheits-Zustände heilen 2). So sagt der Verfasser des unter den Hippokra-tischen befindlichen Buchs: nsçi tóinov roov y.àx âv&()Cû7tov 3 ) die merkwürdigen Worte : dia rà òfioia vovgoç ¦ytvsrai, y.ai Sia tà ofioua nçoçysço- 1) Zimmermann (Ueber die Erfahrung, li. S. 318.) lehrt, dafs die Bewohner heifser Länder, mit dem besten Erfolge, eben so verfahren, und nach grofsen Erhitzungen etwas geistige Flüssigkeit zu sich nehmen. 2) Auch diese folgenden Stellen aus den die Homöopathie ahnenden Schriftstellern führe ich nicht als Erweise der Gegründetheit dieser Lehre an, die wohl durch sich selbst fest steht, sondern um dem Vorwurfe zu entgehen, als hätte ich diese Ahnungen verschwiegen, um mir die Priorität der Idee zu sichern. 3) Basil. Froben. 1538. S. 72. 103 pevce èx voGsvvTwv vyialvovrai, — Sia rò èpêeiv &re-TOQ navarca. — Gleichfalls haben euch nachgängige Aerzte die Wahrheit der homöopathischen Heilart gefühlt und ausgesprochen. So sieht z. B. Boulduc *) ein, dafs, die purgirende Eigenschaft der Rhabarber die Ursache ihrer Durchfall stillenden Kraft sey. Delharding errälh 2), dafs der Sensblätter-Auf-gufs Colik bei Erwachsenen stille, vermöge seiner analogen, Colik erregenden Wirkung bei Gesunden. Bertholon 3) gesteht, dafs die Electrisität den höchst ähnlichen Schmerz, den sie selbst errege, in Krankheiten abstumpfe und vernichte. Thoury *) bezeugt, dafs die positive Electrisität an sich zwar den Puls beschleunige, aber wenn er krankhaft schon zu schnell sey, denselben langsamer mache. Von Stoerck s) kommt auf den Gedanken: „Wenn der Stechapfel deu Geist zerrüttet und bei Gesunden Wahnsinn hervorbringt, sollte man denn nicht versuchen dürfen, ob er bei Wahnsinnigen durch Umänderung der Ideen gesunden Verstand wiederbringen könne?" Am deutlichsten aber hat ein dänischer Regiments - Arzt, Stahl, seine Ucberzeugung hierüber 1) Mémoires de l'académie royale, 1710. 2) Epli. Nat. Cur. Cent. X. obs. 76. 3) Medicin. Electrisität, II. S. 15 uud 282. 4) Mémoire lu à l'acad. de Caen. 5) Libell. de stram. S. 8. 104 ausgesprochen, da er *) sagt: „Ganz falsch und verkehrt sey die in der Arzneikunst angenommene Regel, man müsse durch gegenseitige Mittel (contraria contrariis) curiren; er sey im Gegentheile überzeugt, dafs durch ein ähnliches Leiden erzeugendes Mittel (similia similibus) die Krankheiten weichen und geheilt werden, — Verbrennungen durch Annäherung ans Feuer, erfrorne Glieder durch aufgelegten Schnee und das kälteste Wasser, Entzündung und Quetschungen durch abgezogene Geister, und so heile er die Neigung zu Magensänre durch eine sehr kleine Gabe Vitriolsäure, mit dem glücklichsten Erfolge, in den Fällen, wo man eine Menge absorbirender Pulver vergeblich gebraucht habe." So nahe war man zuweilen der grofsen Wahrheit! Aber man liefs es bei einem flüchtigen Gedanken bewenden, und so blieb die so unentbehrliche Umänderung der uralten ärztlichen Krankheitsbehandlung , des bisherigen unzweckmäfsigen Curi-rens in eine ächte, wahre und gewisse Heilkunst, bis auf unsere Zeiten unausgeführt. 1) In Jo. Hummelii Commentatio de Arthritide tarn tartarea, quam scorbutica, seu podagra et scorbuto, Büdin-gae 1738. 8. S. 40—42. §. 1. -L'es Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt. *) §. 2. Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit 1) Nicht aber (womit so viele Aerzte bisher Kräfte und Zeit ruhmsüchtig verschwendeten) das Zusammenspinnen leerer Einfalle und Hypothesen über das innere Wesen des Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehungen im unsichtbaren Innern zu sogenannten Systemen, oder die unzähligen Erklärungsversuche über die Erscheinungen in Krankheiten und die, ihnen stets verborgen gebliebne, nächste Ursache derselben u. s. w. in unverständliche Worte und einen Schwulst abstracter Redensarten gehüllt, welche gelehrt klingen sollen, um den Unwissenden in Erstaunen eu setzen — während die kranke Welt vergebens nach. Hülfe seufzte. Solcher gelehrter Schwärmereien (man nennt es theoretische Arzneikunst und hat sogar eigne Professuren dazu) haben wir nun gerade genug, und es wird hohe Zeit, dafs, was sich Arzt nennt, endlich einmal aufhöre, die armen Menschen mit Geschwätze zu täuschen, und dagegen nun anfange, zu handeln, das ist, wirklich zu helfen und zu heilen. 106 in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten "Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen. §. 3. Sieht der Arzt deutlich ein, was an Krankheiten, das ist, was an jedem einzelnen Krankheilsfalle insbesondere zu heilen ist (Krankheits-Er-kenntnifs, Indication), sieht er deutlich ein, was an den Arzneien, das ist, an jeder Arznei insbesondere, das Heilende ist (Kenntnifs der Arzneikräfte), und weifs er nach deutlichen Gründen das Heilende der Arzneien auf das, was er an dem Kranken unbezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so anzupassen, dafs Genesung erfolgen mufs, anzupassen, sowohl in Hinsicht der Angemessenheit der für den Fall nach ihrer Wn-kungsart geeignetsten Arznei (Wahl des Heilmittels, Indicat), als auch in Hinsicht der genau erforderlichen Menge derselben (rechte Gabe) und der gehörigen W^ederho-lungszeit der Gabe: — kennt er endlich die Hindernisse der Genesung in jedem Falle und weifs sie hinwegzuräumen, damit die Herstellung von Dauer sey: so versteht er zweckmäfsig und gründlich zu handeln und er ist ein ächter Heilkünstler. §• 4. Er ist zugleich ein Gesundheil-Erhalter, wenn er die Gesundheit störenden und Krankheit erzeugenden und unierhaltenden Dinge kennt und sie von den gesunden Menschen zu entfernen weifs. 107 «. 5. Es läfst sich denken, dafs jede Krankheit eine Veränderung im Innern des menschlichen Organismus voraussetzt. Diese wird jedoch nach dem, was die Krankheits-Zeichen davon verrathen, (und sonst giebt es keine Data dazu in unchirargi-schen Krankheiten), vom Verstände blofs dunkel und trüglich geahnet; an sich erkennbar aber und auf irgend eine Weise täuschungslos erkennbar ist das Wesen dieser innern, unsichtbaren Veränderung nicht. §. 6. Das unsichtbare, krankhaft Veränderte im Innern und die unsern Sinnen merkbare Veränderung des Befindens im Aeufsern (Symptomen-Inbegriff) bilden zusammen vor dem Blicke der schaffenden Allmacht, was man Krankheit nennt; aber blofs die Gesammtheit der Symptome ist die dem Heilkiinstler zugekehrte Seite der Krankheit, blofs diese ist ihm wahrnehmbar und das Hauptsächlichste, was er von der Krankheit wissen kann und zu wissen braucht zum Heil-Behufe x). 1) Ich weifs daher nicht, wie es möglich war, dafs man am Krankenbette, ohne auf die Symptome zu achten, oder sich nach ihnen bei der Heilung zu richten, das an der Krankheit zu Heilende blofs im verborgnen und unerkennbaren Innern suchen zu müssen und finden zu können sich einfallen liefs, mit dem prahlerischen und lächerlichen "Vorgeben, dafs man diefs im unsichtbaren Innern Veränderte, ohne sonderlich auf die Symptome eu achten, erken- 108 $. 7. Als Beihülfe der Heilang dienen dem Arzte die Data der wahrscheinlichsten Veranlassung der acuten Krankheit, so wie die bedeutungsvollsten Momente aus der ganzen Krankheits - Geschichte des langwierigen Siechthums, um dessen Grundursache, die meist auf einem chronischen Miasm Beruht, ausfindig zu machen, wobei die erkennbare Leibes-Beschaffenheit des (vorzüglich des langwierig) Kranken, sein gemüthlicher und geistiger Charakter, seine Be- nen und mit Arzneien wieder in Ordnung bringen könne, und dafs diefs einzig gründlich und rationell curiren heifse. Ist denn das durch die Zeichen an Krankheiten sinnlich Erkennbare nicht mit dem im Innern, an sich Unerkennbaren Eins? Ist Letzteres denn nicht blofs die von uns unerreichbar unkenntliche Seite, jenes hingegen die offenbar und mit Gewifsheit von gesunden Sinnen wahrnehmbare, uns von der Natur hauptsächlich als Heilobject dargebotene Seite derselben Krankheit? Wer kann das Gegentheil darthun? Ist es daher nicht thöricht, den unerkennbar unsichtbaren innern Zustand der Krankheit, die sogenannte prima causa morbi zum Heilgegenstande sich vorzunehmen, dagegen aber die sinnlich pnd deutlich wahrnehmbare Seite derselben Krankheit, die vernehmlich zu uns sprechenden Symptome als Heilgegenstand zu verwerfen und vornehm zu verachten? *) *) „Der nach den verborgnen Verhältnissen im Innern des Organisms forschende Arzt kann täglich irren; der Homöo-„pathiker aber, wenn er mit gehöriger Sorgfalt das treue „Bild der gesammten Symptomcn-Gruppe auffafst, hat einen „sichern Wegweiser, und ist es ihm gelungen, die ganze „Symptomen - Gruppe zu entfernen, so hat er sicherlich „auch die innere, verborgene Krankheits-Ursache gehoben." Rau, a. a. O. S. 103. 109 schäftigungen, seine Lebensweise und Gewohnheiten, seine bürgerlichen Verhältnisse, sein Alter und seine geschlechtliche Function, n. s. w. in Rücksicht zu nehmen sind. §. 8. Der vorurtheillose Beobachter — er kennt die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelnngen, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen — nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzelnen Krankheit nichts, als äufserlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen des Befindens Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehemaligen Zustande des jetzt Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beobachtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen reprä-sentiren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit. §. 9. Da man nun an einer Krankheit, von welcher keine sie offenbar veranlassende oder unterhaltende Ursache {causa occasionalis) zu entfernen ist 1), 1) Dafs jeder verständige Arzt diese zuerst hinwegräumen wird, versteht sich von selbst; dann läfst das Uebel-befinden gewöhnlich von selbst nach. Er wird den die Augen-Entzündung erregenden Splitter aus der Hornhaut ziehen, den Brand drohenden, allzufesten Verband eines verwundeten Gliedes lösen und passender anlegen, die Ohn- 110 sonst nichts wahrnehmen kann, *als' a'e ganze gegenwärtige Krankheit schnell, gründlich und dauerhaft aufhebe und in Gesundheit verwandle, und dafs alle Arzneien die ihnen an ähnlichen Symptomen möglichst nahe kommenden Krankheiten ohne Ausnahme heilen und keine derselben ungeheilt lassen. §. 21. Diefs beruht auf jenem, bisher unerkannten, aller wahren Heilung von jeher zum Grunde liegenden homöopathischen Naturgesetze: Eine schwächere dynamische Affection wird im lebenden Organism von einer stärkern dauerhaft ausgelöscht, wenn diese (der Art nach von ihr abweichend) jener sehr ähnlich in ihrer Aeufserung ist *). 1) So werden auch physische Affectionen und moralische Uebel geheilt. — "Wie kann in der Frühdämmerung der hellleuchtcnde Jupiter vom Sehnerven des ihn Betrachtenden verschwinden? Durch eine stärkere, sehr ähnlich auf den Sehnerven einwirkende Potenz, die Helle des anbrechenden Tages! — Womit pflegt man in von Übeln Gerüchen angefüllten Oertcrn die beleidigten Nasennerven wirksam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, der den Geruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift ! Keine ]\Iusik, kein Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben, 119 §. 22. Das Hcilvermó'gen der Arzneien beruht daher (§. 17 — 21) auf ihren der Krankheit ähnlichen und dieselben an Kraft überwiegenden Symptomen, so dafs jeder einzelne Krankheitsfall nur durch eine, die Gesammtheit seiner Symptome am ähnlichsten und vollständigsten (im menschlichen Befinden) selbst zu erzeugen fähige Arznei, welche zugleich die Krankheit an Stärke übertrifft, am gewissesten, gründlichsten, schnellsten und dauerhaftesten vernichtet und aufgehoben wird. würde diesen Geruchs-Ekel heilen. ¦— Wie schlau wufste der Krieger das Gewinsel des Spitzruthen-Läufers aus den mitleidigen Ohren der Umstehenden zu verdrängen? Durch die quiekende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel gepaart! Und den in seinem Heere Furcht erregenden, fernen Donner der feindlichen Kanonen? Durch das tief erbehende Erummen der grofsen Trommel! Für beides würde weder die Austbeilung eines glänzenden Montirungsstücks, noch irgend ein dem Regimente ertlieiller Verweis geholfen haben. — So wird auch Trauer und Gram durch einen neuen, stärkeren, jemand Anderm begegneten Trauerfall, gesetzt, er sey auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht. Der Nachtheil von einer allzu lebhaften Freude wird durch den Ueberfrcudigkeit erzeugenden Kaffeetrank gehoben. — Völker, wie die Deutschen, Jahrhunderte hindurch allmälig mehr und mehr in willenlose Apathie und unterwürfigen Sklavensinn herabgesunken, mufslen erst von dem Tyrannen aus "Westen noch tiefer in den Staub getreten werden, bis zum Unerträglichen, und hiedurch erst ward ihre Selbst-Nichtachtung überstimmt und aufgehoben, es ward ihnen ihre Menschenwürde wieder fühlbar, und sie erhoben ihr Haupt zum ersten Male wieder als deutsche Männer. 120 §. 23. Da dieses Naturheilgesetz sich in allen reinen Versuchen nnd allen ächten Erfahrungen der Welt beurkundet, die Thatsache also besteht, so kommt anf die scientifische Erklärung, wie diefs zugehe, wenig an; und ich setze wenig Werth darauf, dergleichen zu versuchen. Doch bewährt sich folgende Ansicht als die wahrscheinlichste, da sie sich auf lauter Erfahrungs-Prämissen gründet. §. 24. Indem jede (nicht der Chirurgie einzig anheimfallende) Krankheit eine besondre, blofs dynamische Verstimmtheit unsrer Lebenskraft in Gefühlen und Thätigkeiten ist, die sjch durch sinnlich wahrnehmbare Symptome zu erkennen giebt, so wird diese krankhaft verstimmte Lebenskraft durch eine, von dem verständigen Heilkünstler homöopathisch gewählte Arznei-Potenz in eine andre, aber sehr ähnliche, um etwas Weniges gröfsere Arznei-Krankheit versetzt, wodurch die vorige, natürliche, krankhaft verstimmende Potenz, da sie stets nur dynamische Kraft, ohne Materie war, zu exi-stiren aufhört, während die an ihre Stelle getretene, arzneiliche Krankheits-Affection, ihrer Natur nach, bald wieder von der Lebenskraft überwunden, auch ihrerseits verlöscht und diefs Körper belebende und erhaltende Wesen in seiner ursprünglichen 121 Integrität und Gesundheit zurückläfst. — Dieser höchst wahrscheinliche Vorgang beruht auf folgenden Sätzen. §. 25. Der menschliche Körper scheint sich in seinem Befinden durch Arzneien (auch dcfshalb, weil die Einrichtung der Gabe derselben in unsrer Macht steht) wirksamer umstimmen zu lassen, als durch natürliche Krankheits-Reize — denn natürliche Krankheiten werden durch angemessene Arznei geheilt und überwunden. §. 26. Auch besitzen die feindlichen, theils psychischen, theil physischen Potenzen im Erdenleben, welche man krankhaffe Schädlichkeiten nennt, nicht unbedingt die Kraft, das menschliche Befinden krankhaft zu stimmen '); sondern wir erkranken durch sie nur dann, wenn unser Organism so eben dazu disponili; und aufgelegt genug ist, von der gegenwärtigen 1) Wenn ich Krankheit eine Stimmung oder Verstimmung des menschlichen Befindens nenne, so bin ich ¦weit entfernt, dadurch einen hyperphysischen Aufschlufs über die innere Natur der Krankheiten überhaupt oder eines einzelnen Krankheitsfalles insbesondere geben zu wollen. Es soll mit diesem Ausdrucke nur angedeutet werden, was die Krankheiten erwiesener Mafsen nicht sind, und nicht seyn können, nicht mechauische oder chemische Veränderungen der materiellen Körpersubstanz und nicht von einem materiellen Krankheits-Stoffe abhängig — sondern blofs geistige, dynamische Verstimmungen des Lebens. 122 Krankheits-Ursache angegriffen tmd in seinem Befinden verändert, verstimmt nnd in innormale Gefühle und Thäligkeiten versetzt zu werden — sie machen daher nicht Jeden und nicht zu jeder Zeit krank. §. 27. Ganz anders verhält sich's aber mit den künstlichen Krankheitspotenzen, die wir Arzneien nennen. Jede wahre Arznei wirkt nämlich zu jeder Zeit, unter allen Umständen auf jeden lebenden Menschen und erregt in ihm die ihr eigenthümlichen Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend, wenn die Gabe grofs genug war), so dafs offenbar jeder lebende menschliche Organism jederzeit und durchaus (unbedingt) von der Arzneikrankheit behaftet und gleichsam angesteckt werden mufs, welches, wie gesagt, mit den natürlichen Krankheiten gar nicht der Fall ist. §. 28. Aus allen Erfahrungen gehet diesemnach unleugbar hervor, dafs der menschliche Körper bei weitem aufgelegter und geneigter ist, sich von den arzneilichen Kräften erregen und sein Befinden umstimmen zu lassen, als von krankhaften Schädlichkeiten und Ansteckungsmiasmen, oder, was dasselbe sagt, dafs die krankhaften Schädlicbkcitqn eine untergeordnete und bedingte, oft sehr bedingte, die Arzneikräfte aber eine absolute, unbedingte, jene weit überwiegende Macht besitzen, das menschliche Befinden krankhaft umzustimmen. 123 §. 29. Die gröfsere. Starke der durch Arzneien zu he-wirkenden Kunst - Krankheiten ist jedoch nicht die einzige Bedingung ihres Vermögens, die natürlichen Krankheiten zu heilen. Es wird ehen so gewifs zur Heilung erfordert, dafs sie eine der zu heilenden Krankheit möglichst ähnliche Kunst-Krankheit im menschlichen Körper zu erzeugen fähig seyen, um durch diese, mit gröfserer Stärke gepaarte Aehn-lichkeit sich an die Stelle der natürlichen Krankheit zu setzen und sie auf diese Art auszulöschen. Diefs ist so wahr, dafs sogar keine ältere Krankheit durch eine neu hinzutretende unähnliche Krankheit, sey diese auch noch so stark, von der Natur selbst nicht geheilt werden kann, und ehen so wenig durch ärztliche Curcn mit Arzneien, welche keinen ähnlichen Krankheitszustand im gesunden Körper zu erzeugen vermögend sind. §. 30. Diefs zu erläutern, werden wir in drei verschied-nen Fällen sowohl den Vorgang in der Natur hei zweien im Menschen zusammentreffenden natürlichen, einander unähnlichen Krankheiten, als auch den Erfolg von der gemeinen ärztlichen Behandlung der Krankheiten mit allopathisch unpassenden Arzneien betrachten, welche keinen der zu heilenden Krankheit ähnlichen, künstlichen Krankheitszustand hervorzubringen fähig sind, woraus erhellen wird, dafs selbst die Natur nicht vermögend ist, durch eine unhomöopathische, selbst stärkere Krankheit eine 124 schon vorhandne unähnliche anfzuhehen, so wenig onhomöopathische Anwendung auch noch so starker Arzneien irgend eine Krankheit zu heilen jemals im Stande ist. §. 31. I. Entweder sind beide, sich unähnliche, im Menschen zusammentreffende Krankheiten von gleicher Stärke, oder ist vielmehr die ältere stärker, so wird die neue durch die alte vom Körper abgehalten und nicht zugelassen. Ein schon an einer schweren chronischen Krankheit Leidender wird von einer mäfsigen Herbstruhr oder einer andern Seuche nicht angesteckt. — Die levantische Pest kommt, nach Larrey *), nicht dahin, wo der Scharhock herrscht, und an Flechten leidende Personen werden von ihr nicht angesteckt. Rhachitis läfst, nach Jenner, die Schutzpockenimpfnng nicht haften. Geschwürig Lungensüchtige werden von nicht allzu heftigen epidemischen Fiebern nicht angesteckt, nach von Hildenbrand. §. 32. Und so bleibt auch bei einer gewöhnlichen ärztlichen Cur ein altes chronisches Uebel un-geheilt und wie es war, wenn es nach gemeiner Cur-Art allopathisch, das ist, mit Arzneien, die keinen der Krankheit ähnlichen Befindenszustand für sich in gesunden Menschen erzeugen können, nicht 1) Mémoires et observations, in der Description de l'Egypte, Tom. I. 125 allzu heftig behandelt wird, selbst wenn die Cur Jahre lang dauerte. Diefs sieht man in der Praxis, täglich und es bedarf keiner bestätigenden Beispiele. Ç. .-HJ. 17. Oder die neue unähnliche Krankheit ist stärker. Hier wird die, woran der Kranke bisher litt, als die schwächere, vonider starkem hinzutretenden Krankheit so lange aufgeschoben und suspendirt, bis die neue wieder Verflossen oder geheilt ist, dann kommt die alte ungeheilt wieder hervor. Zwei mit einer Art Fallsucht behaftete Kinder blieben nach Ansteckung mit dem Grindkopfef {tinca) von epileptischen Anfallen frei; sobald aber der Kopfausschlag wieder verging, war die Fallsucht wieder da, wie zuvor, nach Tulpius ') Beobachtung. ( Die Krätze, wie Schöpf*) sah, verschwand, als der Scharbock eintrat, kam aber nach Heilung des Scharbocks wieder zum Vorscheine. So stand die geschwürige Lungensucht still, wie der Kranke von einem heftigen Typbus ergriffen ward> ging aber nach dessen Verlaufe Tvieder ihren Gang fort 3). — Tritt eine Manie zur Lungensucht, so wird diese mit allen ihren Symptomen von ersterer hinweggenommen; vergeht aber der Wahnsinn, so kehrt die Lungensucht gleich zurück und tödtet *). — Wenn die Ma- 1) Obs. IIb. I. obs. 8. 2) In Huf eland's Journal, XV. II. 3) Chevalier in IIufelancFs neuesten Annalen der französischen Heilkunde. II. S. 192. 4) Mania phthisi superveniens eam cum omnibus suis 126 sera und Menschenpocken zugleich herrschen und Leide dasselbe Kind angesteckt haben, so werden gewöhnlich die ausgebrochenen Masern von den dann hervorbrechenden Menschenpocken in ihrem Verlaufe aufgehalten, den sie nicht eher wieder fortsetzen, bis die Kindblattern abgeheilt sind ; doch wurden nicht selten auch die nach der Einimpfung ausgebrochenen Menschenpocken von den indefs hervorkommenden Masern vier Tage lang suspendirt, wie Man-get 1) bemerkte, nach deren Abschuppung die Pok-ken dann ihren Lauf bis za Ende fortsetzen. Auch wenn der Impfstich von Menschenpocken schon sechs Tage gehaftet hatte, und die Masern nun ausbrachen, stand die Impf-Entzündung still, und die Pocken brachen nicht eher aus, bis die Masern ihren siebentägigen Verlauf vollendet hatten 2). Den vierten oder fünften Tag nach eingeimpften Menschenpocken brachen bei einer Maser-Epidemie bei Vielen Masern aus, und verhinderten den Pockenausbruch, bis sie selbst vollkommen verlaufen waren, dann kamen erst die Pocken und verliefen gut 3). Das wahre, glatte, rothlau far lige, Sydenhamischc 4) Scharlachfieber mit Bräune ward den vierten Tag durch den Ausbruch phaenomenis auffert, verum mox redît pnthisis et oeeidit, abeunte mania. Reit, Memorab. Fase. III. v. S. 171. 1) In Edinb. med. Comment. Th. I. I. 2) John Hunter, über die vener. Krankheiten. S. 5. 3) Rainey in med. Comment, of Edinb. III. S. 480. 4) Auch von Withering und Plenciz sehr richtig beschrieben, vom Purpur aber (oder dem rothen Hunde), 127 der Kuhpocke gehemmt, welche völlig his šu Ende verlief, nach deren Endigung dann erst das Scharlachfieber sich wieder einstellte; so ward aber auch, da beide von gleicher Stärke zu seyn scheinen, die Kuhpocke am achten Tage von dem ausbrechenden wahren, glatten, Sydenhamischen Scharlachfieber sus-pendirt, und ihr rolher Hóf verschwand, bis das Scharlachfieber vorüber war, worauf die Kuhpocke sogleich ihren Weg bis zu Ende fortsetzte '). Die Masern suspendirten die Kuhpocke: am achten Tage, da die Kuhpocken ihrer Vollkommenheit nahe waren, brachen die Masern aus, die Kuhpocken standen nun still, und erst da die Masern sich abschuppten, gingen die Kuhpocken wieder ihren Gang bis zur Vollendung, so dafs sie den sechszehnten Tag aussahen, wie sonst am zehnten, wie Korlum beobachtete 2). Auch bei schon ausgebrochenen Masern schlug die Kulipockenimpfung noch an, machte aber ihren Verlauf erst, da die Masern vorbei waren, wie ebenfalls Korturn bezeugt 3). Ich selbst sah einen Bauerwezel {angina paro-tidea, Mumps, Ziegenpeter, Tölpel) sogleich ver- was man auch Scharlachfieber zu nennen beliebt, höchst verschieden. 1) Jenner in Medlcinische Annalen, 1800. Aug. S. 747. 2) In Huf eland's Journal d. practischen Arzneikunde. XX. m. S. 5Q. 3) A. a. 0. 128 schwinden, als die Schutzpockenimpfung gehaftet hatte nnd sich ihrer Vollkommenheit näherte; erst nach völligem Verlaufe der Kuhpocke und der Verschwindung ihres rothen Hofs trat diese fieberhafte Ohr- und Unterkiefer-Drüsengeschwulst von eignem Miasm (der Bauerwezel) wieder hervor und durchging ihre siebentägige Verlaufzeit. Und so sbspendiren sich alle einander unähnliche Krankheiten, die stärkere die schwächere (wo sie sich nicht, wie bei acuten selten geschieht, compliciren), heilen einander aber nie. §. 34. Diefs sah nun die gewöhnliche Arzneischule so viele Jahrhunderte mit an; sah,-dafs die Natur selbst nicht einmal irgend eine Krankheit durch Hinzutritt einer andern, auch noch so starken, heilen kann, wenn die hinzutretende der schon im Körper wohnenden unähnlich ist. Was soll man von ihr denken, dafs sie dennoch fortfuhr, die chronischen Krankheiten mit allopathischen Curen zu behandeln, nämlich mit Arzneien und Recepten, die, Gott weifs, welchen? doch fast stets einen dem zu heilenden Uebel nur unähnlichen Krankheitsznstand selbst zu erzeugen vermögend waren1? Und wenn die Aerzte bisher die Natur auch nicht genau beobachteten, «o hätten sie doch aus den elenden Folgen ihres Verfahrens inne werden sollen, dafs sie auf zweckwidrigem, falschem Wege waren. Sahen sie denn nicht, wenn sie, wie allgewöhnlich, gegen eine lang- wie- 129 wierige Krankheit eine angreifende, allopathische Cur brauchten, dafs sie damit nur eine der ursprünglichen unähnliche Kunstkrankheit erschufen, welche nur so lange sie unterhalten ward, das ursprüngliche Uebel blofs zum Schweigen brachte, blofs unterdrückte und blofs suspendirte, was jedoch allemal wieder zum Vorschein kam und kommen mufste, sobald die Kraft-Abnahme des Kranken nicht mehr gestattete, die allopathischen Angriffe auf das Leben fortzusetzen? So verschwindet freilich durch oft wiederholte, heftige Purganzen der Krätz-Ausschlag gar bald von der Haut, aber wenn der Kranke die erzwungene (unähnliche) Darmkrankheit nicht mehr aushalten und die Purganzen nicht mehr einnehmen kann, dann blüht entweder der Haut-Ausschlag, nach wie vor, wieder auf, oder die innere Psora entwickelt sich zu irgend einem bösen Symptome, da dann der Kranke, aufser seinem unverminderten, ursprünglichen Uebel, noch eine schmerzhafte, zerrüttete Verdauung und Kräfte-Verlust, zur Zugabe, zu erdulden hat. So, wenn die gewöhnlichen Aerzte künstliche Haulgeschwüre und Fontanelle äufserlich am Körper unterhalten, um dadurch eine chronische Krankheit zu tilgen, so können sie zwar nie damit ihre Absicht erreichen, können dieselbe nie damit heilen, da solche künstliche Hautgeschwüre dem in-nern Leiden ganz fremd und allopathisch sind; aber indem der durch mehre Fontanelle erregte Reiz ein zuweilen stärkeres (unähnliches) Uebel ist, als die inwohnende Krankheit, so wird diese dadurch I 130 nicbt selten auf einige Zeit zum Scbweigen gebracht und suspendirt. Aber aucb nur snspendirt, und zwar unter allmäliger Abmergelung des Kranken. Viele Jahre hindurch von Fontanellen unterdrückte Fallsucht kam stets und schlimmer wieder zum Vorscheine, sobald man sie zuheilen liefs, wie Pechlin l) und Andre bezeugen. Purganzen können aber für die Krätze, und Fontanelle für eine Fallsucht nicht fremdartigere, nicht unähnlichere Umstimmungs-Po-tenzen, nicht allopathischere Cur-Mittel seyn, als die allgewöhnlich, aus ungekannten Ingredienzen gemischten Recepte für die übrigen namenlosen, unzählbaren Krankheits . Formen in der bisherigen Praxis. Auch diese schwächen blofs, und unterdrücken nnd suspendiren die Uebel nur auf kurze Zeit, ohne sie heilen zu können, wenn sie nicht gar, wie oft, durch langwierigen Gebrauch einen neuen Krankheitsznstand zu dem alten Uebel hinzufügen. §. 35. III. Oder die neue Krankheit tritt, nach langer Einwirkung auf den Organism, endlich zu der alten ihr unähnlichen, und bildet mit ihr eine complicirte Krankheit, so dafs jede von ihnen eine eigne Gegend im Organism, d. i. die besonders ihr angemessenen Organe und gleichsam nur den für sie eigentümlich gehörigen Platz einnimmt, den übrigen aber der andern, ihr unähnlichen überläfst. So kann ein Venerischer auch noch 1) Obs. phys. med. lib. 2. obs. 30. 131 krätzig werden, und umgekehrt. Als zwei sich unähnliche Krankheiten können sie einander nicht aufheben, nicht heilen. Anfangs schweigen die venerischen Symptome, während der Kratz - Ausschlag anfangt, und werden suspendirt; mit der Zeit aber (da die veneriscbe Krankheit wenigstens eben so stark, als die Krätze ist) gesellen sich beide zu einander 1), das ist, jede nimmt blofs die für sie geeigneten Theile des Organisms ein, und der Kranke ist dadurch kränker geworden und schwieriger zu heilen. Beim Zusammentreffen einander unähnlicher acuter Ansteckungskrankheiten, z. B. der Menschenpocken und Masern, suspendirt gewöhnlich, wie vorhin angeführt worden, eine die andere; doch gab es auch heftige Epidemien dieser Art, wo sich in seltnen Fällen zwei sich unähnliche acute Krankheiten dieser Art an einem und demselben Körper einfanden und sich so gleichsam auf kurze Zeit com-plicirten. In einer Epidemie, wo Menschenpocken und Masern zugleich herrschten, gab es unter 1) Nach genauen Versuchen und Heilungen dieser Art • complicirter Krankheiten bin ich nun fest überzeugt, dafs sie keine Zusammenschmelzung beider sind, sondern dafs in solchen Fällen die eine nur neben der andern im Organism besteht, jede in den Theilen, die für sie geeignet sind, denn ihre Heilung wird vollständig bewirkt durch eine zeit-gemäfse Abwechselung des besten Quecksilberpräparats mit den die Krätze heilenden Mitteln, jedes derselben in der angemessensten Gabe und Zubereitung. 12 132 300 Fällen, wo sich diese Krankheiten, einander mieden t)der suspendirten, und die Masern erst 20 Tage nach dem Pockenausbruche, die Pocken aber 17, IS Tage nach dem Masernausbrache den Menschen befielen, so dafs die erstere Krankheit vorher erst völlig verlaufen war, dennoch einen einzigen Fall, wo P. Rüssel *) beide unähnliche Krankheiten zugleich an derselben Person antraf. Rai-ney 2) sah bei zwei Mädchen Menschenpocken und Masern zusammen. J. Maurice 3) will in seiner ganzen Praxis nur zwei solche Fälle beobachtet haben. Dergleichen findet man auch bei Ettmülter *) und noch einigen wenigen Andern. — Kuhpocken sah Zencker 5) ihren regelmässigen Verlauf neben Masern und neben Purpurfricsel behalten. Kuhpocken gingen bei einer Mercurial - Cur gegen Lustseuche ihren Weg angestört, wie Jenner sah. §. 36. Ungleich häufiger, als die naturlichen sich zu einander in demselben Körper gesellenden und sich so complicirenden Krankheiten, sind die durch gewöhnliche Arztes - Kunst entstehenden Krankhelts- 1) S. Transactions of a soc. for the improvem. of med. and chir. know!. H. 2) In den med. Commentarien von Edinb. III. S. 480. 3) In Med. and phys. Journ. 1805. 4) Opera, II. P. I. Cap. 10. 5) In Huf eland's Journal, XVII. 133 Complicati onen, welche das zweckwidrige ärztliche Verfahren (die allopathische Curart> durch langwierigen Gehrauch unangemessener Arzneien zuwege zu bringen pflegt. Zu der natürlichen Krankheit, die geheilt werden sollte, gesellen sich dann durch anhaltende Wiederholung des unpassenden Arzneimittels die nach der. Natur seiner eigenthümlichen Kräfte zu erwartenden neuen Krankheitszustände, welche mit dem ihnen unähnlichen chronischen Uebel (was sie nicht durch analogen Gegenreiz, das ist, nicht homöopathisch heilen konnten), sich allmälig zusammenpaaren und compliciren, zu der alten eine neue, unähnliche > künstliche Krankheit chronischer Art hinzusetzen, und. so den bisher einfach Kranken doppelt krank, das heifst, um vieles kränker und unheilbarer machen. Mehre in ärztlichen Journalen zur Consultation aufgestellte Krankheitsfälle, so wie andre in medicinischen. Schriften erzählte Krankengeschichten geben Belege hiezu. Von gleicher Art sind die häufigen Fälle, wo die venerische Schankerkrankheit, vorzüglich mit Krätzkrankheit, auch wohl mit dem Siechthume des Feigwarzentrippers complichi, unter langwieriger, oder, oft wiederhoJter Behandlung mit grofsen Gaben unpassender Quecksil-herpraparate nicht heilt, sondern neben dem indefs allmälig erzeugten chronischen Quecksilber-Siechthume 1) im Organismus Platz nimmt, und so mit 1) Denn Quecksilber hat aufser den Krankheitssymptomen, welche, als das Achnliche, die venerische Krankheit 134 ihm ein oft grausames Ungeheuer von complicirter Krankheit bildet (unter dem allgemeinen Namen: verlarvte venerische Krankheit), die nun, wo nicht ganz unheilbar, doch nur mit gröfster Schwierigkeit wieder in Gesundheit herzustellen ist. §. 37. Die Natur selbst erlaubet, wie gesagt, in einigen Fällen den Zusammentritt zweier (ja dreier) natürlichen Krankheiten in einem und demselben Körper. Diese Complicirung ereignet sich aber, wie man wohl zu bemerken hat, nur bei sich unähnlichen Krankheiten, die nach ewigen Naturgesetzen einander nicht aufheben, einander nicht vernichten und nicht heilen können, und zwar so, wie es scheint, dafs sich beide (oder die drei), so zu sagen, in den Organism thei-len und jede die für sie eigentümlich gehörigen Theile einnimmt, wie, wegen Unähnlichkeit dieser Uebel gegen einander, auch geschehen kann, der Einheit des Lebens unbeschadet. §. 38. Aber ganz anders ist der Erfolg, wenn zwei ähnliche Krankheiten im Organism zusammentreffen, d. i. wenn zu der schon vorhandnen Krankheit eine stärkere, ähnliche hinzutritt. Hier zeigt sich, homöopathisch heilen können, noch viele andre, der Lust-seuche unähnliche, in seiner Wirkungsart, welche bei Anwendung grofser Gaben, vorzüglich in der so häufigen Complication mit Psora, neue Uebel und grofse Zerstörung im Körper anrichten. 135 wie im Laufe der Natur Heilung erfolgen kann, und wie von Menschen geheilt werden sollte. §. 39. Zwei so sich einander ähnliche Krankheiten können sich weder (wie von den unähnlichen in I. gesagt ist) einander abhalten, noch (wie bei der Bedingung II. von den unähnlichen gezeigt ward) einander suspendiren, so dafs die alte nach Verlauf der neuen wiederkäme, und eben so wenig können die beiden ähnlichen (wie bei III. von den unähnlichen gezeigt worden) in demselben Organism neben einander bestehen oder eine doppelte complicirte Krankheit bilden. §. 40. Nein! stets und in jedem Falle vernichten sich zwei, der Art nach *) zwar verschiedne, ihren Aeu-fserungen und VVnkungen aber und den durch jede von ihnen verursachten Leiden und Symptomen nach sehr ähnliche Krankheiten, sobald sie im Organism zusammentreffen, nämlich die stärkere Krankheit die schwächere, und zwar aus der nicht schwer zu er-rathenden Ursache, weil (nicht wie zwei unähnliche, die bei der Complication, ihrer Unähnlichkeit wegen, zwei verschiedne Sitze im Körper einnehmen können) die stärkere hinzukommende Krankheitspotenz, ihrer Wirkungs-Aehnlichkeit wegen, dieselben Theile im Organism, und zwar vorzugsweise in Anspruch nimmt, die von dem schwächern Krank- 1) Man sehe oben §. 21. die Anmerkung. 136 heits - Reize bisher afficirt waren, welcher folglich nun nicht mehr einwirken kann, sondern erlischt '); oder (mit andern "Worten) weil, sobald die durch die bisherige Krankheits - Potenz verstimmte Lebenskraft von der neuen, sehr ähnlichen, aber stärkern, dynamischen Krankheits - Potenz stärker ergriffen wird, sie von letzterer nun allein afficirt bleibt, wodurch die vorgängige, ähnliche, aber schwächere, als blofs dynamische Kraft, ohne Materie, zu existiren aufhören mufs. §. 41. Es würden sich sehr viele Beispiele von Krankheiten anführen lassen, die im Laufe der Natur durch Krankheiten von ähnlichen Symptomen homöopathisch geheilt wurden, wenn wir uns nicht einzig an jene (wenigen) sich stets gleich bleibenden, aus einem feststehenden Miasm entspringenden und daher eines bestimmten Namens werthen Krankheiten halten müssten, um von etwas Bestimmtem und Unzweifelhaftem reden zu können. Unter diesen raget die wegen der grofsen Zahl ihrer heftigen Symptome so berüchtigte Menschenpocken-Krankheit hervor, welche schon zahlreiche Uebcl mit ähnlichen Symptomen aufgehoben und geheilt hat. Wie allgemein sind nicht die heftigen, bis zur 1) Wie von dem stärkern, in unsre Augen fallenden Sonnenstrahle das Bild einer Lampenflamme im Seh-Nerven schnell überstimmt und verwischt wird. 137 Erblindung steigenden Augenentzündungen bei der Menschenpocke, und siehe! sie heilte, eingeimpft, eine langwierige Augenentzündung vollständig bei De-zoteux *) und eine andre bei Leroy 2) auf immer. Eine von unterdrücktem Kopfgrinde entstandene, zweijährige Blindheit wich ihr nach Klein 3) gänzlich. Wie oft erzeugte die Menschenblatter-Krankheit nicht Taubhörigkeit und Schweräthmigkeit! und beide langwierige Uebel hob sie, als sie zu ihrer gröfsten Höhe gestiegen war, wie J. Fr. Closs 4) beobachtete. Hodengeschwulst, auch sehr heftige, ist ein häufiges Symptom der Menschenpocke, und defshalb konnte sie durch Aehnlichkeit eine von Quetschung entstandene grofse, harte Geschwulst des linken Hodens heilen, wie Klein 5) beobachtete. Und eine ähnliche Hodengeschwulst ward von ihr unter den Augen eines andern Beobachters 6) geheilt. So gehört auch unter die beschwerlichen Zufälle der Menschenpocke ein rnhrartiger Stuhlgang, und sie besiegte daher als ähnliche Krankheitspotenz eine Ruhr nach Fr. Wendis 7) Beobachtung. 1) Traité de l'inoculation, S. 189. 2) Heilkunde für Mütter, S. 384. 3) Interpres clinicus, S. 293. 4) Neue Heilart der Kinderpocken, Ulm 1769. S. 68 und specim. Obs. No. 18. 5) Ebendaselbst. 6) Nov. Act. Nat. Cur. Vol. I. Obs. 22. 7) Nachricht von dem Krankeninstitut zu Erlangen, 1783. 138 Die zu Kübpocken kommende Menschenpocken-Krankheit hebt, wie bekannt, eben sowohl ihrer grö-ifsern Stärke, als ihrer grofsen Aehnlichkeit wegen, «rstere sogleich gänzlich, homöopathisch, auf und Jäfst sie nicht zur Vollendung kommen; doch wird liinwiederum durch die ihrer Reife schon nahe gekommene Kuhpocke, ihrcT grofsen Aehnlichkeit wegen, die darauf aasbrechende Menschenpocke homöopathisch wenigstens nm vieles gemindert und gutartiger gemacht, wie Mühry l) und viele Andre bezeugen. Die eingeimpfte Kuhpocke, deren Lymphe, aufser Schulzpockenstoff, auch noch einen Zunder zu einem allgemeinen Hautausschlage andrer Natur von (selten gröfsern, eiternden) gewöhnlich kleinen, trocknen, auf rolhen Fleckchen sitzenden, spitzigen Blüthen (pirnples), oft mit untermischten, rothen, runden Haulflcckchen enthält, nicht selten mit dem heftigsten Jucken hegleitet, welcher Ausschlag bei nicht wenigen Kindern auch wirklich mehre Tage vor, öfterer jedoch nach dem rothen Hofe der Kuhpocke erscheint, und, mit Hinterlassung kleiner, rother, harter Hautfleckchen, in ein paar Tagen vergeht j die geimpfte Kuhpocke, sage ich, heilt durch Aehnlichkeit dieses Neben-Miasms ähnliche, oft sehr alte und beschwerliche Hautausschläge der Kinder, nachdem die Kuhpockenimpfung bei ihnen gehaftet hat, vollkommen und dauerhaft nach Homöopathie, wie eine Menge Beobachter 2) bezeugen. 1) Lei Robert Willun, über die Kuhpockenimpfung. 2) Vorzüglich Ciavier, Hurel und Desormeaux, im 139 Die Kuhpocken, deren eigenthümlicbes Symptom es ist, Armgeschwnlst *) zn verursachen, heilten nach ihrem Ausbruche einen geschwollenen, halb gelähmten Arm 2). Das Fieber bei der Kuhpocke, welches sich zur Zeit der Entstehung des rothen Hofs einfindet, heilte homöopathisch ein Wechselfieber bei zwei Personen, wie Hardege der jüngere 3) berichtet, zur Bestätigung dessen, was schon J. Hunter 4) bemerkt hatte, dafs nicht zwei Fieber (ähnliche Krankheiten) in einem Körper zugleich bestehen können. — *) Bulletin des sc. médicales, publié par les membres du comité central de la soc. de médecine du département de l'Eure, 1808. So auch im Journal de Médecine continué, Vol. XV. S. 206. 1) Balhorn, in Huf eland1 s Journal. X. II. 2 ) Stevenson in Duncans Annals of medicine, Lustr. II. Vol. I. Abth. 2. No. 9. 3) In Huf eland's Journ. der pr. Arzneik. XXIII. 4) Ueber die vener. Krankheit. S. 4. *) Die an dieser Stelle in den vorigen Ausgaben des Organons beigebrachten Beispiele von langwierigen, durch Krätze geheilten Siechthumen können, zu Folge der Entdeckungen und Aufschlüsse, welche ich im ersten Theile meines Buchs von den chronischen Krankheiten gegeben habe, nur in gewisser Hinsicht als homöopathische Heilungen gelten. Diese da verschwindenden grofsen Siech-thume (vieljährigc, Erstickung drohende Engbrüstigkeiten, und geschwürige Lungensiichten) waren ursprünglich schon psorischen Ursprungs, — weit gediehene, Leben bedrohende Symptome schon völlig aus dem Innern entwickelter, alter Psora, welche durch den von einer neuen Ansteckung er- 140 In Fieber nnd in Husten-Beschaffenheit haben tlie Masern viel Aehnlichkeil mit dem Keichhusten und defshalb sah Bosquillon *), dafs bei einer Epidemie, wo beide herrschten, viele Kinder, welche die Masern damals überstanden hatten, vom Keichhusten in dieser Epidemie frei blieben. Sie würden alle und auch in der Folge, vom Keichhusten frei und unansteckbar durch die Masern geworden jsevn, wenn der Keichhusten nicht eine den Masern nur zum Theil ähnliche Krankheit wäre, das ist, wenn er auch einen ähnlichen Hautausschlag, wie die letztern, bei sich führte. So aber konnten die Masern nur Viele, und nur in der gegenwärtigen Epidemie von Keichbusten, homöopathisch frei erhalten. Wenn aber die Masern eine im Ausschlage, ihrem Hauptsymptome, ähnliche Krankheit vor sich haben, da können sie sie ohne Widerrede aufbeben und homöopathisch heilen. So ward eine langwierige Flecbte vom Ausbruche der Masern sogleich folgten Krätz-Ausschlag (wie in solchem Falle stets geschieht) in die einfache Form primitiver Kratz-Krankheit sich wieder verwandelte, wodurch die alten Siechtliunie und lebensgefährlichen Symptome verschwanden. Eine solche Umwandlung in die primitive Form ist daher nur in so fern eine homöopathische Heilerin jener weit gediehenen Symptome alter, hochentwickelter Psora zu nennen, als die neue Ansteckung den Kranken in die ungleich günstigere Lage setzt, nun weit leichter von der ganzen Psora durch die antipsorischen Arzneien geheilt werden zu können. 1 ) Elemens de médec. prat, de 21/. Cullen traduits, P. II. 1. 3. Cb, 7. 141 gänzlich und dauerhaft (homöopathisch) geheilt *), wie Kortum 2) beobachtete. Ein äufserst brennender, sechsjähriger, frieselartiger Ausschlag im Gesichte, am Halse und an den Armen, von jedem Wetter-Wechsel erneuert, ward von hinzu kommenden Masern zu einer aufgeschwollenen Haut-Fläche; nach dem Verlauf der Masern war das Friesel geheilt und kam nicht wieder 3). §. 42. Unmöglich kann es für den Arzt eine deutlichere und überzeugendere Belehrung, als diese, geben, welche Art von künstlicher Krankheitspotenz (Arznei) er zu wählen habe, um nach dem Vorgange in der Natur gewifs, schnell und dauerhaft za heilen. §. 43. Im Laufe der Natur kann, wie wir aus allen diesen Beispielen sehen, nie und in keinem Falle, und eben so wenig mittels Arztes Kunst, ein vor-handnes Leiden und Uebelseyn von einer unähnlichen, auch noch so starken Krankheits-Potenz aufgehoben und geheilt werden, wohl aber einzig von einer an Symptomen ähnlichen, etwas stärkern, nach ewigen unwiderruflichen Natur-Geselzen, welche bisher verkannt waren. 1) Oder wenigstens diefs Symptom hinweggenommen. 2) In Hufeland's Journal. XX. in. S. 50. 3) Rau, über d. Werth des homöop. Heilverfahrens, Heidelb. 1824. S. 85. 142 §. 44. Wir würden von dieser Art ächter, homöopathischer Natur-Heilangen noch weit mehre finden, wenn theils die Beobachter mehr Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hätten, theils wenn es der Natur nicht an homöopathischen Hiilfs - Krankheiten gebräche. §. 45. Die grofse Natur selbst hat zu homöopathischen Heilwerkzeugen, wie wir sehen, fast nur die wenigen miasmatischen, festständigen Krankheiten z,ur Hülfe, (die Krätze), die Masern, die Menschenpok-ken *), Krankheitspotenzen, die theils (nämlich die Menschenpocken und Masern) als Heilmittel lebensgefährlicher und schrecklicher, als das damit zu heilende Uebel sind, theils solche (wie die Krätze), die nach vollführter Heilung selbst wieder Heilang bedürfen, um hinwiederum vertilgt zu werden; beides Umstände, die ihre Anwendung als homöopathische Mittel schwierig, unsicher und gefährlich machen. Und wie wenig giebt es Krankheits-Zustände unter den Menschen, die an Pocken, Masern und Krätze ihr ähnliches Heilmittel fänden! Im Laufe der Natur können defshalb auch nur wenige Uebel sich mit diesen bedenklichen und mifslichen homöopathischen Heilmitteln heilen, und es erfolgt nur mit Gefahr und grofser Beschwerde, da die Gaben dieser 1) Und den Hautausschlags-Zunder, der nebenbei in der Kuhpocken-Lymphe befindlich ist. 143 Krankheitspotenzen sich nicht nach den Umstanden selbst verkleinern, sondern mit der ganzen gefährlichen und beschwerlichen Krankheit, mit der ganzem Menschenpocken-, Maser- (nnd Kratz-) Krankheit,, wird der mit einem alten, äbnlichen Uebel Behaftete überzogen, nm von letzterm za genesen. Und dennoch haben wir von diesem glücklichen Znsammentreffen, wie man sieht, schöne homöopathische Heilungen aufzuweisen, als eben so viele, unwiderlegliche Belege von dem in ihnen waltenden, grofsen, einzigen Natur-Heilgesetze: Heile durch Symptomen-Aehnlichkeit! §. 46. Dem fähigen Geiste des Menschen wird dieses Heilgesetz aus ihnen kund, und biezu waren sie hinreichend. Dagegen, siehe! welchen Vorzug hat der Mensch nicht vor der rohen Natur in ihren ungefähren Ereignissen! Wie viel tausend homöopathische Krankheitspotenzen mehr zur Hülfe für die leidenden Mitbrüder hat nicht der Mensch an den überall in der Schöpfung verbreiteten Arzneien! Krank-heits-Erzeugerinnen hat er an ihnen von allen möglichen Wirkungs-Verschiedenheiten für alle die unzähligen, für alle nur erdenkliche und unerdenkliche natürliche Krankheiten, denen sie homöopathische Hülfe leisten können — Krankheitspotenzen (Arzneien), deren Kraft nach vollendeter Heil-Anwendung, durch die Lebenskraft besiegt, von selbst verschwindet, ohne einer abermaligen Hülfe zur Wieder - Vertreibung, wie die Krätze, zu bedürfen — 144 Krankheitspotenzen (Arzneien), die der Arzt bis an die Gränzen der Unendlichkeit verdünnen, zerthei-len, potenziren und in ihrer Gabe bis dahin vermindern kann, dafs sie nur nm ein Kleines stärker bleiben, als die damit zu heilende, ähnliche, natürliche Krankheit, so dafs es bei dieser unübertrefflichen Heilart keines heftigen Angriffs auf den Organism bedarf, um auch ein altes, hartnäckiges Uebel auszurotten, ja dafs diese Heilart nur einen sanften, unmerklichen, und doch oft geschwinden Uebergang aus den quälenden natürlichen Leiden in die erwünschte dauerhafte Gesundheit sehen läfst. §. 47. Unmöglich kann ein verständiger Arzt nach jenen sonnenklar einleuchtenden Beispielen noch in der gewöhnlichen Medicin fortfahren mit (allopathischen) Arzneien, welche keinen directen, pathischen (homöopathischen) Bezug auf die zu heilende, chronische Krankheit haben, den Körper in seinen am wenigsten kranken Theilen anzugreifen durch Ausleeren, Gegenreizen, Ableiten, u. s. w. *) und so mit Aufopferung der Kräfte einen, dem ursprünglichen ganz heterogenen und unähnlichen Krankheits-Zustand zum Verderben des Kranken herbeizuführen durch starke Gaben von Gemischen meist unge-kannter Arzneien, deren Gebrauch dann keinen andern Erfolg haben kann, als der sich nach ewigen ¦-------------- Ge- 1) M. s. oben in der Einleitung, I. Hinblick auf die Allopathie der bisherigen Arzneischule. 145 Gesetzen in den oben erzählten nnd so in allen übrigen Fällen in der Welt zeigt, wo eine unähnliche Krankheit zu der andern in den menschlichen Organism ige-räth, nämlich, dafs nie in chronischen Krankheiten eine Heilung dadurch, sondern stets eine Verschlimmerung dadurch erfolgt, — also keinen andern Erfolg haben kann, als dafs entweder (weil nach dem Vorgange in der Natur, hei I, die ältere Krankheit im Körper die hinzutretende unähnliche schwächere abweiset) die natürliche Krankheit bei milder allopathischer, selbst noch so lang dauernder Cur, unter Schwächung des Kranken, bleibt wie sie war, oder (weil nach dem Vorgange in der Natur, bei IL, die neue stärkere die schon vorhandene, schwächere, unähnliche nur auf kurze Zeit unkenntlich macht und suspendirt) dafs durch heftigen Angriff auf den Körper mit starken, allopathischen Arzneien das ursprüngliche Uebel auf einige Zeit zu weichen scheint, um, nach dem Aussetzen derselben, wenigstens in gleicher Stärke wieder zu kommen, oder auch wohl (weil nach dem Vorgange in der Natur, bei III., zwei sich unähnliche Krankheiten, wenn beide langwieriger Art und gleich stark sind, neben einander im Organism Platz nehmen und sich compliciren) dafs in solchem Falle, wenn die der natürlichen chronischen Krankheit vom Arzte entgegengesetzten, unähnlichen Krankheitspo-* tenzen und allopathischen Arzneien in heftigen Gaben und lange angewendet werden, solche allopathische Curen, ohne jemals die ursprüngliche (unähn- K 146 liehe) chronische Krankheit aufheben und heilen zu können, nur noch eine neue Kunst-Krankheit daneben erzengen nnd den Kranken, wie die tägliche Erfahrung lehrt, um vieles kränker machen und unheilbarer. §. 48. Die wahre, sanfte, dauerhafte Heilang der Krankheiten des Menschen findet man leicht beim Hinsehen auf den Vorgang in der Natur, um auf der einen Seite jedes Verfahren zu vermeiden, auf welchem die verstandlose, blofs animalische Lebenskraft, wenn sie, wie immer, sich bestrebt, auf Art der Allopathie den Körper in den am wenigsten kranken Theilen anzugreifen und eine, der ursprünglichen unähnliche Krankheit hervorzubringen, chronische Krankheiten nie heilen kann, sondern stets verschlimmert, die acnien aber, wenn sie mäfsig sind, nur mit vielen Beschwerden und Verlusten mühsam beseitigt, während sie die heftigem und gefährlichen, acuten Fieber in ibrer hier nnzweckmafsigen Energie *) fast nnr mit dem Tode beendigen kann — auf der andern Seite hingegen jene seltnen, hiilfrei-chen Heilungen (§. 38 — 4h) nachzuahmen, wo eine andre, aber dem ursprünglichen Uebel ähnliche Krankheits-Potenz hinzu tritt und das Ur-Lciden schnell aufhebt, vernichtet und heilet. 1) Denn die uns angeborne Lebenskraft kann blofs nach der organischen Einrichtung unsers Körpers wirken, nicht nach Ueberlegung handeln. 147 §. 49. Diese Heilungen geschehen, wie man sieht, blofs auf homöopathischem W^ge, einem Wege, der, da wir ihn auch oben (§. 9 — Î9. ) auf eine andre Weise, durch Erfahrungen und Schlüsse fanden, auch der wahre und einzige ist, wodurch die Krankheiten am gewissesten, schnellsten und dauerhaftesten von der Kunst ausgelöscht werden, weil diese Heilart auf einem ewigen, untrüglichen Naturgesetze beruht. §. 50. Dieser, der homöopathische Weg mufs, wie oben .(§. 38 — 44.) erinnert worden, auch schon dcfshalb der einzig richtige seyn, weil er unter den drei einzig möglichen Anwendungs-Arten der Arzneien gegen Krankheiten der einzig gerade Weg zur sanften, sichern, dauerhaften Heilung ist, ohne auf einer andern Seite Nachtheil zn bringen, oder zu schwächen. §. 51. Die zweite Anwendungs-Art der Arzneien in Krankheiten, die allopathische und heteropa-thische, welche, ohne pathischen Bezug auf das eigentlich Krankhafte im Körper, die von der Krankheit freiesten Theile angreift, um das Uebel durch diese abzuleiten und auf diese Weise, wie man wähnt, fortzuschaffen, war bisher die allgemeinste Methode. Ich habe sie oben in der Einleitung l) abgehandelt und werde ihrer nicht weiter gedenken. 1) I. Hinblick auf die Allopathie der bisherigen Arzneischule. K 2 148 §. 52. Die dritte, noch einzig übrige, und aufser den beiden gedachten noch einzig mögliche Anwendungsweise der Arzneien gegen Krankheiten ist die anti-pathische (enantiopathische) oder die palliative, womit der Arzt bisher noch am hülfreichsten scheinen konnte und des Kranken Vertrauen noch am gewissesten zu erhalten hoffte, indem er ihn mit augenblicklicher Besserung täuschte. Wie unhülfreich aber und wie schädlich dieser dritte noch übrige Weg in nicht sehr schnell verlaufenden Krankheiten war, wollen wir jetzt darthun. Zwar ist er das Einzige in der Gur-Art der Allopathen, was geraden Bezug auf einen Theil des Leidens der natürlichen Krankheit halte; aber welchen Besug ? Wahrlich nur den (den umgekehrten), welcher, wenn man den chronisch Kranken nicht täuschen und seiner nicht spotten will, am meisten vermieden werden sollte. $. 53. Um so antipathisch zu verfahren, giebt ein solcher gewöhnlicher Arzt gegen ein einzelnes, beschwerliches Symptom unter den vielen übrigen, von ihm nicht geachteten Symptomen der Krankheit, eine Arznei, von welcher es bekannt ist, dafs sie das gerade Gegentheil des zu beschwichtigenden Krank-keits-Symptoms hervorbringt, wovon er demnach zufolge der ihm seit mehr als fünfzehn Hundert Jahren vorgeschriebenen Regel der uralten medicini-schen Schule {contraria contrariis), die schleunigste 149 (palliative) Hülfe erwarten kann. Er giebt xtarke Gaben Mohnsaft gegen Schmerzen aller Art, weil diese Arznei die Empfindung schnell betäubt, und giebt eben dieses Mittel gegen Durchfälle, weil es schnell die wurmförmige Bewegung des Darmkanals hemmt und ihn alsbald unempfindlich macht, und so auch gegen Schlaflosigkeit, weil Mohnsaft schnell einen betäubten, stupiden Schlaf zuwege hringtj er giebt Purganzen, wo der Kranke schon lange an Leibesverstopfang und Hartleibigkeit leidet; er läfst die verbrannte Hand in kaltes Wasser tauchen, was durch die Kälte den Brennschmerz augenblicklich wie wegzuzaubern scheint; setzt den Kranken, der über Frostigkeit und Mangel an Lebenswärme klagt, in warme Bäder, die ihn augenblicklich erwärmen, und läfst den langwierig Geschwächten Wein trinken, wodurch er augenblicklich belebt und erquickt wird, und wendet so noch einige andre opponirte (antipathische) Hülfsveranstaltnngen. an, do^h aufser diesen nur noch wenige, da der gewöhnlichen Arz-neikunst nur von wenigen Mitteln einige eigentümliche (Erst-) Wirkung bekannt ist. §. 54. Wenn ich auch hei Beurtheilung dieser Arznei-Anwendung den Umstand übergehen wollte, dafs hiebei sehr fehlerhaft (s. Anm. zu $. 9.) nur einseitig für ein einzelnes Symptom, also nur für einen kleinen Theil des Ganzen gesorgt wird, wovon offenbar nicht Hülfe für das Total der Krankheit, die allein der Kranke wünschen kann, zu er- 150 warten ist, — so mufs man doch auf der andern Seite die Erfahrung fragen, ob wohl in einem einzigen Falle solchen antipathischen Arzneigehrauchs gegen eine langwierige oder anhaltende Beschwerde, nach erfolgter, kurz dauernder Erleichterung, nicht eine gröfsere Verschlimmerui g der so palliativ Anfangs beschwichtigten Beschwerde, ja Verschlimmerung der ganzen Krankheit erfolgte? und da wird jeder aufmerksame Beobachter übereinstimmen, dafs auf eine solche antipathische kurze Erleichterung jederzeit und ohne Ausnahme Verschlimmerung erfolgt, obgleich der gemeine Arzt diese nachgängige Verschlimmerung dem Kranken anders zu deuten und sie auf eine sich jetzt erst offenbarende Bösartigkeit der ursprünglichen Krankheit zu schieben pflegt 1). 1) So wenig auch bisher die Aerzte zu beobachten pflegten, so konnte ihnen doch die auf solche Palliative ge-wifs erfolgende Verschlimmerung nicht entgehen. Ein starkes Beispiel dieser Art findet man in J. H. Schulze, Diss. qua corporis humani momentanearum alterationum speci-mina quaedam expenduntur, Halae 1741. §. 28. Etwas Aehnliches bezeugt Willis, Pharm, rat. Sect. 7. Cap. I. S. 298. Opiata dolores atrocissimos plerumque sedant at-que indolentiam — procurant, eamque — aliquamdiu et pro stato quodam tempore continuant, quo spatio elapso dolores mox recrudeseunt et brevi ad solitam ferociam au-gentur. Und so S. 295: Exactis opii viribus illico redeunt tormina, nee atrocitatem suam remittunt, nisi dum ab eo-dem pharmaco rursus incantantur. So sagt J. Hunier (über die vener. Krankh. S. 13.), dafs Wein bei Schwachen die 151 §. 55. Noch nie in der "Welt wurden bedeutende Symptome anhaltender Krankheiten durch solche palliative Gegensätze behandelt, wo nicht nach wenigen Stunden das Gegentheil, die Rückkehr, ja offenbare Verschlimmerung eines solchen Uebels erfolgt wäre. Gegen langwierige Neigung zu Tagesschläfrigkeit verordnete man den in seiner Erslwirkung ermunternden Kaffee, und da er ausgewirkt hatte, nahm die Tagesschläfrigkeit zu; -— gegen öfteres nächtliches Aufwachen gab man Abends Mohnsaft, der seiner Erslwirkung zufolge diese Nacht einen (betäubten, dummen) Schlaf zuwege brachte, aber die folgenden Nächte wurden dann noch schlafloser; — den chronischen Durchfällen setzte man eben diesen, in seiner Erstwirkung Leib verstopfenden, Mohnsaft entgegen, und nach kurzer Hemmung des Durchfalls ward derselbe hinterdrein nur desto ärger; —=¦ heftige, oft wiederkehrende Schmerzen aller Art konnte man mit dem, Gefühl betäubenden, Mohnsaft nur auf kurze Zeit unterdrücken, dann kamen sie stets erhöhet, oft unerträglich erhöhet, oder andre, weit schlimmere Uebel dafür, wieder zurück; — gegen alten Nachlhusten weifs der gemeine Arzt "Wirkungskraft vermehre, ohne ihnen eine wahre Stärke mitzutheilen, und dafs die Kräfte hintennach in demselben Verhältnisse wieder sinken, als sie zuvor erregt worden waren, wodurch man keinen "Vorlheil erhalte, sondern die Kräfte gröfstentheils verloren gingen. 152 nichts Besseres, als den jeden Reiz in der Erstwirkung unterdrückenden Mohnsaft zu geben, welcher davon die erste Nacht vielleicht schweigt, aber die folgenden Nächte nur desto angreifender wird, und wenn er dann nochmals und abermals mit diesem Palliative in hochgesteigerter Gabe unterdrückt wird, so kommt Fieber und Nachtschweifs hinzu; — eine geschwächte Harnblase und daher rührende Harnverhaltung suchte man durch den antipathischen Gegensatz der die Harnwege aufreizenden Canthariden-tinctur zu besiegen, wodurch zwar Anfangs Ausleerung des Urins erzwungen, hinterdrein aber die Blase noch unreizbarer und unvermögender wird, sich zusammenzuziehen, und die Harnblasen-Lähmung ist vor der Thürej — mit den in starker Gabe die Därme zu häufiger Ausleerung reizenden Purgir - Arzneien und Laxir-Salzen wollte man alte Neigung zu Leibverstopfung aufheben, aber in der Nachwirkung ward der Leib gewöhnlich nur desto verstopfter; — langwierige Schwäche will der gemeine Arzt durch Weintrinken heben, was doch nur in der Erstwirkung aufreizt, daher sinken die Kräfte nur desto tiefer in der Nachwirkung; — durch hitzige Gewürze will er langwierig schwache und kalte Magen stärken und erwärmen, aber der Magen wird von diesen Palliativen in der Nachwirkung nur desto untbäliger; — lang anhaltender Mangel an Lebenswärme und Frostigkeit soll auf verordnete warme Bäder weichen, aber desto matter, kälter und frostiger werden die Kranken hinterdrein; — stark verbrannte Theile fühlen 153 auf Behandlung mit kaltem Wasser zwar augenblickliche Erleichterung, aber der Brennschmerz vermehrt sich hinterdrein unglaublich, und die Entzündung greift um sich und steigt zu einem desto höhern Grade (man sehe die Einleitung, zu Ende); — durch Schleim erregende Niesemittel will man alten Stockschnupfen heben, merkt aber nicht, dafs er durch diefs Entgegengesetzte immer mehr (in der Nachwirkung) sich verschlimmert, und die Nase nur verstopfter wird; — mit den in der Erstwirkung die Muskelbewegung stark aufreizenden Potenzen, der Electrisität und dem Galvanism, setzte man langwierig schwache, fast lk'hmige Glieder schnell in thäti-gere Bewegung; die Folge aber (die Nachwirkung) war gänzliche Ertödtung aller Muskel-Reizbarkeit und vollendete Lähmung; — mit Aderlassen wollte man langwierigen Blutandrang nach dem Kopfe wegnehmen, aber es erfolgte darauf stets gröfsere Blutauf-wallung; — die lähmige Trägheit der Körper» und Geistesorgane, mit Unbesinnlichkeit gepaart, welche in vielen Typbus-Arten vorherrschen, woifs die gemeine Arzneikunst mit nichts Besserm zu behandeln, als mit grofsen Gaben Baldrian, weil dieser eins der kräftigsten, ermunternden und beweglich machenden Arzneimittel sey; ihrer Unwissenheit war aber nicht bekannt, dafs diese Wirkung blofs Erstwirkung ist, und dafs der Organism nach derselben jedesmal in der Nachwirkung (Gegenwirkung) in eine desto grö-» fsere Betäubung und Bewegungslosigkeit, das ist, in Lähmung der Geistes- und Körper - Organe (und 154 Tod) mit Gewifsheit verfällt; sie sahen nicht, dafs gerade diejenigen Kranken, die sie am meisten mit dem hier opponirten, antipalhischen Baldrian fütterten, am unfehlbarsten starben. — YVie oft man, mit einem Worte, durch solche entgegengesetzte (antipathische) Mittel in der Nachwirkung die Krankheit verstärkte, auch oft noch etwas Schlimmeres damit erreichte, sieht die falsche Theorie nicht, aber die Erfahrung lehrt es mit Schrecken. §. 56. Entstehen nun diese, vom antipatbischen Gebrauche der Arzneien sehr natürlich zu erwartenden, iibeln Folgen, so weifs sich der gewöhnliche Arzt dadurch, wie er glaubt, zu helfen, dafs er, bei jeder erneueten Yerschlimmerung, eine verstärktere Gabe des Mittels reicht, wovon dann ebenfalls nur kurzdauernde Beschwichtigung und bei dann noch nö-thiger, immer höherer Steigerung des Palliativs entweder ein anderes, gröfseres Uebel, oder oft gar Lebensgefahr und Tod erfolgt, nie aber Heilung eines etwas älteren oder alten Uebels. §. 57. Wären die Aerzte fähig gewesen, über solche traurige Erfolge von opponirter Arzneianwendung nachzudenken, so würden sie schon längst die grofse Wahrheit gefunden haben, dafs im geraden Gegen-iheile von solcher antipalhischen Behandlung der Kranliheiissymptome die wahre, dauerhafte lleilart zu finden seyn müsse; 155 sie würden inné geworden seyn, dafs, so wie eine den Krankheitssymptomen entgegengesetzte Arzneiwirkung (antipathisch angewendete Arznei) nur kurzdauernde Erleichterung und nach ihrer Verfliefsung stets Verschlimmerung zur Folge hat, nothwendig das umgekehrte Verfahren, die homöopathische Anwendung der Arzneien nach ihrer Symptomen - Aehnlichkeit eine dauernde, vollständige Heilung zuwege bringen müsse, wenn dabei das Ge-gentheil ihrer grofsen Gaben, die allerkleinsten gegeben würden. Aber weder hiedurch, noch dadurch, dafs kein Arzt je eine dauerhafte Heilung in altern oder alten Uebeln bewirkte, wenn sich in seiner Verordnung nicht ein vorwirkendes homöopathisches Arzneimittel befand (siehe die Einleitung IL), auch nicht dadurch, dafs alle schnelle, vollkommne Heilung, die je von der Natur zu Stande gebracht worden (§.41.) stets nur durch eine ähnliche, zu der alten hinzugekommene, Krankheit bewirkt ward, kamen sie in einer so grofsen Reihe von Jahrhunderten auf diese einzig heilbringende Wahrheit. §.. 58. Woher aber dieser verderbliche Erfolg des palliativen, antipathischen Verfahrens, und die Heilsamkeit des umgekehrten, des homöopathischen Verfahrens rühre, erklären folgende, aus vielfältigen Beobachtungen abgezogene Erfahrungen, die niemandem vor mir in die Augen fielen, so nahe sie auch lagen, so einleuchtend und so unendlich wichtig sie auch zum Hcilbchufe sind. 156 $. 59. Jede auf das Leben einwirkende Potenz, jede Arznei stimmt die Lebenskraft mebr oder weniger im, erregt eine gewisse Befindens-Veränderung im Menschen auf längere oder kürzere Zeit. Man benennt sie mit dem Namen: Erstwirkung. Sie gehört, obgleich ein Product aus Arznei- und Lebens-Kraft, doch mehr der einwirkenden Potenz an. Dieser Einwirkung bestrebt sich unsre Lebenskraft ihre Energie entgegen zu setzen. Diese Rückwirkung gehört unserer Lebens-Erhaltungs-Kraft an — eine automatische Thätigkeit derselben, Nachwirkung oder Gegenwirkung genannt. §. 60. Bei der Erstwirkung der künstliehen Krankheits-Potenzen (Arzneien) auf unsern gesunden Körper scheint sich diese, unsre Lebenskraft blofs empfänglich (receptiv, gleichsam leidend) zu verhalten und, so zu sagen, wie gezwungen die Eindrücke der von aufsen einwirkenden Kraft in sich geschehen zu lassen, dann aber sich gleichsam wieder zu ermannen, und dieser in sie geschehenen Einwirkung (Erstwirkung) a) wenn es davon ein Entgegengesetztes giebt, den gerade entgegengesetzten Befindens-Zustand (Gegenwirkung, Nachwirknng) hervorzubringen in gleichem Grade, als grofs die Einwirkung (Erstwirknng) der krankhaften, oder arzneilichen Potenz auf sie gewesen War und nach dem Mafse ihrer eignen Energie — oder, b) wo es einen der Erstwirknng gerade entgegengesetzten Zustand in 157 der Natar nicht giebt, scheint sie sich zu bestreben, sich zu indiffenziren, d. i. ihr Uebergewicht geltend zu machen durch Auslöschen der von aufsen (durch die Arznei) in ihr bewirkten Veränderung, an deren Stelle sie ihre Norm wieder einsetzt (Nachwirkung, Heilwirkung). §. 61. Beispiele von o) liegen jedermann vor Augen. Eine in heifsem Wasser gebadete Hand ist zwar anfänglich viel wärmer als die andre, ungebadete Hand (Erstwirkung), aber von dem heifsen Wasser entfernt und gänzlich wieder abgetrocknet, wird sie nach einiger Zeit kalt und endlich viel kälter, als die andre (Nachwirkung), Nach starker Erhitzung von heftiger Leibesbewegung (Erstwirkung) erfolgt Frost und Schauder (Nachwirkung). Dem gestern durch viel W^ein Erhitzten (Erstwirkung) ist heute jedes Lüftchen zu kalt (Gegenwirkung des Organisms, Nachwirkung). Ein in das kälteste Wasser lange getauchter Arm ist zwar anfänglich weit blasser und kälter (Erstwirkung), als der andre, aber vom kalten Wasser entfernt und abgetrocknet, wird er nachgehends nicht nur wärmer, als der andre, sondern sogar heifs, roth und entzündet (Nachwirkung, Gegenwirkung des Körpers). Auf starken Kaffee erfolgt Uebermunterkcit (Erstwirkung), aber hin-tennach bleibt lange Trägheit und Schläfrigkeit zurück (Gegenwirkung, Nachwirkung), wenn diese nicht immer wieder durch neues Kaffeetrinken (palliativ) auf kurte Zeit hinweggenommen wird. Auf 158 von Mohnsaft erzengten tiefen Betäubungs - Schlaf (Erstwirknng) wird die nachfolgende Nacht desto schlafloser (Gegenwirkung, Nachwirkung). Nach der durch Mohnsaft erzeugten Leibverstopfung (Erstwirknng) erfolgt Durchfälligkeit (Nachwirkung) und nach dem mit Darm erregenden Arzneien bewirkten Pur-giren (Erstwirkung) erfolgt mehrtägige Leibverstopfung und Hartleibigkeit (Nachwirkung). Und so wird überall auf jede Erstwirkung einer das Befinden des gesunden Körpers stark umändernden Potenz in grofser Gabe stets das gerade Gegentheil, wo a) es positiv dergleichen giebt, durch unser Lehen in der Nachwirkung zu Wege gebracht. §. 62. Eine auffallende, opponirte Nachwirkung ist aber hegreiflicher Weise nicht bei Einwirkung ganz kleiner homöopathischer Gaben der umstimmenden Po-lenzen im gesunden Körper wahrzunehmen. Ein Wenig von diesem allen bringt zwar eine bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbare Erstwirkung hervor; aber der lebende Organism macht dagegen nur so viel Gegenwirkung (Nachwirkung), als zur Wiederherstellung des gesunden Znstandes erforderlich ist. §. 63. Diese aus Natur und Erfahrung sich von selbst darbietenden, unwidersprechlichcn Wahrheiten erklären uns den hülfreichen Vorgang bei homöopathischen Heilangen, so wie sie auf der andern Seite die Verkehrtheit der antipathischen und palliativen 159 Behandlnng der Krankheiten mit entgegengesetzt wirkenden Arzneien darthun 1). §. 64. Bei homöopathischen Heilangen zeigen sie nns, dafs anf die nngemein kleinen Gaben Arznei 1) Blofs bei höchst dringenden Gefahren, in neu ent-standnen Uebeln, bei vorher gesunden Menschen, z. B. bei Asphyxien und dem Scheintode vom Blitze, vom Ersticken, Erfrieren, Ertrinken u. s. w., ist es erlaubt und zweckmä-fsig, durch ein Palliativ, z. B. durch gelinde electrische Erschütterungen, durch Klystiere von starkem Kaffee, durch ein excitirendes Riechmittel, allinälige Erwärmungen u. s. w., vorerst wenigstens die Reizbarkeit und Empfindung (das physische Leben) wieder aufzuregen; ist's dann nur aufgeregt, so geht das Spiel der Lebensorgane wieder seinen vorigen gesunden Gang fort, wie es von einem vorher gesunden Körper zu erwarten ist. Hieher gehören auch verschiedne Antidote jählinger Vergiftungen: Alkalien gegen Mineralsäuren, Schwefelleber gegen Metallgifte, Kaffee und Campher (und Ipecacuanha) gegen Opium-Vergiftungen, u. s. w. Auch ist eine homöopathische Arznei defshalb noch nicht gegen einen Krankheitsfall unpassend gewählt, wenn einige Arzneisymptome einigen mittlem und kleinen Krankheitssymptomen nur antipathisch entsprechen; wenn nur die übrigen, die stärkern, vorzüglich ausgezeichneten (charakteristischen) und sonderlichen Symptome der Krankheit durch dasselbe Arzneimittel mit Symptomen-Aehnlichkeit (homöopathisch) gedeckt und befriedigt, das ist, überstimmt, vertilgt und ausgelöscht werden ; dann vergehen auch die wenigen entgegengesetzten Symptome nach verflossener Wirkungsdauer des Medicaments von selbst, ohne im mindesten die Heilung zu verzögern. 160 (§. 273 — 281.), die bei dieser Heilart nöthig sind, welche nur so eben hinreichend waren, durch Aehn-lichkeit ihrer Symptome die ähnliche natürliche Krankheit zu überstimmen und auszulöschen, zwar, nach Vertilgung der letztern, Anfangs noch einige Arzneikrankheit allein im Organismus fortdauert, aber, der aufs erordentlichen Kleinheit der Gabe wegen, so überhingehend, so leicht und so bald von selbst verschwindend, dafs der Organism gegen diese kleine, künstliche Verstimmung seines Befindens keine bedeutendere Gegenwirkung vorzunehmen nöthig hat, als zur Erhebung seines jetzigen Befindens auf den gesunden Standpunkt, das ist, zur völligen Herstellung gehört, wozu er nach Verschwindung aller krankhaften Verstimmung wenig Anstrengung bedarf (s. §. 61. b.). §. 65. Bei der antipathischen (palliativen) Verfahrungs-art aber geschieht gerade das Widerspiel. Das dem Krankheitssymptome vom Arzte entgegengesetzte Arzneisymptom (z. B. die gegen den empfindlichen Schmerz vom Mohnsaft in der Erstwirkung erzeugte Unempfindlichkeit und Betäubung) ist zwar dem erstem nicht fremdartig, nicht allopathisch, es ist offenbare Beziehung des Arzneisymptoms auf das Krankheitssymptom sichtbar, aber die umgekehrte; die Vernichtung des Krankheitssymptoms soll hier durch ein opponirtes Arzneisymptom geschehen, was unmöglich ist. Zwar berührt die anlipathisch gewählte Arznei auch denselben krankhaften Punkt im Organism, 161 riism, go gewifs als die ähnlich krankmachende,' homöopathisch gewählte Arznei; erstere verdeckt aber nur als ein Entgegengesetztes das entgegengesetzte Krankheitssymptom und macht es nur anf kurze Zeit unmerklich, so dafs im ersten Momente der Einwirkung des opponirten Palliativs der Organism von beiden nichts Unangenehmes fühlt (weder von dein Krankheits- noch vom entgegengesetzten Arzneisymptome), da sie sich beide einander gegenseitig aufgehoben nnd gleichsam dynamisch neutralisirt zu haben scheinen (z. B. die Betäubungskraft des Mohnsaftes, den Schmerz). Der Organism fühlt sich in den ersten Minuten wie gesund und fühlt weder Mohnsaft-Betäubung, noch Krankheits schmerz. Aber da das opponirte Arzneisymptom nicht (wie beim homöopathischen Verfahren) die Stelle der vorhand-nen Krankheitsverstimmung im Organism als eine ähnliche, stärkere (künstliche) Krankheit einnehmen, also die Lebenskraft nicht, wie eine homöopathische Arznei, mit einer sehr ähnlichen Kunst-Krankheit afficiren kann, um so die bisherige natürliche Krankheits-Verstimmung in ihr auszulöschen, so mufs die palliative Arznei, als ein von der Krankheits-Verstimmung durch Gegensatz gänzlich Abweichendes, die Krankheits-Verstimmung unvertilgt lassen; sie macht sie zwar dem Organism, wie gesagt, durch einen Schein von dynamischer Neutralisation ') 1) Im lebenden Menschen findet keine bleibende Neutralisation streitiger oder entgegengesetzter Empfindungen L 162 anfänglich nnfüblbar, verlöscht aber bald wie jede Arzneikrankheit von selbst, und läfst nicht nnr die Krankheit, wie sie vorher war, zurück, sondern nö-thigt auch den Organism (da sie, wie alle Palliative, in grofser Gabe gegeben werden mufsle, um dio Schein-Beschwichtigung zu erreichen), einen oppo-nirten Zustand (§.59 — 61.) auf diese palliative Arznei hervorzubringen, das Gegentheil der Arznei-wirknng, also das Aehnliche von der vorhandnen, ungetilgten, natürlichen Krankheilsverstimmung, die durch diesen vom Organism erfolgten Zusatz (Gegenwirkung auf das Palliativ) nothwendig verstärkt und vergröfsert wird '). Das Krankheitssym- statt» wie etwa bei Substanzen entgegengesetzter Eigenschaften in der chemischen Werkstatt, wo z. B. Schwefelsäure und Potasch-Kali sich zu einem ganz andern Wesen, zu einem Neutralsalze vereinigen, was riun weder Säure, noch Laugensalz mehr ist und sich selbst im Feuer nicht wieder zersetzt. Solche Zusanimenschmelzungen und innige Vereinigungen zu etwas bleibend Neutralem und Gleichgültigem finden, wie gesagt, bei Eindrücken entgegengesetzter Natur in unsern Empfindungs-Werkzeugen nie statt. Nur ein Schein von Neutralisation und gegenseitiger Aufhebung ereignet sich in diesem Falle anfänglich, aber die opponirten Gefühle beben einander njoht dauernd auf. Dem Traurigen werden durch ein lustiges Schauspiel nur kurze Zeit die Thränen getrocknet; er vergifst aber die Possen bald und seine Thränen fliefsen dann nur desto reichlicher. 1) So deutlich diefs ist, so hat man es dennoch mifs-verstanden und gfgen diesen Satz eingewendet, „dafs das „Palliativ in seiner Nachwirkung, welche dann das Aehn-„ liehe von der vorhandenen Krankheit sey, wohl eben so 163 ptom (die Krankheit) wird ajso schlimmer nach verflossener Wirkungsdauer des Palliativs; desto schlimmer, je gröfser die Gahe des Palliativs gewesen war. Je gröfser (um hei demselben Beispiele zu bleiben) die zur Verdeckung des Schmerzes gereichte Gahe Mohnsaft gewesen war, um desto mehr vergröfsert sich der Schmerz über seine ursprüngliche Heftigkeit, sobald der Mohnsaft ausgewirkt hat *). §. 66. Nach dem bisher Vorgetragenen ist es nicht zu verkennen : dafs alles, was der Arzt wirklich Krankhaftes und zu Heilendes an Krankheiten finden kann, hlofs in den Beschwerden des Kranken und den an „gut heilen müsse, als eine homöopathische Arznei durch „ihre Erstwirkung thue." Man bedachte aber nicht, dafs die Nachwirkung nie ein Erzeugnifs der Arznei, sondern stets der gegenwirkenden Lebenskraft des Organisms sey, also diese von der Lebenskraft auf Anwendung eines Palliativs herrührende Nachwirkung ein dem Krankheits-Symptome ähnlicher Zustand sey, den eben das Palliativ ungetilgt liefs, und den die Gegenwirkung der Lebenskraft auf das Palliativ folglich noch verstärkte. 1) "Wie wenn in einem dunkeln Kerker, wo der Gefangene nur mk Mühe die nahen Gegenstände erkennen konnte, jähling angezündeter Weingeist dem Elenden auf einmal alles um ihn her tröstlich erhellet, bei Verlöschung desselben aber, je stärker die nun verloschene Flamme vorher gewesen war, ihn nun eine nur desto schwärzere Nacht umgiebt und ihm alles umher weit unsichtbarer macht, als vorher. L 2 164 ihm sinnlich wahrnehmbaren Veränderungen seines Befindens, mit einem Worte, blofs in der Gesammtheit der Symptome bestehe, durch welche die Krankheit die zu ihrer Hülfe geeignete Arznei fordert, hingegen jede ihr angedichtete, innere Ursache und verborgene Beschaffenheit ein nichtiger Traum sey; dafs diese Befindens-Verstimmung, die wir Krankheit nennen, blofs durch eine andre Befindens-Umstimmung mittels Arzneien zur Gesundheit gebracht werden könne, deren einzige Heilkraft folglich nur in Veränderung des Menschenbefindens das ist, in eigenthümlicher Erregung krankhafter Symptome bestehen kann, und am deutlichsten und reinsten beim Probiren derselben an gesunden Körpern erkannt wird; dafs, nach allen Erfahrungen, durch Arzneien, die einen von der zu heilenden Krankheit abweichenden, fremdartigen Krankheitszustand (unähnliche krankbafte Symptome) für sich in gesunden Menschen zu erregen vermögen, die ihnen unähnliche natürliche Krankheit nie geheilt werden könne (nie also durch ein allopathisches Cur-Verfahren), nnd dafs selbst in der Natur keine Heilung vorkomme, wo eine inwohnende Krankheit durch eine hinzutretende zweite, jener unähnliche, aufgehoben, vernichtet und geheilt würde, sey die neue auch noch so stark; dafs auch, nach allen Erfahrungen, durch Arz- 165 neien, die ein dem zu heilenden Krankheitssymptome entgegengesetztes künstliches Krankheitssymptom für sich im gesunden Menschen zu erregen Neigung haben, blofs eind schnell vorübergehende Linderung, nie aber Heilung einer altern Beschwerde, sondern stets naebgängige Verschlimmerung derselben be-< wirkt werde; und dafs, mit einem Worte, diefs antipathische und blofs palliative Verfahren in altern, wichtigen Uebeln durchaus zweckwidrig sey; dafs aber die dritte, einzig noch übrig mögliche Verfahrungsart (die homöopathische), wodurch gegen die Gcsammtheit der Symptome einer natürlichen Krankheit eine, möglichst ähnliche Symptome in gesunden Menschen zu erzeugen fähige Arznei in angemessener Gabe gebraucht wird, die allein hülfreiche Heilart sey, wodurch die Krankheiten als blofs dynamische Verslimmungs- Reize der Lebenskraft, unbeschwerlich, vollkommen und dauerhaft ausgelöscht und vernichtet, zu existiren aufhören müssen — worin auch die freie Natur in ihren zufälligen Ereignissen selbst mit ihrem Beispiele uns vorangeht, wenn zu einer alten Krankheit eine neue, der alten ähnliche hinzutritt, wodurch die alte schnell und auf immer vernichtet und geheilt wird. §. 67. Da es nun weiter keinem Zweifel nntcrworfen 166 ist, dafs die Krankheiten des Menschen blofs in Gruppen gewisser Symptome besteben, durch einen Arzneistoff aber blofs dadurch, dafs dieser ähnliche krankhafte Symptome künstlich zu erzeugen vermag, vernichtet und in Gesundheit verwandelt werden (worauf der Vorgang aller ächten Heilung bernht), so wird sich das Heilgeschäft auf folgende drei Punkte beschränken: I. Wie erforscht der Arzt, was er zum Heilbe-hufe von der Krankheit zu wissen nöthig hat? II. Wie erforscht er die zur Heilung der natürlichen Krankheiten bestimmten Werkzeuge, die krankmachende Potenz der Arzneien? III. Wie wendet er diese künstlichen Krank-beilspolenzen (Arzneien) zur Heilung der natürlichen Krankheiten am zweckmäfsig-sten an? §. 68." Was den ersten Punkt betrifft, so dient Folgendes zuvörderst als allgemeine Uebersicht. Die Krankheiten der Menschen sind theils schnelle Er-krankungs-Processe der innormal verstimmten Lebenskraft, welche ihren Verlauf in mäfsiger, mehr oder weniger kurzen Zeit zu beendigen geeignet sind; man nennt sie acute Krankheiten — theils sind es solche Krankheiten, welche bei kleinen, oft unbemerkten Anfängen den Organism, jede auf ihre eigne Weise, einnehmen und ihn allmälig so vom gesunden Zustande entfernen, dafs die zur Erhaltung der Gesundheit bestimmte, automatische Lc- 167 hens-Energie, Lehenskraft genannt, ihnen heim Anfange, wie hei ihrem Fortgänge, nur unvollkomm-nen, unzweckmäfsigen, unnützen Widerstand entgegensetzen, sie aber, für sich, nicht selbst auslöschen kann, sondern, nnmächtig, sie wuchern lassen mufs, bis zur endlichen Zerstörung des Organisms; man nennt sie chronische Krankheiten. Sie entstehen von Ansteckung mit einem chronischen Miasm. §. 69. Was die acuten Krankheiten betrifft, so sind sie theils solche, die den einzelnen Menschen befallen auf Veranlassung von Schädlichkeiten,' denen gerade er insbesondere ausgesetzt war. Ausschweifungen in Genüssen, oder ihre Entbehrung, physische heftige Eindrücke, Erkältungen, Erhitzungen, Strapazen, Verheben n. s. w. oder psychische Erregungen, Affecten u. s. w. sind Veranlassung solcher acuten Fieber, im Grunde aber meist nur iiber-hingehende Aufloderungen latenter Psora, welche wieder in ihren Schlummer-Zustand zurückkehrt, wenn die acuten Krankheiten nicht allzuheftig waren und bald beseitigt, oder geheilt wurden — theils sind es solche, welche einige Menschen zugleich, hie und dort (sporadisch) befallen von meteorischen oder tellurischen Schädlichkeiten, wovon krankhaft erregt zu werden, nur einige Menschen zu der Zeit Empfänglichkeit besitzen; an welche jene grän-Ben, welche viele Menschen aus ähnlicher Ursache unter sehr ähnlichen Beschwerden (epidemisch) 168 ergreifen, die dann gewöhnlich, wenn sie gedrängte Massen von Individuen überziehen, ansteckend (con-tagiös) zu werden pflegen. Da entstehen Fieber *), jedesmal von eigner Natur, und weil die Krankheits-Fälle gleichen Ursprungs sind, so versetzen sie auch, stets die daran Erkrankten in einen gleichartigen Krankheits-Procefs, welcher jedoch, sich selbst überlassen, in einem mäfsigen Zeiträume, zu Tod oder Genesung sich entscheidet. Kriegs-Nolh, Uebcr-schwemmungen und Hungersnoth sind ihre nicht seltenen Veranlassungen und Erzeugerinnen — theils sind es auf gleiche Art wiederkehrende (daher unter einem hergebrachten Namen bekannte) eigenartige, acute Miasmen, die entweder den Menschen nur einmal im Leben befallen, wie die Menschenpocke, die Masern, der Keichhusten, das ehemalige glatte, hellrothe Scharlach - Fieber 2) des Sydenham, die 1) Der homöopathische Arzt, welcher nicht von Vor-urtheilen befangen ist, welche die gewöhnliche Schule ersann (die einige wenige Namen solcher Fieber festsetzte, aufser denen die grofse Natur keine andere hervorbringen dürfe, um bei ihrer Behandlung nach einem bestimmten Leisten verfahren zu können), erkennt die Namen: Kerker-, Gall-, Typhus-, Faul-, Nerven- oder Schleim-Fieber nicht an, sondern heilt sie, jedes nach seiner Eigentümlichkeit. 2) Nach dem Jahre 1801 ward ein aus Westen gekommenes Purpur-Friesel mit dem Scharlachfieber von den Aerzten verwechselt, ungeachtet jenes ganz andre Zeichen als dieses hatte und jenes an Belladonna, dieses an Aconit sein Schutz- und Heilmittel fand, letzteres auch meist nur sporadisch, ersteres stets nur epidemisch erschien. In clep 169 Mnmps, n. s. w. oder die oft auf ziemlich ähnliche Weise wiederkehrende, levantische Pest, das gelbe Fieber der Küstenländer, die ostindische Cholera, n. s. w. §. 70. Sehr uneigentlich werden diejenigen Krankheiten chronische benannt, welche Menschen erleiden, die sich fortwährend vermeidbaren Schädlichkeiten aussetzen, gewöhnlich schädliche Getränke oder Nahrungsmittel geniefsen, sich Ausschweifungen mancher Art hingeben, die die Gesundheit untergraben, zum Leben nötbige Bedürfnisse anhallend entbehren, in ungesunden, vorzüglich sumpfigen Gegenden sich aufhalten, nur in Kellern oder andern verschlossenen Wohnungen hausen, Mangel an Bewegung oder freier Luft leiden oder sich durch übermäfsige Körper- oder Geistes-Anstrengungen um ihre Gesundheit bringen, in stetem Verdrusse leben, u. s. w. Diese sich selbst zugezogenen Ungesundheiten vergehen, wenn nicht sonst ein chronisches Miasm im Körper liegt, hei gebesserter Lebensweise von selbst und können den Namen chronischer Krankheiten nicht führen. *. 71. Die wahren chronischen Krankheiten sind die von einem chronischen Miasm entstandenen, letztern Jahren scheinen sich hie und da beide zu einrm Ausschlagsficber von eigner Art verbunden zu haben, gegen welches das eine wie das andre Heilmittel nicht mehr genau homöopathiech passend gefunden wird. 170 welche für sich und, ohne die für sie specifischen Heilmittel, immerdar zunehmen und hei dem besten, geistig und körperlich diätetischen Verhalten dennoch steigen und den Menschen mit immerdar er-höheten Leiden his ans Ende des Lehens quälen. Diese sind die allerzahlreichsten und gröfsten Pciniger des Menschengeschlechts, indem die robusteste Körper-Anlage, die geordnetste Lebensweise und die thätigste Energie der Lehenskraft sie an vertilgen aufser Stande sind. $. 72. Man kannte bisher nur die Syphilis einigerma-fsen als eine solche chronisch miasmatische Krankheit, welche ungeheilt nur mit dem Ende des Lebens verlischt. Die, für sich und ungeheilt, gleichfalls von der Lebenskraft unvertilghare Sykosis (Feig-warzenkrankheit) erkannte man nicht als eine innere chronisch- miasmatische Krankheit eigner Art, wie sie doch unstreitig ist und glaubte sie durch Zerstörung der Auswüchse auf der Haut geheilt zu haben, ohne das fortwährende Siechthum von ihr zu be-merken. §. 73. Unermefslich gröfscr und bedeutender als genannte heide, chronische Miasmen aber ist das chronische Miasm der Psora, welche, während jene beide, die eine durch den venerischen Schanker, die andre durch die blunjenkohl-artigen Auswüchse ihr speci-fisches inneres Siechthum bezeichnen, ihrenlhcils ebenfalls erst nach vollendeter innerer Infection des 171 ganzen Organisms durch den eigenartigen Haut-Ausschlag mit unerträglich kitzelnd wohllüsligem Jiickeri (und specifischem Gerüche) das innere, ungeheure chronische Miasm beurkundet — die Psora, die einzig wahre Grund-Ursache und Erzeugerin aller der übrigen vielen, ja unzähligen Krankheits-Formen * ), welche unter den Namen von Ncrven- 1) Zwölf Jahre brachte ich darüber zu, um die Quelle jener unglaublich zahlreichen Menge langwieriger Leiden aufzufinden, diese der ganzen Vor- und Mitwelt unbekannt gebliebene, grofse Wahrheit zu erforschen und zur Gewifs-heit zu bringen und zugleich die (antipsorischen) Heilmittel bu entdecken, welche zusammen diesem tausendköpfigen Ungeheuer von Krankheit gröfstentheils gewachsen wären in ihren so sehr verschiednen Àeufserungen und Formen. Ich habe meine Erfahrungen hierüber in dem unlängst erschienenen Buche: Die chronischen Krankheiten (3Thle. Dresd. b. Arnold, 1828.) vorgelegt. — Eher als ich mit dieser Kennt-nifs im Reinen war, konnte ich die sämmtlichen chronischen Krankheiten nur als abgesonderte, einzelne Individuen behandeln lehren mit den nach ihrer reinen "Wirkung an gesunden Menschen bis dahin geprüften Arzneisubstanzen, so dafs jeder Fall langwieriger Krankheit nach der an ihm anzutreffenden Symptomen-Gruppe gleich als eine eigenartige Krankheit von meinen Schülern behandelt und oft so weit geheilt ward, dafs die kranke Menschheit über den schon so weit gediehenen Hülfs-Reichthuui der neuen Heilkunst frohlockte. Um wie viel zufriedner kann sie nun seyn, dafs sie dem gewünschten Ziele um so näher kommt, indem ihr die nun hinzu gefundenen, für die aus Psora hervorkeimenden, chronischen Leiden noch weit specifischcr Tio-möopathischen (eigentlicher so zu nennenden, antipsorischen) Heilmittel und die speciellc Lehre, sie zu bereiten 172 Schwäche, Hysterie, Hypochondrie, Manie, Melancholie, Blödsinn, Raserei, Fallsucht und Krämpfen allpr Art, von Knochen-Erweichung ÇRhachitis), Sko-liosis und Kyphosis, Knochenfäule, Krebs, Blutschwamm, Afterorganisationen, Gicht, Hämorrhoiden, Gelb- und Blausucht, Wassersucht, Amenorrhoe und Blutsturz aus Magen, Nase, Lungen, aus der Harnblase, oder der Bährmutter, von Asthma und Lungenvereiternng, von Impotenz und Unfruchtbarkeit, von Migräne, Taubheit, grauem und schwarzem Staar, Nierenstein, Lähmungen, Sinne-Mängel und Schmerzen tausenderlei Art, u. s. w. in den Pathologien als eigne, abgeschlossene Krankheiten figu-riren. §. 74. Es wird dadurch, dafs dieser uralte Ansteckungs-Zunder nach und nach, in einigen hundert Generationen, durch viele Millionen menschlicher Organismen ging und so zu einer unglaublichen Ausbildung gelangte, einigermafsen begreiflich, wie er sich nun in so unzähligen Krankheits-Formen an dem grofsen Menschen-Geschlechte entfalten konnte, vorzüglich wenn wir uns der Betrachtung überlassen, und anzuwenden, mitgetheilt worden, unter denen nun der ächte Arzt diejenigen zu Hülfe wählt, deren Arznei-Symptome der zu heilenden, chronischen Krankheit am ähnlichsten (homöopathisch) entspricht, und so von den für dieses Miasm geeignetem (antipsorischen) Arzneien wesentlichere Dienste erwarten kann. 173 welche Menge von Umständen 1) zur Bildung dieser grofsen Verschiedenheit chronischer Krankheiten (se-eundärer Symptome der Psora) beizutragen pflegen, auch aufser der unbeschreiblichen Mannigfaltigkeit der Menschen in ihren angebornen Körper-Constitutionen, welche schon für sich so unendlich von einander abweichen, dafs es kein Wunder ist, wenn auf so verschiedne, vom psorischen Miasm durchdrungene Organismen so viele verschiedne, oft dauernd, von innen und aufsen einwirkende Schädlichkeiten auch unzählbar verschiedne Mangel, Verderbnisse, Verstimmungen und Leiden hervorbringen, welche unter einer Menge eigner Nam on als für sich bestehende Krankheiten in der alten Pathologie 2) bisher aufgeführt wurden. 1 ) Einige dieser, die Bildung der Psora zu chronischen Uebeln modificirenden Ursachen liegen offenbar theils im Clima und der besondern, natürlichen Beschaffenheit des "Wohnorts, theils in der so abweichenden Erziehung des Körpers und Geistes der Jugend, der vernachlässigten, verschobenen, oder überfeinerten Ausbildung beider, dem Mifs-brauche derselben im Berufe oder Lebens-Verhältnisse, der diätetischen Lebensart, den Leidenschaften der Menschen, ihren Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten mancher Art. 2) Wie viel gieht es darin nicht mifsbräuchliche, vieldeutige Namen, unter deren jedem man höchst verschiedene, oft nur mit einem einzigen Symptome sich ähnelnde Krank-heitszustände begreift, wie: kaltes Fieber, Gelbsucht, Wassersucht, Schwindsucht, Leucorrhö.e, Hämorrhoiden, Rheumatism, Schlagflufs, Krämpfe, 174 §. 75. Ob nnn gleich die Heilkunst durch Entdeckung jener grofsen Quelle der chronischen Krankheiten, Hysterie, Hypochondrie, Melancholie, Manie, Bräune, Lähmung u. s. w., die man für sich gleichbleibende, festständige Krankheiten ausgiebt und des Namens wegen nach einem festgesetzten Leisten behandelt ? Wie könnte man mit einem solchen Namen eine gleichartige, arzneiliche Behandlung rechtfertigen? Und soll die Cur nicht immer dieselbe seyn, wozu der gleiche Cur voraussetzende, identische Name? „Nihil sane in arte m medicam pestiferum magis unquam îrrepsit malum, quam generalia qiraedam nomina morbis imponere iisque aptare velie gene-ralem quandam medicinam," spricht der so einsichtsvolle, als seines zarten Gewissens wegen verehrungswerthe llux-ham (Op. phys. med. Tom. I.). Und eben so beklagt sich Fritze (Annalen, I. S. 80.) „dafs man wesentlich verschiedene Krankheiten mit Einem Namen benenne." Selbst jene Volkskrankheiten, welche sich wohl bei jeder einzelnen Epidemie durch einen eignen Ansteckungsstoff fortpflanzen mögen, werden in der Arzneischule, gleich als wären sie stets gleichartig wiederkehrende, schon bekannte, festständige Krankheiten, mit Namen belegt, wie: Spital-, Kerker-, Lager-, Faul-, Gallen-, Nerven-, Sc h Ici m-Fieber, obgleich jede Epidemie solcher herumgehenden Fieber sich jedesmal als eine andre, neue, nie ganz so jemals da gewesene Krankheit auszeichnet, sehr abweichend in ihrem Verlaufe sowohl, als in mehren der auffallendsten Symptome und ihrem ganzen jedesmaligen Verhalten. Jede ist allen vorhergegangenen, so oder so benannten Epidemien dergestalt unähnlich, dafs man alle logische Genauigkeit in Begriffen verläugnen müfste, wenn man diesen von sich selbst so sehr abweichenden Seuchen einen jener, in der Pathologie eingeführten Namen geben und sie 175 auch in Hinsicht der Auffindung der specifischern homöopathischen Heilmittel, namentlich für die Psora, der Natur der zu heilenden Mehrzahl von Krankhei- dem mifsbrauchlichen Namen nach arzneilich fiberein behandeln wollte. Diefs sah blofs der redliche Sydenham ein, da er (Oper. Cap. 2. de morb. epid. S. 43.) darauf dringt, keine epidemische Krankheit für eine schon da gewesene au halten und sie nach Art einer andern ärztlich zu behandeln, da sie alle, so viel ihrer nach und nach kämen, von einander verschieden wären: animum admiratione percellit, quam discolor et sui plane dissimilis morborum epidemico-rum facies; quae tam aperta horum morborum diversitas tum propriis ac sibi peculiaribus symptomatis tum etiam me-dendi ratione, quam hi ab illis disparem sibi vindicant, satis illucescit. Ex quitus constat, morbos epidemicos, utut externa quatantenus specie et symptomatis aliquot utrisqué pariler convenire panilo ìncautioribus videantur, re tarnen ipsa, si bene adverteris animum, alienae esse admodum in-dolis et distare ut aera lupinis. Aus Allem diesen erhellet, dafs diese nutzlosen und mifsbrauchlichen Krankheitsnamen keinen Einflufs auf die Curari eines ächten Heilkünstlers haben dürfen, welcher weifs, dafs er die Krankheiten nicht nach der wegen Namens -Aehnlichkeit eines einzelnen Symptoms, sondern nach dem ganzen Inbegriffe aller Zeichen des individuellen Zu-standes jedes einzelnen Kranken zu beurlheilen und zu heilen habe, dessen Leiden er genau auszuspähen die Pflicht hat, nie aber hypothetisch vermuthen darf Glaubt man aber dennoch zuweilen Krankheitsnamen zu bedürfen, tarn, wenn von einem Kranken die Rede ist, sich dem Volke in der Kürze verständlich zu machen, so bediene man sich derselben nur als Collectivnanvcn, und sage ihnen z. B. : der Kranke bat eine Art Veitstanz, eine Art von Wassersucht, eine Art von Nervenfieber, 176 ten um einige Schritte näher gekommen ist, so bleibt doch zur Bildung der Indication bei jeder zu heilenden chronischen (psorischen) Krankheit für den homöopathischen Arzt die Pflicht sorgfältiger Auffassung der erforschbaren Symptome und Eigenheiten derselben so unerläfslich als vor jener Erfindung, da keine ächte Heilang dieser, so wie der übrigen Krankheiten statt finden kann, ohne strenge Eigen-Behandlung ( Individualisirung ) jedes Krankheits-Falles — nur, dafs bei dieser Erforschung einiger Unterschied zu beobachten ist, ob das Leiden eine acute und schnell entstandne Krankheit oder eine chronische sey, da bei den acuten die Haupt-Symptome schneller auffallen und den Sinnen erkennbar werden und daher weit kürzere Zeit zur Aufzeichnung des Krankheits - Bildes erforderlich, auch weit weniger dabei zu fragen ist l), da sich das Meiste von selbst darbietet, als bei den weit mühsamer aufzufindenden Symptomen einer schon mehre Jahre allmälig vorgeschrittenen, chronischen Krankheit. __________ §. 76. eine Art kaltes Fieber, nie aber (damit endlich einmal die Täuschung mit diesen Namen aufhöre): er hat den Veitstanz, das Nervenfieber, die "Wassersucht, das kalte Fieber, da es doch gewifs keine festständigen, sich gleichbleibenden Krankheiten dieser und ähnlicher Namen giébt. I) Das so eben erfolgende Schema zur Ausforschung der Symptome geht daher nur zum Theil die acuten Krankheiten an. 177 §. 76. Diese individualisirende Untersuchung eines Krankheits-Falles, wozu ich'hier nur eine allgemeine Anleitung gebe, und wovon der Krankheits-Untersucher nur das für den jedesmaligen Fall Anwendbare beibehält, verlangt von dem Heilkünstler nichts als Unbefangenheit und gesunde Sinne, Aufmerksamkeit im Beobachten und Treue im Aufzeichnen des Bildes der Krankheit. §. 77. Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwerden; die Angehörigen erzählen seine Klagen, sein Benehmen, und was sie an ihm wahrgenommen; der Arzt sieht, hört und bemerkt durch die übrigen Sinne, was verändert und ungewöhnlich an ihm ist. Er schreibt alles genau mit denselben Ausdrücken auf, deren der Kranke und die Angehörigen sich bedienen. Stillschweigend läfst er sie ausreden, wo möglich, wenn sie nicht auf Nebendinge abschweifen, ohne Unterbrechung *). Blofs langsam zu sprechen ermahne sie der Arzt gleich Anfangs, damit er den Sprechenden im Nachschreiben des Nüthigen folgen könne. §. 78. Mit jeder Angabe des Kranken oder der Angehörigen bricht er die Zeile ab, damit die Sym- 1) Jede Unterbrechung stört die Gedankenreihe der Erzählenden, und es fallt ihnen hinterdrein nicht alles genau so wieder ein, wie sie's Anfangs sagen wollten. M 178 ptome alle einzeln unter einander zu stehen kommen. So kann er bei jedem nachtragen, was ihm anfänglich allzu unbestimmt, nachgehends aber deutlicher angegeben wird. §. 79. Sind die Erzählenden fertig mit dem, was sie von selbst sagen wollten, so trägt der Arzt bei jedem einzelnen Symptome die nähere Bestimmung nach, auf folgende Weise erkundigt: Er liest die einzelnen, ihm gesagten Symptome durch, und fragt bei jedem insbesondere: z. B. zu welcher Zeit ereignete sich dieser Zufall? In der Zeit vor dem bisherigen Arzneigebrauche? Wahrend des Arznei-cinnehmens? Oder erst einige Tage nach Beiseitesetzung der Arzneien? Was für ein Schmerz, welche Empfindung, genau beschrieben, war es, die sich an dieser Stelle ereignete? TVelche genaue Stellç war es? Erfolgte der Schmerz abgesetzt und einzeln, zu verschiednen Zeiten? Oder war er anhaltend, unausgesetzt? Wie lange? Zu welcher Zeit des Tages oder der Nacht, und in welcher Lage des Körpers war er am schlimmsten, oder setzte ganz aus? "Wie war dieser, wie war jener angegebene Zufall oder Umstand — mit deutlichen Worten beschrieben — genau beschaffen? §. 80. Und so läfst sich der Arzt die nähere Bestimmung von jeder einzelnen Angabe noch dazu sagen, ohne jedoch jemals dem Kranken bei der Frage 179 schon die Antwort mit in den Mund zu legen '), so dafs der Kranke dann Hofs mit Ja oder Nein daranf za antworten hätte; sonst wird er verleitet, etwas Unwahres, Halbwahres oder anders Vorhand-nes, aus Bequemlichkeit oder dem Fragenden zu Gefallen, zu bejahen oder zu verneinen, wodurch ein falsches Bild der Krankheit und eine unpassende Curart entstehen mufs. §. 81. Ist nun bei diesen freiwilligen Angaben von mehren Theilen oder Functionen des Körpers oder von seiner Gemiiths-Stimmung nichts erwähnt worden, so fragt der Arzt, was in Rücksicht dieser Theile und dieser Functionen, so wie wegen seines Geistes oder Gemiiths-Zustandes 2), noch zu erin- 1) Der Arzt darf z. B. nicht fragen: „war nicht etwa auch dieser oder jener Umstand da?" Dergleichen zu einer falschen Antwort und Angabe verführende Suggestionen darf sich der Arzt nie zu Schulden kommen lassen. 2) Z. B. Wie ist es mit dem Stuhlgange? Wie geht der Urin ah? W^ie ist es mit dem Schlafe, bei Tage, bei der Nacht? Wie ist sein Gemülh, seine Laune, seine Besinnungskraft beschaffen? Wie ist es mit dem Durste? Wie ist es mit dem Geschmacke so für sich im Munde? Welche Speisen und Getränke schmecken ihm am besten? Welche sind ihm am meisten zuwider? Hat jedes seinen natürlichen, vollen, oder einen andern, fremden Geschmack? Wie wird ihm nach Essen oder Trinken? Ist etwas wegen des Kopfs, der Glieder, oder des Unterleibes zu erinnern? M 2 180 nem sey, aber in allgemeinen 'Ausdrücken, damit der Berichtgeber genötbigt sey, sich speciell darüber zu äufsern. §. 82. Hat nun der Kranke (denn diesem ist in Absiebt seiner Empfindungen, aufscr in Verstellungs-Krankheiten, der meiste Glaube beizumessen) auch durch diese freiwilligen und blofs veranlassten.Aeu-fserungen dem Arzte gehörige Auskunft gegeben und das Bild der Krankheit ziemlich vervollständigt, so ist es diesem erlaubt, und nöthig (wenn er fühlt, dafs er noch nicht gehörig unterrichtet sey), nähere, speciellere Fragen zu thun *). 1) Z. B. Wie oft hatte er Stuhlgang; von welcher genauen Beschaffenheit? "War der weifslichte Stuhlgang Schleim oder Koth? Waren Schmerzen beim Abgange, oder nicht? Welche genaue, und wo? Was brach der Kranke aus? Ist der garstige Geschmack im Munde faul, oder bitter, oder sauer, oder wie sonst? vor oder nach dem Essen und Trinken oder während desselben? Zu welcher Tageszeit am meisten? Von welcheni Geschmacke ist das Aufstofsen? Wird der Urin erst beim Stehen trübe, oder läfst er ihn gleich trübe? Von welcher Farbe ist er, wenn er ihn eben gelassen hat? Von welcher Farbe ist der Satz? — Wie gebehrdet und äufsert er sich im Schlafe? wimmert, stöhnt, redet oder schreiet er im Schlafe? erschrickt er im Schlafe? schnarcht er beim Einathmen, oder beim Ausathmen? Liegt er einzig auf dem Rücken, oder auf welcher Seite? Deckt er sich selbst fest zu, oder leidet er das Zudecken nicht? Wacht er leicht auf, oder schläft er allzu fest? Wie befindet er sich gleich nach dem Erwachen aus dem Schlafe? Wie oft kommt diese, wie oft 181 §.' 83. Ist der Arzt mit Niederschreibung dieser Aassagen fertig, so merkt er sieb, an, was er selbst an dem Kranken wahrnimmt ') und erkundigt sich, jene Beschwerde ; auf welche jedesmalige Veranlassung kommt sie? im Sitzen, im Liegen, im Stehen oder bei der Bewegung? blofs nüchtern, oder doch früh, oder blofs Abends', oder blofs nach der Mahlzeit, oder wann sonst gewöhnlich? — Wann kam der Frost? war es blofs Frostempfindung, oder war er zugleich kalt? an welchen Theilen? oder war er bei der Frosteropfindung sogar heifs anzufühlen? war es blofs Empfindung von Kälte, ohne Schauder? war er heifs, ohne Gesichtsröthe? an welchen Theilen war er heifs anzufühlen? oder klagte er über Hitze, ohne heifs zu seyn beim Anfühlen? wie lange dauerte der Frost, wie lange die Hitze? — Wann kam der Durst? beim Froste? bei der Hitze? oder vorher? oder nachher? wie stark war der Durst, und worauf? — Wann kommt der Schweifs? beim Anfange, oder zu Ende der Hitze? oder wie viel Stunden nach der Hitze? im Schlafe oder im Wachen? wie stark ist der Schweifs? heifs oder kalt? in welchen Theilen? .von welchem Gerüche? — Was klagt er an Beschwerden vor oder bei dem Froste? was bei der Hitze? was nach derselben? was bei oder nach dem Schweifse? u. s. \v. 1 ) Z. B. Wie sich, der Kranke bei dem Besuche ge-behrdet hat, ob er verdriefslich, zänkisch, hastig, weinerlich, ängstlich, verzweifelt, oder traurig, oder getrost, gelassen, u. s. w.; ob er schlaftrunken oder überhaupt unbe-sinnlich war? ob er heisch, sehr leise, oder ob er unpassend, oder wie anders er redete? wie die Farbe des Gesichts und der Augen, und die Farbe der Haut überhaupt, wie die Lebhaftigkeit und Kraft der Mienen und Augen, wie die Zunge, der Athem, der Geruch aus dem Munde, oder das Gehör beschaffen ist? wie sehr die Pupillen er- 182 was dem Kranken hievon in gesunden Tagen eigen gewesen. §. 84. Die Zufalle und das Befinden des Kranken während eines etwa vorgängigen Arzneigebrauchs geben nicht das reine Bild der Krankheit; diejenigen Symptome und Beschwerden hingegen, welche er vor dem Gebrauche der Arzneien oder nach ihrer mehrtägigen Zurücksetzung litt, geben den ächten Grundbegriff von der ursprünglichen Gestalt der Krankheit, und vorzüglich diese mufs der Arzt sich aufzeichnen. Er kann auch wohl, wenn die Krankheit langwierig ist, den Kranken, wenn er bis jetzt noch Arznei genommen hatte, einige Tage ganz ohne Arznei lassen, oder ihm etwas Unarzneiliches indefs geben und bis dahin die genauere Prüfung der Krankheitszeichen verschieben, nm die dauerhaften, unvermischten Symptome des alten Uebels in ihrer Reinheit aufzufassen und ein untrügliches Bild von der Krankheit entwerfen zu können. weitert, oder verengert sind? wie schnell, wie weit sie sich im Dunkeln und Hellen verändern? wie der Puls? wie der Unterleib? wie feucht oder heifs, wie kalt oder trocken die Haut an diesen oder jenen Theilen oder überhaupt anzufühlen ist? ob er mit zurückgebogenem Kopfe, mit halb oder ganz offenem Munde, mit über den Kopf gelegten Armen, ob er auf dem Rücken, oder in welcher andern Stellung er liegt? mit welcher Anstrengung er sich aufrichtet, und was von dem Arzte sonst auffallend Bemerkbares an ihm wahrgenommen werden konnte. 183 §. 85. Ist es aber eine schnell verlaufende Krankheit, nnd leidet ihr dringender Zustand keinen Yerzug, so mufs sich der Arzt mit dem, selbst von den Arzneien geänderten Krankheitszustande begnügen — wenn er die vor dem Arzneigebrauche bemerkten Symptome nicht erfahren kann, — um wenigstens die gegenwärtige Gestalt des Uehels, das heifst, um die mit der ursprünglichen Krankheit vereinigte Arzneikrankheit, welche durch die oft zweckwidrigen Mittel gewöhnlich beträchtlicher und gefährlicher, als die ursprüngliche ist, und daher oft dringend zweck-mäfsige Hülfe heischt, in ein Gesammtbild zusammenfassen und, damit der Kranke an der genommenen schädlichen Arznei nicht sterbe, mit einem passend homöopathischen Heilmittel besiegen zu können. §. 86. Ist die Krankheit durch ein auffallendes Ereig-nifs seit Kurzem, oder bei einem langwierigen Uebel vor längerer Zeit verursacht worden, so wird der Kranke — oder wenigstens die im Geheim befragten Angehörigen — sie schon angeben, entweder von selbst nnd aus eignem Triebe oder auf eine behutsame Erkundigung J), 1) Den etwanigen entehrenden Veranlassungen, welche der Kranke oder die Angehörigen nicht gern, wenigstens nicht von freien Stücken gestehen, mufs der Arzt durch klägliche Wendungen der Fragen oder durch andre Privat-Erkundigungen auf die Spur zu kommen suchen. Dahin gehören: Vergiftung oder begonnener Selbstmord, Onanie, 184 §. 87. Bei Erkundigung des Znstandes chronischer Krankheiten müssen die hesondern Verhältnisse des Kranken in Absicht seiner gewöhnlichen Beschäftigungen, seiner gewohnten Lehensordnung und Diät, seiner häuslichen Lage u. s. w. wohl erwogen und geprüft werden, was sich in ihnen Krankheit Erregendes oder Unterhaltendes befindet, um durch dessen Entfernung die Genesung befördern zu können *). Ausschweifungen gewöhnlicher oder unnatürlicher Wohl-lust, Schwelgen in "Wein, Liqueuren, Punsch und andern hitzigen Getränken, oder Kaffee, — Schwelgen in Essen überhaupt oder in besonders schädlichen Speisen, — venerische oder Kratz-Ansteckung, unglückliche Liebe, Eifersucht, Hausunfrieden, Aergernifs, Gram über ein Familien-Unglück, erlittene Mifshandlung, verbissene Rache, gekränkter Stolz, Zerrüttung der Vermögensumstände, — abergläubige Furcht, — Hunger — oder ein Körpergebrechen an den Schamtheilen, ein Bruch, ein Vorfall u. s. w. 1) Vorzüglich mufs bei chronischen Krankheiten des ¦weiblichen Geschlechts auf Schwangerschaft, Unfruchtbarkeit, Neigung zur Begattung, Niederkünften, Fehlgeburten, Kindersäugen und den Zustand des monatlichen Blutfliisses Rücksicht genommen werden. Insbesondere ist in Betreff des letztem die Erkundigung nicht zu versäumen, ob er in zu kurzen Perioden wiederkehrt,, oder über die gehörige Zeit aufsen bleibt, wie viele Tage er anhält, ununterbrochen oder abgesetzt? in welcher Menge überhaupt, wie dunkel von Farbe, ob mit Leucorrhöe (Weifsflufs) vor dem Eintritte oder nach der Beendigung? vorzüglich aber mit welchen Beschwerden Leibes und der Seele, mit welchen Empfindungen und Schmerzen vor dem Eintritte, bei dem Blutflusse oder nachher? Ist Weifsflufs bei ihr; wie 185 §. 88. Die Erforschung der ohgedachten und aller übrigen Krankheitszeichen mufs defshalb bei chronischen Krankheiten so sorgfältig und umständlich, als möglich, geschehen und in die kleinsten Einzelheiten gehen, theils weil sie bei diesen Krankheiten am sonderlichsten sind, denen in den schnell vorübergehenden Krankheiten am wenigsten gleichend, und bei der Heilung, wenn sie gelingen soll, nicht genau genug genommen werden können; theils weil die Kranken der langen Leiden so gewohnt werden, dafs sie auf die kleinern, oft sehr bezeichnnngsvollen (charakteristischen) — bei Aufsuchung des Heilmittels oft viel entscheidenden — Nebenzufalle wenig oder gar nicht mehr achten und sie fast für einen Theil ihres notwendigen Zustandes, fast für Gesundheit ansehen, deren wahres Gefühl sie bei der oft fünfzehn-, zwanzigjährigen Dauer ihrer Leiden ziemlich vergessen haben, es ihnen auch kaum einfällt, zu glauben, dafs diese Nebensymptome, diese übrigen kleinern oder gröfsern Abweichungen vom gesunden Zustande mit ihrem Hauptübel im Zusammenhange stehen könnten. §. 89. Zudem sind die Kranken selbst von so abweichender Gemüthsart, dafs einige, vorzüglich die sogenannten Hypochondristen und andre sehr gefüh- er beschaffen ist? in welcher Menge? und unter welchen Bedingungen und auf welche Veranlassungen er erscheint? 186 lige und unleidliche Personen ihre Klagen in allzu grellem Lichte aufstellen und, um den Arzt zar Hülfe aufzureizen, die Beschwerden mit überspannten Ausdrücken bezeichnen 1). §. 90. Andre, entgegengesetzte Personen .aber halten, theils aus Trägheit, theils aus mifsverstandner Scham, theils aus einer Art milder Gesinnung eine Menge Beschwerden zurück, bezeichnen sie mit undeutlichen Ausdrücken, oder geben mehre als unbeschwerlich an. §. 91. So gewifs man nun auch vorzüglich den Kranken über seine Beschwerden und Empfindungen zu hören und vorzüglich seinen eignen Ausdrücken, mit denen er seine Leiden zu verstehen geben kann, Glauben beizumessen hat, — weil sie im Mande der Angehörigen und Krankenwärter verändert und ver- 1) Eine reine Erdichtung vop Zufallen und Beschwerden wird man wohl nie bei Hypochondristen, selbst bei den unleidlichsten nicht, antreffen, — diefs zeigt die Ver-gleichung ihrer zu verschiednen Zeiten geklagten Beschwerden, während der Arzt ihnen nichts oder etwas ganz Un-arzneiliches eingiebt, deutlich; — nur mufs man von ihren Uebertreibungen etwas abziehen, wenigstens die Stärke ihrer Ausdrücke auf Rechnung ihres übermäfsigen Gefühls setzen; in welcher Hinsicht selbst diese Hochstimmung ihrer Ausdrücke über ihre Leiden für sich schon zum bedeutenden Symptome in der Reihe der übrigen wird, woraus das Bild der Krankheit zusammengesetzt ist. Bei Wahnsinnigen und böslichen Krankheits- Erdich tern ist es ein andrer Fall. 187 fälscht zu werden pflegen, — so gewifs erfordert doch auf der andern Seite bei allen Krankheiten, vorzüglich aber bei den langwierigen, die Erforschung des wahren, vollständigen Bildes derselben und seiner Einzelheiten besondre Umsicht, Bedenklichkeit, Menschenkenntnifs, Behutsamkeit im Erkundigen und Geduld, in hohem Grade. §. 92. Im Ganzen wird dem Arzte die Erkundigung acuter, oder sonst seit Kurzem entstandner Krankheiten leichter, weil dem Kranken und den Angehörigen alle Zufälle und Abweichungen von der nur nnlängst erst verlornen Gesundheit noch in frischem Gedächtnisse, noch neu und auffallend geblieben sind. Der Arzt mufs zwar auch hier alles wissen; er braucht aber weit weniger zu erforschen; man sagt ihm alles gröfstentheils von selbst. §. 93. Bei Erforschung des Symptomen-Inbegriffs der epidemischen Seuchen und sporadischen Krankheiten ist es sehr gleichgültig, ob schon ehedem etwas Aehnliches unter diesem oder jenem Namen in der AVeit vorgekommen sey. Die Neuheit oder Besonderheit einer solchen Seuche macht keinen Unterschied weder in ihrer Untersuchung, noch Heilung, da der Arzt ohnehin das reine Bild jeder gegenwärtig herrschenden Krankheit als neu und unbekannt voraussetzen und es, vom Grunde aus, für sich erforschen mufs, wenn er ein ächter, gründlicher Hcil-künstlcr seyn will, der nie Vcrmuthung an die Stelle 188 der Wahrnehmung setaen, nie 'einen ihm angetragen nen Krankheitsfall weder ganz, noch zum Theile für bekannt annehmen darf, ohne ihn sorgfältig nach allen seinen Aeufsernngen auszuspähen, und diefs hier um so mehr, da jede herrschende Seuche in vieler Hinsicht eine Erscheinung eigner Art ist und sehr abweichend von allen ehemaligen, fälschlich mit Namen belegten Seuchen bei genauer Untersuchung befunden wird; — wenn man die Epidemien von sieh gleich bleibendem Ansteckungszunder, die Men-sehenpocken, die Masern u. s. w. ausnimmt. §. 94. Es kann wohl seyn, dafs der Arzt beim ersten ihm vorkommenden Fälle einer epidemischen Seuche nicht gleich das vollkommne Bild derselben zur Wahrnehmung bekommt, da jede solche Collectiv-krankheit erst bei näherer Beobachtung mehrer Fälle den Inbegriff ihrer Symptome und Zeichen an den Tag legt. Indessen kann der sorgfältig forschende Arzt schon beim ersten und zweiten Kranken dem wahren Zustande oft schon so nabe kommen, dafs er ein charakteristisches Bild davon inne wird — und selbst schon dann ein passendes, homöopathisch angemessenes Heilmittel für sie ausfindet. §. 95. Bei Niederschreibung der Symptome mehrer Fälle dieser Art wird das entworfene Krankheitsbild immer vollständiger, nicht gröfser und wortreicher, aber bezeichnender (charakteristischer), die Eigentümlichkeit dieser Colleclivkrankheit umfassender; 189 die allgemeinen Zeichen (z. B, Appetitlosigkeit, Mangel an Schlaf u. s. w.) erhalten ihre eignen nnd genauem Bestimmungen, und auf der andern Seite treten die mehr ausgezeichneten, hesondern, wenigstens in dieser Verbindung seitnern, nur wenigen Krankheiten eignen Symptome hervor nnd hilden das Charakteristische dieser Seuche 1). Alle an der dermaligen Seuche Erkrankten haben zwar eine aus einer nnd derselben Quelle geflossene nnd daher gleiche Krankheit; aber der ganse Umfang einer solchen epidemischen Krankheit und die Gesammt-heit ihrer Symptome (deren Kenntnifs eur Ueber-sicht des vollständigen Krankheitsbildes gehört, um das für diesen Symptomen-Inbegriff passendste homöopathische Heilmittel wählen zu können) kann nicht bei einem einzelnen Kranken ; wahrgenommen, sondern nur aus den Leiden mehrer Kranken von verschiedner Körperbeschaffenheit abgezogen (abstra-hirt) und entnommen werden. §. 96. Auf gleiche Weise, wie hier von den epidemischen, meist acuten Seuchen gelehrt worden, mufs-ten auch von mir die in ihrem W^csen sich gleichbleibenden miasmatischen, chronischen Siechthnme, 1) Dann werden dem Arzte, welcher schon in den ersten Fällen das dem speeifisch homöopathischen nahe kommende Heilmittel hat wählen können, die folgenden Fälle entweder die Angemessenheit der gewählten Arznei bestätigen, oder ihn auf ein noch passenderes, auf das passendste homöopathische Heilmittel hinweisen. 190 namentlich und vorzüglich die Psora, viel genauer als bisher geschah, nach dem Umfange ihrer Symptome ausgeforscht werden, indem auch bei ihnen der eine Kranke nur einen Theil derselben an sich trägt, ein zweiter, ein dritter u. s. w. wiederum an einigen andern Zufällen leidet, welche ebenfalls nur ein (gleichsam abgerissener) Theil aus der Gesammt-heit der den ganzen Umfang desselben Siechthums ausmachenden Symptome sind, so dafs nur an sehr vielen einzelnen dergleichen chronischen Kranken der Inbegriff aller zu einem solchen miasmatischen, chronischen Sicchthume, insbesondre der Psora gehörigen Symptome ausgemittelt werden konnte, ohne deren vollständige Uebersicht und Gesammt-Bild die homöopathisch das ganze Siechthum heilenden (namentlich der antipsorischen) Arzneien nicht ausgeforscht werden konnten, welche zugleich die wahren Heilmittel der einzelnen, an dergleichen chronischen Uebeln leidenden Kranken sind. > 97. Ist nun die Gesammtheit der den Krankheits-Fall vorzüglich bestimmenden und auszeichnenden Symptome, oder, mit andern Worten, das Bild der Krankheit irgend einer Art einmal genau aufgezeichnet, so ist auch die schwerste Arbeit geschehen. Der Heilkünstler hat es dann bei der Cur, vorzüglich der chronischen Krankheit, zum Grunde gelegt, auf immer vor sich, kann es in allen seinen Theilen durchschauen und die charakteristischen Zeichen herausheben, um eine gegen diese, das ist, gegen das 191 Uebel.selbst gerichtete, treffend ähnliche, künstliche Krankheitspotenz in dem homöopathisch gewählten Arzneimittel entgegenzusetzen, gewählt aus den Sym-plomenreihen aller ihm nach ihren reinen Wirkungen bekannt gewordenen Arzneien. Und wenn er sich während der Cur nach dem Erfolge der Arznei und dem geänderten Befinden des Kranken erkundigt, braucht er in seinem neuen Krankheitsbefunde von der ursprünglichen Gruppe der Symptome blofs das wegzulassen, was sich gebessert hat, und dazïi zu setzen, was noch davon vorhanden, oder etwa an neuen Beschwerden hinzu gekommen ist. .§. 98." Der zweite Punkt des Geschäftes eines ächten Heilkünstlers betrifft die Erforschung der zur Heilung der natürlichen Krankheiten bestimmten Werkzeuge, die Erforschung der krankmachenden Kraft der Arzneien, um, wo zu heilen ist, eine von ihnen aussuchen zu können, ans deren Symptomenreihe eine künstliche Krankheit zusammengesetzt werden kann, der Hanpt-Symptomen-Gesammtheit der natürlichen zu heilenden Krankheit möglichst ähnlich. «. 99. Die ganze, Krankheit erregende Wirksamkeit der «inzelnen Arzneien mnfs bekannt seyn, das ist, möglichst alle die krankhaften Symptome und Befindens-Veränderungen, die jede derselben besonders zu erzeugen fähig ist, müssen erst beobachtet worden seyn, ehe man hoffen kann, für die meisten na- 192 türlichen Krankheiten treffend homöopathische Heilmittel unter ihnen finden und auswählen zu können. §. 100. Giebt man, diefs zu erforschen, Arzneien nur den kranken Personen ein, selbst wenn man sie nur einfach und einzeln verordnete, so sieht man von ihren reinen Wirkungen wenig oder nichts Bestimmtes, da die von den Arzneien zu erwartenden, besondern Befindens -Veränderungen mit den Symptomen der gegenwärtigen natürlichen Krankheit vermengt, nur selten deutlich wahrgenommen werden können. §. 101. Es ist also kein Weg weiter möglich, auf welchem man die eigenthümlichen Wirkungen der Arzneien auf das Befinden des Menschen untrüglich erfahren könnte; es giebt keine einzige sichere, keine natürlichere Veranstaltung zu dieser Absicht, als dafs man die einzelnen Arzneien versuchsweise gesunden Menschen in mäfsiger Menge eingieht, um zu erfahren, welche Veränderungen, Symptome und Zeichen ihrer Einwirkung jede besonders im Befinden Leibes und der Seele hervorbringe, das ist, welche Krankheits-Elemente sie zu erregen fähig und geneigt sey *), da, wie (§. 19—22.) gezeigt wor-._________ den, 1) Nicht ein einziger Arzt, meines Wissens, kam in der drittehalbtausendjährigen Vorzeit auf diese so natürliche, so unumgänglich nothwendige, einzig ächte Prüfung der Arzneien auf ihre reinen, eigenthümlichen, das Befinden der 193 den, alle Heilkraft der Arzneien einzig in dieser ihrer Menschenbefindens-Verändernngskraft liegt, und aus Beobachtung der letztern hervorleuchtet. §. 102. Diesen "Weg schlug ich zuerst ein mit einer Beharrlichkeit, die nur durch eine vollkommne Ueber-zeugung von der grofsen, Menschen beglückenden Wahrheit, dafs blofs durch homöopathischen Gebrauch der Arzneien die einzig gewisse Heilung der Krankheiten der Menschen möglich sey, entstehen und aufrecht erhalten werden konnte *). Menschen umstimmenden Wirkungen, um so zu erfahren,, welche Krankheitszuständc jede Arznei zu heilen vermöge, als der grofse, unsterbliche Alhrecht von Haller. Blofs dieser sah, aufser mir, die Notwendigkeit hievon ein (siehe Yorrede zur Pharmacopoea Helvet., Basil. 1771. fol. S. 12.)i „Nempe primum in corpore sano niedela tentanda estj sine peregrina ulla miscela; odoreque et sapore ejus exploratis, exigua illius dosis ingerenda et ad omnes, quae inde contingunt, affectiones, quis pulsus, qui calor, quae respiratio, quaenam exeretiones, attendendum. Inde ad du-ctum phaenomenorum, in sano obviorum, transeas ad expérimenta in corpore aegroto etc." Aber Niemand, kein einziger Arzt achtete oder befolgte diese seine unschätzbaren Winke. 1) Die erste Frucht von diesem Streben legte ich, so reif sie damals seyn konnte, nieder in den: Fragmenta de viribus medicamentorum positivis, sive in sano corp. hum. observatis. P. I. II. Lipsiae, 8. 1805. ap. J. A. Barth; die reifere in: Reine Arzneimittellehre. I. Th. 1811. (zweite Ausgabe 1822.) II. Th. zw. Ausg. 1824. III. Th. zw. Ausg. 1825. IV. Th. zw. Ausg. 1825. V. Th. zw. Ausg. N 194 §. 103. Daneben sah ich, dafs die krankhaften Schädlichkeiten, welche vorgängige Schriftsteller von arzneilichen Substanzen aufgezeichnet hatten, wenn sie in grofser Menge ans Versehen?, oder um sich oder Andre zu tödlen, oder unter andern Umständen in den Magen gesunder Personen gerathen waren, mit meinen Beobachtungen beim Versuchen derselben Substanzen an mir und andern gesunden Personen viel übereinkamen. Sie erzählen diese Vorgänge als Vergiftuhgsgeschichten und als Beweise des Nachtheils dieser heftigen Dinge, meistens nur, um davor zu warnen, theils auch, um ihre Kunst zu rühmen, weün bei ihren, gegen diese gefährlichen Zufälle gebrauchten Mitteln allmälig wieder Genesung eingetreten war, theils aber auch, wo diese so angegriffenen Personen in ihrer Cur starben, sich mit der Gefährlichkeit dieser Substanzen, die sie dann Gifte nannten, zu entschuldigen. Keiner von diesen Beobachtern ahnete, dafs diese von ihnen blofs als Beweise der Schädlichkeit und Giftigkeit dieser Substanzen erzählten Symptome sichere Hinweisung enthielten auf die Kraft dieser Droguen, ähnliche Beschwerden in natürlichen Krankheiten heilkräftig auslöschen zu können, dafs diese ihre Krankheits - Erregungen reine Andeutungen ihrer homöopathischen Heil- 1826. VI. Th. zw. Ausg. 1827. unrl im zweiten und dritten Theile der chronischen Krankheiten, 1828. Dresden bei Arnold. 195 wirknngen seyen, nnd dafs blofs auf Beobachtung solcher Befindensveränderungen, die die Arzneien in gesunden Körpern hervorbringen, die einzig mögliche Erforschung ihrer Arzneikräfte beruhe, indem weder durch vernünftelnde Klügelei a priori, noch durch Geruch, Geschmack oder Ansehen der Arzneien, noch durch chemische Bearbeitung, noch auch durch Gebrauch mchrer derselben zugleich in einer Mischung (Recepte) bei Krankheiten die reinen, eigentümlichen Kräfte der Arzneien zum Heilbehufe zu erkennen sind; man ahnete nicht, dafs diese Geschichten von Arzneikrankheiten dereinst die ersten Anfangsgründe der wahren, reinen Arzneistoff-Lebre abgeben würd€n, die vom Anbeginn bis hieher nur in falschen Vermuthungen und Erdichtungen bestand, das ist, noch gar nicht vorhanden war *). §. 104. Die Uebereinkunft meiner mit jenen altern — obgleich unhinsichtlich auf Heilbehuf beschriebenen — Beobachtungen reiner Arznei Wirkungen und selbst die Uebereinstimmung dieser Nachrichten mit andern dieser Art von verschiednen Scbriftstellern überzeugt uns leicht, dafs die Arzneisloffe bei ihrer krankhaften Veränderung des gesunden menschlichen Körpers nach bestimmten, ewigen Naturgesetzen wir- 1) Man sehe, was ich hievon gesagt habe in: Beleuchtung der Quejlen der gewöhnlichen Materia medica, vor dem dritten Tlieile meiner reinen Arzneimittellehre. N 2 196 ken, und, vermöge dieser, gewisse, zuverlässige Krankheitssymptome zu erzeugen fähig sind, jeder, nach seiner Eigentümlichkeit besondere. §. 105. In jenen altern Beschreibungen der oft lebensgefährlichen Wirkungen in so übermäfsigen Gaben verschluckter Arzneien nimmt man auch Zustände wahr, die nicht Anfangs, .sondern' beim Ausgange solcher traurigen Ereignisse sich zeigten nnd von einer 'den anfänglichen ganz entgegengesetzten Natur waren. Diese der Erstwirkung (§. 59.) oder eigentlichen Einwirkung der Arzneien auf den Körper entgegenstehende Symptome sind die' Gegenwirkung der Lebenskraft des Organisms, die Nachwirkung desselben (§. 58 — 63.), wovon jedoch bei mäfsigen Gaben zum Versnche an gesunden Körpern selten oder fast nie das Mindeste zu spüren ist, bei kleinen Gaben aber gar nicht. Gegen diese macht der lebende Organism beim homöopathischen Heilgeschäfte nur so viel Gegenwirkung, als erforderlich ist, das Befinden wieder auf den natürlichen, gesunden Zustand zu erheben (§. 63.). §. 106. Blofs die narcotischen Arzneien machen hierin eine Ausnahme, da sie in der Erstwirkung theils die Empfindlichkeit nnd Empfindung, theils die Reizbarkeit hinwegnehnyin, so pflegt bei ihnen öfterer, auch bei mäfsigen Versuchsgaben, in gesunden Körpern 197 eine erhöhete Empfindlichkeit in der Nachwirkung (und eine gröfsere Reizbarkeit) merkbar zu Werden. §. 107. Diese narcotischen Substanzen ausgenommen, werden bei Versuchen mit mäfsigen Gaben Arznei in gesunden Körpern blofs die Erslwirkungen derselben, d. i. diejenigen Symptome wahrgenommen, womit die Arznei das Befinden des Menschen umstimmt und einen krankhaften Zustand auf längere oder kürzere Zeit in und an demselben hervorbringt. §. 108. Unter diesen giebt es bei einigen Arzneien nicht wenige, welche andern, theils vorher erschienenen, ihcils nachher erscheinenden Symptomen zum Theil oder in gewissen Nebenumst'änden entgegengesetzt sind, defswegen jedoch nicht eigentlich als Nachwirkung oder blofse Gegenwirkung des Organisms anzusehen sind, sondern mir den Wechselzustand der verschiednen W irkungs-Paroxysmen erster Wirkung bilden; man nennt sie Wechselwirkungen. §. 109. Einige Symptome werden von den Arzneien öfterer, das ist, in vielen Körpern, andre seltner oder in wenigen Menschen zuwege gebracht, einige nur in sehr wenigen gesunden Körpern. §. 110. Zu den letztern gehören die sogenannten Idio-syncrasien, worunter man eigne Körperbeschaffen-heilen versteht, welche, obgleich sonst gesund, die 198 Neigung besitzen, von gewissen Dingen, welche auf viele ;andre Menschen gar keinen Eindruck und keine Veränderung zu "machen scheinen, in einen mehr oder weniger krankhaften Zustand versetzt zu werden *). Doch dieser Mangel .an Eindruck auf Jedermann ist nur ein Schein. Denn da zu diesen, so wie zur Hervorbringung aller übrigen krankhaften Befindensveränderungen im Menschen beide, sowohl die der einwirkenden Substanz inwohnende Kraft, als die Fähigkeit des Körpers, von ihr erregt zu werden, erforderlich ist, so können die auffallenden Erkrankungen in den sogenannten Idiosyncra-sien nicht blofs auf Rechnung dieser besondern Körperbeschaffenheiten gesetzt, sondern sie müssen zugleich von diesen veranlassenden Dingen hergeleitet werden, in denen die Kraft liegen mufs, auf alle menschliche Körper denselben Eindruck zu machen, nur so, dafs wenige unter den gesunden Körperbeschaffenheiten geneigt sind, sich in einen so auffallend kranken Zustand von ihnen versetzen zu lassen. Dafs diese Potenzen wirklich auf jeden Körper diesen Eindruck machen, sieht man daraus, dafs sie bei allen kranken Personen für ahnliche Krankheitssymptome, als sie selbst (obgleich anscheinend 1) Einige wenige Personen können vom Gerüche der Rosen in Ohnmacht fallen, und vom Genüsse der Mics-Muscheln, der Krebse oder des Rogens des Barbe-Fisches, von Berührung des Laubes einiger Sumach-Arten u. s. w. in mancherlei andre krankhafte, zuweilen gefährliche Zustände gerathen. 199 nnr hei den sogenannten idiosyncratischen Personen) erregen können, homöopathische Hülfe als Heilmittel leisten 1). §. 111. Jede Arznei zeigt besondere Wirkungen im menschlichen Körper, welche sich von keinem andern Arzneistoffe verschiedner Art genau so ereignen 2). §. 112. So gewifs jede Pflanzenart in ihrer äufsern Gestalt, in der eignen Weise ihres Lehens und Wuchses, in ihrem Geschmacke und Gerüche von jeder andern Pflanzen-Art und Gattung, so gewifs jedes Mineral und jedes Salz in seinen äufsern sowohl, als innern physischen und chemischen Eigenschaften (welche allein schon alle Verwechselung hätten verhüten sollen) verschieden ist, so gewifs sind sie alle unter sich in ihren krankmachenden — also auch heilenden — Wirkungen verschieden und von einander abweichend 8). Jede dieser Substanzen 1) So half die Prinzessin Eudoxia einer ohnmächtig gewordenen Person mit (godooray/Aa) Rosenwasser (siehe Hist, byzant. script.), und Horstius1 (Oper. HL S. 59.) sah den Rosenessig bei Ohnmächten sehr hülfreich. 2 ) Diefs sah auch der verehrungswürdige A. i>. Haller ein, da er sagt (Vorrede zu seiner hist, stirp. helv.): „Ia-tet immensa virium diversitas in iis ipsis plantis, quarum facies externas dud um novimus, animas quasi et quodeunque caelestius habent, nondum perspeximus. " 3) Wer die so sonderbar Yerschiednen Wirkungen 200 wirkt auf eine eîg"ne, verschîedne, doch bestimmte Weise, die alle Verwechselung verbietet, Abänderungen des Gesundheitszustandes und des Befindens der Menschen l). jeder einzelnen Substanz von denen jeder andern auf das menschliche Befinden genau kennt und zu würdigen versteht, der sieht auch leicht ein, dafs es unter ihnen, in arzneilicher Hinsicht, durchaus keine gleichbedeutenden Mittel, keine Surrogate gehen kann. Blofs wer die verschicdnen ¦ Arzneien nach ihren reinen, positiven Wirkungen nicht kennt, kann so thöricht seyn, uns weifs jnachen zu wollen, eins könne statt des andern dienen und eben so gut, als jenes, in gleicher Krankheit helfen. So verwechseln unverständige Kinder die wesentlich verschiedensten Dinge, weil sie sie kaum dem Aeufsern nach und am wenigsten nach ihrem Werthe, ihrer wahren Bedeutung und ihren innern, höchst abweichenden Eigenschaften kennen. 1) Ist diefs reine Wahrheit, wie sie es ist, so kann fortan kein Arzt, der nicht für verstandlos angesehen seyn, und der sein gutes Gewissen, das einzige Zeugnifs ächter Menschenwürde, nicht verletzen will, unmöglich eine Arzneisubstanz zur Cur der Krankheiten anwenden, als die er genau und vollständig in ihrer wahren Bedeutung kennt, d. i., deren virtuelle Wirkung auf das Befinden gesunder Menschen er so genau erprobt hat, dafs er gewifs wisse, sie sey vermögend, einen sehr ähnlichen Krankheitszustand, und einen ähnlichem, als jede andre ihm genau bekannt geworrlne Arznei, selbst zu erzeugen, als der durch sie zu heilende Krankheitsfall enthält— da, wie oben gezeigt worden, weder der Mensch, noch die grofse Natur anders vollkommen, schnell und dauerhaft als mit einem homöopathischen Mittel heilen kann. Kein ächter Arzt kann sich fortan von solchen Versuchen ausschliefsen, um diese nothwendigste und einzige Kennt- 201 §. 113. Also genau, sorgfältigst genau müssen die Arzneien, von denen Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit der Menschen abhängt, von einander unterschieden und defshalb durch sorgfältige, reine Versuche auf ihre Kräfte und wahren Wirkungen im gesunden Körper geprüft werden, um sie genau kennen zu lernen und bei ihrem Gebrauche in Krankheiten jeden Fehlgriff vermeiden zn können, indem nur eine treffende "Wahl derselben das gröfste der irdischen Güter, Wohlseyn Leibes und der Seele, bald und dauerhaft wiederbringen kann. §. in. Bei Prüfung der Arzneien auf ihre Wirkungen im gesunden Körper mufs man bedenken, dafs die nifs der Arzneien, die zum Heilbehufe gehört, zu erlangen, diese von den Aerzten aller Jahrhunderte bisher versäumte Kenntnifs. Alle vergangenen Jahrhunderte — die Nachwelt wird's kaum glauben — begnügten sich bisher, die in ihrer Bedeutung unbekannten, und in Absicht ihrer höchst wichtigen, höchst abweichenden, reinen, dynamischen Wirkung auf Menschenbefinden nie geprüften Arzneien so blind-hin in Krankheiten, und zwar mehre dieser unbekannten, so sehr verschiednen Kräfte in Recepte zusammengemischt zu verordnen und dem Zufalle zu überlassen, wie es dem Kranken davon ergehen möge. So dringt ein Wahnsinniger in die Werkstatt eines Künstlers, und ergreift Hände voll ihm unbekannter, höchst verschiedner Werkzeuge, um die dastehenden Kunstwerke, wie er wähnt, zu bearbeiten; dafs sie von seiner unsinnigen Arbeit verderbt, wohl gar unwiederbringlich verderbt werden, brauche ich nicht weiter zu erinnern. 202 starken, sogenannten heroischen Substanzen schon in geringer Gabe Befindensveränderungen selbst bei starken Personen zn erregen pflegen. Die von milderer Kraft müssen zn diesen Versuchen in ansehnlicherer Gabe gereicht werden: die schwächsten aber können, damit man ihre Wirkung wahrnehme, blofs hei solchen von Krankheit freien Personen versucht werden, welche zärtlich, reizbar nnd empfindlich sind. §. 115. Es dürfen zn solchen Versuchen — denn von ihnen hangt die Gewifsheit der ganzen Heilkunst nnd das Wohl aller folgenden Menschen-Generationen ab — es dürfen, sage ich, zu solchen Versuchen keine andern Arzneien, als solche genommen werden, die man genau kennt, und von deren Reinheit, Aecht-heit und Vollkräftigkeit man gänzlich überzeugt ist. §. 116. Jede dieser Arzneien mufs in ganz einfacher, ungekünstelter Form, die einheimischen Pflanzen als frisch ausgeprefster Saft, mit etwas Weingeist vermischt, sein Verderben zu verhüten, die ausländischen Gewächse aber als Pulver, oder mit Weingeist zur Tinctur ausgezogen, dann aber mit etlichen Thei-len Wasser gemischt eingenommen werden, die Salze und Gummen aber gleich vor der Einnahme in Wasser aufgelöst. Ist die Pflanze nur in trockner Gestalt zu haben und ihrer Natur nach von Kräften schwach, so dient zu einem solchen Versuche der Aufgnfs, indem das zerkleinte Kraut mit kochendem Wasser übergössen und so ausgezogen wordep ist; er mufs 203 gleich nach seiner Bereitung noch warm getrunken werden, denn alle ausgeprefste Pflanzensäfte und alle wässerigen Pflanzen-Aufgüsse gehen ohne geistigen Zusatz schnell in Gährung und Verderbnifs über, und haben dann ihre Arzneikraft verloren. §. 117. Jeden Arzneistoff mufs man zu dieser Absicht ganz allein, ganz rein anwenden, ohne irgend eine fremdartige Substanz zuzuniischen, oder sonst etwas fremdartig Arzneiliches an demselben Tage zu sich zu nehmen, und eben so wenig die folgenden Tage, als so lange man die Wirkungen der Arznei beobachten will. Da die Tincturen zum Einnehmen mit vielem Wasser gemischt werden, so ist der wenige, so sehr verdünnte Weingeist darin nicht als ein fremder Reiz anzusehen. §. 118. Während dieser Versnchszeit mufs auch die Diät recht mäfsig eingerichtet werden; möglichst ohne Gewürze, von blofs nährender, einfacher Art, so dafs die grünen Zugemüfse *) und Wurzeln und alle Salate und Suppenkräuter (welche sämmtlich immer einige störende Arzneikraft auch bei aller Zubereitung behalten) vermieden werden. Die Getränke sollen die alltäglichen seyn, so wenig als möglich reizend. 1) Junge grüne Erbsen (Scboten), grüne Bohnen und allenfalls Möbren (Mohrrüben) sind zulässig, als die am wenigsten arzneilichen grünen Gemüfse. 204 §. 119. Die Versuchsperson mufs sich während des Versuchs vor Anstrengungen des Geistes und Körpers, vor allen Ausschweifungen und störenden Leidenschaften hüten; keine dringenden Geschäfte dürfen sie von der gehörigen Beobachtung abhalten; sie mufs mit gutem Willen genaue Aufmerksamkeit auf sich selbst richten, und dabei ungestört seyn; in ihrer Art gesund an Körper, mufs sie auch den nö-thigen Verstand besitzen, um ihre Empfindungen in deutlichen Ausdrücken benennen und beschreiben za können. §. 120. Die zur gehörigen Ausführung des Versuchs geschickte, bereitwillige, gesunde Person nimmt zn dieser Absicht früh nüchtern eine solche Gabe der zu prüfenden Arznei, als man in der gewöhnlichen Praxis in Recepten gegen Krankheilen zu brauchen Jtflegt, am besten in Auflösung, und mit etwa zehn Theilen nicht ganz kalten "Wassers gemischt, ein. §• 121. Sollte diese Gabe binnen ein Paar Stunden *) keine, oder nur sehr geringe Befindensverändernng 1) In neuern Zeiten fand ich es zweckmäfsiger, der Versuchs - Person nur jeden Morgen nüchtern, wenn die Gabe des vorigen Tages nicht schon viele Symptome erregt hatte, eine, wo nöthig, stärkere Gabe des zu prüfenden Arzneimittels einnehmen zu lassen und in den neuesten Zeiten nur kleine, aber hoch verdünnte und hoch potenzirle, weil deren Kräfte am vielfachsten entwickelt sind. 205 hervorbringen, so nimmt die Person (die Arznei mufs sowohl an Mannspersonen, als an Weibspersonen versucht werden) eine gröfsere, nach Befinden der Umstände zwiefache Gabe ein, am besten mit ebenfalls zehn Theilen nicht kalten Wassers genau gemischt nnd zusammengeschüttelt. §. 122. Wenn die erstère Gabe Anfangs viel zu wirken scheint, nach einigen Stunden aber in ihrer Thätigkeit nachlasst, so mufs die zweite stärkere Gabe erst den Morgen darauf, ebenfalls nüchtern, genommen werden, und wenn auch diese der Absicht noch nicht entspräche, so wird eine noch stärkere, nach Befinden wohl vierfache Gabe, den dritten Morgen gegeben, ihre Wirkung schon an den Tag legen. §. 123. Nicht alle Personen werden von einer Arznei gleich stark angegriffen; es findet im Gegentheile eine grofse Verschiedenheit in diesem Punkte statt, so dafs von einer als sehr kräftig bekannten Arznei in mäfsiger Gabe zuweilen eine schwächlich scheinende Person fast gar nicht erregt wird, aber von mehren andern dagegen weit schwächern, stark genug. Und hinwiederum giebt es sehr starke Personen, die von einer mild scheinenden Arznei sehr beträchtliche Krankheitssymptome spüren, von stärkern aber geringere. Da diefs nun im voraus unbekannt ist, so ist es sehr räthlich, bei Jedem zuerst mit «iner kleinen Arzrieigabe den Anfang zu machen, 206 und wo es angemessen und erforderlich ist, entweder denselben Tag nach ein Paar Stunden, oder von Tage zu Tage zu einer höhern und höhern (etwa jedesmal verdoppelten) Gabe zu steigen. §. 124. Hat man gleich Anfangs zum ersten Male eine gehörig starke Arzneigabe gereicht, so hat man den Vortheil, dafs die Versuchsperson die Aufeinanderfolge der Symptome erfährt und die Zeit, wann jedes erschienen ist, genau aufzeichnen kann, welches zur Kenntnifs des Genius der Arznei*sehr belehrend ist, weil dann die Ordnung der Erstwirkungen, so wie die der Wechselwirkungen am unzweideutigsten zum Vorscheine kommt. Auch eine sehr mäfsige Gabe ist zum Versuche oft schon hinreichend, wenn nur der Versuchende feinfühlig genug und möglichst aufmerksam auf sein Befinden ist. Die Wirkungsdauer einer Arznei wird erst bei Vergleichung mehrer Versuche bekannt. §. 125. Mufs man aber, um nor etwas zu erfahren, einige Tage nach einander dieselbe Arznei in immer erhöheten Gaben zum Versuche derselben Person gehen, so erfährt man zwar die mancherlei Krank-heitszustände, die diese Arznei überhaupt zuwege bringen kann, aber man erfährt ihre Reihenfolge nicht, und die darauffolgende Gabe nimmt oft ein oder das andre, von der vorgängigen Gabe erregte Symptom hinweg, heilwirkend, oder bringt dafür den entgegengesetzten Zustand hervor, — Symptome, 207 welche eingeklammert werden müssen, als zweideutig, bis folgende, reinere Versuche zeigen, ob sie Gegenwirkung des Organisms und Nachwirkung, oder eine Wechselwirkung dieser Arznei sind. §. 126. Wo man aber noch, ohne Rücksicht auf Folgereihe der Zufälle und Wirkungsdauer der Arznei, blofs die Symptome für sieb, besonders eines schwachkräftigen Arzneistoffs, erforschen will, da ist die Veranstaltung vorzuziehen, dafs man einige Tage nach einander, jeden Tag eine erhühete Gabe, auch wohl des Tages mehrmal eine solche reiche. Dann wird die Wirkung selbst der mildesten, noch unbekannten Arznei, besonders an empfindlichen Personen versucht, an den Tag kommen. §. 127. 3 Bei Empfindung dieser oder jener Arzneibeschwerde ist's zur genauen Bestimmung des Symptoms dienlich, ja erforderlich, sich dabei in ver-schiedne Lagen zu versetzen und zu beobachten, ob der Zufall durch Bewegung des eben leidenden Theils, durch Gehen in der Stube oder in freier Luft, durch Stehen, Sitzen oder Liegen sich vermehre, mindere oder vergehe, und etwa in der ersten Lage wiederkomme, — ob durch Essen oder Trinken oder durch eine andre Bedingung sich das Symptom andre, oder durch Sprechen, Husten, Niesen oder bei einer andern Verrichtung des Körpers, und darauf zu achten, zu welcher Tages- oder Nachtzeit es sich vorzüglich einzustellen pflege, wodurch 208 das, jedem Symptome Eigentümliche und Charakteristische offenbar wird. §. 128. Alle äufsere Potenzen nnd vorzüglich die Arzneien haben die Eigenschaft, eine ihnen eigentümliche, besonders geartete Veränderung im Befinden des lebenden Organisms hervorzubringen; doch kommen nicht alle, einer Arznei eignen Symptome schon bei Einer Person., auch nicht alle sogleich, oder in demselben Versuche zum Vorscheine, sondern bei der einen Person diefsmal diese, bei einem zweiten nnd dritten Versuche wieder andre, bei einer andern Person diese oder jene Symptome vorzugsweise hervor, doch so, dafs vielleicht bei der vierten, achten, zehnten u. s. w. Person wieder einige oder mehre von den Zufallen sich zeigen, die schon etwa bei der zweiten, sechsten, neunten u. s. w. Person sich ereigneten; auch erscheinen sie nicht zu derselben Stunde wieder. §. 129. Der Inbegriff aller Krankheits - Elemente, die eine Arznei zu erzeugen vermag, wird erst in vielfachen, an vielen dazu tauglichen, verschiedenartigen Körpern beiderlei Geschlechts angestellten Beobachtungen der Vollständigkeit nahe gebracht. Nur erst dann kann man versichert seyn, eine Arznei auf die Krankheitszustände, die sie erregen kann, das ist, auf ihre reinen Kräfte in Veränderung des Menschenbefindens ausgeprüft zu haben, wenn die folgenden Versuchspersonen wenig Neues mehr von ihr 209 ihr bemerken können, und fast immer nur dieselben, schon von Andern beobachteten Symptome an sich wahrnehmen. §. 130. (Obgleich, wie gesagt, eine Arznei bei ihrer Prüfung im gesunden Zustande nicht bei Einer Person alle ihre Befindens-Veränderungen hervorbringen kann, sondern nur bei vielen, verschiednen, von abweichender Leibes- und Seelenbeschaffenheit, so liegt doch die Neigung (Tendenz), alle diese Symptome in jedem Menschen zu erregen, in ihr (§. 110.), nach einem ewigen, unwandelbaren Naturgesetze gegründet, vermöge dessen sie alle ihre, selbst die seilen von ihr in Gesunden hervorgebrachten Wirkungen bei einem jeden Menschen in Ausübung bringt, dem man sie in einem Krankheitszustande von ähnlichen Beschwerden eingiebt; selbst in der mindesten Gabe erregt sie dann, homöopathisch gewählt, stillschweigend einen der natürlichen Krankheit nahe kommenden künstlichen Zustand im Kranken, der ihn von seinem ursprünglichen Uebel schnell und dauerhaft (homöopathisch) befreit und heilt.) §. 131. Je mäfsiger, bis zn einer gewissen Mafse, die Gaben einer zu solchen Versuchen bestimmten Arznei sind, — vorausgesetzt, dafs man die Beobachtung durch die Wahl einer Wahrheit liebenden, in jeder Rücksicht gemäfsigten, feinfühligen Person, die die gespannteste Aufmerksamkeit auf sich richtet, zu erleichtern sich bestrebt — desto deutlicher kommen O 210 die Erstwirknngen, und fast blofs diese, als die wissenswürdigsten, hervor, und fast keine Nachwirkungen oder Körper-Gegenwirkungen. Bei übermäfsig grofsen Gaben hingegen kommen nicht allein mehre Nachwirkungen unter den Symptomen mit vor, sondern die Erstwirkungen treten auch in so verwirrter Eile nnd mit solcher Heftigkeit auf, dafs sich nichts genau beobachten läfst; die Gefahr derselben nicht einmal zu erwähnen, die demjenigen, welcher Achtung gegen die Menschheit hat, und auch den Geringsten im Volke für seinen Bruder schätzt, nicht gleichgültig seyn kann. §. 132. Alle Beschwerden, Zufälle nnd Veränderungen des Befindens der Versuchs-Person während der Wirkungsdauer einer Arznei (im Fall obige Bedingungen [§! 117 — 120.] eines guten, reinen Versuchs beobachtet wurden) rühren blofs von dieser Arznei her und müssen als dieser Arznei eigentümlich zugehörig, als Symptome dieser Arznei angesehen und aufgezeichnet werden, gesetzt, die Person hätte auch ähnliche Zufälle vor längerer Zeit bei sich von selbst wahrgenommen. Die ähnliche Wiedererscheinung derselben beim Arznei-Versuche zeigt dann blofs an, dafs dieser Mensch, vermöge seiner besondern Körperbeschaffenheit, vorzüglich aufgelegt ist, zu dergleichen erregt zu werden. In unserm Falle ist es von der Arznei geschehen; die Symptome kommen jetzt nicht von selbst, während die eingenommene kräftige Arznei sein ganzes Befinden beherrscht, sondern von dieser. 211 §. 133. Wenn der Arzt die Arznei zum Versuche nicht selbst eingenommen, sondern einer andern Person eingegeben hat, so mufs diese ihre gehabten Empfindungen, Beschwerden, Zufälle und Befindensveränderungen deutlich aufschreiben in dem Zeitpunkte, wo sie sich ereignen, mit Angabe der nach der Einnahme verflossenen Zeit der Entstehung jedes Sym-ptomSj und wenn es lange anhielt, der Zeit der Dauer. — Der Arzt sieht den Aufsatz in Gegenwart der Versuchs-Person gleich nach vollendetem Versuche, oder, wenn der Versuch mehre Tage dauert, jeden Tag durch, um sie, da ihr dann noch alles in frischem Gedächtnisse ist, über die genaue Beschaffenheit jedes dieser Vorfalle zu befragen und die so erkundigten nähern Umstände beizuschreiben, oder nach ihrer Aussage dieselben abzuändern. §. 134. Kann die Person nicht schreiben, so mufs sie der Arzt jeden Tag darüber vernehmen, was und wie es ihr begegnet sey. Diefs mufs dann aber grofstentheils nur freiwillige Erzählung der zum Versuche gebrauchten Person seyn, nichts Errathenes, nichts Vermuthetes und so wenig als möglich Ausgefragtes, was man als Befund niederschreiben will, alles mit der Vorsicht, die ich oben (§. 77 — 83.^ bei Erkundigung des Befundes und Bildes der natürlichen Krankheiten angegeben habe. $. 135. Doch bleiben diejenigen Prüfungen der reinen O 2 212 "Wirkungen der einfachen Arzneien in Veränderung des menschlichen Befindens und der künstlichen Krankheitszustände und Symptome, welche sie im gesunden Menschen erzeugen können, die vorzüglichsten, welche der gesunde, vorurtheillose, feinfühlige Arzt an sich selbst mit aller ihn hier gelehrten Vorsicht und Behutsamkeit anstellt. Er weifs am gewissesten, was er an sich selbst wahrgenommen hat '). 1) Auch haben diese Selbstversuche für .ihn noch andre unersetzliche Vortheile. Zuerst wird ihm dadurch die grofse "Wahrheit, dafs das Arzneiliche aller Arzneien, worauf ihre Heilungskraft beruht, in den von den selbstgeprüf-ten Arzneien erlittenen Befindens-Veränderungen und den an sich selbst von ihnen erfahrnen Krankheits-Zuständen liege, zur unleugbaren Thatsache. Ferner wird er durch solche merkwürdige Beobachtungen an sich selbst, theils zum Verständnifs seiner eignen Empfindungen, seiner Denk-und Gemiithsart (dem Grundwesen aller wahren Weisheit: yvòìO-t. oaovTÒ)'), theils aber, was keinem Arzte fehlen darf, zum Beobachter gebildet. Alle unsre Beobachtungen an Andern haben das Anziehende bei Weitem nicht, als die an uns selbst angestellten. Immer mufs der Beobachter Andrer befürchten, der die Arznei Versuchende habe, was er sagt, nicht so deutlich gefühlt, oder seine Gefühle nicht mit dem genau passenden Ausdrucke angegeben. Immer bleibt er in Zweifel, ob er nicht wenigstens zum Theil getäuscht werde. Dieses nie ganz hinwegzuräumende Hinder-nifs der Wahrheits-Erkenntnifs bei Erkundigung der von Arzneien bei Andern entstandnen künstlichen Krankheits-Symptome fällt bei Selbstversuchen gänzlich weg. Der Selbstversucher weifs es selbst, er weifs es gewifs, was er gefühlt hat, und jeder solcher Selbstversuch ist für ihn 213 §. 136. Wie man aber selbst in Krankheiten, besonders den chronischen, sich meist gleichbleibenden, nnter den Beschwerden der ursprünglichen Krankheit einige Symptome der zum Heilen angewendeten, einfachen Arznei l) ausfinden könne, ist ein Gegenstand höherer Beurthcilungskunst und hlofs Meistern in der Beobachtung zu überlassen. §. 137. Hat man nun eine beträchtliche Zahl einfacher ein neuer Antrieb zur Erforschung der Kräfte mehrer Arzneien. Und so übt er sich mehr und mehr in der für den Arzt so wichtigen Beobachtungskunst, wenn er sich selbst, als das Gewissere, ihn nicht Täuschende, zu beobachten fortfährt, und um desto, eifriger wird er es thun, da ihm diese Selbstversuche die zum Heilen noch so sehr mangelnden Werkzeuge nach ihrem wahren Werthe und ihrer wahren Bedeutung kennen zu lehren versprechen, und ihn nicht täuschen. Man wähne auch nicht, dafs solche kleine Erkrankungen beim Einnehmen zu prüfender Arzneien überhaupt seiner Gesundheit nachtheilig wären. Die Erfahrung lehrt im Gegcnthcile, dafs der Organism des Prüfenden durch die mehren Angriffe auf das gesunde Befinden nur desto geübter wird in Zurücktreibung alles seinem Körper Feindlichen von der Aufsenwelt her, und aller künstlichen und natürlichen kraqkhaften Schädlichkeiten, und abgehärteter gegen alles Nachtheilige mittels so gemäfsigter Selbstversuche mit Arzneien. Seine Gesundheit wird unveränderlicher; er wird robuster, wie alle Erfahrung lehrt. 1) Die in der ganzen Krankheit nur vor langer Zeit, oder nie bemerkten, folglich neuen, der Arznei angehörigen Symptome. 214 Arzneien auf diese Art im gesunden Menschen geprobt und alle die Krankheits-Elemente und Symptome sorgfältig und treu aufgezeichnet, die sie von selbst als künstliche Krankheits-Potenzen zu erzeugen fähig sind, so hat man dann erst eine wahre Materia medica — eine Sammlung der ächten, reinen, untrüglichen Wirkungsarten der einfachen Arzneistoffe für sich, einen Codex der Natur, worin von jeder so erforschten, kräftigen Arznei eine ansehnliche Reihe besondrer Befindens-Veränderungen und Symptome, wie sie sich der Aufmerksamkeit des Beobachters zu Tage legten, aufgezeichnet stehen, in denen die (homöopathischen) Krankheits - Elemente mehrer natürlichen, dereinst durch sie zu heilenden Krankheiten in Aehnlichkeit vorhanden sind, welche, mit einem Worte, künstliche Krankheitszu-stände enthalten, die für die ähnlichen natürlichen Krankheitszustände die einzigen, wahren, homöopathischen, das ist, specifischen Heilwerkzeuge darreichen, zur gewissen und dauerhaften Genesung. §. 138. Von einer solchen Arzneimittellehre sey alles Vermuthete, blofs Behauptete, Erdichtete gänzlich ausgeschlossen; es sey alles reine Sprache der sorgfältig und redlich befragten Natur. §. 139. Freilich kann nur ein sehr ansehnlicher Vor- rath genau nach dieser ihrer reinen Wirkungsart in Veränderung des Menschenbefindens gekannter Arzneien uns in den Stand setzen, für jeden der 215 unendlich vielen Krankheitszustände in der Natur, für jedes Siechthum in der Welt ein homöopathisches Heilmittel, ein passendes Analogon von künstlicher (heilender) Krankheitspotenz auszufinden *). Indessen bleiben auch jetzt — Dank sey's der Wahrheit von Symptomen und dem Reichthnme an Krank-heits-Elementen, welche jede der kräftigen Arzneisubstanzen in ihrer Einwirkung auf gesunde Körper schon jetzt hat beobachten lassen — doch nur wenige Krankheitsfälle übrig, für welche sich nicht unter den nun schon auf ihre reine Wirkung geprüften, wenigen 2), ein ziemlich passendes homöopathisches Heilmittel antreffen liefse, was, ohne sonderliche Beschwerde, Gesundheit sanft, sicher nnd dauerhaft wieder bringt — wegen noch eingeschränkter Wahl zwar zuweilen noch unvollkominne Hülfs-mittel, wodurch aber doch unendlich mehr, unendlich gewisser und sichrer geheilt wird, als nach 1) Anfangs war ich der einzige, der sich die Prüfung der reinen Arzneikräfte zum wichtigsten seiner Geschäfte machte. Seitdem bin ich von einigen jungen Männern, die an sich selbst Versuche machten, und deren Beobachtungen ich prüfend durchging, hierin unterstützt worden. "Was wird aber dann erst an Heilung im ganzen Umfange des unendlichen Krankheits-Gebietes ausgerichtet werden können, wenn mehre von genauen und zuverlässigen Beobachtern sich um die Bereicherung dieser einzig ächten Arzneistoff-Lehre durch sorgfältige Selbstversuche verdient gemacht haben werden ! Dann wird das Heilgeschäft den mathematischen "Wissenschaften an Gewilsheit nahe kommen. 2) Mau sehe oben Anni, zu §. 102. 216 allen allgemeinen und speciellen Therapien der bisherigen, allopathischen Arzneiknnst mit ihren mige-kannten, gemischten Mitteln. §. 140. Der dritte Punkt des Geschäftes eines ächten Heilkünstlers betrifft die zweckmäfsigsteAn-wendung der auf ihre reine ^Virkung in gesunden Menschen geprüften, künstlichen Krankheits-Potenzen (Arzneien) zur homöopathischen Heilung der natürlichen Krankheiten. §. 141. Bei welcher unter diesen nach ihrer Menschenbefindens - Veränderungs - Kraft ausgeforschten Arzneien man non in den von ihr beobachteten Symptomen das meiste Aehnliche von der Gesammthcit der Symptome einer gegebnen natürlichen Krankheit antrifft, diese Arznei wird, diese mufs das passendste, das gewisseste homöopathische Heilmittel derselben seyn ; in ihr ist das specifische Heilmittel dieses Krankheitsfalles gefunden. $. 142. Ein so ausgesuchtes Arzneimitltel, welches die der zu heilenden Krankheit möglichst ähnlichen Symptome, folglich eine ähnliche Kunstkrankheit zu erregen Kraft und Neigung hat, ergreift bei seiner Einwirkung auf den kranken Menschen, in angemessener Gabe, eben die an der natürlichen Krankheit bisher leidenden Theile und Punkte im Organism und erregt in ihnen ihre eigne künstliche Krankheit, die dann der grofsen Aehnlichkeit und überwiegen- 217 den Stärke wegen an die Stelle der bisher vorhand-nen, natürlichen Krankheits- Verstimmung vorzugsweise tritt, so dafs die Lehenskraft von nun an nicht mehr an der natürlichen (der nun nicht mehr vor-handnen Krankheit, welche als immaterielle, hlofs dynamische Potenz schon zu existiren aufgehört hatte), sondern allein an der stärkern, so ähnlichen Arzneikrankheit leidet; welche dann wiederum, der kleinen Gahe des Mittels wegen, wie jede gemäfsigte Arzneikrankheit, von der Energie der Lebenskraft besiegt, bald von selbst verschwindet und den Körper frei von aller Krankheit läfst, das ist, gesund und dauerhaft gesund, §. 143. Wird so die passend homöopathisch ausgewählte Arznei gehörig angewendet, so vergeht die zu überstimmende natürliche, auch noch so schlimme, mit noch so viel Beschwerden heladene, acute Krankheit, wenn sie unlängst entstanden war, unvermerkt in einigen Stunden, die etwas ältere in einigen Tagen, mit allen Spuren von Uebelbefinden, und man wird von der künstlichen Arzneikrankheit fast nichts mehr gewahr; es erfolgt in schnellen, nnbemerkli-chen Uebergängen nichts als wiederhergestellte Gesundheit, Genesung; die alten (und vorzüglich die complicirten) Siechthume erfordern zur Heilung ver-hältnifsmäfsig mehr Zeit. §. 144. Werden dem Arzte ein oder ein Paar geringfügige Zufälle geklagt, welche seit Kurzem erst be- 218 merkt worden, so hat er diefs für keine vollständige Krankheit anzusehen, welche ernstlicher arzneilicher Hülfe bedürfte. Eine kleine Abänderung in der Diät und Lebensordnung reicht gewöhnlich hin, diese Unpässlichkeit zu verwischen, $. 145. Sind es aber ein Paar heftige Beschwerden, die der Kranke klagt, so findet der forschende Arzt gewöhnlich noch nebenbei mehre, obschon kleinere Zufälle, welche ein vollständiges Bild von.der Krankheit geben. §. 146. Je schlimmer die acute Krankheit ist, aus desto mehren, aus desto auffallendem Symptomen ist sie dann gewöhnlich zusammengesetzt, um desto gewisser läfst sich aber auch ein passendes Heilmittel für sie auffinden, wenn eine hinreichende Zahl nach ihrer positiven Wirkung gekannter Arzneien zur Auswahl vorhanden ist. Unter den Symptomenreihen vieler Arzneien läfst sich nicht schwierig eine finden, aus deren einzelnen Krankheits-Elementen sich ein dem Symptomen-Inbegriffe der natürlichen Krankheit sehr ähnliches Gegenbild von heilender Kunstkrankheit zusammensetzen läfst, und diese Arznei ist das wünschenswerthe Heilmittel. §. 147. Bei dieser Aufsuchung eines homöopathisch spe-cifischen Heilmittels, das ist, bei dieser Gegeneinan-dcrhaltung des Zeichen-Inbegriffs der natürlichen Krankheit gegen die Syniploiuenreihcn der vorband- 219 nen Arzneien, um unter diesen eine dem zu heilenden Uebel in Aehnlichkeit entsprechende Kunstkrank-Leits-Potenz zu finden, sind die auffallendem, sonderlichen, ungemeinen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome des Krankheitsfalles vorzüglich und fast einzig fest ins Auge zu fassen; denn vorzüglich diesen müssen sehr ähnliche in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen, wenn sie die passendste zur Heilung seyn soll. Die allgemeinern und unhestimmtern: Efslust-Mangel, Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbebaglich-keit u. s. w., verdienen in dieser Allgemeinheit und Unbestimmtheit, und wenn sie nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, da man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krankheit und fast von jeder Arznei sieht. §. 148. Enthält nun das aus der Symptomenreihe der treffendsten Arznei zusammengesetzte Gegenbild jene in der zu heilenden Krankheit anzutreffenden, besondern, ungemeinen, eigenheitlich sich auszeichnenden (charakteristischen) Zeichen in der gröfsten Zahl und in der gröfsten Aehnlichkeit, so ist diese Arznei für diesen Krankheitszustand das passendste, homöopathische, speeifische Heilmittel ; die nicht allzu lange gedauerte Krankheit wird gewöhnlich durch die erste Gabe desselben ohne bedeutende Beschwerde aufgehoben und ausgelöscht. 220 $. 149, Ich sage: ohne bedeutende Beschwerde. Denn beim Gebrauche dieser passendsten, homöopa" thischen Arznei sind blofs die den Krankheits - Symptomen entsprechenden Arznei-Symptome in Wirksamkeit, indem letztere, die Stelle der erstem (schwächern) im Organism einnehmen und sie so durch Ueberstimmung vernichten; die oft sehr vielen übrigen Symptome der homöopathischen Arznei aber, welche in dem vorliegenden Krankheitsfälle keine Anwendung finden, schweigen dabei gänzlich. Es läfst sich in dem Befinden des sich stündlich bessernden Kranken fast nichts von ihnen bemerken, weil die zum homöopathischen Gebrauche nur in so tiefer Verkleinerung nöthige Arznei - Gabe ihre übrigen, nicht zu-den homöopathischen gehörenden Symptome in den von der Krankheit freien Theilen des Körpers zn äufsern viel zu schwach ist, und folglich blofs die homöopathischen auf die von den ähnlichen Krankheitssymptomen schon gereiztesten und aufgeregtesten Theilc im Organismus wirken lassen kann, um diese zur stärkern Arzneikrankheit umzustimmen, wodurch die ursprüngliche Krankheit auslöscht. §. 150. Indessen giebt es kein, auch noch so passend gewähltes, homöopathisches Arzneimittel, welches, vorzüglich in zu wenig verkleinerter Gabe, nicht Eine, wenigstens kleine, ungewohnte Beschwerde, ein kleines, neues Symptom während seiner Wirkungsdauer bei sehr reizbaren und feinfühlenden 221 Kranken zuwege bringen sollte, weil es fast unmöglich ist, dafs Arznei und Krankheit in ihren Symptomen einander so genau decken sollten, wie zwei Triangel von gleichen Winkeln und gleichen Seiten. Aber diese (im guten Falle) unbedeutende Abweichung wird von der eignen Kraftthätigkcit (Energie) des lebenden Organisms leicht verwischt und Kranken von nicht übermäfsiger Zartheit nicht einmal bemerkbar; die Herstellung geht dennoch vorwärts zum Ziele der Genesung, wenn sie nicht durch fremdartig arzneiliche Einflüsse auf den Kranken, durch Fehler in der Lebensordnung oder durch Leidenschaften gehindert wird. <§. 151, So gewifs es aber auch ist, dafs cm homöopathisch gewähltes Heilmittel, seiner Passendheit und der Kleinheit der Gabe wegen, ohne Lautwerdung seiner übrigen, unhomöopathischen Symptome, das ist, ohne Erregung neuer, bedeutender Beschwerden, die ihm analoge, acute Krankheit ruhig aufhebt und vernichtet, so pflegt es doch gleich nach der Einnahme -— in der ersten, oder den ersten Stunden — eine Art kleiner Verschlimmerung zu bewirken (bei etwas zu grofsen Gaben aber, mehre Stunden), welche so viel Aehnlichkeit mit der ursprünglichen Krankheit hat, dafs sie dem Kranken eine Verschlimmerung seiner eignen Krankheit zu seyn scheint. Sie ist aber in der That nichts anderes, als eine das ursprüngliche Uebel etwas an Stärke übersteigende, höchst ähnliche Arzneikrankheit. 222 §. 152. Diese kleine homöopathische Verschlim-nvernng in den ersten Stunden — eine sehr gute Vorbedeutung, dafs die acute Krankheit meist von der ersten Gabe beendigt seyn wird — ist ganz in der Regel, da die Arzneikrankheit natürlich um etwas stärker seyn mufs, als das zu heilende Uebel, wenn sie letzteres überstimmen nnd auslöschen soll, so wie auch eine ähnliche natürliche Krankheit, nur wenn sie stärker als die andre ist r diese andre aufheben und vernichten kann (§. 38—41.). §. 153. Je kleiner die Gabe des homöopathischen Mittels ist, desto kleiner nnd kürzer ist auch diese anscheinende Krankheits - Erhöhung in den ersten Stunden. §. 154. Da sich jedoch die Gabe eines homöopathischen Heilmittels kaum je so klein bereiten läfst, dafs sie nicht die ihr analoge Krankheit bessern, überstimmen, ja völlig heilen und vernichten könnte (§. 248. Anm.), so wird es begreiflich, warum eine nicht kleinstmögliche Gabe passend homöopathischer Arznei immer noch in der ersten Stunde nach der Einnahme eine merkbare homöopathische Verschlimmerung dieser Art x) zuwege bringt. 1) Diese, einer Verschlimmerung ähnliche, Erhöhung der Arzneisymptome über die ihnen analogen Krankheitssymptome haben auch andre Aerzte, wo ihnen der Zufall 223 $. 155. Wenn ich die sogenannte homöopathische Verschlimmerung, oder vielmehr die die Symptome der ursprünglichen Krankheit in etwas zu erhöhen scheinende Erstwirkung der homöopathischen Arznei hier auf die erste oder ersten Stunden setze, so ist diefs allerdings bei den mehr acuten, seit Kurzem entstandenen Uebeln der Fall *); wo aber Arzneien ein homöopathisches Mittel in die Hand spielte, beobachtet. "Wenn der Kratz - Kranke nach Einnahme des Schwefels über vermehrten Ausschlag klagt, so tröstet ihn der Arzt, der hievon die Ursache nicht weifs, mit der Versicherung, dafs die Krätze erst recht heraus kommen müsse, ehe sie heilen könne; er weifs aber nicht, tlafs diefs Schwefel-Ausschlag ist, der den Schein vermehrter Krätze annimmt. „Den Gesichts-Ausschlag, den die viola tricolor heilte, hatte sie beim Anfange ihres Gebrauchs verschlimmert,'1 wie Leroy (Heilk. für Mutier, S. 406.) versichert, ab<:r nicht weifs, dafs die scheinbare Verschlimmerung von der allzu grofsen Gabe des hier einigermafsen homöopathischen! Freisam-Veilchens herrührte. Lysons sagt (Med. Transact. Vol. II. London 1772.): „die Ul.menrinde heile diejenigen Hautausschläge am gewissesten, die sie beim Anfange ihres Gebrauchs vermehre." Hätte er die Rinde nicht in der (wie in der allopathischen Arzneikunst gewöhnlich ist) Ungeheuern, sondern, wie es bei Symptomen-Aehnlichkeit der Arznei, das ist, bei ihrem homöopathischen Gebrauche seyn mufs, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte er geheilt, ohne, oder fast ohne diese scheinbare Krankheitserhöhung (homöopathische Verschlimmerung). 1) So wie die Wirkung der Arzneien, denen an sich auch die längste Wirkungsdauer eigen ist, in acuten Krankheiten schnell abläuft, am schnellsten in den acutesten — 224 von langer Wirkungsdauer ein altes und sehr altes Siechthum zu bekämpfen haben, eine Gabe also viele Tage allein fortwirken mufs, da sieht man in den ersten 6> 8, 10 Tagen von Zeit zu Zeit einige solcher Erstwirkungen der Arznei, einige solche anscheinende Symptomen "Erhöhungen des ursprünglichen Uebels (von einer oder etlichen Stunden Dauer) hervorkommen, während in den Zwischenstunden Besserung des Ganzen sichtbar wird. Nach Verflufs dieser wenigen Tage erfolgt dann die Besserung fast ungetrübt Von solchen Erstwirkungen der Arznei noch viele Tage hindurch, ehe etwas andres zu verordnen nöthig ist. §. 156. Zuweilen trifft sich's bei der noch eingeschränkten Zahl genau nach ihrer wahren, reinen Wirkung gekannter Arzneien, dafs nur ein T h eil von den Symptomen der zu heilenden Krankheit in der Symptomenreihe der noch am besten passenden Arznei angetroffen wird, folglieh diese unvollkommene Arzneikrankheits - Potenz in Ermangelung einer vollkommnern angewendet werden mufs. §. 157. In diesem Falle läfst sich freilich von dieser --------------- Arz- so lang dauernd ist sie doch in (aus Psora entstandnen) chronischen Krankheiten, und daher kommt es, dafs die an-tipsorischen Arzneien oft keine solche homöopathische Verschlimmerung in den ersten Stunden, wohl aber später und in verschiednen Stunden der ersten 8,10 Tage merken lassen. 225 Arznei keine vollständige, unbeschwerliche Heilang erwarten. Denn es treten dann hei ihrem Gehrauche einige Zufälle hervor, welche vorher in der Krankheit nicht zu finden waren, Nebensymptome von der nicht vollständig passenden Arznei. Diese hindern zwar nicht, dafs ein beträchtlicher Theil des Uehels (die den Arznei-Symptomen ähnlichen Krankheits-Symptome) von dieser Arznei getilgt werde, und dadurch ein ziemlicher Anfang der Heilung entstehe, aber doch nicht ohne jene Nebenbeschwerden. §. 158. Die geringe Zahl der in der hestgewählten Arznei anzutreffenden homöopathischen Symptome thut der Heilung jedoch in dem Falle keinen Eintrag, wenn diese wenigen Symptome gröfsten-theils doch von ungemeiner, die Krankheit besonders auszeichnender Art (charakteristisch) waren; die Heilung erfolgt dann doch ohne sonderliche Beschwerde. §. 159. Ist aber von den auszeichnenden (charakteristischen), sonderlichen, ungemeinen Symptomen des Krankheitsfalles unter den Symptomen der gewählten Arznei nichts in genauer Aehnlichkeit vorhanden, und entspricht sie der Krankheit nur in den allgemeinen, nicht näher bezeichneten, unbestimmten Zuständen (Uebelkeit, Mattigkeit, Kopfweh u. s. w.), und findet sich keine homöopathisch passendere unter den gekannten Arzneien, so hat der Heilkünstler sich keinen unmittelbar vorteilhaften Erfolg von der An- P 226 wendung dieser unhomüopathischen Arznei zu versprechen. §. 160. Indessen ist dieser Fall auch bei der jetzt noch eingeschränkten Zahl nach ihren reinen Wirkungen gekannter Arzneien sehr selten, nnd seine Nachtheile, wenn er ja eintreten sollte, mindern sich, sobald eine folgende Arznei in treffenderer Aehnlich-keit gewählt werden kann. §. 161. Entstehen nämlich beim Gebrauche dieser zuerst angewendeten, unvollkommen homöopathischen Arznei Nebenbeschwerden von einiger Bedeutung, so läfst man bei acuten Krankheiten diese erste Gabe nicht völlig auswirken, und überläfst den Kranken nicht der vollen Wirkungsdauer des Mittels, sondern untersucht den nun geänderten Krankhcilszu-stand aufs Neue nnd bringt den Rest der ursprünglichen Symptome mit den neu entstandenen in Verbindung zur Aufzeichnung eines neuen Krankheitsbildes. §. 162. Nun wird man leichter ein diesem entsprechendes Analogon aus den gekannten Arzneien ausfindcri, dessen selbst nur einmaliger Gebrauch die Krankheit wo nicht gänzlich vernichten, doch der Heilung um Vieles näher bringen wird. Und so fährt man, wenn auch diese Arznei zur Herstellung der Gesundheit nicht völlig hinreichen sollte, mit abermaliger Untersuchung des noch übrigen Krankheitszustandes und 227 der Wahl einer darauf möglichst passenden, homöopathischen Arznei fort, bis die Absicht, den Kranken in den vollen Besitz der Gesundheit zu setzen, erreicht ist. §. 163. "Wenn man bei der ersten Untersuchung einer Krankheit und der ersten Wahl der Arznei finden sollte, dafs der Symptomen-Inbegriff der Krankheit nicht zureichend von den Krankheits-Elementen einer einzigen Arznei gedeckt werde — eben der unzureichenden Zahl gekannter Arzneien wegen, — dafs aber zwei Arzneien um den Vorzug ihrer Pafslich-keit streiten, deren eine mehr für den einen Theil, die andere mehr für den andern Theil der Zeichen der Krankheit homöopathisch passe, so läfst sich weder anrathen, die eine Arznei nnbesehens nach der andern zu brauchen, noch auch, beide zugleich anzuwenden, weil niemand voraussehen kann, weder in welchen genauen Zustand die Krankheit von der erst gebrauchten Arznei versetzt werden könnte, noch auch, im zweiten Falle, wie sehr die eine Arznei die andre in der Wirkung hindern und umstimmen würde (§. 271. 272.). §. 164. Weit besser ist es hier, die für vorzüglicher unter beiden zu achtende, unvollkommen homöopathische Arznei zuerst allein zu geben. Sie wird freilich die Krankheit zum Theil mindern können, aber dagegen einen Zusatz neuer Symptome hervorbringen. P 2 228 §. 165. In diesem Falle kann nach den Gesetzen der Homöopathie keine zweite Gabe dieser ersten Arznei gereicht werden; aber auch die bei der anfänglichen Indication für die zweite Hälfte der Symptome passend gefundene Arznei kann hier nicht unbesehens an ihrer Stelle und ohne weitere Untersuchung der nunmehr anwesenden Symptome, in dem Zustande angewendet werden, den die erstere Arznei übrig gelassen hat. §. 166. Vielmehr mufs auch hier, wie überall, wo eine Aenderung des Krankheitszustandes vorgegangen ist, der gegenwärtig noch übrige Symptomenbesland aufs Neue ausgemittelt und (ohne Rücksicht auf die anfänglich passend geschienene, zweite Arznei) eine dem neuen, jetzigen Zustande möglichst angemessene, homöopathische Arznei von Neuem ausgewählt werden. §. 167. Es trifft sich nicht oft, dafs die anfänglich als zweit-beste gewählte Arznei nun noch passen sollte. Fände sich diefs aber gleichwohl nach der neuen Untersuchung, dafs sie auch jetzt noch wenigstens eben so gut, als irgend eine andre Arznei in Aehn-lichkeit der Symptome (homöopathisch) pafste, so würde sie um desto mehr das Zutrauen verdienen, vorzugsweise angewendet zu werden. §. 168. In den unvenerischen, folglich aus Psora entstandenen, chronischen Krankheiten bedarf man zur 229 Heilung oft mehrer, nach einander anzuwendender, antipsorischcr Heilmittel, jedes folgende dem Befunde der nach vollendeter Wirkung des vorgängigen übrig gebliebenen Symptomen-Gruppe gemäfs, homöopathisch gewählt. Nur wenige derselben werden mit Nutzen zum zweiten Male wiederholt (m. s. in dem Buche von den chronischen Krankheiten). §. 169. Eine ähnliche Schwierigkeit im Heilen entsteht von der allzn geringen Zahl derKrank-heitssymptome, ein Umstand, der unsre sorgfältige Beachtnng verdient, da durch seine Beseitigung fast alle Schwierigkeiten, die diese vollkommenste aller möglichen Heil-Methoden (aufser dem Mangel homöopathisch gekannter Arzneien) nur darbieten kann, gehoben sind. §. 170. Blofs diejenigen Krankheiten scheinen nur wenige Symptome zu haben, nnd defshalb Heilung schwieriger anzunehmen, welche man einseitige nennen kann, weil nur ein oder ein Paar Hauptsymptome hervorstechen, welche fast den ganzen Rest der übrigen Zufälle verdunkeln. Sie gehören gröfs-tentheils zu den chronischen. §. 171. Ihr Hauptsymptom kann entweder ein inneres Leiden (z. B. ein vieljähriges Kopfweh, ein vieljäh-riger Durchfall, eine alte Cardialgie u. s. w.) oder ein mehr äufseres Leiden seyn. Letztere pflegt man vorzugsweise Local-Krankheiten zu nennen. 230 §. 172. Bei den einseitigen Krankheiten ersterer Art liegt es oft blofs an der Unaufmerksamkeit des ärztlichen Beobachters, wenn er die Zufälle, welche zur Vervollständigung des Umrisses der Krankheitsgestalt vorhanden sind, nicht vollständig aufspürt. §.' 173. Indefs giebt es doch einige wenige Uebel, welche nach aller anfänglichen (§. 77 — 91.) Forschung, aufser einem Paar starker, heftiger Zufälle, die übrigen nur undeutlich merken lassen.' §. 174. Um nun auch diesem, obgleich sehr seltnen Falle mit gutem Erfolge zu begegnen, wählt man zuerst, nach Anleitung dieser wenigen Symptome, die hierauf nach bestem Ermessen homöopathisch ausgesuchte Arznei. §. 175. Es wird sich zwar wohl zuweilen treffen, dafs diese mit sorgfältiger Beobachtung des homöopathischen Gesetzes gewählte Arznei die passend ähnliche künstliche Krankheit zur Vernichtung des gegenwärtigen Uebels darreiche, welches um desto eher möglich war, wenn diese wenigen Krankheitssymptome sehr auffallend, bestimmt, ungemein und besonders ausgezeichnet (charakteristisch) sind. §. 176. Im häufigem Falle aber kann die hier zuerst gewählte Arznei nur znm Theil, das ist, nicht genau 231 passen, da keine Mehrzahl von Symptomen zur treffenden Wahl leitete. §. 177. Da wird nun die zwar so gut wie möglich gewählte," aber gedachter Ursache wegen nur unvollkommen homöopathische Arznei bei ihrer Wirkung gegen die ihr nur zum Theil analoge Krankheit — eben so wie in obigem (§. 156. und ferner) Falle, wo die Armuth an homöopathischen Heilmitteln die ^VYahl allein unvollständig liefs — Nebenbeschwerden erregen, und mehre Zufälle aus ihrer eignen Symptomenreihe in das Befinden des Kranken einmischen, die zugleich bisher noch nicht oder selten gefühlte Beschwerden der Krankheit seihst sind; es werden Zufälle sich entdecken oder sich in höherm Grade entwickeln, die der Kranke kurz vorher gar nicht oder nicht deutlich wahrgenommen hatte. §. 178. Man werfe nicht ein, dafs die jetzt erschienenen Nebenbeschwerden und neuen Symptome dieser Krankheit auf Rechnung des eben gebrauchten Arzneimittels kämen. Sie kommen von ihm *); es sind aber doch immer nur solche Symptome, zu deren 1) Wenn nicht ein wichtiger Fehler in der Lebensordnung, eine heftige Leidenschaft, oder eine stürmische Entwickelung im Organismus, Ausbruch oder Abschied des Monatlichen, Empfängnifs, Niederkunft u. s. w. davon Ursache war. 232 Erscheinung diese Krankheit und in diesem Körper auch für sich schon fähig war, nnd welche von der gebrauchten Arznei — als Selbsterzcugerin ähnlicher — hlofs hervorgelockt und zu erscheinen bewogen wurden. Man hat, mit einem Worte, den ganzen jetzt sichtbar gewordenen Symptomen-Inbegriff für den der Krankheit selbst zugehörigen, für den gegenwärtigen wahren Zustand anzunehmen und hie-nach ferner zu behandeln. §. 179. So leistet die wegen allzu geringer Zahl anwesender Symptome hier fast unvermeidlich unvollkommene Wahl des Arzneimittels dennoch den Dienst einer Yervollständigung des Symptomen-Inhalts der Krankheit und erleichtert auf diese Weise die Aus-findung einer zweiten, treffender passenden, homöopathischen Arznei. §. 180. Es mufs also, sobald die Gabe der ersten Arznei nichts Vortheilhaftes mehr bewirkt (wenn die neu entstandnen Beschwerden, ihrer Heftigkeit wegen, nicht eine schleunigere Hülfe heischen — was jedoch bei der Gaben-Kleinheit homöopathischer Arznei und in sehr langwierigen Krankheiten nur selten der Fall ist), wieder ein neuer Befund der Krankheit aufgenommen, es mufs der status morbi, wie er jetzt ist, aufgezeichnet, und nach ihm ein zweites homöopathisches Mittel gewählt werden, was gerade auf den heutigen, auf den jetzigen Zustand pafst, welches um desto angemessener gefunden werden kann, 233 da die Gruppe der Symptome zahlreicher nnd vollständiger geworden ist 1). §. 181i Und so wird ferner, nach vollendeter Wirkung jeder Arzneigabe, der Zustand der noch übrigen Krankheit nach den übrigen Symptomen jedesmal von Neuem aufgenommen, und nach dieser gefundenen Gruppe von Zufällen eine abermals möglichst passende homöopathische Arznei ausgesucht, nnd so fort bis zur Genesung. §. 182. Unter den einseitigen Krankheiten nehmen die sogenannten Local-Uebel eine wichtige Stelle ein, worunter man an den äufsern Theilen des Körpers erscheinende Veränderungen und Beschwerden begreift, woran, wie man bisher lehrte, diese Theile allein erkrankt seyn sollen, ohne dafs der übrige Körper daran Theil nehme — eine theoretische, ungereimte Satzung, die zu der verderblichsten arzneilichen Behandlung verführt hat. 1) "Wo der Kranke (was jedoch höchst selten in chronischen, wohl aber in acuten Krankheiten statt findet) bei ganz undeutlichen Symptomen sich dennoch sehr übel befindet, so dafs man diesen Zustand mehr dem betäubten Zustande der Nerven beimessen kann, welcher die Schmerzen und Beschwerden beim Kranken nicht zur deutlichen Wahrnehmung kommen läfst, da tilgt Mohnsaft diese Betäubung des innern Gefühls - Sinnes, und die Symptome der Krankheit kommen in der Nachwirkung deutlich zum Vorschein. 234 §. 183. Diejenigen sogenannten Local-Uebel, welche seit Kurzem blofs von einer äufsern Beschädigung entstanden sind, scheinen noch am ersten den Namen örtlicher Uebel zu verdienen. Dann aber müfste die Beschädigung sehr geringfügig seyn, und wäre dann ohne besondre Bedeutung. Denn von aufsenher dem Körper zugefügte Uebel von nur irgend einiger Beträchtlichkeit ziehen schon den ganzen lebenden Organism in Mitleidenheit; es entstehen Fieber u, s. w. Mit Recht beschäftigt sich mit dergleichen die Chirurgie nur in so fern an den leidenden Tbeilen eine mechanische Hülfe anzubringen jst, wodurch die äufsern Hindernisse der durch die Kraft des Organisms einzig zu erwartenden Heilung mechanisch vertilgt werden könnten, z. B. durch Einrenkungen, "Wundlippen vereinigende Binden, Ausziehung in die lebenden Theile gedrungener, fremder Körper, Oeffnung einer Körperhöhle, um eine belästigende Substanz herauszunehmen, oder um Ergie-fsungen ausgetretener oder gesammelter Flüssigkeiten einen Ausgang zu verschaffen, Annäherung der Bruch-Enden eines zerbrochenen Knochens und Befestigung ihres Aufeinander-Passens durch schicklichen Verband, u. s. w. Aber wo bei solchen Beschädigungen der ganze Organism thätige dynamische Hülfe verlangt, um in den Stand gesetzt zu werden, das Werk der Heilung zu vollführen, z. B., wo das stürmische Fieber von grofsen Quetschungen, zerrissenem Fleische, Flechsen und Gefäfsen 235 dnrch innere Arznei zu beseitigen ist, oder wo der äufsere Schmerz verbrannter oder geätzter Theile homöopathisch hinweggenommen werden soll, da tritt das Geschäft des dynamischen Arztes ein und seine homöopathische Hülfe. §. 184. Ganz auf andre Art aber entstehen diejenigen an den äufsern Theilen erscheinenden Uebel, Veränderungen und Beschwerden, die keine Beschädigung von aufsen zur Ursache oder nur kleine äufsere Verletzungen zur letzten Veranlassung haben; diese haben ihre Quelle in einem innern Leiden. Diese für blofs örtliche Uebel auszugeben, und blofs oder fast blofs mit örtlichen Auflegungen gleichsam wundärztlich zu behandeln, wie die bisherige Medicin seit allen Jahrhunderten that, war so ungereimt, als von den schädlichsten Folgen. §. 185. Man hielt" diese Uebel für blofs örtlich und nannte sie defshalb Local-Uebel, gleichsam an diesen Theilen ausschliefslich stattfindende Erkrankungen, woran der Organism wenig oder keinen Theil nehme, oder Leiden dieser einzelnen, sichtbaren Theile, wovon, so zn sagen, der übrige Körper nichts wisse. §. 186. Und dennoch ist scbon bei geringem Nachdenken einleuchtend, dafs kein (ohne sonderliche Beschädigung von aufsen entstandenes) äufseres Uebel ohne innere Ursachen, ohne Zuthun des ganzen 236 (folglich tranken) Organisms entstehen und auf seiner Stelle verharren, oder wohl gar sich verschlimmern kann. Es könnte gar nicht zum Vorschein kommen, ohne die Zustimmung des ganzen übrigen Befindens und ohne die Theilnahme aller übrigen empfindenden und reizbaren Theile und aller lebenden Organe des ganzen Körpers, ja sein Emporkommen läfst sich, ohne vom ganzen (verstimmten) Leben dazu veranlafst zu seyn, nicht einmal denken; so innig hängen alle Theile des Organisms zusammen und bilden ein untheilbares Ganze in Ge~ fühlen und Thätigkeit. Keinen Lippen-Ausschlag, kein Nagelgeschwür giebt es, ohne vorgängiges und gleichzeitiges inneres Uebelbefinden des Menschen. $. 187. Jede ärztliche Behandlung eines, fast ohne Beschädigung von aufsen, an äufsern Theilcn des Körpers entstandnen Uebels mufs daher auf das Ganze, auf die Vernichtung und Heilung des allgemeinen Leidens, mittels innerer Heilmittel, gerichtet seyn, wenn sie zweckmäfsig, sicher, hülfreich und gründlich seyn soll. §. 188. Unzweideutig wird diefs durch die Erfahrung bestätigt, welche in allen Fällen zeigt, dafs jede kräftige, innere Arznei gleich nach ihrer Einnahme bedeutende Veränderungen, so wie in dem übrigen Befinden eines solchen Kranken, so insbesondere im leidenden äufsern (der gemeinen Arzneikunst iso- 237 lirt scheinenden) Theile, selbst in einem sogenannten Local-Uebel der änfsersten Stellen des Körpers verursacht, und zwar die heilsamste, die Genesung des ganzen Menschen, unter Verschwindung des äufsern Uehels (ohne Zuthun irgend eines äufsern Mittels), wenn die innere, auf das Ganze gerichtete Arznei passend homöopathisch gewählt war. §. 189. Diefs geschiehet am zweckmäfsigsten, wenn bei Erörterung des Krankheitsfalles, nächst der genauen Beschaffenheit des Local-Leidens, zugleich alle im übrigen Befinden bemerkbaren nnd vordem bemerkten Veränderungen, Beschwerden und Symptome in Vereinigung gezogen werden zum Entwürfe eines vollständigen Krankheits-Bildes, ehe man ein dieser Gesammtheit von Zufällen entsprechendes Heilmittel unter den nach ihren eigenthümlichen Krankheitswirkungen gekannten Arzneien sucht, um eine homöopathische Wahl zu treffen. §. 190. Durch diese blofs innerlich eingegebne Arznei (und wenn das Uebel erst kürzlich entstanden war, schon durch die erste Gabe) wird dann der gemeinsame Krankheitszustand des Körpers mit dem Local-Uebel zugleich aufgehoben, und letzteres mit erste-rem zugleich geheilt, zum Beweise, dafs das Local-Leiden einzig und allein von einer Krankheit des übrigen Körpers abhing, und nur als ein untrennbarer Theil des Ganzen, als eins der gröfsten und 238 auffallendsten Symptome der Gesammtkrankheit anzusehen ist. §. 191. Weder bei den schnell entstehenden, acuten Local-Leiden, noch bei den schon lange bestandenen örtlichen Uebeln ist es dienlich, ein äufseres Mittel, und wäre auch das specifische, und innerlich gebraucht, homöopathisch heilsame, äufserlich an die Stelle einzureiben oder aufzulegen, selbst dann nicht, wenn es innerlich zugleich angewendet würde; denn die acuten topischen Uebel (z.B. Entzündungen einzelner Theile, Rothlauf u. s. w.), die nicht durch verhältnifsmäfsig eben so heftige, äufsere Beschädigung, sondern durch dynamische oder innere Ursachen entstanden waren, weichen am sichersten den dem gegenwärtigen äufsern und innern wahrnehmbaren Befindens-Zustande homöopathisch anpassenden, innern Mitteln, aus dem allgemeinen Vorrathe geprüfter Arzneien gewählt '), gewöhnlich ganz allein; und weichen sie ihnen nicht völlig, und bleibt an der leidenden Stelle und im ganzen Befinden, bei guter Lebensordnung, dennoch ein Rest von Krankheit zurück, was die Lebenskraft zur Normalität wieder zu erheben nicht im Stande ist, so war (wie nicht selten) das acute Local-Uebel ein Product auflodernder, bisher im Innern schlummernder Psora, welche im Begriff ist, sich zu einer offenbaren, chronischen Krankheit zu entwickeln. 1) Z. B. Aconit, Wurzelsumach, Belladonne, Quecksilber, u. s. w. 239 §. im. In solchen, nicht seltnen Fällen mufs dann gegen die noch übrig gebliebnen Beschwerden und die dem Kranken vorher gewöhnlichen, krankhaften Be-lindens-Zustände zusammen, eine angemessene, anti-psorische Behandlung gerichtet werden (wie in dem Buche von den chronischen Krankheiten gelehrt worden), um eine gründliche Heilung zu erlangen. Bei chronischen Local-Uebeln, die nicht offenbar venerisch sind, ist ohnehin die antipsori-sche, innere Heilung allein erforderlich. §. 193. Es könnte zwar scheinen, als wenn die Heilung solcher Krankheiten beschleunigt würde, wenn man das für den ganzen Inbegriff der Symptome als homöopathisch richtig erkannte Arzneimittel nicht nur innerlich anwendete, sondern- auch äufserlich auflegte, weil die Wirkung einer Arznei, an der Stelle des Local-Uebels seihst angebracht, eine schnellere Veränderung darin hervorbringen könnte. §. 194. Diese Behandlung ist aber nicht nur bei den Local-Symptomen, die das Miasm der Psora, sondern auch bei denen, die das Miasm der Syphilis, oder der Sykosis zum Grunde haben, durchaus verwerflich, denn die neben dem innern Gebrauche gleichzeitige örtliche Anwendung des Heilmittels bei Krankheiten, welche ein stetiges Local-Uebel zum Hatiptsym-ptome haben, führt den grofsen Nacbtheil her- 240 bei, dafs durch eine solche örtliche Auflegung dieses Hanptsymptom (Local-Uebel) *) gewöhnlich schneller, als die innere Krankheit, vernichtet wird, und uns nun mit dem Scheine einer völligen Heilung täuscht, wenigstens uns nun die Beurtheilung, ob auch die Gesammtkrankheit durch den Beigebrauch der irinern Arznei vernichtet sey, durch die vorzeitige Verschwindung dieses örtlichen Symptoms erschwert und in einigen Fällen unmöglich macht. §. 195. Die blofs örtliche Anwendung der von innen heilkräftigen Arznei auf die Local-Symptome chronisch miasmatischer Krankheiten ist aus gleichem Grunde durchaus verwerflich; denn ist das Local-Uebel der chronischen Krankheit blofs örtlich und einseitig aufgehoben worden, so bleibt nun die zur völligen Herstellung der Gesundheit unerläfsliche innere Cur im ungewissen Dunkel; das Haupt-Symptom (das Local-Uebel) ist verschwunden, nnd es sind nur noch die andern, unkenntlichem Symptome übrig, welche weniger stetig und bleibend, als das Local-Leiden, und oft von zu weniger Eigentümlichkeit und zu wenig charakteristisch sind, als dafs sie noch ein Bild der Krankheit in deutlichem und vollständigem Umrisse darstellen sollten. §. 196. Wenn nun vollends das der Krankheit homöopathisch angemessene Heilmittel zu der Zeit noch --------------- nicht 1) Frischer Kratz-Ausschlag, Schanker, Feigwarze. 241 nicht gefunden war *), als das örtliche Symptom durch ein beizendes, oder austrocknendes äufseres Mittel, oder durch den Schnitt vernichtet ward, so wird der Fall wegen der allzu unbestimmten (uncha-rakterislischen) und unsteten Erscheinung der noch übrigen Symptome noch weit schwieriger, weil^ was die "Wahl des treffendster! Heilmittels und seine innere Anwendung bis zum Punkte dqr. völligen Vernichtung der Krankheit noch am meisten hätte leiten und bestimmen können, das äufsere Hauptsymptom unserer Beobachtung entzogen worden ist. §. 197. Ware es bei der innern Cur noch da, so würde das homöopathische Heilmittel für die Gesammtkrank-heit haben ausgemittelt werden können^ und wäre dieses gefunden, so würde bei dessen inn er m Gebrauche die bleibende Gegenwart des Local Uebels zeigen, dafs die Heilung noch nicht vollendet sey; heijete es aber auf seiner Stelle, so bewiese diefs überzeugend, dafs das Uebel bis zur Wurzel ausgerottet^ und die Genesung von der gesammten Krankheit bis zum erwünschten Ziele gediehen sey. Ein unschätzbarer Vorlheil. §. 198. Offenbar entschliefst sich die menschliche L&-benskraft, wenn sie mit einer chronischen Krankheit beladen ist, die sie nicht durch eigne Kräfte über- 1 ) Wie, vor mir, die Heilmittel der Feigwarzen-Krank-heit (und die antipsorischen Arzneien). Q 242 wältigen kann, zur Bildung eines Local-Uebels an irgend einem äufsern Theile blofs aus der Absicht, um, durch Krankmachung und Krankerhaltung dieses zum Leben des Menschen nicht unentbehrlichen äufsern Theils, das aufserdem die Lebensorgane zu vernichten (und das Leben zu rauben) drohende, innere1 Uebel zu beschwichtigen und, so zu sagen, auf das stellvertretende Local - Uebel überzutragen und dahin gleichsam abzuleiten. Die Anwesenheit des Local-Uebels bringt auf diese Art die innere Krankheit" zum Schweigen, obschon, ohne sie weder heilen, noch wesentlich vermindern zu können *). Indessen bleibt das Local-Uebel immer weiter nichts, als ein Thêil der Gesammtkrankheit, aber ein von der organischen Lebenskraft einseitig vergrößerter Theil derselben, an eine gefahrlosere (äufsere) Stelle des Körpers hin verlegt, um das innere Leiden zu beschwichtigen. Es wird aber (wie gesagt) durch dieses die innere Krankheit zum Schweigen bringende Local-Symptom von der Lebenskraft für die Minderung oder Heilung des Gesammt-Uebels so wenig gewonnen, dafs im Gegentheile dabei das innere Leiden dennoch allmälig zunimmt und die Natur genöthigt ist, das Local-Symptom immer mehr zu vergröfsern und zu verschlimmern, damit es zur 1) Die Fontanelle des Arztes thun etwas Aehnliches; sie beschwichtigen als künstliche Geschwüre an den äufsern Theileri, mehre innere chronische Leiden eine nur kurze Zeit lang, ohne sie heilen zu können. 243 Stellvertretung für das innere vergröfserte Uebel und zu seiner Beschwichtigung zureiche. Die alten Schenkelgeschwüre verschlimmern sich, hei ungeheilter, innerer Psora, der Schanker vergröfsert sich, hei noch ungeheilter innerer Syphilis, so wie die innere Ge-sammtkrankheit mit der Zeit wächst. §. 199. Wird nun von dem Arzte der bisherigen Schule, in der Meinung, er heile dadurch die Krankheit selbst, das Local-Symptom durch äufsere Mittel örtlich vernichtet, so ersetzt es die Natur durch Erweckung des innern Leidens und der vorher schon neben dem Lo-cal-Uebel bestandnen, bisher noch schlummernden übrigen Symptome, das ist, durch Erhöhung der innern Krankheit — in welchem Falle man dann unrichtig zu sagen pflegt, das Local-Uebel sey durch die äufsern Mittel zurück in den Körper oder auf die Nerven getrieben worden. §. 200. Jede äufsere Behandlung solcher Local-Sym-ptome, um sie, ohne die innere miasmatische Krankheit geheilt zu haben, von der Oberfläche des Körpers wegzuschaffen, also den Krätz-Ausschlag durch allerlei Salben von der Haut zu vertilgen, den Schanker äufserlich wegzubeizen und die Feigwarze durch Wegschneiden, Abbinden oder glühendes Eisen auf seiner Stelle zu vernichten, diese bisher so gewöhnliche, äufsere, verderbliche Behandlung ist die gemeinste Quelle aller der unzähligen, benannten nnd unbenannten j chronischen Leiden geworden, worun- Q2 244 ter die gesammte Menschheit seufzet; sie ist eine der verbrecherischesten Handlungen, deren sich die Arztwelt schuldig machen konnte, und gleichwohl war sie bisher die allgemein eingeführte. §. 201. Alle lang-wierigen Uebel, Beschwerden und Siechthume, welche nicht von einer anhaltenden, ungesunden Lebensart abhängen, — alle übrigen, ohne Ausnahme, rühren von der Entwickelung dieser drei chronischen Miasmen, der innern Syphilis, der innern Sykosis, vorzüglich aber und in unendlich gröfserm Verhältnisse, von der innern Psora her, deren jede schon im Besitze vorn ganzen Organism war und ihn in allen Theilen schon durchdrungen hatte, ehe jeder ihr primäres, stellvertretendes und ihren Ausbruch verhütendes Local-Symptom (bei der Psora der Krälz-Ausschlag, bei der Syphilis der Schanker oder die Schoofsbeule, und bei der Sykosis die Feigwarze) zum Vorscheine kam, und welche unausbleiblich, wenn dieses, ihnen geraubt wird, bald oder spät zur Entwickelung und zum Ausbruche zu kommen von der grofsen Natur bestimmt sind, und so all das namenlose Elend, die unglaubliche Menge chronischer Krankheiten verbreiten, welche das Menschengeschlecht seit Jahrhunderten und Jahrtausenden quälen, deren keine so häufig zur Existenz gekommen wäre, hätten die Aerzte diese drei Miasmen, ohne ihre äufsern Symptome durch topische Mittel anzutasten, durch die innern homöopathischen, für 245 jede gehörigen Arzneien gründlich zu heilen nnd im Organism auszulöschen sich beeifert. §. 202. Der homöopathische Arzt behandelt nie eines dieser Primär-Symptome der chronischen Miasmen, noch auch eines ihrer seeundären, aus ihrer Entwik-kelung entsprossenen Uebel durch örtliche (weder durch änfsere dynamisch wirkende *) noch auch durch 1) Ich kann daher z. B. nicht zur örtlichen Ausrottung des sogenannten Lippen- oder Gesichts-Krebses (einer Frucht weit entwickelter Psora) durch das Cosmische Arsenik-Mittel rathen, nicht nur weil es äufserst schmerzhaft ist und oft mifslingt, sondern mehr defshalb, weil durch dieses dynamische Mittel, wenn es ja die Körperstelle von dem bösen Geschwüre local befreiet, das Grund-Uebel, die Psora, hiedurch nicht zum kleinsten Theile vermindert wird, die Lebens-Erhaltungs-Kraft also genöthigt ist, den Herd für das innere grofse Uebel an eine noch edlere Stelle (wie sie bei allen Metaschematisnien thut) zu versetzen, und Blindheit, Taubheit, Wahnsinn, Erstickungs-Aslhma, Wasser-Geschwulst, Schlagflufs u. s. w. folgen zu lassen. Die örtliche Befreiung der Stelle von dem bösen Geschwüre durch das topische Arsenik-Mittel gelingt aber nur da, wo das Geschwür noch nicht grofs, die Lebenskraft auch noch sehr energisch ist; aber eben in dieser Lage der Sache ist auch die innere vollständige Heilung des ganzen Ur-Uebels noch ausführbar. Ein gleicher ist der Erfolg von dem blos durch den Schnitt weggenommenen Gesichts- oder Brust-Krebse und der Ausschähing der Balg-Geschwülste; es erfolgt etwas noch Schlimmeres drauf, wenigstens wird der Tod beschleunigt. 246 mechanische) Mittel, sondern heilet, wo sich die einen oder die andern zeigen, einzig das grofsc, ihnen zum Grnnde liegende Miasm, wovon denn anch sein primäres, so wie seine secnndären Symptome von selbst mit verschwinden; er hat es aber, da dergleichen vor ihm nicht geschah, und er meist die Primär-Symptome *) von den bisherigen Aerz-ten schon äufserlich vernichtet findet, jetzt mehr mit den secundären, den Uebeln von den Ausbrüchen und der Entwickelung dieser inwohnenden Miasmen, vorzüglich aber mit den aus innerer Psora entfalteten, chronischen Krankheiten zu thun, deren inr nere Heilung, soviel ein einzelner Arzt nach vieljährigen Nachdenken, Beobachtung und Erfahrung an den Tag zu bringen vermochte, ich in meinem Buche von den chronischen Krankheiten darzulegen mich beflissen habe, worauf ich hier verweise. §. 903-Vor dem Beginnen der Cur eines chronischen Uebels mufs nothwendig die sorgfältigste Erkundigung 2) vorausgehen, ob der Kranke eine veneri- 1) Kratz-Ausschlag, Schanker (Schoofsbeule), Feigwarzen. 2) Man lasse sich hei Erkundigungen dieser Art nicht von den öftern Behauptungen der Kranken oder ihrer Angehörigen bethören, welche zur Ursache langwieriger, ja der gröfsten und langwierigsten Krankheiten entweder eine vor vielen Jahren erlittene Verkältung (Durchnässung, einen kalten Trunk auf Erhitzung), oder einen ehemals gehabten Schreck, ein Verheben, ein Aergernifs (auch wohl eine Be- 247 sebe Ansteckung (oder auch eine Ansteckung mit Feigwarzen-Tripper) gehabt batte.; denn dann mufs auf diese die Behandlung gerichtet werden und zwar allein, wenn blofs Zeichen der Lustseuche, (oder der, seltnen, Feigwarzen-Krankheit) vorhanden sind, dergleichen aber in neuem Zeiten sehr selten allein angetroffen werden. Rücksicht aber, wenn dergleichen Ansteckung vorangegangen war, mufs" auf sie auch in dem Falle genommen werden, wenn Psora zu heilen ist, weil dann letztere mit ersterer complicirt ist, wie immer, wenn jener Zeichen nicht rein sind; denn stets, oder fast stets wird der Arzt, wenn er eine alte, venerische Krankheit vor sich zu haben wähnt, eine vorzüglich mit Psora vergesellschaftete (complicirte) zu behandeln haben, indem das innere Kratz-Siechthum (die Psora) bei weitem die häufigste (gewisseste) Grundursache der chronischen Krankheiten ist, entweder zugleich mit Syphilis (oder auch Sykosis) verbunden (complicirt), wenn geständig letztere Ansteckungen einst gesche- hexung) u. s. w. angeben. Diese Veranlassungen sind viel zu klein, um eine langwierige Krankheit in einem gesunden Körper zu erzeugen, langé Jahre zu unterhalten und .von Jahr zu Jahr zu vergrößern, wie die chronischen Krankheiten von entwickelter Psora alle geartet sind. Ungleich wichtigere Ursachen als jene, erinnerliche Schädlichkeiten müssen dem Anfange und Fortgänge eines bedeutenden^ hartnäckigen, alten Uebels zum Grunde liegen; jene angeblichen Veranlassungen können nur > Hervorlockungs-Momente eines chronischen Miasms abgeben. 248 hen waren, oder, wie unendlich öfterer vorkommt, die Psora ist die alleinige Grund-Ursache aller übrigen chronischen Leiden, sie mögen Namen haben, wie sie wollen! §. 204. Wenn Obiges berichtigt ist, hat der homöopathische Arzt noch die Erkundigung nöthig: welche allopathische Curen mit dem langwierig Kranken bis daher vorgenommen worden waren, welche eingreifende Arzneien vorzüglich und am häufigsten, auch welche mineralische Bäder und mit welchen Erfolgen er gebrauchte, um einiger Mafsen die Ausartung seines ursprünglichen Zustandes begreifen und wo möglich diese künstlichen Verderbnisse zum Theil wieder bessern zu können. §. 205.! Nächstdem mufs das Alter des Kranken, seine Lebens-Weise und Diät, seine Beschäftigungen, seine häufsliche Lage j seine bürgerlichen Verhältnisse u. s. w. in Rücksicht genommen werden, ob diese Dinge zu Vermehrung seines Uebels beigetragen, oder in wiefern alles diefs die Cur begünstigen oder hindern könnte. So darf auch seine Gemüths-nnd Denkungs-Art, ob sie die Cur hindere, oder psychisch zu leiten, zu begünstigen oder abzuändern sey, nicht aus der Acht gelassen werden. §. 206. Dann erst sucht der Arzt in mehren Unterredungen das Krankheits-Bild des Leidenden so vollständig, als möglich, zu entwerfen, nach obiger An- 249 leitung, um die auffallendsten und sonderbarsten (charakteristischen) Symptome auszeichnen zu können, nach denen er das erste antipsorische u. s. w. Arzneimittel nach möglichster Zeichen-Aehnlichkeit für den Anfang der Cur, u. s. f. auswählt. §. 207. Der Psora gehört fast alles an, was ich ehedem einseitige Krankheiten nannte, welche dieser Einseitigkeit wegen, wo vor dem einzelnen, grofsen, hervorragenden Symptome alle übrige Krankheits-Zeichen gleichsam verschwinden, schwieriger heilbar scheinen. Dieser Art sind die sogenannten Ge-müths- nnd Geistes-Krankheiten. Sie machen jedoch keine von den übrigen scharf getrennte Classe von Krankheiten ans, indem auch in allen übrigen sogenannten Körperkrankheiten die Gemüths-nnd Geistes-Verfassung allemal geändert ist *), 1) Wie oft trifft man nicht, z. B. in den schmerzhaftesten, mehrjährigen Krankheiten ein mildes, sanftes Ge-müth an, so dafs der Heilkiinstler Achtung und Mitleid gegen den Kranken zu hegen sich gedrungen fühlt. Besiegt er aber die Krankheit und stellt den Kranken wieder her — wie nach homöopathischer Art nicht selten möglich ist — da erstaunt und erschrickt er nicht selten üher die schauderhafte Veränderung des Gemüths. Da sieht er oft Undankbarkeit, Hartherzigkeit, ausgesuchte Bosheit und die die Menschheit entehrendsten und empörendsten Launen hervortreten, welche gerade dem Kranken in seinen ehemaligen gesunden Tagen eigen gewesen waren. Die in gesunden Zeiten Geduldigen findet man oft in Krankheiten störrisch, heftig, hastig, auch wohl unleidlich, 250 und in allen zu heilenden Krankheitsfallen der Ge-müthszustand des Kranken als eins der vorzüglichsten mit in den Inbegriff der Symptome aufzunehmen ist, wenn man ein treues Bild von der Krankheit verzeichnen will, um sier hienach mit Erfolg.homöopathisch heilen zu können. 4- 208. Diefs geht so weit, dafs bei homüopathischer Wahl eines Heilmittels der Gemiilhszustand des Kranken oft am meisten den Ausschlag" giebt, als Zeichen von bestimmter Eigenheit, was dem genau beobachtenden Arzte unter allen am wenigsten verborgen bleiben kann. §. 209. Auf dieses Haupt-Ingredienz aller Krankheiten, auf den veränderten Gemüths- und Geisteszustand hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen Arzneistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den Gemüths- und Geisteszustand in dem ihn versuchenden gesunden Menschen sehr merkbar veränderte, und zwar jede Arznei anders. eigensinnig und wiederum auch wohl ungeduldig oder verzweifelt, die ehedem Züchtigen und Schamhaften findet man nun geil und schamlos. Den hellen Kopf trifft man nicht selten stumpfsinnig, den gewöhnlich Schwachsinnigen hinwiederum gleichsam klüger, sinniger, und den von langsamer Besinnung zuweilen voll Geistesgegenwart und schnell entschlossen an, u. s. w. 251 $. 210. Man wird daher nie naturgemäfs, das ist, nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem,. selbst acuten, Krankheitsfalle zugleich mit auf das Symptom der Geistes- und Gemüths-Veränderungen siehet, und nicht zur Hülfe eine solche Krankheits-Potenz unter den Heilmitteln auswählt, welche nächst der Aehnlichkeit ihrer andern Symptome mit denen der Krankheit, auch einen ähnlichen Gemüths-oder Geistes-Zustand für sich zu erzeugen fähig ista). §. 211. Was ich also über die Heilung der Geistesund Gemüths-Krankheiten zu lehren habe, wird sich auf Weniges beschränken können, da sie auf dieselbe Art, als alle übrigen Krankheiten, das ist, durch ein Heilmittel, was eine dem Krankheitsfalle möglichst ähnliche Krankheits-Potenz in ihren, an Leib und Seele des gesunden Menschen zu Tage ¦gelegten Symptomen darbietet, zu heilen ist, und gar nicht anders geheilt werden kann. §. 212. Die sogenannten Geistes- und Gemüths-Krank- 1) So wird bei einem stillen, gleichförmig gelassenen Gemüthe, der Napell-Sturmhut selten oder nie eine, weder schnelle noch dauerhafte Heilung bewirken, eben so wenig, als die Krähenaugen bei einem milden, phlegmatischen, die Pulsatille bei einem frohen, heitern und hartnäckigen, oder die Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu Schreck, noch zu Aergernifs geneigten Gemüthszustande. 252 teilen sind fast alle nichts anderes, als Körper-Krankheiten, bei denen das jeder eigenthümliche Symptom der Geistes- und Gemüths-Verstimmung sich nnter Verminderung der Körper-Symptome (schneller oder langsamer) erhöhet — endlich bis zur auffallendsten Einseitigkeit, fast wie ein Local-Uebel. $. 213. Die Fälle sind nicht selten, wo eine den Tod drohende, sogenannte Körper-Krankheit — eine Lun-genvereiterung, oder die Verderbnifs irgend eines andern, edcln Eingeweides, oder eine andere hitzige (acute) Krankheit, z. B. im Kindbette u. s. w., durch sc(.£- — 110 — 10 — reflectirende — reflectirte. — 126 letzte Z. — Purpur — Purpurfriesel. — 190 Zeile 16 — der — die. — 238 — 6 — wäre — wäre es. — 263 — 5 — Unfälle — Anfälle. Bücher-Anzeige für Homöopathen. Von dem Verfasser dieses Buches sind folgende Schriften bei uns erschienen, und durch alle namhafte Buchhandlungen für die beigesetzten Preise zu bekommen: Dr. S. Hahnemann, Organon der Heilkunst. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, mit dem Bildnisse des Verfassers, gr. 8. Velinpapier. Im Pränumerations-Preise 1 Thlr. 18 Gr.; der spätere Ladenpreis ist 2 Thlr. 8 Gr. Dr. S. Hahnemann, reine Arzneimittellehre, lr Band. • Zweite, sehr vermehrte Auflage, gr. 8. 1823. 2 Thlr. 12 Gr. Deren zweiter Theil, mit einer Abhandlung : Geist der ho möopathischen Heillehre. Zweite vermehrte Auflage, gr. 8. 1824. 2 TIdr. 12 Gr. Deren dritter Theil, mit einer Abhandlung: Die Quellen der gewöhnlichen materia medica. Zweite vermehrte Auflage. 1825, 2 Thlr. 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