Zum Mutzen und VcrMMN. -----------« 38 «—-------- Freytag, dcn 20. September 1822. Ein Reiseabenteuer. (Beschluß). ^er Morgen gmg hin unter diesen und ähnlichen Vermuthungen. So oft ich ein Glaubenssystem gebildet ^tte, wavf es auch irgend eine Vewegung des Unbe-^"'uen über den Haufen, und setzte alle meine Gedan-l«N wieder in Verwirrung. So sind die Arbeiten eines beberhafcen Gemüthe« in der Einsamkeit. Meine Ner-«en waren, wie gesagt, sehr schwach; und ba3 bestände Nachdenken über die Angelegenheiten des unslcht. 5"en Mannes sing an zu wirken; ich gerieth in die Zlößte Unruhe. Die Ti chzeit kam endlich heran. Ich hoffie, der ^"te Herr winde im Gastzimmer speisen, und ich dürft ^ ihn entlich zu Gesichte bekommen; aber nein — er ^ß sich das Essen aufs Zimmer bringen. Was konnte ^se Einsamkeit und Heimlichkeit z» bedeuten haben? > Erlonnte kein Radical seyn; es lag etwao z"A.!sto-! ^tiftitg in seiner Absonderung von der übrigen Welt, ""d seinem Alleinseyn an einem so langen unfreundlichen ^g«. Auch lebte er für einen unzufriedene!, Politiker l"8Ut. Es wurden ihm nicht wenig Schüsseln hinausjagen, und er hiclt sich an seinen Wein, wie ein ' 'ht?r Freund des Wohllebens. Auch machte er meinen ! ^eifels« hinüber dalo ein Ende, denn seine erste Fla-^« tonnte noch nicht geleert seyn, als ich ihn ein Lied l"Mmen hone, und als ich horchte, war es ^1 52,0 ^ Kmg. Er war also kein Radical, fondern ein ^^euerUnterchan; einer, der über femerFlasche loyal ^"d, und bereir war, bey ftinem König und der Ver, fassung zu st den, wenn er bey nichts anderm mehr z : ste hen vermochte. Aber wer konnte es seyn ? Meine Muthmaßungen liefen in die Irre. War es nicht irgend ein vornehmer Mann, der Incognito reiste? „Gott weiß," sagte ich ganz verplüfft, „vielleicht ist's wohl gar einer von der königlichen Familie, was weiß ich, das sind ja alle fette Herren?" Es regnete noch immer. Der geheimnißvolle Unbekannte blieb in feinem Zimmer, und so weit ich vermu« then konnte, auf seinem Stuhl, denn ich hörte keine Bewegung von ihm. Inzwischen als es spater wurde, ward das Gastzimmer lebhafter. Einige, die eben ange-kommen waren, tarnen in ihre Oberröcke gehüllt herein; andere fanden sich ein, die ausgegangen gewesen. Einige asten zu Mittag, andere tranken Thee. Ware ich in einer andern Gemnthöstimmung gewesen, so würde ich wahrscheinlich in dem Studium dieser besondern Men. daben. Vor allen waren derer zwey, welche die bekannten Spaßmacher unter den Reisenden zu seyn schienen, und mit allen auf der Landstraße üblichen Schnurren vertraut waren. Der Anfwärterinn, die sie bald Louise, bild Echelinde und bey einem Dutzend anderer schöner Nahmen nannten^ wußten sie eine Meng« Zweydeutigkeiten zu sagen, und freuten sich ungemein über ihre eigenen Scherze. Ich war aber zu sehr mit dem fetten Herrn beschäftigt: er war den ganzn, langen Tag von meiner Einbildungskraft verfolgt worden, ich konnte also auch jetzt die Jagd nicht aufgeben. Der Abend ging allmahlig vorüber. Die Reisenden lasen die Zeitung zwey b:'6 drey Mahl burch. Einige versammelten sich ums Feuer und erzählten lange Geschichten von ihren Pferden, ihren Abenteuern und Un-füN?n auf der Landstraße. Sie besprachen den Rni verschiedener Kaufleute und Gasihöfe, und die Spaßmacher wußten manches von hübschen Stubenmädchen und gutherzigen Wirthinnen zu erzählen. Alles dieses geschah während sie ihre sogenannten Nachtmützen zu sich nahmen, d. h. Gläser voll starker Mischungen von Branntwein oderandewr geistigen Getranke-mit Wasser und'Zucker; worauf Einer nach dem Andern den Schuhknecht und das Stubenmädchen herbeykimgelte und in alten, gar wundersamen, unbequemen Pantoffeln voll zerschnittenen Schuhen zu Bette ginge,,. Es blieb nur noch ein Mann zurück; ein kurzbeiniger, langrumvfiger, vollblü igcr Kerl mit einem ungemein dicken gelben Kopf. Er saß allein über eintM Gl>,s Portwein und Wasser mit einem Löffel, schlürfend und rührend, nachsinnend und schlürfend bi5 nichts mehr im Glase blieb als der Löffel. Allmahlig schlief er dann terzengrad auf seinem Stuhle sitzend, wit dem leeren Glase vor sich, ein; und auch die Lichter schienen einzuschlafen, denn der Docht wurde lang, dlck und hrect an der Spitze, und verdunkelte.das wenige Licht, das im Zimmer 'geblieben war. Die herrschende Finsterniß ward ansteckend. ?ln den Wänden umher hingen die unförmlichen und beynahe geisterähnlichen Oberröcke der Reisenden, die jetzt schon lange im Schlafe begraben lagen. Ich vernahm nur das Pickern der Uhr, mit den schweren Athemzügen des schlafenden Trinkers, und das Tröpfeln des Regens von der Dachtraufe; die Kirchen« glockcn läureten Mitternacht. Plötzlich sing der fette Herr über mir sich zu bewegen an und schritt langsam auf und ach. In allem diesen lag etwas ungemein Schauer-Haftes, besonders für einen in meinem Nervenzu^n-de. Diese gesoensterischen Oberröcke, dieses Schnarchen, und die krachenden Schritte jenes geheinuiDvollen Wesens. Seine Schritte wurden schwächer und schwacher und verloren sich endlich ganz und gar. Ich fühlte mich zu dem verzweifelten Muche eines Romanenhelden getrieben. „Sey er, wer er wolle," rief ich bey mir selber, „ich muß ihn sehen!" Ich ergriff ein Licht und eilt« «ach Nro. i5 hinauf. Die Thüre war angelehnt. Ich zauderre— ich trat hinein. Das Zimmer war leer. Da stand ein großer, breüsil^ger Armsessel beym Tisch, auf welchem sich ein großes leeres Glas und ein Blatt von den Times befanden, und oie Stilbs roch starr nach Käse. Der geheimllißvolle Fremde hatte sich ebill erst entten',t. Ich begüb mich vollVerdruß in mei> Zimmer, welches man mir im vorbern Theil des Hauses eingeräumt hatte. Als ich über den Gang wegschritt, bemerkte ich ein großes Paar Stiefeln mit schmutzigen ^ gewichsten Umschlägen vor der Thüre eines Schlafzimmers. Ohne Zweifel gehörten sie dem Fremden; aber einem so schrecklichen Wesen in seine Höhle zu folgen, war doch gefährlich; er konnte mir eine Pistole oder noch etwas schlimmeres nach dem Kopf feuern. Ich ging daher zu Bette und blieb die halbe Nacht hindurch in der gröhien Unruhe wach liegen; und selbst als ich eing^ schlafen war, verfolgte mich der Gedanke an den fet-ten Herrn und seine großen Stiefeln. Ich schlief stwas lange am folgenden Morgen, und ward durch ein ungewöhnliches Laufen und Nennen »stt Haufe gestört; ein Postwagen hielt vor dem Tyore. Aul ein Mahl rief's: „Der Herr hat seinen Negensch«^ vergessen; seht doch nach in Nr. i5l« Den Augenbt^ darauf lM'le ich das Rennen eines Smbenm^dche^' über den Gang, und ihre gellende Stimme rief imLaU-, fen: „Hier ist er; hier ist des Herrn Regenschirm!" Der gtheimnißvolle Fremde war also auf dem Puncte abzureisen. Dieß war der einzige Moment, wo ich lhl> noch sehen tonnte. Ich sprang vom Berte, lief ans 3^ ster, riß den Vorhang hinweg, und erblickte nur eben noch den hintern Theil eines Mannes im Kutschenschla^ ge. Die Schösie eines braune» Nocks standen hüue" von einander und gewahrten mir eine volle, Aussicht aus die breite Scheibe eines Paares grünlicher Peinkleider. Der Schlag flog zu — „alles richng (ivli ri^llt) !" ^ das Wort — der Magen rollce fort! — und oieß war Alles, was ich je von dem fetten Herrn erfahren habe. Ein Parr,scharfe Züge aus Swifts Charakter. Die Bettler-Hochzeit. (Aus dcm Wanderer). Dieser Mann, dessen seltene Gelehrsamkeit, Genie und ein mit allen Gaben des Geistes geschmückter Umgang ihm sowohl den Zutritt in die Zirkl der ge- bildeten Mittelstände als in die Prmilfale der Pairs von Großbritannien öffnete, fand es doch bisweilen (der Sonderbarkeit wegen) nicht unter semtr Winde, sich unter die Classen der niedrigsten Stände zu mischen. Um, wie er sich ausdrückte, den Menschen in seiner Nacktheit kennen zu lernen, und um Stoff zu sinden, sein Zwerchfell zu erschüttern. Während seines Aufenthalts auf dem Lande hörte er einst, daß in der nächsten Umgebung seiner Dechan-tey «ine Bettlerhochzeit gehalten werden sollte. Welch ein willkommenes Fest für Swift, dessen Geist aus jeder Veranlassung-Stoff zum Lachen und zur Satyrs schöpfte, deren scharfe Geisel eben so wenig die hohen Gewalthaber als die niedrigsten Bettler verscholtte. Um ungestört dieses etwas baroke Vergnügen zu genießen, bcrederc er seinen Freund , den Docior She-tidan, sich als einen blinden Geiger z« verkleiden/ dem er sich, ebenfalls verkleidet/ alsFührer anboth. Swifr verband selbst seines Freundes hellsehende Augen mit einem Tuche, gab ihm ei:) ihrem voll. kommen gesunden Zustande und ihrer ungezahmren Fröhlichkeit ganz und gar nicht abmerken konnte, daß dieselben Menschen gestern, mir allen Leiden und Gebrechen des Körpers behaftet, an den Landstraße« das Vlltleid de> Vorübergehenden zu brandschatzen wußten. Die gedeckten Tafeln bogen sich unter leckeren Speisen aller Art, die schaumenden Becher kreiseten uncer einem Nlbelnden Lebehoch; man tanzte, man sang, kurz die zügelloseste Freude schien in oem Kreise dieser armseligen Heuchler ihren Wohnsitz aufgeschlagen zu haben. Die Ankömmlinge, obwohl über alle Erwartung vZn dieser seltenen Erscheinung überrascht, wußten doch 'hre Rollen zu behaupten, und näherten sich durch ihr Benehmen' dem Tonc dsc honett»'» Gesellschaft. Der scheinbare Blinde mußte fleißig den Tanzenden vorsidel« und sein Führer trug durch seine joviale Laune eben-fallö zur Haltung des Ganzen bey. AIs sie, von dieser derben Unterhaltung übersät-tigt, das Vachanalfest deS Elends verließen, über. häufte man sie mit Danksagungen und Lobsptüchen; dem Virtuosen aber, wie man ihn nannte, und seinem lustigen Führer reichre man ein Geschenk, welchei zu geben ein Baronet sich nicht hatte schämen dürfen. Die beyden Herren kehrts» nun nach Haufe, begleitet von heiterer Laune, die jedoch ein gerechter Un wille über die Ben'ügerey dieser Heuchler trübte. Am folgenden Morgen ging Swift mir Doctor Sheridan, wie gewöhnlich gekleidet, in der Umgegend spahieren, und sie fanden zu ihrem größten Erstaunen alle Mitglieder der hochachtbaren GeseNfchaft, die gestern in der Fülle der Gesundheit sich sorglos jedem Genusse hingaben, wie durch den Stab der Circe wieder in die bejammernswürdigsten Bilder des Elends verwandelt, ütl den Straßen und in den nahen Dörfern zerstreut. Jeder dieser Nichtswürdigen stimmte eine herzdurchbohrende Klage an, und suchte durch Erzählungen außerordentlicher Unglücksfalle Almosen von den beyden Herren, die ma!, im gegenwartigen Anzüge nicht kamne, zu e>'pr.'ss.'ii. Einige, die sich gestern m AnZlaisen und Eecosai-sen sehr siink herumtrieben, hinkten nun gleich Schatten auf Krücken; Andere, die gestern nach leäernBra-ten und vollen Glasern sehr scharf schielten, waren heute des Auqenlichcs gänzlich beraubt. E hcridan warf das, gestern vcn diesem Gesinde! für seine Kunstleistung empfangene Honorar unter sie; der strenge Swift hingegen trat hinzu, und sprach mit donnernder Stimme: „Nichtswüidige Vagabunden! wir wohnten gestern euerem Bachanal bey. Hier ist der blinde Virtuos, ich bin sein Führer. Wir kennen nun euere schandliche Betrügerei). Wenn ihr handfesten Taugenichtse keinen ehrlichern Erwerb, um euch zu näh-rc„, wählt, und fortfahrt, wahrhaft Bedürftige durch eucre Heuchele») um ihre Unterstützung zu bestehlen, so sollt ihr Alle für euere Verbrechen schwer im Cor-rettionshause büßen." Diese energische Philippik bewirkte plötzlich eiu Wunder. Die Blinden wurden sehend, die Lahme» wurden tz^ade; kmz, alle Leidenden wurden gesund, ivarfen die Krücken weg und liefen davon. Die strengst« Wachsamkeit der Behörden vermag leider auch in unserer Zeit die Auiübung dieser schändlichen Verwandlimgen nicht immer zu verhindern; mir und einigen meiner Freunde sind selbst mehrere glückliche Versuche in dieser ehrlosen Schauspielkunst wohl bekannt. Berechnung der Sterblichkeit der Menschen. Wenn man annimmt, daß auf der uns bekannten Erde tausend Millionen Menschen wohnen, so entsteht alle 55 Jahre ein neues Menschengeschlecht; denn während diesei Zeitraumes sind tausend Millionen gestor-hen. ^. Nach dieser Rechnung ist die Anzahl der Gestorbenen: In einem Jahre . . Is>,ooo,noo. In einem Monath . 2,5oo,ooo. In einer Woche . . 623,ooa. In einem Tage . . L2,noo. In einer Stunde. . 3,^0«. In einer Minute . 60. In einer Secunde . z. M i s c e l l e n. Die Stadt New-Orleans in Amerika hatte bekanntlich vergangenes Jahr dem Schauspieler Talma In Paris das Anerbiethen gemacht, drey Monathe in dieser Stadt zu spielen. Es wurden ihm dafür 100,000 Francs zugesagt, und der Notar Gilberc in Paris be-tam bcn Auftrag, diese Summe dem Künstler auszuzahlen, wenn er den Vorschlag annehmen würde. Der geschehene Antrag blieb lange Zeit unbeantwortet, bis denn endlich in dem Neworleans-Journale I';u,n 6«2 loiä nachstehende abschlägige Antwort des Künstlers gedruckt erschien. Paris im Immer 1L22. An Herrn Davis. Mein Herr! Ich würde das Vergnügen gehabt haben, auf Ihre Zuschrift früher zu anuvone.i, wenn «in unaufhörliches Stadium und Arbeiten ohne Maß, mir du Möglichkeit da^u gelassen Hütten; aber d:e sicy immer neu gebarenden Beschäftigungen des Theaters rauben mir jeden Augenblick und lassen mir kaum die Muße, an meine eigenen Angelegenheiten zudenken. Ich sinde mich deßhalb beynahe von der wirklichen Welt ausgeschlossen, und die'Abgeschiedenen der poetischen Welt, in die ich verwiesen bin, lassen mir nur selten die,Z'?it, mich mit den Ltdenben zu beschönigen. Dieß/ mein Herr, ist der wahre Grund meiner v.'rspontett Antwort. — Ich kann mich nur geschmeichelt iühlen, durch Ihre gefällige Einladung, auf Ihren Küsten z" erscheinen, und die Güte, mit der Sie diese Eii.Iad»ng einkleiden, kann nur mein Bedauern vermehren, dem Rufe keine Folge leisten zu dürfen. Unglücklicherweise fange ich an, die Stufen des Lebens hinabzusteigen. Ich sehe mich umgeben von einer Familie, die in ihrem noch zarten Aller alle meineAufmelksamleit in Anspruch nimmr. Es ist, mir daher nicht mchr erlaubt, meine Gesundheit den Beschwerden einer Seereiss oder l»eM Einfluß eines e>itfermen Clima's auszusetzen. De^ ungeachtet geschieht es nur nach einer langen zweifelhaften Verlegung, daß ich der Begierde widerstehe, einen gewissen Verdienst zu ernten und einen Theil de«-' Wunder der neuen Welt in Augenschein zu nehmen. Die bloße Idee, die Verse eines Corneille oder Nacilie in Ihren schonen Regionen, an den ufern des schö^ sten Flusses der Welt, wiederhallen zu machen, lächelt meiner Einbildungskraft in lieblichen Farben zu. Aber der Ocean steht zwischen ihr, meinen Kindern und mir selbst, und ich kann mich von meinen Kindern nicht trennen. — Ich bitte Sie, mein Herr, dasi^?^ und alle diejenigen, welche an jener Einladung guu Antheil genommen haben, den lebhaftesten Ausdruck meiner Dankbarkeit annehmen wollen. Ich habe die Ebre :c. Talma. Logogryph. Das Ganze ist, so spricht ein großer Dichter, Der Menschheit ewiqe Neqwub'gung; Nimm ihm den Kopf. so isl'ö von a ocrem Gellcyie?, Und dient den Hmigcrndeu zur Sättigung. Auflösung der zmeysylbigen Charade in Nro. Z7< B r a u r k r a n z.